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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI Molallagued IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 33077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Genosse Taub im Budgetausschuß:

Dienstag, 3. Dezember 1935

Die Jongleurkünste der SdP

Bewusste Doppelzüngigkeit in jeder Hinsicht

Prag . Samstag abends brachte Genoffe Taub im Budgetausschuß in einer Replik ge= gen den SdP- Abgeordneten Dr. Rosche das schier unerschöpfliche Kapitel ,, Doppelzüngigkeit der Sdp" durch eine Reihe schlagender Gegenüberstellungen von Aeußerungen führender Henlein­leute zu einem für die SdP direkt vernichtenden Abschluß.

Eindeutig geht aus diesen Zitaten hervor, daß die Doppelzüngigkeit das einzige Rezept der SdP ist und ihre ganze politische Kunst darauf hinausläuft, in Prag die Temokraten zu spielen, gleichzeitig aber draußen eine in allen Einzelheiten dem großen Bruder abgegudte fascistische Praxis durchzuführen.

Wir entnehmen der Rede des Genossen Taub folgende unwiderlegbare Feststellungen:

Zweideutigkeit statt Klarheit

Was die Auseinandersetzung mit der SdP so ungemein erschwert, das ist der Umstand, daß diese Bartei es ängstlich vermeidet, ihre politischen Auf­faffungen, mögen sie nun das Ziel oder die Methoden betreffen, be it i m m t, konkret und ein deu­tig zu formulieren.

Die Rede Dr. Rosches hatte, soweit sie sich auf Staatspolitische Probleme bezog, einen Leitgedanken: Las nationale Problem muß gelöst werden." Aber Herr Dr. Rosche hat kein Wort darüber gesagt, ote er sich die Lösung des nationalen Problems vor­stellt! Dr. Rosche, der sich vorige Woche als Feind bon Loyalitätserklärungen vorgestellt hat, hat heute nicht nur selbst eine Fülle solcher Erklärungen ab­gegeben, sondern was noch mehr ist, eine ganze Reihe bon Loyalitätserklärungen seines Führers borgelejen.

Aber das Bekenntnis, daß man auf dem Boden des Staates stehe, ist doch bloß der negative Borderfat einer politischen Deklaration, der wertlos ist ohne den entscheidenden politischen| Rachfats, was für eine Politik man auf diefem Boden treiben will. Darüber hören wir aber nichts as unbeſtimmte Andeutungen. Wenn wir deren Zweideutigkeit bloßlegen, werden wir als., Verleum­der" beschimpft.

Die SdP hätte ein sehr einfaches Mittel, fich bent, was fie ,, Verdächtigungen nennt, zu entziehen: Klarheit in ihren Aeußerungen. Aber bie ist mit keinem Mittel von ihr zu erlangen!

Dafür ein paar Beispiele: Minister Dr. Beneš

In der Innenpolitik steht es genau ebenso. Im Wahlkampfe hat die SdP erklärt, daß..die Idee" fiegen werde. Wir sind noch heute neugierig zu erfah ren, welche Idee. Vielleicht die Idee der Volksge­meinschaft? Aber Volksgemeinschaft ist doch nur ein anderer Ausdruck für Totalität. Wenn wir das fest­stellen, tun die Herren wieder gekränkt. Was sind das für deutsche Männer, die man nie beim Worte nehmen kann?

Ein ähnliches Schlagwort war das vom, iung­völkischen Aktivismus. Man wollte die Aktivisten aus dem Felde schlagen und zugleich selbst den Aktivisten spielen. Daher das schöne Wortspiel: ,, Fort mit dem Alt- Attivismus. Es lebe der jungpöifiche Ativiss mus."

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 281

Politische Stabilität

Zu den sonntägigen Wahlen

In zahlreichen Orten und in einigen Bezir ken des tschechischen Sprachgebietes haben am Sonntag Wahlen stattgefunden, die wohl in den Einzelheiten kein gleiches Bild aufweisen, aus denen sich aber doch ein allgemein- gültiges Er­gebnis herauslesen läßt, das auch gewisse politische Schlüsse gestattet. Bedeutsam sind dabei nicht die Verschiebungen, die sich innerhalb der tschechischen Parteien vollziehen, sondern vor allem die Tat­sache einer gewissen Stabilisierung innerhalb der tschechischen Po= Und es ist sehr aufrichtig, wenn Herr Dr. Rosche Iitik, die in der Abstimmung der Bezirks- und damit operiert, daß die Fabrikanten Arbeits- Gemeindewähler zum Ausdruck kommt. plätze schaffen, die Gewerkschaftssekretäre nicht?

