Nr. 269
Dienstag, 19. November 1935
15. Jahrgang
Etaräpnls 70IMW («iMchli.eiich 1 Heller Po<M
IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«. Telefon non. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  ! WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .
Das große Spiel um China  
Japan   gegen England
Schanghai.(Reuter.) Den Pei- Vinger Behörden bleibt nnr die Ent­scheidung zwischen zwei Möglichkeiten Übrig: entweder darauf einzugehen, daß Nordchina von der Rankingregierung abgetrennt werde oder sich damit ab- -«finden, daß sich die japanische Armee eines großen Telle- chinesischen   Gebie­tes bemächtigt. Ost-Tschactiar besetzt Peiping.(Tsch. P.-B.) Sonntag wurdk liier bekannt, daß 2000 Mann der sogenannten «mongolischen  " Kavallerie sechs Distrikte von Ost»Tschachar besetzt haben. Das besetzte Gebiet umfaßt das größte Eisenerzvorkom­men in Nordchina«nd reicht an di« Tuiyuan-Bahn Hera». Diese Truppe dürfte iden­tisch sei« mit der von den Japanern aufgestell­te»mongolischen Avantgarde", die aus Teilen der früheren Armee der ostasiatischen Liga besteht. $ Di« Gegensätze zwischen den großen Im­perien, deren Einflußzonen in China anein­andergrenzen«nd einander durchdringen, sind seit Wochen stündig im Wachsen. Europa   muß diesen Vorgängen aus zwei Gründen das schärfste Augenmerk zuwenden. Einmal droht von China   her unter Umständen rin Welt­krieg, in den wir unfehlbar hineingeriffen würden, zum andern wird schon heute die Haltung Englands in allen euro  - päischea Fragen nicht zuletzt seine Plötzliche Zurückhaltung im abessinischen Konflikt durch die Rücksicht auf Asien   bestimmt. In der jüngsten Zeit nimmt Japan   in China   ein« überaus bedrohliche Haltung an. Sie ist durch die chinesische   Finanz, r e f o r m ausgelöst worden. Diese Reform durchkreuzt aber auch die Jntereffen Amerikas  , so daß die merkwürdige Lage entsteht, daß die alten Konkurrenten Japan  «nd Amerika   in eine teilweise Jntrressenglrichheit geraten sind, ebenso wie auf der andrvn Seite Rußland   und England, während die bisherigen Verbündeten einander entfremdet werden. Die nachfolgende Darstellung skizziert zu- nächst einmal die wirtschaftlichen Hinter­gründe des Ringens«m China   und der chine­sischen Balutareform. Selbstverständlich braucht aus den Gegensätzen nicht unbedingt ein Krieg zu entstehen. ES ist durchaus möglich, daß sich die Imperien auf Kosten Chi­ nas   ausgleichen und nur ihre Machtsphären ne«««steilen. (Ules) Die militärische, politische und wirt« ichaftliche Expansion des japanischen Jmperialis- wus- in 1 China, die antinationale Politik der ^anking-Regierung und der Feldzug gegen Sowjet-China sind die Hauptfaktoren in der Ver­schärfung der chinesischen Wirtschaftskrise. Die Landwirtschaft Chinas   leidet an der großen Ver­ringerung des Exportes und der Preissenkung Hauptprodukte- der Ausfuhr Tee und Seide. Die Senkung des Weltkonsums und die Konkurrenz des japanischen und indischen Tees berursachten eine Exportverringerung, die in der Zeit von drei Jahren 30 Prozent erreicht hat. Die Scidenproduktion hatte nicht nur durch Ex­hortverringerung(in acht Jähren mehr als 10 Prozent) sondern durch Einfuhr von Kunstseide, hauptsächlich aus Japan  (der Preis für chine­sische Seide sank in fünf Jahren um 24 Prozent) AU leiden. Die Verringerung der Konsumfähig« 'eit der Massen rief eine große Pleitewelle her­vor. Der Kapitalmangel, von dem die chinesische  Industrie betroffen ist, und die Verteuerung des Kredites erschweren die Manöviexmöglichkeiten der chinesischen Unternehmen. Die Ueberschwemmung M Landes mit japanischen Waren wuchs im Zu­sammenhang mit der Verringerung der Zölle für
Verschärfung der Imperialistischen Gegensätze In Ost-Asien Vor der Losrclßung Norddilnas von Nanking
