«eite S Sonntag, 12. Jänner 1936 Rr.10 Die Gangster bei Göring Exzellenz, in Amerika wird unsere Arbeit im­mer gefährlicher. Wir hören, daß Sie Leute unserer Art schätzen, und bieten Ihnen unsere Dienste au. nen, für diese Fragen gerade auf agrarischer Seite Verständnis zu finden. Was wird nicht alles über die Notwendigkeiten der Exportförderung ge­schrieben, aber nicht einmal die erste Vorausset­zung für eine aktive Exportpolitik, die Verein­heitlichung der Kompetenzen auf dem Gebiete des Außenhandels ist bisher ernstlich in Angriff ge­nommen worden. Niemand wagt heute mehr zu bestreiten, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit wenigstens einem Teil der Arbeitslosen die Tore der Betriebe wieder öffnen könnte, aber bis aus Teilregelungen in weniger bedeutenden Produk­tionszweigen find wir von der Verwirklichung dieser alten Forderung noch weit entfernt. Die obligatorische Arbeitsvermittlung wurde schon von der Regierung UdrZal in offiziellen Regierungs­erklärungen angekündigt, ihre Verwirklichung scheitert an kleinlichen Detailfragen, an einem engherzigen Hausherrenstandpunkt der industriel­len Unternehmen, der merkwürdiger Weise bei den Agrariern volle Unterstützung findet. DerVenkov" hat in dem erwähnten Arti­kel die Antwort auf alle diese Vorhaltungen be­reits vorweggenommen: Noch nie ist es geschehen" schreibt das Blatt daß der Kapitalismus die wirtschaft- 'liche Last.der Züt doll geftägen hatte.' Vor Tisch, nämlich vor den Parlamentswahlen, las mans anders! Da war es gerade derBen- kov", der die schärfsten Attacken gegen den Kapi­talismus, nicht nur gegen die Finanzkapitalisten, sondern auch gegen die Jndustriemagnaten ritt. Damals hätte man annehmen müssen, daß die Erkenntnis von der Notwendigkeit entschiedener Eingriffe in das kapitalistische Gefüge Gemein­gut aller demokratischen Parteien in der Repu­ blik geworden ist. Heute hören wir nichts mehr von einem Kampf der Agrarier gegen das Finanz­kapital und nichts von einem Kampf des Mittel­ständlers Najman gegen die Kartelle. Aber die Ueberwindung der Wirtschastsnot erfordert Mut zu entscheidenden Taten, sie erfor­dert aber auch verständnisvoUe Zusammenarbeit mit den sozialistischen Parteien und Berücksichti­gung der Interessen der Arbeiter als der von den Folgen der Krise am schwersten betroffenen Schichten. Wir sind überzeugt, daß es in der Agrarpartei Manner gibt, welche diese Notwen­digkeit erkennen. Wir dürfen den Ministerpräsi- denten zu ihnen zählen. Aber es gilt, die Pro­bleme in ihrer ganzen Tiefe und in vollem Um­fange zu erfassen und energisch an ihre Lösung zu schreiten. Dann wird das Gezänk um klein- liche Streitfragen verstummen und fruchtbare Arbeit das Wort erhalten. Der Sturz der Löhne in der Krise Der ganze Umfang der Lohnsenkung, die der tschechoslowakischen Arbeiterschaft während der Krisenjahre aufgezwungen worden ist, wird er­kennbar, wenn man die Veränderung in den Ber- sicherungSklaffen der ZentralsozialverficherungS- anstalt auf einen Zeitraum von einigen Jahren überblickt. Dr. Evzen Stern hat den Zwölf­monatsdurchschnitt der Monate November bis Oktober, der in den niederen Lohnklaffen(IIII, bis 14 Tagelohn) und den höheren VIII bis X, über 28.50 Tagelohn) beschäftigten Per­sonen berechnet. Danach betrug die Zahl der Versicherten vom Hundert der Gesamtversicherten: düng der schweren wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart sein. Kein« Besprechungen Dr.Hodias In Wien Prag . Zu den Meldungen einiger Blatter ist da- amtliche Pressebüro ermächtigt, festzustel­len, daß sich der Vorsitzende der Regierung Dok­tor Milan H o d j a bei seiner Rückkehr vom Er­holungsurlaub über Wien in der österreichischen Hauptstadt lediglich in der Zeft von der Ankunft des einen bis zur Abfahrt des anderen Zuges auf­gehalten hat und daß er dortselbst weder mit einem österreichischen noch mit einem anderen politischen Funftionär in Beziehung getreten ist. Bor Beginn