Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077.
16. Jahrgang
HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
Ingen Donnerstag, 23. Jänner 1936 9190
Beistandspakt
Nentwich über den Führungsklüngel in der SdP
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto)
6X
Nr. 19
tangiert nicht Frankreichs Rheingrenze Bonzen- Nullen ohne Vorzeichen"
Ekliges Getriebe Dunkle Punkte Maßlose Ueberheblichkeit Skrupellose Mittel
Genf. In öffentlicher Sizung behandelte der Genf . Minister Eden hat dem Vorfißen- 99 Bölkerbund am Mittwoch die politische Lage in Danzig . Minister Eden führte als Bericht den der Sanktionsfonferenz ein umfangreiches erstatter aus, er betrachte die Lage in Danzig als Meorandum überreicht, in welchem die Verhand außerordentlich ernst. Man müsse die Yungen der britischen Regierung mit den Regieganze Aufmerksamkeit der Verlegung der DanIn der nun der gesamten Oeffentlichkeit vor- auf den wir als prominenten Landesvertreter der ziger Verfassung durch den Danziger Senat zu- tungen Frankreichs , Jugoslawiens , der Türkei liegenden Broschüre des ehemaligen Abgeordne- SDP, auf Grund der Broschüre des Ing. Nentwenden. Eden bezweifelte den guten Willen des und Griechenlands über den gegenseitigen Bei- ten der Sdp, Ing. Nent w ich aus Zetschen, wich vielleicht noch einmal zurüdfommen werden. Danziger Senats, mit dem Völkerbunde zusam- stand der die Sanktionen gegen Italien auf Grund ist einiges interessante Material zu finden, das 3ng. Nentivich hatte dem Helzel konkrete belamenzuarbeiten. des Artikels 16, Abjat 3, des Bölferbundpattes nachweist, welcher Geist in dieser stende Dinge vorzuwerfen, aber seine Partei anvendenden Staaten sehr ausführlich dargelegt großen Partei herrscht, die mit dem Goebbels'schen Schlagwort von der., Sauberfeit und Anständigkeit" vor die Oeffentlichkeit trat.
In der Debatte betonte der franzöſiſche Delegierte Leger, daß der Senat die konstitutionellen Rechte der Danziger Bürger respektieren müsse. Auch der spanische Delegierte Madariaga schloß sich der Erklärung Edens und Legers an und verlangte eindringlich, daß in Danzig das Recht respektiert werde.
Der russische Boltskommissär Litwinowo erFlärte, falls internationale Verpflichtungen als Fezen Papier angesehen würden, würde es im internatios nalen Leben weder Ordnung noch Frieden geben.
Der Präsident des Danziger Senates Greis fer behauptete, daß es sich bloß um ein..Mißverständnis" in der Anschauung der Juristen handele.
Die Debatte schloß Eden mit der Erklärung, daß es unmöglich sei, die politische Lage in Danzig ihrer gegenwärtigen Entwicklung zu überlassen und daß man eine Lösung suchen müsse. Minister Eden wird wahrscheinlich bereits Donnerstag nachmittags feine Vorschläge dem Völkerbund unterbreiten.
Noch ein Komitee
Genf . Mittwoch nachmittags trat der Acts sehnerausschuß für Santtionen zusammen. Der Borsigende legte dem Ausschuß einen Resolu tionsantrag bor, in dem u. a. die Bildung eines Expertenfomitees vorgeschlagen wird, das die technischen und andere Fragen betreffend den Verfehr mit Naphtha und deren Derivaten prüfen soll. Dieses Komitee wird damit betraut werden, ehestens der Konferenz einen Bericht über die Wirksamkeit einer eventuellen Gr= weiterung des Embargos auf Petroleum und andere Waren vorzulegen.
*
Genf . Der Völkerbundrat ernannte in einer nichtöffentlichen Sigung einen Sonderausschuß für die provisorische Lösung des Problems der Flüchtlinge aus Deutschland . In diesen Ausschuß werden England, Dänemark , Frankreich , Italien , Polen , Rußland und Ecua dor ihre Vertreter entsenden.
