Leite 2Samstag, 22. Feber 1936Nr. 45tm" zurllckhalren. Nichts war vergessen: Pan-z»rautos und Ueberfallwagen fuhren schreckeinflü-ßcnd durch die Straßen der Städte und die Ar-beiterbezirke waren von der Polizei zerniert. Esereignete sich, daß Arbeiter durch eine Kette vonWachen mit aufgehobenen Händen zum Wahl»lo.kal zu gehen hatten, wo, knapp vor der Urnenoch die letzten Abschreckungsversuche gemach!wurden. Kam da ein junges Proletariermädel,aus deren Zunamen, wenn man zwei Buchstabenverstellt, das spanische Wort für Dirne gemachtwerden kann.»Also Sie sind die Dirne", fragtsie der Präsident der Wahlkommission.„Nein"—„Doch"— von allen Seiten fliegt her Hohn gegendas junge, unschuldige Wesen. Aber sie hält sich:„Güt", sagt sie,„soll ich als Dirne, gelten, aberich wähle."Alle, alle haben sich gehalten. Gie habengekämpft für die Freilassung ihrer Gefangenen.Sie haben gekämpft für die Bestrafung der asturi-schey Mörder. Sie haben gewußt, warum si:siegestrunken sein dürfen, ehe der Wahlgang nochbegonnen hatte: sie haben, mit dem sicheren Instinkt der Masse, den Triumph vorgefühlt. Dieivaren stark, weil sie einig waren; selbst die Anarchisten haben, zum ersten Mal in ihrer Geschichte,gestimmt:„gegen die Henker des spanischen Proletariats".Paris. In der Kammer kam es Freitagzu Vorstößen der Rechten, die einen nach demMtentat auf Leon Blum erfolgten Angriff vonAnhängern der Linken auf ein Beretnslokal derRoyalisten in einem Pariser Bezirk zur Debattestellen wollten, um den peinlichen Eindruck desAttentats auf Blum zu verwischen.Ministerpräsident Sarraut wurde jedoch sehrenergisch und erklärte, daß dieser Angriff nureine Folge des Anschlages auf LeonBlum gewesen sei.An Hand von Zitaten des Royalistenblattes„ArtionFraneaise" wies Sar-raut nach, daß es sich bei dem Attentat ansBlum um eine kangennd s n st em a t i-sche Vorbereitung zur Aufstachelungder Leidenschaften ähnlich jener Haßkampagnegehandelt habe, die zu Beginn des Welt-Zehn Jahre Kerkerkür gewerkschaftliche BetätigungWien.(Jntro.) Das Landesgericht hatUnter Vorsitz dLS aus"vielen Ständgerichtsprö-zessen bekannten Richters Dr. Meixner am15. Feber den Gewerkschaftsbeamten RudolfHolowatji wegen Hochverrates zu zehn Jahren schweren Kerkers und den Tischler FerdinandSteindl zu fünf Jahren schweren Kerkers, verurteilt. Hochverrat haben die beiden dadurch begangen, daß sie sich bemühten, die von der Regierung Dollfuß aufgelöste freie Gewerk-schaftderHolzarbeiterzu erneuern und weiterzuführen, wodurch sie dieWiederherstellung des Koalitionsrechtes und dersozialen Schutzgesetze gefordert hatten. In der!jetzt bekannt gewogenen Urteilsbegründung sagtdas Gericht:„Als erschwerend wurde angerwm-Als die Barcelonaer Ergebnisse bekanntwurden— dort kandidierten die fest Oktober gefangen gehaltenen Leiter der katalanischen Polstik— demissionierte der Regierungsgouverneur aufder Stelle und keine acht Stunden später zog dervertriebene frühere Bürgermeister ins Rathausvon Barcelona«in; sein erster Gruß galt„dengeliebten abwesenden Brüdern, die bald unter unssein werden". Der General Males, ein aufrechter, alter Republikaner, der die Generalidad übernahm, will sie nur bewahren, um sie„in die rechten Hände geben zu können: in die Hände jener,die heute noch im Kerker sitzen". Im MadriderGefängnis spielten sich herzzerreißende Szenen ab:die Häftlinge umarmten sich, weinten und lachten,ganz wie'die Tausende, die vor dem fest Oktobergeschloffenen Madrider-Volkshaus seine Wiedereröffnung erwarten. Mit Jubel drangen sie dannin die wohlvertrauten Räume ein, er schallt überdie Straßen, dringt zum größten Platz