der Krise gehörten den niederen Lohnklassen nicht ganz zwei Fünftel der Bersicher- ten an. Im vergangenen Jahre dagegen mehr als 53 Prozent! In den höheren Lohnklassen waren vor dem Kriseneinbruch nahezu ein Viertel der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeiter«nd Arbeiterinnen verfichert, während es für die Periode vom November 1934 bis Oktober 1935 »nr etwas über 14 Prozent find. in Klasse IIII in Klasse VIIIX 19281929 39,70 23,84 19291930 39,39 23,87 19301931 41,05 22,26 19311932 44,33 19,83 19321933 49,14 16,82 19331934 50,92 15,43 19341935 53,19 14,65 Wes ist mit der Selbstverwaltung? ImPrävo Lidu" macht Landesausschuß­beisitzer Genosse M a ch ä ö e k darauf aufmerk­sam,- das Gesetz vom 9, April 1935, betref­fend die Finanzen der Selbstverwaltung, am 1. Jänner hätte in Kraft treten sollen. Nun schrei­ben wir Mitte Jänner und wir sehen noch keine Anzeichen, daß man des Gesetz in Kraft setzen wird.Und doch ist", so heißt es in dem Artikel wörtlich,dieses Gesetz da, von der Nationalver­sammlung beschlossen, vom Präsidenten der Re­publik^ unterschrieben, in der Sammlung der Ge­setze^ und'Verordnungen veröffentlicht, einfach ein' Gesetz in dem großen übd bedeutsamen Sinne^ des Wortes, ein Gesetz, welches verbindlich ist... Wir sind in einer demokratischen Republik, wjr geben uns die Gesetze selbst durch Vermittlung der gewählten Vertreter, wir sind verpflichtet, sie zu befolgen. Wenn das nicht wäre, würden wir aufhören eine Demokratie zu sein, es würde eine Anarchie ent­stehen. Wehe, wenn wir in einen Zustand gerieten, da wir glauben müßten, das Gesetz sei nichts... Der erschütterte Glaube an das Gesetz bedeutet sittliche Zersetzung und ist ein! Gefahr von großem Ausmaße." Mächäcek macht dann darauf aufmerk­sam, daß das Gesetz vom Innen» und Finanz­minister durchgeführt werden muß, und es sei höchste Zeit, daß dies geschehe. Die Selbftverwal- tung könnte eines der Instrumente zur Ueberwin- Der Prager Korrespondent desT e m p s" befaßt sich mit dem bevorstehenden Besuch Schusch­niggs in Prag . Entgegen den aus Berlin verbrei­teten Stimmen erinnert er die französische Oef- fentlichkeit daran, daß die Opposition der Tschechoslowakei und der übrigen zwei Staaten der Kleinen Entente gegen eine Restau- rierung derHabsburgernicht nachgelassen haben. Diese Opposition er­weitere sich auch auf jeden mehr oder minder ver­hüllten Versuch, der später eine offene Wieder­einsetzung der Habsburger erleichtern würde. Die Korruptionsprozesse Der Bau des Eisenbahnministeriums Ende Jänner wird wieL. N." melden in Brünn der Prozeß gegen elf Personen be­ginnen, die sich der aktiven oder passiven Be­stechung anläßlich des Baues des Eisenbahnmini­steriums schuldig gemacht haben. Bon den Ange­klagten sind vier Beamte der Staatsbahnen, und zwar die Oberräte Jng. PraZäk und Dr. Budlov- skh, der Rat Dr. Svadlena und der Offizial Bläha. Die übrigen sind Leiter und Inhaber von Liefer­firmen: Generaldirektor Reich von der Böhmisch- Mährischen Bau-A.-G. in Prag , Baumeister Dr. §apek, Direktor Josef Bääa von der Firma Visek, Baumeister Alfred Zothe, Anton Kotrba und Jng. Plessinger., U. a. wird Jng. PraZak beschuldigt, von Generaldireftor Reich und Jng. Eapek Be­stechungen und Sachgeschenke im Gesamtverte: on mehr als 700.000 XL angenommen zu haben. Die Serie der Korruptions-Prozesse wird da­mit noch, nicht abgeschlossen sein. Nach, und nach werden alle bei der Vergebung von staatlichen Lie­ferungen und Arbeiten aufgedeckten Bestechungen vor Gericht kommen und die Hintergründe der Ver­gebungen, welche sich auf Arbeiten für viele Hun­derte Millionen erstrecken, gellärt werden. Regreß höchstens 10 Millionen jährlich In einer Erwiderung auf verschiedene Zeitungs­polemiken, wornach das Fürsovgeministerium die Möglichkeit hätte, Dutzende von Millionen aus dem Titel des Regresses von vermögenden Bau­herren einzufordern, teilt das Fürsorgeministerium mit, daß die überwiegende