Proklamation
werden.
Eden erklärt, daß sich die Verhandlungen über den gegenseitigen Beistand auf Grund des Artikels 16 des Völkerbundpaktes ausschließlich auf Aktionen im Mittel meer bezogen haben und mit der Nordost= Grenze Frankreichs nichts zu tun hatten. Auch die Verhandlungen des britischen mit dem französischen Generalstab bezogen sich hauptsächlich nur auf den Fall des Ausbruches von Feindseligkeiten im Mittelmeer . Ein ande rer Fall wurde nicht in Erwägung gezogen. Ebenso wie die französische Regierung ant worteten auch die Regierungen Griechenlands , der Türkei und Jugoslawiens positiv.
3ng. Nentwich schreibt nun über seinen in unserem Blatte veröffentlichten Brief an seinen Freund Sachse, der gleichzeitig Ortsleiter von Bodenbach war, folgendes:
,, Dieser Brief, der rein örtliche Angelegen heiten und Auseinandersetzungen, wie fie in jeder Partei immer und immer wieder vorkommen wer> den, behandelt, wurde nun zum ficher längst ers sehnten Anlaß genommen, um einen dem Füh rungstün ge I mißliebigen Mann mundtot zu machen und faltzustellen".
-
Ing. Nentwich, der glaubte, daß er es überall mit anständigen Menschen in dieser Partei su tun hat, fiel einem Julius He Ize I zum Opfer, den er selbst genügend kennzeichnet und
hatte
,, gerade in diesem Punkt, der allein Veranlassung hätte geben können, gegen mich oder Helzel mit einem ehrenrätlichen oder Untersuchungsverfah ren vorzugehen, überhaupt nichts un ternommen."
"
Ueber diesen Herrn Helzel, äußerte sich der Kreisleiter der SdP, Abg. May also:
,, Nun, Ihr habt mich ja mit Helzel schwer hereingelegt. Ich habe in seiner Heimat die aller größten Schwierigkeiten deswegen, weil er auf der Liste ist. Er genießt dort keinen guten Leumund und scheint allerlei, nicht gerade feine Sachen am Kerbholz zu haben".
Ueber die Bonzen in der SdP schreibt Nents wich:
Daß für Parteiführer jener Prägung, die man ja wohl immer als Bonz en be zeichnete, Nullen ohne Vorzeichen, oder Naturen aus weichem Wachs, Männer ohne eigenen Anhang, oder gar irgendwie mit Schwä chen oder einem dunklen Punkt Belastete als Mitarbeiter oder Unterführer bequemer unb beliebter waren und find, als deren Gegenteile ist jebem politisch Denkenden flar. Sie müffeit gefügig fein, weil man sie an ber hand hat.
Laval lehnt Neubildung ab
Paris . Die Regierungsfrise, die feit einer| Die Mehrzahl der Parlamentsmitglieder 28oche über dem Kabinett Laval schwebte, ist Mitt- tritt für die Bildung eines Uebergangs. woch nachmittags tatsächlich eingetreten. Bei einem kabinetts ein, das die laufenden Angelegen Kabinettsrat gaben vier von den sechs radikalen heiten erledigen und die Kammerwahlen beschlen Ministern, und zwar Herriot, Georges Bonnet , nigt für den Monat März vorbereiten würde. William Bertrand und Paganon ihre Demiffion. Die Aufgabe, das hundertste Kabinett Später gab auch noch Minister Marin, der Füh- der Dritten Republik zu bilden, ist sehr schwierig. rer der Rechten, gesondert seine Demiffion. Das Es werden drei Möglichkeiten diskutiert: Kabinett erledigte nur noch die Vertretung der 1. Ein Kabinett der Volksfront unter französischen Regierung beim Begräbnis des eng- Teilnahme der Sozialisten, Kommunisten und der lischen Königs, worauf Laval dem Präsidenten sozialistischen Vereinigung sowie der Radikalen. der Republik die Gesamtdemiffion der Diese Kombination ist wenig wahrscheinlich, da Regierung bekanntgab. die Linksparteien unmittelbar vor den Wahlen kaum die Regierung werden übernehmen wollen.
