Sosialdemokra

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Oesterreich  

bleibt italienische Kolonie?

Rom  . In dem nach der Unterredung des Staatssekretärs Suvich mit dem österreichischen Außenminister Berger Waldenegg   in Florenz   ausgegebenen Kommuniqué heißt es, daß diese Beratungen die Ansichten Italiens   und Desterreichs hinsichtlich der Donaufrage und der gesamten politischen Lage betrafen. Die Be­ratungen endeten mit der verbalen Er= neuerung der gegenseitigen Ver­pflichtungen vom März 1934, die auf die politische Zusammenarbeit abzielen.

Britische Intervention in Tokio  

wegen der russisch  - japanischen Beziehungen

Tokio  . Im Zusammenhang mit dem japa­nisch- sowjetrussischen Grenzkonflikt und mit der Zuspigung der japanisch- sowjetrussischen Bezie= hungen besuchte Mittwoch nachmittag der britische Botschafter Clive den stellvertretenden Außen­minister Schigemitsu, um Aus funft über den gegenwärtigen Stand der schwebenden Fragen zwischen beiden Ländern zu erhalten. Schigemitsu jagte, die japanische Regierung habe die Absicht, die schwebenden Fragen durch eine Grenzkommis sion ohne Hinzuziehung einer dritten Partei und durch Errichtung einer Ostgrenzdemarkierungs­fommission zu lösen. Falls die Sowjetrussen beis den Vorschlägen zustimmen würden, wäre ein be= deutender Schritt zur Lösung der schwebenden Fragen getan. Anschließend fand ein Meinungs­austausch über Chinafragen und über die Tendenzen der Londoner   Viermächtekonferenz statt.

Politische Kreise messen der Unterredung über die sowjetrussisch- japanischen Beziehungen große Bedeutung auch im Hinblick auf Litwinows Verhandlungen in London   anläßlich des Trauerbesuches bei.

Paraguay   nach dem Umsturz

Die neue Regierung verspricht baldige Wahlen

Afuncion. Nach dem Staatspräsidenten Ayala hat auch Vizepräsident Ribeiro seinen Rücktritt erklärt. Der Oberbefehlshaber der Armee, General Estigarribia, ist verhaftet worden. Nach einer Mitteilung der Führer der Aufstandsbewegung herrscht im ganzen Lande wieder Ruhe. Amtlich wird gemeldet, daß bei dem limsturz ein Offizier- Kapitän getötet und sechs Soldaten und ein Offizier verwundet wurden. Die Materialschäden, die bei dem Umsturz verur sacht wurden, sind verhältnismäßig geringfügig.

Die Regierung hat ein Triumvirat aus An­hängern der Aufständischen gebildet. Einer der Anführer der siegreichen Aufständischen, Gonza­les, erklärte, daß in Paraguay   in drei Monaten allgemeine Wahlen stattfinden werden.

Donnerstag, 20. Feber 1936

Kabinett Azana  

mit Unterstützung der Sozialisten

Im Kabinett nur Linksrepublikaner und Republikanische Union

Madrid. Der bisherige Ministerpräsident Portela Balladares, der ursprünglich erst am Freitag zurücktreten wollte, gas unter dem Eindruck der Manifestationen der Linken und der Nachrichten, daß es zu Ordnungsstörungen kommen werde, wenn die Regierung im Amte bleibe, schon Mittwoch nachmittags seine Demiffion,

Der Präsident der Republik   betraute den Führer der Partei der republikanischen Linken, den ehemaligen Ministerpräsidenten Manuel Azana  , sofort mit der Bildung der neuen Regierung.

Azana   hat sein Kabinett ausschließlich aus Mitgliedern seiner Partei und zwei Mitglie­dern der Republikanischen Union gebildet. Die Sozialisten und die äußerste Linke sind, wie schon von vornherein feststand, nicht in die Regierung eingetreten, werden sie aber zweifellos unterstützen.

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haben, auf diese Weise den Wahlausgang zu for­rigieren. Zur Ausführung fehlte angesichts der entschlossenen Haltung der Linken offenbar der Mut.