Mehrzahl der Eigen­tümer subventionierter Häuser und auch der Mieter den sozial schwachen Schichten angehört. Der Kreis der Personen, gegen die man den Regreß geltend machen kann, ist bei der heutigen Krise sehr gering. Die kritische Finanzlage der Gemeinden und vieler gemeinnütziger Baugenossenschaften verringert diesen Kreis noch weiter, da für sie eine neue finanzielle Belastung wirtschaftlich untragbar wäre. Diese Um­stände nötigen dazu, die Geltendmachung des Re­gresses bei der großen Mehrheit der Bauherren äuf- zuschicben und den Regreß nur auf eine verhältnis­mäßig geringe Zahl von besser situierten Haus­herren zu beschränken. Nach der Schätzung des par­lamentarischen SubkomiteeS kann man daher höch­stens mit einem jährlichen Gesamtertrag aus dem Regreß von 10 Millionen XL rechnen. Durch die Eintreibung eines untragbar hohen Regresses würde das Fürsorgeministerium nur zum völligen finan­ziellen Ruin her überwiegenden Mehrheit der Bau­herren beitragen, was nicht ohne ernste Folgen für die gesamte Wirtschaft bleibe».könnte. Bergarbeiter verweigern die Ausfahrt, Auf der Grube Vanek bei Kladno traten Freitag 160 Bergarbeiter wegen der schlechten Lohnbedingun­gen in Streik und beschlossen, bis zur Erledigung ihrer Folgerungen im Schacht zu bleiben. Erst nach mehrstündigen Verhandlungen, und nachdem sie die Zusage einer einmaligen Zulage bekommen hatten, brachen die Arbeiter den Streik ab und fuhren aus. Jn Jiikrze Q Budapest . Handelsminister Winchkler begibt sich zu einem mehrtägigen Aufenthalt nach B e r l i n, wo er mit den dortigen maßgebenden wirtschaftlichen Kreisen über die deutsch -ungari- schen Wirtschaftsbeziehungen konferieren wird. Paris . Das Amtsblatt veröffentlicht die drei Ende Dezember verabschiedeten Gesetzesent­würfe über die Ligen, d. s. das Gesetz Wer die Verfolgung umstürzlerischer Verbände, über das Tragen von Waffen bei öffentlichen Versamm­lungen und Manifestationen und über die Straf­barkeit von Gewaltdrohunaen durch die Presse. Madrid . Für die bevorstehenden Parla­mentswahlen hat sich eine vereinigte Linke gebildet, die alle Gruppen bis zu den Kommunisten umfaßt. Athen . Die Kriegsteilnehmer haben für Sonntag eine bewaffneteDemon st r a- t i o n angedroht. Die Regierung hat diese ver­boten. Man befürchtet trotzdem für Sonntag in Saloniki Unruhen. Die Kriegsteilnehmer wer­den von der Partei des Geyerals Kon d y l i s unterstützt. Tokio . Aus halbamtlicher Quelle wird mit­geteilt, daß bei einer Beratung hoher Funktionäre des Außen- und des MärineminifteriumS be­schlossen wurde, der japanischen Delegation auf der Londoner Flottenkonferenz Instruktionen zu übermitteln, daß sie die Konferenz nicht ver­lassen solle» solange dies nicht unbe­dingt notwendig sein werde. London . In SüdwaleS kam eS am Freitag zu einem neuen UntertagSstreik englischer Bergarbeiter. 200 Bergleute in der Anycedwin-Zeche weigerten sich wegen Lohnstreitigkeiten mit der Grubenlei- wng, nach Beendigung ihrer Schicht anS Tageslicht zu kommen. Erst in den späten Abendstunden wur­den die älteren Männer an die Oberfläche geschickt. 163 Rann blieben jedoch untertägS. 47 Roman von Karl Stym Copyright by Eugen Prager-Verlag, Bratislava Schließlich müssen wir ihn zwecks Verdauung seiner rebellierenden Hirn- und Magenfüllung einem Wachmann abliefern... An einem der nächsten Tage läuft mir Tedi über den Weg. Der Träger dieses etwas verfänglichen Namens ist kein struppiger Köter, sondern ein sehr ehrenwerter Professor. Professor Plötz hatte das Vergnügen, fast täglich in den Mond gewünscht zu werden, mit dem frommen Wunsch un­sererseits, er solle lieber den Mondkälbern seine Weisheit verzapfen. Tag, Regner! Wo sind sie in Stellung? Professoren sind immer weltfremde Geschöpfe. Ich bin Bergarbeiter! Bergarbeiter?! Tedi rückt an seiner Brille, zieht die Hand hastig aus der meinen und geht. Bergarbeiter! Kein Beruf! Dafür quält man sich jahrelang mit diesen Bengels