Und wir haben immer geglaubt, daß der Marris­mus an der Krise schuld ist! Ist Herr Dr. Rosche bereit, die Garantie dafür zu übernehmen, daß alle Agitatoren seiner Partei draußen wirtschafts­politische Aufklärungsarbeit im Sinne dieser seiner Ausführungen leisten?

Herr Dr. Rosche meint auch, die Unternehmer Die politische Willensbestimmung ist im Baffus, aus dem man eine entschiedene Geanerschaft auch entsprechende Breise für ihre Waren eraielen tei einen feiten Stamm von Wäh­würden gerne höhere Löhne zahlen, wenn sie tschechischen Volke so geartet, daß jede Par= gegen alle Revisionsbestrebungen tönnten. Wie stellt sich denn Herr Dr. Rosche die lern besitzt und die Zahl der politischen Mit­herauslesen könnte, wenn nicht der abschließende Saz Steigerung der Absatzmöglichkeiten vor, wenn das läufer geringer ist als bei anderen Völkern. Wenn fame: Das Ziel mitteleuropäischer Politik kann des Einkommensniveau der breiten Massen nicht ge- man sich an die wilden Schwankungen innerhalb halb weder die Revision noch die Anti- hoben wird? revision sein." Wird hier die Zweideutigkeit nicht zur bewußten Doppelzüngigkeit? Den wirtschaftspolitischen Auffassungen eben der Wählerschaft Deutschlands bis zur Machter­bürtig sind die sozialpolitischen. Dr. Rosche greifung Hitlers erinnert, wie da im März 1933 bat es wirklich zuwege gebracht, das bereits einer eine Million kommunistischer Wähler in die wohltätigen Vergessenheit anheimgefallene Arbeits- braune Armee desertiert sind, dann wird man den beschaffungsprogramm aus der Versentung au aieben. Unterschied schon zu würdigen wissen und die Es soll hier nicht von den finanztechnischen Kunst- Folgen daraus ziehen. stücken dieses Programms die Rede sein. Aber daran muß erinnert werden, daß die Zentralfigur dieses Gewiß hat die Stabilität in den politischen Brogrammes der sogenannte Arbeitspfleger" ist, der Anschauungen des tschechischen Voltes seine tiefe= über Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen ren Ursachen. Dem tschechischen Gebiet selbstherrlich entscheidet und außerdem die Funktion dieses Staates ist die Krisein der Arbeitsvermittlung und zur Ersparung ihrer tatastrophalen Ausdehnung von 6 Millionen in seinem Acht- Milliarden- Etat auch die Gewerbeinspektion übernehmen soll. erspart geblieben. Nicht nur daß die Herr Dr. Rosche foll doch ohne Umschweife und Industrie für die tschechische Bevölkerung keine Ansflüchte erklären, wodurch sich dieser Arbeits- folche Rolle spielt wie für die deutsche, im deut­pfleger" von einem fascistischen Treuhänder schen Gebiet liegt gerade die Exportindustrie, der Arbeit unterscheidet, es sei denn durch die welche durch die Krise am meisten gelitten hat, noch größere Totalität seiner Machtfülle! während die Rüstungsindustrie, in welcher der Aufstieg unserer Wirtschaft am stärksten zum Ausdruck kommt, vorwiegend im tschechischen Ge­Damit bin ich bei der Frage angelangt, wie artigste an der soziologischen Entwicklung des biet sich befindet. Was vielleicht als das eigen­die SdP zum Fascismus steht. Die Her- tschechischen Volkes hervorgehoben werden kann, ren von der SdP sind förmlich entrüstet, wenn ist die Tatsache, daß es feinen deklas­man sie als Fascist en bezeichnet. Aber sie sierten, verzweifelten Mits nehmen gleichzeitig das Recht für sich in Anspruch telst and gibt, der an einen Messias glaubt und alle Einzelheiten der fafcisti sich diesem kritiklos ausliefert. Ein Teil des tsche= fchen Ideologie im Volke zu prochischen Mittelstandes, die Gewerbetreibenden pagieren. bauen vielmehr zielbewußt eine eigene politische Vor mehr als einem Jahre hat Henlein von Vertretung auf, die bei jeder Wahl Erfolge er= den grundsätzlichen Vorbehalten gesprochen, die zielt und heute ein nicht einflußloses Element der er gegenüber dem reichsdeutschen Fascismus zu Regierungskoalition ist. Während etwa dem Ge­bekunden nicht ansteht. Seit mehr als einem werbetreibenden in Deutschland Rassenlehre, heid= Jahre urgieren wir ebenso vergeblich wie uner- nischer Kult und allerlei mystisch- romantische müdlich eine klare Formulierung dieser Vorbe- Verschrobenheiten eingetrichtert werden, während halte. Her aus mit den Vorbehal die sudetendeutsche Gewerbepartei mit Phrasen