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Nr. 43

Die Schweiz   duldet keine Geßler- Methoden

Die Schweizer   Lande haben staatsrechtlich bis 1648 zum Deutschen Reich gehört. Faktisch hatten sie sich schon rund anderthalb Jahrhunderte früher aus dem Rahmen des Reiches gelöst. Es war nicht mangelndes Nationalgefühl, das die freien Bergbanern und Stadtbürger der Urfan­tone und die von Bern  , von Zürich  , von Basel  , die Appenzeller und Sankt Gallener veranlaßte, die staatsrechtliche Bindung zum Reiche aufzuge­ben; es war die Freiheitsliebe und das treue Fest= halten an altem Recht, das die Eidgenossen zu Separatisten gemacht hat. Gegen die Reichsgewalt an sich hatten sie nichts einzuwenden. Da ihnen aber die Reichsgewalt in Gestalt der übermütigen habsburgischen Landesherren und ihrer Vögfe entgegentrat, da sie im Reiche von den benachbar­ten Fürsten immer wieder bedrängt wurden, so vor allem von den mächtigen burgundischen Her­zögen, brachen sie mit einem Bunde, der nicht imstande war, seine freiheitsliebenden Gliedstaa= ten gegen die despotischen Nachbarn zu schüßen. Ehe sie einen Geßler, ehe sie die Zwvingvögte er­trugen, gaben sie lieber das Band der Gemein­samkeit mit den Volks- und Sprachgenossen jen seits von Rhein   und Bodensee   auf.

Die Polizei hatte in der letzten Nacht in Madrid   höchste Alarmbereitschaft. Auch die sozia listischen Gewerkschaftsorganisationen trafen um­fassende Maßnahmen, um im Bedarfsfalle einem Militärputsch begegnen zu können. Der spanische Generalstabschef, General Franco  , von dem Die Schweiz   hat manche Wandlungen durch­behauptet wurde, daß er geflohen sei, wurde gemacht. Gewiß ist nicht jeder Eidgenosse unseres Mittwoch vormittags vom Kriegsminister empfan- Jahrhunderts ein Tell und Winkelried  . Aber das gen. Franco   stellte dem Havas- Berichterstatter Gefühl für Würde, die Liebe gegenüber jedwede Putschabsichten in Abrede.

Gil Robles   verschwindet

Der Führer der katholischen Volkspartei, Gil Robles  , der ärgste Scharfmacher gegen die Linke, hat die Leitung der Parteigeschäfte bis auf weiteres niedergelegt und einen mehr tägigen Urlaub genommen. Er soll dafür ein getreten sein, daß die alte Regierung erst die Die Ministerliste weist folgende Zusammen- Einberufung der neuen Cortes abwarten soll, be­sehung auf:

Azana Ministerpräsidium  

: Azana  Innenministerium: Amos Salvador Außenministerium: Augusto Barcia Finanzen: Gabriel Franco

Marine: Jose Giral  

Unterricht: Marcelino Domingo Oeffentliche  

Arbeiten: Casares Quiroga  Landwirtschaft: Huiz Funes

Arbeit: Enrique Ramos

Handel und Industrie: Alvarez Builla.

Alle diese Minister sind durchwegs Links­republikaner. Der Republikanischen Union ge­hören an:

Verkehr: Blasco Garzon Justiz: Antonio Lara.

Der Kriegsminister General Masque= let ist parteilos.

Putschgerüchte

Die Gerüchte von einem Militäraufstand auf den Flugpläßen von Madrid   werden lotego­risch dementiert. Immerhin scheint zumindest in gewissen Kreisen die Absicht bestanden zu

Goebbels   läßt seine Meute los

Der ,, Völkische Beobachter" erklärt, daß sich die Schweizer   Regierung mit diesem Verbot die marri it is chen Mordargumente" zu eigen mache und damit zu einem ,, werk­

vor sie demissioniere. Auf diese Erklärung wer­den die Putschgerüchte zurückgeführt.

Valladares

der frühere Ministerpräsident

die Schweiz   nicht unter der Drohung mit Ver­geltungsmaßnahmen vor weiteren Schritten gegen die Naziorganisationen, wie sie der Bun­

stellte, zurückschrecken wird. Aus einer halboffiziellen Darstellung der Schweizer   Bundesregierung geht jedoch hervor, daß diese nicht gewillt ist, vor Drohungen mit

Berlin  . Der Beschluß des Schweizer   land lebenden Schweizer   Anwen desrat in seinem Kommuniqué noch in Aussicht Bundesrates, die Organisationstätigkeit der dung fänden. DNSAP   in der Schweiz   einzuschränken und namentlich die Ernennung eines neuen Landes­leiters als Nachfolger des ermordeten Gustloff nicht mehr zuzulassen, ruft in der deutschen  Presse einen Sturm von Entrüstung und von Drohungen hervor, die offenbar von Herrn Goebbels   bestellt sind.

An der Spize dieser Kampagne steht die offizielle Nationalsozialistische Korrespondenz", welche schreibi:

,, Die deutsche   Nation empfindet den Berner  Beschluß als eine Herausforderung, die wohl nicht ohne geeignete Gegenmaßnahmen bleiben wird. Wenn die Schweizer   Regierung ohne jede rechtliche Veranlassung den in der Schweiz  lebenden Reichsdeutschen die Möglichkeit freien organisatorischen Zusammenschlusses nimmt, dann trifft sie damit das ganze deutsche   Volk welches es für billig halten würde, wenn die in Bern   profia mierten Grundsätze auch auf die in Deutsch  

zeug

der margistischen und jüdi­schen Propaganda" gegen Deutschland  

werde.