Madrids,wo eben ein haushohes Plakat abgeräumt wird,dgP Gil Nobles, den Faschistenführer zeigt, dergestern erst ausgerufen hat, ihm alle Mackit zageben. Heute hat alle Macht das spanische Volk.Die nächsten Monate werden zeigen, ob undwie das spanische Volk feine Macht zu gebrauchenversteht.kriegeö zur Ermordung des sozialistischen Deputierten I a u r s s geführt hat.Der von der Regierung genehmigt« Umzug der Linken durch Paris am Sonntag, beiwelchem kein einziger Blutstropfen vergossenwurde, habe Frankreich und der Welt gezeigt,daß die Freiheit der GesinnunginFrankreich nicht ge st orhensei.Dem Verlangen Sarrauts nach Vertagungder Interpellation auf unbestimmte Zeit wurdeschließlich mst 380 gegen 151 Stimmen Rechnunggetragen.Paris. Der Privatangestellte I o n o t, derals einer der Teilnehmer an dem royalistischenUeberfall auf den Abgeordneten Blum erkanntwurde, wurde verhaftet. Es wird gegen ihn dieAnklage erhoben werden.men» daß Holowatij in seiner Verantwortungerklärt hat:„Ich war immer Sozialistund werde es bis an meinLebens-e n d e bleiben." Dadurch hat der Angeklagteein solches Bethalten art den Tag, gelegt, däh.seine Zugehörigkeit zu der verbotenen Partei klargeworden ist."— Diese bemerkenswerte Begründung des Urteils gibt aiffo zu, daß die heutigenösterreichischen, Gerichte nicht wegen strafbarerHandlungen, sondern für Gesinnungen verurteilen.•-Wien. Wie die.Katholische Kirchenzeitung"berechnet, sind nun sämtliche Führer der reichsdeutschen Katholiken gezwungen, im Ausland zuleben. Darunter befinden sich: die früherenReichskanzler Dr. Wirth und Dr. Brüning,Prälat Dr. Kaas, Pater Stratmann unddie ganze Redaktion der Jesuitenrevue„Stimmender Zeit" sowie viele andere.Die SteuerreformDr. Trap! behält sich Stellungnahmezu den Richtlinien noch vorPrag. Schon in den ersten Beratungen desparlamentarischen Subkomitees für die Steuernovell«, bzw. des engeren Koalitionskomiteeshatte sich die Empörung weitester Bevölkerungsschichten über die Methoden der Finanzverwaltung bei der Bemessung und Eintreibung derSteuern in ziemlich explosiver Weise Luft gemacht, so daß sogar der Ministerpräsident vermittelnd eingreifen müßte.In der gestrigen Sitzung des weiteren Subkomitees kam es nun zu gegenseitigen Erklärungen, die die bestehenden Verstimmungen beseitigen und so die Voraussetzungen für eine vonrein sachlichen Gesichtspunkten geleitete gründliche Durcharbeitung des Entwurfes schaffensollen!.Der Vorsitzende Teplansky stellte einleitend fm. daß von Differenzen zwffchen der Koalition und dem Finanzministerium nicht gesprochenwerden könne, da beide Teile ein Interesse daranhätten, daß dieSteuerbemessungen nicht nur denInteressen des Fiskus, sondern auch der wirtschaftlichen Tragkraft der Steuerzahler entspreche. ,Manwerde daher gemeinsam nach Wegen suchen, um dieFinanzverwalwng zu entlasten und da- Vertrauender Steuerzahler zu heben.Dann referierte Dr. N o v a k über die amDcnnerstag vom Koalitionskomitee formuliertenRichtlinien für die Reform. Das Gesetz sollkeine Rückwirkung haben. Das Steuerjahr wäre so zu ändern, daß di« Steuern für dasJahr 1936 auf Grund der Borschreibungen fürdas Jahr 1935 eingehoben werden sollen. Ferner wird angeregt, daß die Gemeinden die auto-nomen Zuschläge wieder selbst einheben können.Hierüber entspann sich im Subkomitee einelängere Debatte, in die auch der Finanz-Minister Dr. Trapl eingriff.Zu der Forderung nach Aenderung des Steuer,jahres könne er im Augenblick nicht definittv Stellung nehmender sei aber nicht grundsätzlich dagegen.WaS die Vereinfachung der Steueradministrattve betrifft. suche die Finanzverwalwng