Präsident Lebrun drängte Laval, die Bildung des neuen Kabinetts zu übernehmen, da er ja im Parlament nicht geschlagen worden sei, doch lehnte Laval dies ab. Der Präsident nahm hierauf sofort die üblichen Beratungen mit den polides neuen Königstischen Persönlichkeiten auf. London . Im Staatsanzeiger" wird die Erflärung veröffentlicht, die König VIII. in der Sigung des Kronrates im St. James- Palast abgegeben hat. Der König sagte u. a.:
,, As mein Vater hier vor 26 Jahren stand, erklärte er, daß eines seiner Lebensziele die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Regierung sein werde. In dieser Hinsicht bin ich entschlossen, in meines Vaters Fußstapfen zu folgen und wie er während meines ganzen Lebens für das Glück und die Wohlfahrt aller Klaffen meiner Untertanen zu arbeiten."
Mittwoch um 10 Uhr englischer Zeit wurde vom Balkon des St. James- Palastes die Thron besteigung des neuen Königs Eduard VIII. feierlich verkündet. Die Proflamierung wurde gleichzeitig auch in sämtlichen englischen Dominions berlautbart.
Die Begräbnisfeierlichkeiten Ueber Wunsch des neuen Königs werden die
Kammerpräsident Bouisson hat die Betranung mit der Kabinettsbildung gleichfalls abgelehnt. Herriot dürfte am Donnerstag diefem Beispiel folgen. Als Kandidat für ein Nebergangskabinett gilt Senator Sarrant , der bisherige Finanzminister.
Da Präsident Lebrun am Dienstag an dem Begräbnis des englischen Königs teilnehmen und bereits am Montag nach London abreisen wird, muß das neue Kabinett spätestens in der Nacht vom Sonntag auf den Montag gebildet sein.
to de
Locarno
2. Ein rein radikales Minderheitskabinett unter wohlwollender Unterstübung der Linten; auch eine solche Kombination hätte keine festen Grundlagen, da dieRadikalen nur über 160 bon 514 Deputierten verfügen; man rechnet daher
3. mit der bisherigen Kombination eines Kabinetts der Konzentration und des Waffenstillstandes der Parteien von den Nadikalen bis zur gemäßigten Rechten, die seit dem Feber 1934 besteht. Die Hauptschwierigkeit dies ser Kombination beruht darin, daß der linke Flügel der Radikalen etiva 40 bis 50 Depu fierte die Politik der Linksfront unterſtützt. während der rechte Flügel mit etwa 30 Depu tierten grundsätzlich gegen die Linksfront ist.
Und der Freund Jng. Nentwichs, der gewesene Ortsleiter Sachse von Bodenbach , schreibt an den Kreisleiter May in seinem Brief, in dem er von Verzicht auf seine Funktion, auf die Mits gliedschaft in der Kreisleitung der SdP Mittellung macht:
Auf alle Fälle ekelt mich dieses ganze Ges triebe, wie es von Hauptleitungsmitgliedern, wie Frant, Kö I Iner usw. an den Tag gelegt wird, unsagbar an.
Wenn auch diese Herren denken, es müsse fich jeder Mensch von ihnen auf der Nase herumtanzen lassen, müsse dumme oder bornierte Briefe sich schreiben lassen, dann ist man bei mir an den Unrechten gekommen. Wenn mir das mit dem Brief Schaschet im bürgerlichen Leben passiert, woo ich feine solchen fameradschaftlichen Rücksichten nehmen muß,..( mit Rücksicht auf das Pressegesetz ausgelassen.)
Daß ich mich zum Popang solcher Herren her gebe, kommt garnicht in Frage, das ganze Jahr machen diese Leute, was sie wollen,
lachen sich eins über die blöden Ortsleiter ba braußen und bei Tagungen werden dann große Worte gesprochen von der besonderen Berantwortlichkeit und Wichtigkeit der Amtswalter.