herum! Ich sehe dem zappelnden Männchen nachdenklich nach. Ganz richtig, Herr Professor, das Leben ist leider keine quadratische Gleichung und ihr feierlicher Händedruck bei der Matura ist trotz ihres ehrlichen Willens ein Fußtritt. Ein Fußtritt auf ein sehr hartes Pflaster. Niemand fragt nach ihren geliebten Cosinussätzen oder Integralen, son­dern: haben sie Verbindungen? Hat man zum Unglück kei­nen bekannten Amtsrat oder Direktor, so nun so hat man eben umsonst gebüffelt und sie sich umsonst geärgert. Und Glück? Das ist ein Märchenbegriff und verdammt rar in unserer Zeit. Passen sie mal auf, Herr Professor: Sie lieben doch Glei­chungen! Also, gegeben ist: ein eben flüggegewordener Student, eine riesige Portion Zukunftshoffnung und Lebens­hunger und die jetzige miese Zeit; gefragt ist nach einer Stellung! Also los, Herr Professor! Ach! Ist ihr Gesicht unver­nünftig! Was? Indisponiert? Das ist keine Entschuldi­gung! Nichtgenügend! Setzen! Aber, aber Herr Professor! Sie sagten doch immer, Glei­chungen mit drei Unbekannten seien eine Spielerei und ver­sagen jetzt bei einer mit einer einzigen!... Morgen ist mein Urlaub zu Ende. Ich freue mich fast. Nur die verweinten Augen meiner Mutter tun mir weh. Müt­ter leben ihr Leben in den Augen. Abends sitze ich bei ihr auf dem alten Sofa. Sie erzählt mir von meiner Kindheit; wohl deshalb, um sich selbst und mir den Abschied leichter zu machen. Meine Mutter ist mir das Höchste. Sie allein fragte nicht, ob ich für immer komme; sie sagte nur: ich freue mich, daß du da bist! Ich bin noch immer ihr kleiner Junge und das werde ich ihr nie vergessen... An der uns gegenüberliegenden Wand hängt ein Bild. Ich malte es mit sechzehn Jahren. Die grellen Farben sol­len den Frühling darstellen. Es ist aber mehr die Begei­sterung des Sechzehnjährigen in dem Bilde, als wirkliche Konturen. Rot, blau, grün jauchzendes, jugendliches Hoffen und Wünschen. Die Farben flirren an mir vorüber... Vorbei Meine Farben sind grau grau und fahl... und vergiß deine Mutter nicht draußen in der Welt! Nie, Mutter!** Nie, Mutter! Mögen Mutterhände noch so rauh und verarbeitet sein, so sind sie doch unendlich weich, wenn sie Kinder strei­cheln.«. Ernst geht mit zur Bahn. Er raucht ununterbrochen von meinen Zigaretten. Am Bahnsteig bummelt Modelack. Er ist sehr verdrossen und schimpft. Die Welt wird immer miserabler! Sieh* mal dort den Fettwanst. Er hat bestimmt eine dicke Geldtasche, aber sei­nen Koffer trägt er selbst! Die Leute haben kein Gefühl für dasGehört-sich** mehr! Modelack prustet, als schleife er den schweren Koffer des Dicken. Nehmen wir an, Regner, ich hätte deinen Koffer, der zwar sehr schlank und verschlissen ist, getragen. Was wür­dest du mir dafür geben? Ich würde dir eine Zigeratte borgen! Er teilt die Zigarette sparsam in zwei Hälften, läßt sich wie ein Grand Feuer geben und schiebt mit einem zynischen, den Göttern empfohlen" ab. Die Stimme meines Bruders klingt spröd neben mir: Sollte bei euch draußen mal was los sein, so denke an mich, Fritz! Ich nehme alles an. Meinetwegen auch Wagen­schmieren! Bei uns stehts auch schlecht. Ich kann dir mit bestem WiUen nichts versprechen! Das höre ich alle Tage. Aber ich gehe zugrunde dabei! Vor einigen Tagen trug ich einen Koffer ins Hotel. Der Koffer war schwer und sein Besitzer hatte einen großen Brillanten am dicken Finger. Plötzlich kam mir ein Ge­danke: Davonlaufen! Dabei wurde mir so schwindlig, daß ich Mühe hatte, ins Hotel zu kommen. Das nächste Mal werde ichs vielleicht doch tun! Was soll ich sagen? Daß es Sünde ist? Ist es denn nicht eine viel größere Sünde, daß ein so junger, wertvoller Mensch so denken muß? Es muß doch mal besser werden!" Will man am ehrlichsten trösten, so sagt man bestimmt die banalsten Worte. Besser werden? Fritz, das ist ein schlechter Witz! Der junge Mund zuckt. Lebewohl, Fritz! Ich stecke ihm einige Schillinge und eine Schachtel Ziga­retten in die Rocktasche.