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Dienstag, 19. November 1935
Nr. 269
den,' während die Arbeiter ihren ganzen Politischen und gewerkschaftlichen Einfluß dazu verwendeten, um diese Betriebe zu erhalten. Wie vielen Industriellen bedeutet der Besitz der Unternehmungen nur noch eine Rente, mißratene Söhne tüchtiger Väter, welche die Industrie in den deutschen Gegenden dieses Staates gegründet haben, haben in Wirklichkeit kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung der Industrie, sondern haben kein höheres Ideal, denn als Rentner weiterzuleben und wenn dabei ihr Unternehmen auch vollkommen verschwindet. Wie viele Fabrikanten haben ihre Unternehmungen an Kartelle verkauft, worauf das Kartell die Betriebe stillgelegt hat und den früheren Besitzern nun eine jährliche Rente zahlt. Die Arbeiter haben dagegen in einer Reihe von Fällen schon bewiesen, daß sie das stärkste Interesse an der Erhaltung unserer Industrie haben, ja, daß sie vielfach zu Trägern des industriellen Gedankens werden, daß sie die Industrie, auf der der Wohlstand und die Kultur der deutschen Bevölkerung dieses Landes beruht, erhalten wollen, damit ein großer Teil des deutschen Volkes in der Tschechoslowakei nicht
London . Mehr als 50 Staaten, die sich verpflichtet haben, im Sinne des Artikels 16 des Bölkrrbundspaktes ihre Pflicht-« erfüllen, haben mit dem gestrigen Tage die Vorschläge des Ko- ordinationsausfchnffes des Völkerbundes in Kraft treten, durch die die Einfuhr aus italienischem Gebiet und die Ausfuhr nach Italien für einer Reihe von lebenswichtigen Erzeugnissen verboten wird. Bon den Staaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, hat Aegypten den Mitgliedsstaaten des Völkerbundes bekanntgegeben, daß eS sich ihren Aktionen anschließt. Gleichzeitig mit dem Wechsel in der Hreres- leitnng in Italienisch-Ostafrika wurde für SamS- kag, den 16. November, der große fascistische Rat nach Rom einberufen. Die„Agenzia Strfani" gibt über seine Beratungen einen Bericht auS, in welchem einleitend gesagt wird, daß das italienische Volk nach einmütigem Empfinden dem Duce, dem Berwirklicher deS höchsten Rechtes der Ration— so wird der italienische Raubzug gegen Abessinien umschrieben— huldigt. In dem Bericht heißt es dann weiter: Hierauf erstattete der Dnce einen ausführlichen Bericht über dir Lage Italiens am Vorabende der Sanktionen. An feinen Bericht schloß sich eine Debatte, in welcher schließlich folgende Resolution genehmigt wurde: Der große fasristische Rat, welcher zwei Tage vor dem Inkrafttreten der sogenannten Sanktionen gegen Italien zusammentrat, betrachtet den 18. November 1935 für einen Tag des Schimpfs und der Rechtlosigkeit in der Weltgeschichte; er lehnt die Sanktionen, die bisher noch nie in die Tat umgesetzt wurden, als daS Bestreben, daS italienische Volk wirtschaftlich zu erdrosseln und als vergeblichen Versuch, es zu erniedrigen, um ihm auf diese Weise dir Verwirklichung feiner Ideale und die Verteidigung seines Rechtes auf Leben unmöglich zu machen, ab. Der große Rat rühmt die vorbildliche Ruhe und die feste Disziplin, durch welche daS italienische Volk bekundet, daß eS sich der historischen
zu Bettlern wird. Will man unsere Industrie erhalten, so muh der Einfluß der Arbeiter gesteigert und eS muß verhindert werden, daß die Industriellen selbst die Industrie ruinieren. Wir find überzeugt davon, daß am 19. Mai der größte Teil der sudetendeutschen Industriellen der Sude tendeutschen Partei Konrad HenleinS die Stimme gegeben hat, die sich als die Retterin der Sude tendeutschen ausgibt. Nach außen hin treiben unsere Industriellen die übelste nationalistische Demagogie, geben sich als die„Kameraden" ihrer Arbeiter aüs, finanzieren die„Volksgemeinschaft" — aber in Wirklichkeit gehört ein Teil der Industriellen in die Galerie der Verderber des sudetendeutschen Volkes. Wenn es hie und da gelingt, einen Betrieb vor der Betriebsstillegung zu retten und Hunderten von Arbeitern den Arbeitsplatz zu wahren, ist dies ein Verdienst der Sozialdemokratie, welche im Betriebsstillegungsgesetz das Werkzeug dasiir geschaffen hat, jenen das Handwerk zu legen; welche die Existenz der sudetendeutschen Industriearbeiter untergraben.