Tokio. Wie die Agentur R e n g o meldet,' prophezeien Presseberichte aus Peiping die vor­aussichtlich für den 20. November bevorstehend« Ausrufung einer autonomen Regierung der fünf nordchinesischen Provinzen, Hopai, Schantung, Schangfi, Tschachar«nd Suiyann. Gestern fand i« Peiping eine wichtige Besprechung der Ver­treter der fünf nordchinesischen Provinzen statt. Die bevorstehende Proklamierung wird, den Pressemeldungen zufolge, zahlreiche Beispiele der schlechten Berwaltung der Nanking  -Regierung aufzählen, wobei besonder- auf die Rationalisie­rung deS Silbers hingewiesen werde» wird. General O k a m« r a erklärte in einem Presse-Interview, daß di« Basis für die Ausbeu­tung der östlichen Völker durch England in China  liege. Der Friede imFernenOste« könnenurwiederher gestellt werden, wenn Englands Einfluß in China   gebrochen sei. * ch die wichtigsten japanischen Importwaren. Zur sel­ben Zeit wuchsen aber auch die Steuern, die die chinesischen Unternehmen belasteten. Durch alle diese willkürlichen Maßnahmen wurde China  aus einem der größten Agrarländer zu einem Importeur von Lebensmitteln. Die hohen Zinssätze und die Flucht des Geldes ins Ausland führten dahin, daß der Geldkurs für die chinesischen   Exporteure ungünstig wurde und ernste Schwierigkeiten auf dem Geldmärkte ent­standen. Die weitgehende Entwicklung der japa­nischen Invasion und die Kapitulation der Nan­ king  -Regierung vor dem japanischen Imperialis­mus verschlechtern unaufhörlich die wirtschaftliche Lage Chinas  . Die Eroberung von Mandschukuo war schon ein schwerer Schlag für den Außenhan­del und die Finanzen Chinas  , die Abtrennung Nord-Chinas bedeutet den Uebergang der haupt­sächlichen Baumwollgegenden, der Reserve an Kohle und Erze in japanische Hände. Japan  strebt die Umwandlung Cchinas in eine Rohstoffbasis des japani­schen Kapitals an. Die Nanking  -Regierung, die in eine aus­wegslose Finanzlage geraten, ist unfähig, dem Drang des japanischen Imperialismus Halt zu bieten, der in den nordöstlichen Provinzen japa­nische Berater einsetzte. DieseBerater" führen die Geschäfte und bereiten den Uebergang der Gebiete in japanische Hände vor. Japanische Militärs und Instrukteure stehen bei den Nan­ king  -Truppen, die gegen die Rote Armee   kämpfen. Zur selben Zeit verschärft sich auch der Kampf unter den Imperialisten. England hat seinen Finanzexperten Leith Roß nach China  geschickt, der sich mit Japan   über die Ausbeutung Chinas   verständigen sollte. JapaG stellte aber folgende Bedingungen für die Verständigung auf: England müsse Japans   Vorherrschaft über China  anerkennen und im ganzen britischen   Reich für den japanischen Handel und das japanische Kapi­tal eineoffene Tür" schaffen. Diese Bedingun­gen wurden selbstverständlich nicht angenommen und Leith Roß fuhr von Japan   nach China  . Das Resultat seiner Reise nach China   liegt schon vor. Die Nanking  -Regierung, hat Finanzdekrete ver­kündet, die weittragende Konsequenzen in der in­ternationalen Politik im allgemeinen und für China   im besonderen nach sich ziehen können.- Die von der Nanking-Regierung auSgege«
schen Silberdollars gegen Papiervalutm Die Silberreservenwerden na t i ö« nalisiert und das ganze vorhandene Silber muß den Staatsbanken gegen das untauschbare Papiergeld abgeliefert werden. Die Zentralbank von China   ist beauftragt, die Stabilität des Papierdolla r s aufxechtzuerhqlten. Sie ist zu diesem Zweck ermächtigt, ausländische Valuta in unbeschränkter Höhe einzukaufen. In
