Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG

16. Jahrgang

Völkerbundrat

Dienstag, 21. Jänner 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 17

in gedrückter Stimmung Der englische König tot Mehr parlamentarische

Genf . Der Völkerbundrat hat Montag um 11 Uhr seine Tagung mit der üblichen nichtöffent= lichen Sigung begonnen. Alle Ratsmitglieder sind durch ihre Hauptdelegierten, also vor allem durch Laval, Eden, Aloisi und Lits winow vertreten.

In der anschließenden öffentlichen Sigung wurde das Andenken des verstorbenen Vorsitzen den der Abrüstungskonferenz Henderson ges ehrt. Der Rat befaßte sich dann mit dem Be­richt des Finanzausschusses über die finanzielle Lage in Ungarn , Bulgarien und Oesterreich. Es entspann sich u. a. auch eine kurze Debatte über den Bericht der zwischenstaatlichen Beratungs­fommission für den Flüchtlingsschuh.

Regierungskrise in gedrüdter Stim mung statt.

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London . Reuter meldet um Mitternacht: Die Kräfte des Königs schwinden langsam. In der Zeit zwischen der Ausgabe von zwei Bulletins trat eine solche Schwächung ein, daß die Aerzte gezwungen waren, sich dar­über klar zu werden, daß keine Hoffnung mehr auf Genesung besteht. Sie untersuchten von neuem den Zustand Seiner Majestät und stelle ten fest, daß er langsam dahin stirbt. Die traurige Nachricht wurde sofort der Königin und den übrigen Mitgliedern der königlichen Familie zur Renntnis gebracht, die alle refigniert das Ende erwarten, das nicht mehr weit sein kann.

Aktivität!

An dem Tage, an dem das Parlament zum ersten Male seit den Weihnachtsferien zu einer Tagung zusammentritt, die, wie verlautet, nur wenige Sihungen umfassen soll, ist es angebracht, mit einigen ruhigen, aber ernsten Worten daranf hinzuweisen, daß die Anhänger der parlamentas rischen Demokratie von der Tätigkeit unserer gea setzgebenden Körperschaften nur wenig be friedigt sein können.

Eine bei Blattschluß eingelangte| ausgegeben, bevor die Aerzte. Das parlamentarische System hat in der Reutermeldung läßt keinen Zweifel nicht den Tod des Königs Tschechoslowakischen Republit eine beachtenswerte mehr daran, daß der Tod des Königs fe st stellen können. Eine große Festigkeit bewiesen. Die demokratische Zusammen­nur mehr eine Frage von Stunden ist. Menschenmenge verharrt in ehrfurchts- arbeit der verantwortungsbewußten Parteien hat, Die Situng des Rates fand einerseits Es heißt darin, daß der Erzbischof von vollem Schweigen vor dem königlichen während der Ansturm des Faschismus über ganz unter dem Eindruck der Nachrichten über den Canterbury der Königin Trost zuspricht. Palast in London . Mitteleuropa hinwegging, dem Lande die poli­Gesundheitsstand des Königs von England, tische Freiheit und die parlamentarische Verfas andererseits unter dem Eindruck der Pariser Weitere Bulletins würden nicht mehr fung erhalten. Die Genugtuung, mit der wir das täuschen, daß die sichere Festigkeit unseres Pars Yamentarismus nicht begleitet ist von jener leben­digen Tätigkeit der parlamentarischen Körper­schaften, die das Parlament, nicht nur als Tri­büne der politischen Auseinanderseßung, sondern auch als Motor des politischen Geschehens zum Mittelpunkt des öffentlichen Interesses machen würde, wie dies die Grundzüge der parlamenta rischen Demokratie erfordern.

Schloß Sandringham, 20. Januar. König Georg V. berzeichnen , darf uns aber nicht darüber hinweg­

Da Ministerpräsident a bal Genf ehe ftens verla sen will, um nach Paris zurück­zukehren, wurde die Sigung des mit der Lösung des Wesens des abessinischen Problems betrauten Dreizehnerausschusses des Rates bereits auf nach mittags 16 Uhr einberufen.

Der Ausschuß stellte fest, daß keiner Iei neuen, Ereignisse eingetreten sind, die zu einer Lösung des Konfliktes beitragen würden. Weiters entsprach vorderhand der Ausschuß nicht dem Anfudhen der abeffinischen Regierung betreffend Organisierung einer finanziellen Hilfe für Abessinien. Auch das Anfuchen nach Entfendung einer internationalen Kommission nach Abessinien, welche festzustellen hätte, auf welche Art und Weise dortselbst der Krieg ge­führt wird, wurde vorderhand abgelehnt. Der 18er- Ausschuß für Sanktionen wurde für Mittwoch nachmittags einberufen.

,, Unabsichtliche"

Bombardierung

von Mussolini zugegeben Genf . Das Internationale Rote Kreuz veröffentlicht einen Briefwechsel seines Präsi­denten mit Mussolini wegen der italienischen Bombenabwürfe auf Sanitätsformationen. Sn seiner Antivort erklärt Mussolini , die italienischen Militärflieger in Ostafrika machten es sich zur

von England ist um 23° 58 Uhr E. Z. sanft entschlafen.