Tragweite der gegenwärtigen Ereignisse voll bewußt ist und fordert das italienische Volk auf, sich mit entschiedenem Widerstand gegen die Sanktionen zu wenden, durch welchen alle moralischen Kämpfe und materiellen Hilfsquellen der Ration in allen Organe» des Regimes mobolifiert werden sollen; er fordert die Italiener auf, am 18. November den ganzen Tag ihre Häuser zu schmücken und Fahnen auszuhängrn. Er beschließt, daß für den 1. Dezember 94 Franen- Provinzialausschüsse, bestehend auS den Müttern und den Witwen der im Weltkriege Gefallene« nach Rom einberufen werden fallen, damit der Widerstand in eine Richtung gebracht und gestärkt werde, wobei die hervorragendste Aufgabe den italienischen Frauen znfällt; er ordnet an, daß an den Rathäuser« aller italienischer Städte und an den Gebäuden der italienischen Gemeinden ein Stein mit einer Inschrift angebracht werde, welche an diese Belagerung erinnert, damit auf diese Weise auf Jahrhunderte hinaus das an Italien begangene ungeheure Unrecht dokumentiert bleibe, mit welchem die Zivilisation aller Kontinente so sehr verknüpft ist. Der große fasristische Rat spricht seine Sympathie jenen Staaten vius, welche dir Beteiligung an der Durchführung der Sanktionen abgelehnt und sich damit zur Arbeit für den Frieden entschlossen und der Ueberzeugung des Volkes Ausdruck gegeben haben. Der groß« fasristische Rat ist überzeugt, daß di« Prüfung, der Italien «nterworfrn sein wird, der ganzen Welt die Römertugenden deS italienischen Volkes enthüllen wird. » Malta . 17 italienische Segler haben Montag im hiesigen Hafen zum ersten Male die Folgen der Sanktionen verspürt: Die Schiffe mußten abfahren, ohne daß sie ihre aus Wein und anderen Waren bestehende Fracht hätten ablg- den können. HavaS meldet aus Rom , daß der Berkmrf der Zeitungen aller jener Staaten eingestellt
wird, die gegenüber Italien Sanktionen zur Geltung bringen. Lwcientenciemonstrslionen In Rom Rom . Anläßlich des Beginnes der Sanktionen sind in Italien die Fahnen auf Vollmast gezogen, als einmütiges Bekenntnis seiner entschlossenen Gegenwehr. In Rom herrschte am Montag ungewöhnliche Bewegung. Ganze Straßenzüge glichen einem Heerlager. Sämtliche Zugangsstraßen der Piazza di Spagna , an der sich daS englische Konsiilat und eine große englische Apotheke befinden, wa en von vier bis sechs dichten Reihen feldmarschmäßig ausgerüsteter Grenadiere und Bersaglieri mit aufgepflanztem Seitengewehr abgesperrt. In der Umgebung der englischen Botschaft hielten sich die bereitgestellten Truppen in den umliegenden Häusern und Straßen bereit. Sogar Feldgeschütze standen in Bereitschaft- Sämtliche übrigen diplomatischen Vertretungen der Sanktionen durchführenden Staaten haben eine beträchtliche Verstärkung durch Carabineri erhalten. Unterdessen zogen große Züge von Studenten durch die Stadt. Die Polizei schritt an verschiedenen Stellen gegen die Demonstranten ein. Es sollen etiva 20 bis 30 Studenten festgenommen worden sein. Vom Kriegsschauplatz Asmara . Sicheren Nachrichten zufolge steht Ras S e y u m mit ziemlich starken Truppen, die gegen 20.000 Mann betragen sollen, im Tein« bien-Plateau, nordöstlich vom Takazze-Fluß. Er versucht, weitere Truppen heranzuziehen. DaS Angebot Ras Kassas, eine gemeinsame Front zu bilden, hat er abgelehnt mit der Erklärung, daß er das Tembien-Gebiet um jeden Preis verteidigen wolle. Auf Grund dieser Nachrichten haben
P a r i s. In Paris trat am Sonntag der Vorstand der sozialistischen Partei zusammen, um vor der Tagung des Parlamentes und vor der Wiederaufnahme der politischen Tätigkeit über das Vorgehen der Partei und des sozialistischen Klubs in der Kammer zu beraten- Nach einer längeren Debatte wurde einmütig eine Resolution angenommen, welche den Sturz des Kabine t t eS Laval und die B i l d« n g einer Linksregierung mit dem Programm der Linksfront, welche die Sozialisten unterstützen würden, gefordert wird. Eine-weite gleichfalls einmütig angenommene Entschließung besagt» daß die Bewegung der vereinigten Linksfront, zu welcher die Sozialisten nach dem 6. Feber 1934 die Anregung gaben, nur ein freier Parteiverband, aber keineswegs überparteilich i st. Deputierter Leon Blum erklärte, man müsse Laval stürzen, aber keineswegs wegen der Regierungsdekrrte und auch nicht wegen der Außenpolitik» sondern wegen seiner Politik der nichtzureichenden Verteidigung deS republikanischen Regimes und der Nichtabrüstung der Rechtsligrn..