Repreffalien zurückzuschrecken.

Es heißt darin, man sei in politischen Krei­sen Berns darauf gefaßt gewesen, daß die natio­nalsozialistische Presse auf den Beschluß des Bun­desrates in heftiger Weise reagieren würde, man Der Berliner Lokalanzeiger" stellt zur glaube aber auch, daß die maßgebenden deutschen  Erwägung anheim, ob den Vereinigungen von Schweizern, die in Deutschland   bestimmte poli- Behörden die Dinge ruhig und überlegt an tische, kulturelle oder ähnliche Ziele verfolgen, noch das Recht zu Zusammenkünften gegeben werden könne. Aehnliche Forderungen stellt auch die Deutsche Allgemeine Zeitung".

schauen werden.

zur Freiheit, der Sinn für Bil- ligkeit und Recht sind doch allgemeine und aus dem staatlichen Leben der Schweiz   nicht wegzudenkende Eigenschaften.

Dieser Charakterzug des Schweizer   Volkes hat es, auch in seinen bürgerlichen Schichten, weitgehend gegen den Nationalso= zialismus immunisiert. Die Na­tionalratswahlen im Herbst haben den Faschisten der Schweiz   eine beschämende Niederlage gebracht. Aber dieser wirklich demokratische, seit Jahrhun derten bererbte Volfscharakter läßt die Schweiz  auch dem ausländischen Faschismus gegenüber jene Haltung finden, die einem freien Staat und einem selbstbewußten Volk geziemt.

Das Attentat, das David Frankfurter   auf den Hitler  - Agenten Gustloff verübte, ist in den bürgerlichen Kreisen der Schweiz   heftig getadelt, auf der Linken zwar erklärt, aber keineswegs ge= billigt worden. Die Stimmung in der Schweiz  war unmittelbar nach der Tat den Emigranten und Juden nicht günstig. Als aber die hitler= deutsche   Presse sich in den rüdesten Tönen über die Schweiz   ausließ, als sie Kommandos über die Grenze schmetterte und als Hitler selbst mit Rachetaten drohte, auch in seiner Grabrede für den Ermordeten die zahllosen Mordtaten des Nationalsozialismus einfach ableugnete, s ch Iug die Stimmung in der Schweiz  It m. Die öffentliche Meinung forderte energisches Einschreiten gegen die nationalsozialistischen Trei­bereien auf Schweizer   Boden und der Bundesrat hat in seinen Beschlüssen den Wünschen des Vol­tes Rechnung getragen.

Die Berliner   Nazipresse schäumt vor Wut. Noch immer glaubt, sie, die Eidgenossen durch weitere Drohungen einschüchtern zu können. Ge­rade das ist die Methode, mit der die Schweizer  am wenigsten zu überzeugen sind. So flein die Schweiz   ist, so bescheiden ihre Machtmittel sind, so selbstbewußt ist das Schweizer   Volk stets ge= wesen, wenn es um die wirkliche natio= na le Würde, um die Wahrung sei­ner Rechte und Freiheiten ging. Das wird den größenwahnsinnigen Feldwebeln in Berlin   noch klar werden. Geßlermetho den duldet die Schweiz   heute so wenig wie vor 6003ahren. Und wer ihr mit Zwingtvögten kommt, darf sich auf seine nationale Sendung" nicht berufen.

manchen Nachbarstaat Deutsch­

Das Beispiel der Schiveiz könnte für lands lehrreich sein. Wie würdelos hat Wenn gegen die schweizerischen Ver- sich ein Teil der tschechischen Presse benommen, als eine in Deutschland  , die sich nie in politische braune Mordbanden auf tschechoslowakischem Bo= Angelegenheiten des Reiches einmischen, der den Theodor Lessing   und den Ingenieur Formis artige Repressalien ergriffen werden sollten, so ermordeten! Wie duldsam waren, die staatlichen würden zweifellos die Deutschen   in der Schweiz   ,, Organe vielfach gegenüber der offen betriebenen Es ist klar, daß diese erregte Sprache der die viel zahlreicher sind als die Schweizer   in Mordheße in der nazistischen Presse! Das Schwei­gleichgeschalteten. Presse auf Weisungen Deutschland  , mehr zu leiden haben als zer Beispiel zeigt, daß ein kleiner Staat von Regierungsseite zurückzuführen die gemaßregelten schweizerischen Vereine in Staat der beträchtlich kleiner und militärisch viel schwächer ist als die Tschechoslowakei   besser sind. Offenbar will man zunächst sondieren, ob Deutschland  .

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