I gewöhnlichen kapitalistischen   Verhältnissen wird ! jede Denunzierung des Metallstandardes, selbst des silbernen, und der Uebergang zu einer un­tauschbaren Papiervaluta als Valutakatastrophe angesehen. Die Maßnahmen der Nanking  -Regie­rung werden aber als Erfolg der Kuomintang, Mächt betrachtet. DieTimes" schrieben vor einigen Tagen:Die chinesische Regie­rung hat ein sehr umfassenlies Programm der Reorganisierung der Staatsfinanzen und i des Budgets, der Geldreform und der Sta­bilisierung der Valuta, der Gründung einer ! unabhängigen Zentralbank, die eine unteil« !bare Kontrolle über die Emissionen besitzen | soll, angenommen. Mit einem Wort, China   wird ! zukünftig eine untauschbare Papiervaluta haben, | die die Regierung auf dem Niveau der heutigen i Pfundparität aufrechtzuerhalten sich bemühen wird. Das englische Pfund wird formal keine Grundbasis für die chinesische   Valuta sein, die Verbindung zwischen ihnen wird aber durch die ^Maßnahmen der Regierung hergestellt." Einen Tag später(8. November 35) veröffentlichte die­selbe Zeitung«in Telegramm aus Schanghai  , daß das Komitee der Regulierung des Valutakurses in Schanghai   den Dollarkurs auf 1 Schilling'2.5 Pence- fixiert hat. Diesen Mitteilungen nach ist also anzunehmen, daß derchinesisch«Dol­lar dem englischen Pfund ange« hchngt wird. Es ist kein Wunder, daß Leith Roß diese Maßnahmen öffentlich gutgeheitzen hat und daß der britische Botschafter dekretiert, daß die Engländer unter Gerichtsstrafe dem Gesetz der Nanking  -Regierung Folge zu leisten haben. Es ist auch kein Wunder, daß die japanische Presse wütet und die japanischen Militaristen England sowie Schanghai   Verrat vorwerfen. Die Japan  «« Weizern sich, dem chinesische» Schatzamt die Silberreserven aus den japanischen und chine­ sischen   Banken in Nordchina, das in der japa­nischen Einflußzone liegt, abzuliefern. Aus der Mitteilung derTimes" geht Kar hervor, daß die Geldreform nur einen Teil eines umfassenden Finanzplanes in China   darstellt. Es besteht kein Zweifel, daß die Geldreform von Nanking   vor allem die Stellung des englischen Imperialismus festigt. Der Schanghai  -Dollar wird zu einer von England abhängigen Valuta. Bis heute war er«in Spielzeug in den Händen des amerika­ nischen   Kapitals, das seit 1934 die Politik des Auskaufes von Silber auf den internationalen Märkten treibt. Die Preissteigerung des Silbers, die als Resultat der amerikanischen   Käufe er­schien, rief in China   eine scharfe Balutenkrise hervor. Noch brr einem Jahre war die Nanking  - Regierung gezwungen, einen besonderen Zoll für Siwerexport einzuführen, um das Silber zu je­dem Preis im Lande zu behalten. Dies gelang schon deshalb nicht, weil die passive Bilanz des Außenhandels mit Silber gedeckt werden mußte. Nach offiziellen Angaben wurden 1934 etwa 268 Millionen Unzen Silber exportiert. In den 10 Monaten dieses Jahres sollen schon über 200 Millionen Unzen das Land verlassen haben. In Wirklichkeit war der Silberabfluß Niel bedeuten­der. Das Silber begann also aus dem Umlauf zu verschwinden., Die Lage in China   vor der Reform stellte folgendes Bild dar: Die Staatsfinanzen und Warenmärkte waren im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Silbers von einer völligen Auflösung bedroht. In der Zone, wo der inter­nationale Handel stattfinden konnte, häufen sich Pleiten bei Banken und Handelsunternehmen. Die Geldreform muß also unter ungünstigen Verhältnissen vorgenommen werden. Diese Re­form wird die chinesische   Valuta vom direkten Druck der amerikanischen   Silbervaluta befreien. Dieser Druck wird aber nicht vollständig ver­schwinden, da der Uebergang vom Silber zum Papierümlauf, besonders in China  , nicht einfach ist und der Schanghai  -Dollar nur eine der vielen Arten der chinesischen   Valuta darstellt. England Wird aber bald die Silberreserven Chinas   unter seiner Kontrolle haben, während sie bisher die . j Hauptquellen der Silberreserven des amerika  - benen Dekrete befehlen den Umtausch des chinesi«' irischen Schatzes wagen. Die englischen Jnvesti« ' tionen in China   selbst erreichten 1929 nach ame ­rikanischen'Angaben 244 Millionen Gold­pfunde. Sie waren bedeutender als die ameri« kansschen und japanischen. Auf der Londoner Börse werden über 30 Millionen Pfund chine­sischer Anleihen gehandelt, von denen etwa ein Drittel von Nanking   nicht bezahlt werden. Die Regulierung des chinesischen Schuldensystems ist zweifellos ein Teil des englischen Planes.