zwei italienische Kolonnen von Makale und Hausstenaus Umgebungsmanöver begonnen. An der Südfront schreitet der italienische Vormarsch am Fafan-Flutz langsam fort unter teilweisen schweren Kämpfen zwischen einzelnen Abteilungen. Aus Dschibuti wird gemeldet, daß ein italienischer Angriff bei Tabuna zurückgeschlagen worden sei. Die Italiener sollen außerordentlich schwere Verluste erlitten haben. Die Meldungen, wonach RaS Testa mit seinen Truppen vonDolöza aus einen überraschenden Vorstoß auf Lughcerrandi gemacht und den Italienern große Verluste beigebracht habe, werden von abessinischer Seite bestätigt. Die abessinische Regierung erklärt, daß die Zivilbevölkerung des Kreises Endert in der Umgebung von Makale, der von den Italienern besetzt ist, revoltiert. Italienische Flieger hätten die Hütten der Eingeborenen bombardiert, um sie für die Revolte zu bestrafen. Der„Schwarze Adler* verläßt den Negus Dschibutti.(Reuter.) Der Negerflieger Julian, genannt der»Schwarze Adler von Harlem", der kürzlich in abessinische Militärdienste ringe« treten ist und jetzt diesen Dienst wieder verläßt, ist in Dschibutti eingetroffen, um nach Amerika zurückzukehren. Er erklärte, er sei von der Art deS Kleinkrieges in Messinien und deshalb enttäuscht, weil man es abgelehnt hatte, ihm die zum Kampf nötigen Waffen und Munition zu geben. Marschall Badogllo nach Ostafrika unterwegs Rom . Marschall Badoglio, der zum Oberkommandierenden der italienischen Armee in Ost afrika anstelle des Generals de Bono ernannt wurde, wird sich wahrscheinlich am Dienstag in Neapel einschiffen, um nach den italienischen Ko- | Ionien zu reisen.
Limoges . Bei einer Versammlung der Feuer« kreuzler versuchten Demonstranten aus den Reihen der Linksparteien die Versammlung zu stören. ES kam zu einem Zusammenstoß mit der Polizei, wobei 14 Personen verletzt wurden, die ins Krankenhaus gebracht werde«'Mißtet Im ganzen wurden dreißig Personen verletzt, und zwar teil- durch Stich-, teils durch Schußverletzungen. Wir„Journal" berichtet, find nach den Feststellungen deF Untersuchungsrichters die Schüsse aus dem Gebäude abgegeben worden, in welchem di« Feuerkreuzler ihre Sitzung abhielten. Beiderseits waren rund 2000 Personen beteiligt. Die Verwundungen sind aus beiden Seiten und auch auf-Seite der Polizei, die, obzwar sie in Bereitschaft war, die Schießerei nicht verhindert hat. Schwerverletzte durch Revolverschüsse gab es nur unter den Anhängern der Linksfront. Das Präsidium der sozialistischen Partei hat beschlossen, daß die Partei die Regierung interpellieren wird.
Ad gestern Sanktionen »Tas des Schimpfs und der Rechtlosigkeit“ Der große fascistische Rat über den 18. November
Die Sozialiften für den Sturz Lavals Well er die Fasdsten toleriert Feuerkreuzler schießen gegen Demonstranten
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Roman von Karl Stym Copyright by Eugen Prager-Verlag, Bratislava J- 8--* BL. LI..■■-!.!■-t. 1■—■■■■!»■
,',Neun Uhr!— Um zehn ist aber erst Schicht!“ „Wir haben schlechte Luft hinten,“ sage ich.„Sie sehen ja meinen Kameraden hier. Er ist umgefallen!“ „Warum fahrt ihr dann nicht aus!“ „Weil's draußen heißt, die Luft ist nicht schlecht!" „Ausrede!— Und ihr!“ Drach schluckt heftig. Sein Gesicht ist gelE „Unser Abbau ist gefallen!“ „Was, gefallen?— Wieso?“ „Das.Schwimmende' ist gekommen!“ „Verdammt!“ Lorett schimpft und tobt. Nach Ansicht der Aufseher sind an allem Unglück in der Welt wir schuld. Sie sagen immer, wir sollen anständig zimmern. Daneben schreien sie aber schon wieder:„Macht Kohle!“ t)a soll der Kuckuck wissen, wie wir dabei fahren, wenn wir auch etwas verdienen wollen! Rühling macht ein paar Schritte auf Lorett zu. Er hat seine Hände in den Hosentaschen geballt. „Steiger— geh!“ Die Augen der beiden verbeißen sich ineinander. „No—o—!" Zwei dicke Adern wachsen auf Rühlings Stirn. Er tritt noch näher. „Geh!!“ brüllt er. Lorett duckt sich. „Ich gehe— aber—!“ Rohling faßt blitzschnell eine breite Kohlenschaufel. Im nächsten Moment ist Lorett weg. „Dieser Kerl sollte mal eine tüchtige Portion abkriegen!"