Während Reuter Montag meldete, es sei Kronrat statt, um über die Stellvertretung des wahrscheinlich, daß der König dank seiner förper- Königs durch einen Staatsrat Beschluß zu lichen Widerstandsfähigkeit die Krankheit faffen. Der Staatsrat wird lediglich aus Mitglie­überwinden werde, besagte ein um 17 Uhr dern der königlichen Familie, und zwar aus der 30 ausgegebenes Bulletin: Königin und den vier Söhnen des Königs beste­hen, während ursprünglich die Absicht bestand, außer der Königin und den beiden ältesten Söh­nen noch den Erzbischof von Canterbury sowie den Ministerpräsidenten und den Lordkanzler zu Mitgliedern zu machen.

Der Zustand des Königs ist durch einen Kräfteverfall gekennzeichnet."

Wenn wir auch berücksichtigen, daß die ab­normale Verkürzung der Budgetverhandlungen durch äußere Umstände bedingt war, so tommen wir dennoch nicht über die Tatsache hinweg, daß der König an dem Kronrat teilgenommen und die fruchtbaren und auch in ihren Ergebnissen erfreu Nach dem Wortlaut des Kommuniqués hat unser Parlament seit seiner Neuwahl außer einer Ernennung des Staatsrates selbst vollzogen. In lichen außenpolitischen Aussprache nichts Bedeu Wirklichkeit spielten sich die Dinge so ab, daß der tendes, nichts mithin Sichtbares geleistet hat. Kronrat neben dem Krankenzimmer tagte, dessen und hätte der Vorstoß der sozialistischen Par­Türen geöffnet waren, so daß der König vom teien und die Energie eines Ausschußvorsitzenden Bett aus den Vorgängen folgen konnte. Das De- nicht im Herbst den sozialpolitischen Ausschuß.n fret über die Einsetzung des Staatsrates konnte Bewegung gesezt, so würde die Bilanz noch dürf­Montag mittags fand in Sandringham ein er noch selbst unterzeichnen. tiger ausfallen.

Dieses Bulletin rief begreiflicherweise die größte seunruhigung hervor. Montag abends wurde das Befinden des Königs als sehr tri tisch bezeichnet. Im Laufe des Tages wurde ihm erneut Sauerstoff zugeführt. Die im Schloß an­wesenden drei Aerzte verlassen das Krankenlager des Königs nicht. An das Krankenbett werden nur die Königin und die Söhne des Königs, und auch sie nur für kurze Zeit, zugelassen.

Kabinett Laval wird gesprengt

Mittwoch Rücktritt der radikalen Minister Daladier Parteivorsitzender

Es wäre ein Fehler, zu verschweigen, daß diese Erscheinung mit der Handhabung unseres Ermächtigungsgefeße zusammen hängt und daß sich diese Handhabung von der urs sprünglichen be.echtigten Absicht des Ermäch tigungsgesetzes entfernt hat. Die Zweckmäßig= feit, ja Notwendigkeit eines wirtschaftspolitischen Ermächtigungsgesezes soll nicht bestritten werden, das überſtürzte Tempo der wirtschaftlichen Ents wicklung in unserer Zeit erfordert immer wieder ein rasches, manchmal schlagartiges Eingreifen und es gibt Maßnahmen, die durch vorherige öffentliche Erörterung in ihrer Wirksamkeit arg beeinträchtigt werden könnten.. In solchen Fällen mag sich das Parlas

aber nur in solchen

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kaum Stimmen abnehmen kann. So ist es zu dem Entschluß gekommen, die radikalen Minister aus dem Kabinett zu ziehen. Es scheint festzustehen soweit bei den Radikalen jemals etwas fest= steht daß nicht nur Herriot, sondern alle ment mit der nachträglichen Genehmigung be sechs radikalen Minister nach der scheiden. Aber damit ist nicht zu recht­Rückkehr Lavals aus Genf am Mittwoch fertigen, daß er Parlamentas ihre Demission einreichen werden.

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Pflicht, die Abzeichen des Roten Kreuzes zu Die Ereignisse in Frankreich haben die seit| türlich auf Kosten der Nadikalen seine Mehrheit achten. Jedoch könne es immerhin vorkommen, Wochenende vorgezeichnete Richtung genommen. zu festigen versuchen, da er ja den Sozialisten daß auch eine mit den Abzeichen des Roten Kreu- Da sich in der Vorwoche noch eine Mehrheit von zes versehene Abteilung manchmal unfrei 63 Stimmen für Laval gefunden hatte, mußte willig in die Operationen verivickelt werde. der Versuch, ihn parlamentarisch zu schlagen, als Niemand beklage mehr als die italienische Re­gierung eine solche Möglichkeit. Italien werde alles unternehmen, damik sie nicht eintrete. Mus= folini erklärte zum Schluß, die italienische Res gierung fönne mur wünschen, daß Vertreter des Genfer Komitee sich auf den Kriegs= schauplab begeben, um festzustellen, ob und wie die Regeln des Genfer Abkommens von der einen und der anderen Seite angewendet oder berlegt werden.