Bekenntnisse

einer schönen Seele

Worin sich der junge Aktivismus vom alten un­terscheidet, ist uns bis heute nicht mitge teilt worden. Und nach der heutigen Rede Dr. Rofches wiffen wir es erst recht nicht. Denn heute hat

Herr Dr. Rosche erklärt:

,, Wir als Opposition haben nicht das Recht, der Regierung die ganze Schuld zu geben; da liegt ein großes Stüc Demagogie darin. Wenn wir morgen an die Regierung kämen, wären wir auch nicht im stande, die Verhält. nisse von heute auf morgen anders zu machen."

hat im Plenum des Hauses ein großes Erposé gehal­ten, dessen Tenor absolut auf die Erhaltung des Friedens abgestimmt war. Alle Regierungsparteien sowie die Kommunisten und die deutschen Christlich­fozialen haben dem Außenminister zugestimmt, die tichechische Rechte hat Stimmenthaltung geübt, ein Damit hat sich Herr Dr. Rosche als was ch­aia die SdP hat dagegengestimmt. Und echter Alt- Aktivist vorgestellt und einfach nun kommt Herr Dr. Rosche und beantragt, daß der der ganzen Agitation seiner Partei den Boden Budgetausichuk eine Friedensdeklara= entzogen. tion" herausgeben soll. Dr. Rosche saat beileibe Kann jemand glauben, daß die SdP ihren

Waschechte Fascisten

nicht, daß Herr Dr. Beneš keine Friedenspolitik machen will, dazu ist er viel zu loyal", aber er Wahlerfolg mit solchen Reden errungen hat, ten! Statt dessen hören wir in allen möglichen von Aufbruch und Einigkeit, völkischem Gedanken ftimmt gegen den Außenminister und beantragt, worin die Demagogie der Opposition verur= er beauftragt werden soll, alles für die Erhalteilt wird? Ist das nicht eine indirekte Beſtä­fung des Friedens zu tun. tigung dafür, daß die SdP draußen anders spricht als hier?

Dap

Das find die Methoden, die Miß­

trauenfäen und dem ganzen Sudetendeutschtum ungeheuer schaden, weil ia die SDP, unter gleichzei­tiger Ableuanung des Totalitätsgedankens. im­mer mit dem Anspruch auftritt. namens des ganzen Volkes zu sprechen, während die anderen nur Parteien, nur Splitter seien.

In Wirklichkeit hat die SDP, abgesehen von den Momenten, die ich schon mehrfach anzuführen Ge­legenheit hatte, deshalb große Massen in ihren Bann ziehen können, weil sie das wirtschaftliche Elend in den industriellen Randgebieten als Schuld des ..Sy st e m 3" hinstellte. Es ist wieder nicht unsere Man darf in so schicksalsschweren Stunden nicht Schuld, nicht unsere Zweideutigkeit, daß das ge­lagen: Man mag über die Sanktionen denken wie nan die Methode und Terminologie der Hitlerbewe­man will", sondern man muß offen ausspres gung war. chen, wie man über solde, für das Schicksal des

Friedens entscheidende Fragen denkt.

Oder ein anderes Beispiel: Herr Dr. Rosche

aitiert aus der Leipaer Rede K. Henleins einen

Aber heute sagt Herr Dr. Rosche:

Die Kriſe iſt nicht bestimmt durch ein wirtschaftliches oder politisches System in den ver­

schiedenen Staaten."

Aufschrei im Schleiferland

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Tausende Glasarbeiter demonstrieren in Gablonz

Wendungen und Tonarten, auch heute wieder in und Ständeideologie politisch buchstäblich totge= der Rede H. Dr. Rosches, das Bekenntnis zur schlagen wurde, kreist der realpolitische Sinn des Verbundenheit mit dem großen tschechischen Gewerbetreibenden und Kaufmannes Muttervolk e. Natürlich nur in kultuum Regierungsteilnahme und Einheitspreisge­reller Beziehung. schäfte. Schließlich macht die außenpoli­Aber was ist heute die deutsche tische Spannung in Europa den tschechi Kultur? schen Wähler allen politischen Erperi­menten abhold, er glaubt daran, daß die Parteien, die den Staat geschaffen haben, ihn auch erhalten werden.