Rühling spuckt angeekelt nach. „Vor sechs Jahren hat er noch mit mir gearbeitet,“ sagt Drach.„Und sich gedrückt, wo es nur anging!“ „Und jetzt!— Ich kann ihn gar nicht begreifen!“ *„Ich schon!“ poltert Rühling wütend.„Ich begreif schon. Nichts ist leichter, als etwas Unangenehmes zu vergessen. Besonders dann, wenn man denen gegenübersteht, zu denen man einmal unter den gleichen Umständen gehörte. Man braucht dazu nichts— als keinen Charakter!“ Lorett. Das ist ein eigenes Stück Grubengeschichte. Klein, , dürr und zäh, hat er eine Bissigkeit in sich, die ausreichen würde, aus hundert zahmen Schoßhündchen hundert bissige Köter zu machen. Er hört und sieht alles und läßt uns nichts verdienen. Wir haben schon alles mögliche versucht, ihm die Grube zu verekeln. Umsonst Nach jedem derartigen Versuch wurde er nur noch unerträglicher. Vor zwei Jahren hatte er immer einen kleinen, widerlichen Fox mit in der Grube. Das Ding haßten wir, erstens, weil es ein Stück Lorett war und auch genau so gehässig wie er selbst war. Wir präparierten Fleisch mit Ammonit und gaben es ihm. Das Biest fraß es, tat uns aber nicht den Gefallen, zu krepieren. Eines schönen Tages war es aber doch tot Rühling hatte es zusammengefahren, nein— das Flippschen rannte selbst in den Wagen! So etwas kann doch passieren, werden doch auch von Autos auf taghellen Straßen Hunde überfahren.— Lorett verstand und vieles noch dazu. Er steckte uns alle zusammen auf die„Fünfte“. Hier vergehen einem derlei Dummheiten. Etwas vor zehn wecke ich Hell. Der frische Zug der Hauptstrecke hat feinen Kopf reingeblasen. Wir fahren aus. Ganz wie gewöhnlich, als wäre nichts geschehen. Viel war es ja auch gar nicht Einer ist in schlechter Luft umgefallen und der andere wäre beinahe tot gewesen. In diese Lage kommen wir fast täglich und was man täglich erleben muß, wird zur selbstverständlichen Gewohnheit. Bergmann !
Ein gefährlicher Beruf. Das ist wahr und auch wieder nicht Es gibt Bergleute, die schon vierzig Jahre in die Grube gehen, aber noch keinen nennenswerten Unfall hatten. Einer verfährt die zweite Schicht und wird verschüttet Zufall! Wir haben darin nur das voraus, daß er bei uns etwas häufiger und weniger angenehm ist!— Drach ist vor mir. Er taumelt von einem Ulm zum andern- Manchmal knicken seine Knie. Dann verzieht sich sein Gesicht Ich will ihm helfen. Er verwehrt es mir mit einem dünnen Lächeln. „Ich bin froh, daß ich's noch so kann!“ Einmal dreht er sich um und sagt fast verschämt: „Weißt, was ich heute getan habe?— Gebetet!" „Gebetet? “ „Ja!— Ich weiß selbst nicht recht, wie es kam. Ich war am Ersticken, habe geschrien, geflucht und— plötzlich gebetet! Es war so über mich gekommen, ohne daß ich mich hatte dagegen wehren können. Gleich darauf hattet ihr mich herausgehabt!“ Er stolpert wieder vor mir her. Komisch! Drach hat gebetet— Hätte man zu anderer Zeit gesagt, es gibt einen Gott, so hätte er bestimmt gelacht Und jetzt sagt er, er habe doch gebetet Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Wir sehen unser ganzes Leben lang nichts als Elend, Kohle, Schweiß und Blut. Das tötet alles! Und Beten? Auch das ist tot Jeder einzelne von uns ist selbst ein Gekreuzigter— Für uns hat das Jahr eigentlich nur zweiundfünfzig Tage. Io diese zweiundfünfzig Tage drängt sich unser ganzes Menschsein zusammen. An den übrigen dreihundertunddreizehn Tagen sind wir arme Luder,