Auch in der italienischen Antwortnote an die schwedische Regierung wird erklärt, daß die italienischen Kampfflieger das Rote- Kreuz­Zeichen überall refpettieren, doch fönne es wie in anderen Kriegen auch diesmal vorkommen, daß das Bombardement Stellen er­reicht, die man nicht mit Bomben belegen wollte und die das Rote Kreuz tragen. Die schwedische Ambulanz wurde nicht mit Absicht getroffen, da sie zwischen den Zelten der feindlichen Kämpfer untergebracht war. Die italienische Regierung spricht ihr Bedauern über diesen Zwischen­fall aus.

Unklar bleibt die Rolle Herriots,

rismus durch e Emächtigung verdrängt wird. Das ist nicht nur in rein politischem Sinne der Demokratie schädlich, son­dern auch verfassungsrechtlich bedenklich.

bleibt auch, was dieser fähige Politiker, der sich aber im Kampf um den Burgfrieden ein wenig verbraucht hat, weiter tun wird. Als Parteivor- Es soll hier keine verfassungsrechtliche Un­fitzender scheidet er aus. Die Erekutive der Ra- tersuchung angestellt werden. Aber es ist eine dikalen hat Edouard Daladier , den politisch e Notwendigkeit, darauf hinzuweis Mann des 6. Feber, zum Vorsitzenden gewählt, sen, daß unsere Verfassung grundsätzlich nur dem Herriot aber gehuldigt, indem sie ihn zum Ehren- Parlamente das Recht gibt, allgemein verbind= vorsitzenden erwählte. Ob Herriot Laval ans einer liche Normen zu erlassen und daß sie der Regie­tieferen Absicht gestürzt hat, ob er geht, weil er rung eine Verordnungsgewalt nur zur Durch Laral nicht zu retten vermag, bleibt noch dunkel. führung von Gcseßen übertragen hat. Das Ers Die Entscheidung wird bei dem Präsidenten mächtigungsgesetz darf also nicht als Blanfo Lebrun liegen. Kandidaten für die Regie- bollmacht aufgefaßt werden, sondern als Auftrag rungsbildung werden in großer Zahl genannt. an die Regierung, konkrete und unmittelbar dro­Die Linke präsentiert Daladier, aber die hende wirtschaftliche Schäden und Störungen zu Rechtspresse erklärt, daß die Straße gegen verhüten. Es entspricht nicht der ursprünglichen Daladier aufstehen" würde. Eine Wiederholung Absicht des Ermächtigungsgefezes, daß Vorlagen, der Ereignisse von 1934 könnte den Bürgerkrieg für die eine parlamentarische Mehrheit gesichert bedeuten. ist und für deren rechtzeitige Verabschiedung kein Die Sozialisten haben für den 1. und 2. Hindernis vorliegt, durch Verordnung in Gel­Graz. Das Schwurgericht in Leoben bers Feber einen außerordentlichen Parteitag einberu tung gesetzt werden. Das Parlament hat wieder­urteilte den gewefenen sozialdemokratischen Füh fen. Léon Blum erklärt im Populaire", er holt bewiesen, daß es imftande ist, eine Regies rer Johann Schlögel, einen Waldarbeiter, langwieriges Manöver erscheinen. Andererseits habe Herriots Rücktritt mit einem Gefühl der rungsvorlage, über die im Ministerrat nur wegen Teilnahme an den Feberunruhen zu fünf fönnen die Radikalen nicht in den Wahlkampf Erleichterung" zur Kenntnis genommen. Kommt grundsätzliche Einigung bestand, in den Einzel­Jahren schweren Kerfers. gehen, ohne nicht mindestens versucht zu haben, es vor den Wahlen zu einer Linksregierung, so heiten auszuarbeiten und dem bloßen Entwurf Dasselbe Gericht verurteilte in einer zwei- Laval aus der Schlüffelstellung werden die Sozialisten fie tolerieren. Nach den die endgültige Fassung zu geben. Es sprechen ten Verhandlung den kommunistischen Agitator zu werfen, die er im Wahlkampf durch Wahlen soll dann eine Programmregierung der also alle Gründe für eine zweckmäßige und dem Martin Plank wegen Verbreitung von Propa- die Beherrschung der Regie. Volksfront gebildet werden wenn nicht Geiste der Verfassung entsprechende Ar beites gandadruckschriften seiner Partei zu fünf Jahren rungsfonds und des Staats- eben die Rechte vor den Wahlen eine Entschei- teilung zwischen Regierung und schweren Kerfers. apparates hätte. Denn Laval würde na dung mit anderen Mitteln sucht! Barlament und gegen den bestehenden Bua

Trotz Amnestie:

Daladier

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