Ist sie repräsentiert durch einen Ioh st, der den Revolver entsichert, wenn er das Wort Kul­tur hört, oder durch Heinrich Mann oder

Käthe Koll wit?

Ist sie vertreten durch die Apostel der hältnisse haben auch die Deutschen dieses Staa Mit dieser Stabilität der politischen Ver­Wehrwissenschaft, durch jene Juristen, die das tes zu rechnen. Jene, welche ihre Hoffnungen auf Wort ,, ens ch" aus ihrer Terminologie strei- tiefgreifende, alles umstülpende Veränderungen chen wollen, oder durch die Dutzende von Gelehr- stellen, werden die große Enttäuschung noch er­ten und Künstlern, die nur wegen ihrer Gesin- leben. Es gibt gewisse Voraussetzungen der sude­nung aus dem Lande vertrieben worden sind, tendeutschen Politik, mit denen jede deutsche Par­deffen Ruhm sie vermehrt haben?

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tei rechnen, mit denen sie sich auseinandersetzen Ist sie repräsentiert durch die Ideen der und über die sie ihre Anhänger aufklären muß. Humanität und des Weltbürgertums, die Eine dieser Erscheinungen ist die Stabilität in Goethe und Herder entwickelt haben, oder nerhalb der tschechoslowakischen Politik und der durch die Ideen Julius Streichers? Die Antwort auf diese Fragen gibt die SdP tie und die politischen Parteien als gegeben vor­Verfassung dieses Staates, welche die Demokra­Die Not unter den Glasarbeitern des Ifer- deutschen Arbeitergewerkschaft, Sekretär Seibt, gebirges steigt ununterbrochen. Stundenlöhne von besonders hervorhob, daß sich die Arbeiter ohne wenigstens indirekt, indem sie und das aussetzt und jede kotalität, mit derdie Hellern sind keine Seltenheit mehr. Eine Reihe Unterschied der Partei und Nation gegen die Un- im Lande Komenskýs und Masaryks en leinpartei steht und fällt, bon Unternehmern verschleppt seit Monaten die ternehmer zusammenfinden müssen. Es ist beden- wüste Hebe gegen die Emigran zum Scheitern verurteilt. Die Sude­Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältniffe. Die tungsvoll, daß der Vertreter jener Organisation, ten entfaltet. Not hat es mit sich gebracht, daß sechs Gewert die der ,, Bolksgemeinschaft" huldigt, aussprechen tendeutsche Partei kann nicht, wie sie es geglaubt Aber das Bekenntnis zu dem, was unter der hat, den sozialistisch- proletarischen Einfluß in die­schaften ohne Unterschied der Nation und Partei- muß, daß allem voran der Zusammenschluß der Hakenkreuzdiktatur aus der deutschen Geistigkeit sem Staate brechen. Sie mag bei irgendwelchen richtung zu einer gemeinsamen Kundgebung am Montag, dem 2.Dezember, in Gablonz aufgerufen| Fascismus, ein Bekenntnis zur tei einen Landsknechtdienst leisten, der Ausgleich geworden ist, ist ein Bekenntnis zum Gelegenheiten einer bürgerlichen tschechischen Par­haben, welchem Ruf tausende Glasarbeiter Folge gefaßten Resolution wurden die Forderungen der Barbarei! Hätten wir nichts vor uns als von Volk zu Volk durch sie, den sie nebst vielen leisteten. Als erster Referent sprach Genoffe Glasarbeiter zusammengefaßt, deren wichtigste diefes kulturpolitische Bekenntnis der SdB , es anderem ihren Anhängern versprochen hat, wird Friese aus Tannwald für unseren Glasarbei- wohl die Forderung nach einem Lohn- und würde hinreichen, um sie als Fremdkörper sie nicht bringen, weil sich tschechoslowa= terverband, dessen Ausführungen für die Sprecher Arbeitsvertrag für alle Glasarbeiter ist. in einem Lande der Demokratie zu kennzeichnen, tische Demokratie und deutsche richtunggebend Nach Beendigung der Kundgebung zogen die den alle bekämpfen müffen, die es mit der Totalität ebenso wenig mischen waren. Bemerkenswert ist, daß der Redner der Glasarbeiter geschloffen zur Bezirksbehörde. Demokratie ernst nehmen! wie Feuer und Wasser.

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Klaffengenossen gehen muß. In einer einstimmig