Arbeiter und Industrie Drei lehrreiche Vorfälle Alt ist die Klage der Industriellen darüber, daß die Arbeiter, insbesondere jene, welche vom Klaffenkampfgedanken erfiillt sind, zu wenig Interesse an dem Wohl und Wehe und an dem Fortbestand der industriellen Un­ternehmungen haben. Ein paar Ereigniffe aus der letzten Zeit zeigen uns, wie weit es mit diesen Behauptungen her ist und daß in Wirklich­keit das Gegenteil der Fall ist. Unsere Leser sind über die Vorfälle in Oberadersbach und Tellnitz bereits unterrichtet. In O b e r- A d e r s b a ch hat die Leinen« Jndustrie-A.-G. ihren Betrieb stillgelegt, wo­gegen die Arbeiter lebhaft protestierten und den Betrieb besetzt haben. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat in der Tat gegen die Einstellung des Betriebes Stellung genommen, da jedoch eine Einigung mit dem Handelsministerium nicht er­zielt werden konnte, konnte die Sperrung des Be­triebes nicht verhindert werden und die in Ober- Adersbach beschäftigten Arbeiter vermehren nun die Zahl jener Unglücklichen, die gern arbeiten möchten, aber nicht können.> Etwas bester steht die Situation in der Por­zellanfabrik Tellnitz  . Wir haben darüber vor einigen Tagen ausführlich berichtet und» darge­legt, daß diese Fabrik nur deswegen in Schwie­rigkeiten geraten ist, weil der frühere Inhaber an einem anderen Betriebe beteiligt war, dessen Un­tergang die Tellnitzer Fabrik mitbedroht. Die Fabrik könnte vom rein industriellen Standpunkt betrachtet, weiter arbeiten und ihr« 200 Ange­stellten»nd Arbeiter beschäftigen, denn der Ge­winn beträgtin dieser Zeit der Krise noch immer fünfProzentd es Umsatzes. Auch für die nächsten Wochen besitzt die Fabrik genü­gend Aufträge. Als nun die Tellnitzer Keramischen Werke erklärten, den Betrieb stillzu­legen, schritten die Gewerkschaften ein und haben auch erreicht, daß die Aussiger Bezirksbehörde eckt- schieden hat, der Betrieb müsse weiterge­führt werden. Es wurden nun Verhandlungen eingeleitet, um diese provisorische Entscheidung zu einer evdgültigen zu niachen. Womöglich noch krasser sind die Verhältnisse bei der Firma Marbach und Ricken in Rauschen­grund bei Oberleutensdorf, wo um die Stillegung der Spinnerei und die Entlassung von 200 Be­schäftigten angesucht wurde. Begründet wird die­ses Ansuchen damit, daß die hohen Gestehungs­kosten die Rentabilität der Erzeugung nicht mehr gewährleisten. In Wirklichkeit aber hat diesen Betrieb die Luderwirt­schaft seiner Besitzer ruiniert. Wa­da geschehen ist, ist vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ein Verbrechen an unserer Textilindustrie. Ein in Wien   ansässiger Berwaltungsrat der Firma hat wie wir demTextilarbeiter" entnehmen bis vor kurzem außer den Tantiemen noch eine nMonats gehalt von 15.000 XL erhallen und ein anderer Aktionär, der etwas bescheidener war,nur" 8000 XL monat­lich. DerGehalteineseinzigenVer« waltungsratsmitgliedes be« la st et jedes Kilogramm erzeug­tes Garn mit einer Regie von 18 He Ilern. Einige andere Aktionäre haben sich wieder Sondereinnahmen in der Form verschafft daß sie der Firma Geld für hohe Zinssätze ge­liehen haben! Durch diese enormen Profite, welche die Besitzer aus der Fabrik gezogen hgben, haben sie dem Betrieb das ganze Blut aus den Adern gesogen und die Fabrik gezwungen Geld aufzu­nehmen, die sie naturgemäß mit hohen Zinsen be« lastet^wodurch die Erzeugung vom finanzlapita« Wischen Standpunkt unrentabel wird. So wird ein an und für sich gesunder Betrieb ruiniert. Auch in diesem Falle sind die Gewerkschaften e i n g«schritt en und haben auf GLund des Gesetzes über die Betriebsstillegungen das ein Erfolg sozialistischer Mitarbeit in der Koalition ist und dessen Wert heute in Arbeiterkreisen voll anerkannt Wird bei der Bezirksbehörde den Er­folg erzielt, daß 400 Arbeitern und An­ge st elltender Arbeitsplatz geret­tet wurde. In allen drei Fällen, die wir hier geschildert haben und auf die wir die Aufmerksamkeit d«r gesamten Oeffentlichkeit lenken möchten, haben sich «die Besitzer des Unternehmens dafür einge« I setzt, daß Betriebe, die Aufträge haben und Wei« Iterarbeiten können, vom Erdboden verschwin-