In Hirschberg, wo der Führer Henlein " schon einmal beim Grafen " wie ein Fürst bes pflichtigen" des Rheinlandes sich dortselbst bei den wirtet und empfangen wurde, kam es mun gut unteren Ersatzbehörden" zu melden haken. Die einer Untersuchung. Der ganze ,, Führerklüngel" Entmilitarisierung ist also bereits weitgehend war dort versammelt und nach stundenlangen Beabgebaut. ratungen erhielt Ing. Nentwich die Entschließung Auf die Nichtratifizierung durch Frankreich des Untersuchungsausschusses in Form führt Ewer die Säße der letzten Rede Moletoms eines Räsezettels" überreicht. Dort vor dem Zentralexekutivkomitee der Sowjetunion erfuhr nun Ing. Rentwich, warum man ihn zur zurück, daß die UdSSR stark genug sei, um sich berkennung des Mandates zwang. allein zu verteidigen, und daß sie eine Ver- Veröffentlichung des Briefes und die Streitig befferung der Beziehungen zu Deutschland begrü- feiten im Streise waren es, die dazu führten, songen würde. Dies bedeutet nach Ewer den Hinweis dern: ten fönne, ihm aber auch gegen Deutschland für Frankreich , daß man auf seine Hilfe verzich
nicht beistehen würde...
Das Kabinett Laval hat die parlamentarische Ratifizierung des Beistandsvertrages Paris- Mos fau regelrechtsabotiert, so daß der Bertrag bisher nicht in Kraft getreten ist. W. N. Ewer, der gut informierte Außenpolitifer des ben sein, wie beim Zeichenbegängnis des Königs hungen Hitlerdeutschlands zurück, das erkläre, der " Daily Herald", führt diese Sabotage auf DroEduard VII. Bisher haben ihre Beteiligung am Begräbnisse in Londor der belgische und der Vertrag Paris- Moskau verletze den dänische König, der König von Norwegen mit der paft und seine Infraftſeßung würde dem Dritten Königin, der franzöfifche Präsident Lebrun, Bring Reich das Recht geben, die Entmilitarisierung aus Olaf, Prinz Paul von Jugoslawien , Pring Georg eigener Machtvollkommenheit aufzuheben. scheinlich bis nach der Kammerneuwahl, zur Folge. bon Griechenland , Prinz Felig von Luxemburg , Dazu kann man sagen, daß die Zulassung Von Laval selbst weiß Ewer zu berichten, daß er Emir Zaid vom Krat, weiters Sonderabgesandte der ungeheuren Aufrüstung Hitlerdeutschlands einem Freunde erklärt habe, er könne teine Nacht Japans und anderer Staaten bekanntgegeben. und der Wiedereinführung der allgemeinen Wehr mehr einschlafen, ohne die Unterzeichnung des Die deutsche Regierung, wird Außenminister. von pflicht das Dritte Reich zu weitern Schritten auf Bertrags mit Mostau zu bereuen. Der englische Neurath vertreten. Ertaiser Wilhelm entfen- dieser Bahn allerdings ermuntert hat. Uebrigens Journalist spricht von einem heftigen diplomatidet zu den Begräbnisfeierlichkeiten einen hohen haben wir selbst wiederholt Verlautbarungen im fchen Kampf in Europa , der in der Stille den zollern- Prinzen. Nazirundfunt gehört, wonach die Gestellungs- abejjinijchen Striegslärm begleitet
Nicht die
um einen unbeliebten und unbequemen M hner und Kritiker loszuwerden und tot zu machen. Ich wußte schon lange, daй ich gewiffen Herren in der Hauptleitung nicht paffe, weil ich ihrer ma klofen Ueberheblichkeit, zu der ihre Befähigung aber schon in gar keinem Verhältnis stand, nicht den sonst von allen gewohnten Kotau machte. Bemerkenswert ist auch folgende, von Nents berichtete Kleinigkeit:
wich
Der Abg. Sandner der SdP schreibt nicht nur einen tfcheischen Brief, ay