selbst nach demmöglichst größten Ausmaß dieser Vereinfachung.Die Forderung, daß die Gemeinden wieder selbst ihreautonomen Zuschläge einheben sollen, hält der Minister für einen Rückschritt, da man in anderenStaaten gerade das System der Zuschläge aufgebeund Zuteilungen aus einheitlichen Steuern einführe.Man möge auch hier der Finanzverwalwng die Möglichkeit lassen, die Sache im einzelnen zu studierenund dann erst ihren Standpunkt zu beziehen. Bezüglich der Rückwirkung verwies Dr. Traplneuerdings darauf, daß die Finanzverwalwng bereits für 1936 mit gewissen Mehreinnahmen rechne;in viel größerem Ausmaße würde dieses Plus anEinnahmen noch der Selbstverwalwng zugute kommen. Es wäre zu bedauern, wenn einzelneBestimmungen für das Steuerjahr 1935 nicht mÄhrzur Geltung kommen sollten, beionderS chn Fällen,wo«ine un-begründete SteuerhimcrziehungVorlage. Er werde seinen Standpunft erst in einigen Tagen bekanntgeben und vorher noch die Entscheidung der Regierung einholen, ersuche aber, deshalb die Berawng der Novelle nicht zu verzögern.Masaryk gegen die Feierseines GeburtstagesIn der kommenden Woche sollten beideHäuser der Nationalversammlung den von denkoalierten Senatsparteien eingebrachten Gesetzesantrag zur Annahme bringen, durch den der7. März, der Geburtstag MasarykS, zum Staatsfeiertag erklärt werden sollte.Der Präsident-Befreier hat jedoch ausdrücklich den Wunsch zum Ausdruck gebracht, vondieser becchsichtigten persönlichen Ehrung A b-st and zu nehmen. Die Koalitionsparteienkonnten nicht umhin, diesem Wunsche T. G. Ma-saryks, der seiner persönlichen Bescheidenheit undSchlichtheit entspricht, Rechnung zu tragen, undwerden daher von der Behandlung des Gesetzentwurfes Abstand nehmen.Unser Handel mit RumänienOffizielle Intervention in BukarestBukarest. Der tschechoslowakische GesandteSeba hatte mit dem Ministerpräsidenten Ta-tarescu eine längere Unterredung über dsibeide Länder interessierenden wirtschaftlichen Fragen. Gesandter Seba brachte dem Ministerpräu-denten insbesondere die Wünsche der tschechoslowa-kischen Exporteure zur Kenntnis. In einer vomGesandten dem Ministerpräsidenten bei dieser Gelegenheft überreichten Note werden Vorschläge zurBelebung des tschechoslowakisch-rumänischen Handelsverkehres gemacht. Insbesondere handelt essich in diesem Zusammenhang um die Tatsache, daßder rumänische Export nach der Tschechoslowake«in den. letzten drei Jahren g e st i e g e n, der tsch»«choslowakische Export nach Rumänien im gleichenZeitraum jedoch zurückgegangen ist. Auchbesteht auf tschechoslowakischer Seite der Wunsch,das gegenwärtige Ueberwiegen der Ausfuhr vonRohstoffen und Halbfabrikaten nach Rumäniendurch eine Erhöhung de r Aus fuhr v o nFertigwaren aüszugleichen.Ministerpräsident Tatarescu hat das Vorbringen des Gesandten Seba in entgegenkommendster Weise ausgenommen.In den Wirtschaftsverhandlungen mitOesterreich ist eine kurze Pause eingetreten, diebis Anfang nächster Woche dauern wird. Der bevollmächtigte Minister Dr. F r i e d m a n n fährtin der Zwischenzeit nach Prag zur Berichterstat-tung und zur Einholüng neuer Instruktionen.Die nächste Plenarsitzung des Senates findet am Mittwoch, den 26. d. M., um 15 Uhrstatt.Der Präsident der Republik empfing gesternden Chef der französischen Milftärmission General F a u ch e r und den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Rumäniens Theodor E m a n d i. Schließlich empfingder Präsident den deutschen Gesandten Eisen-l o h r.Die Schweiz läßt sich ZeltBern. In der Freitag-Sitzung des Bundesrates, die sich mft der deutschen Protestnote befaßt«, gab der Chef des volftischen Departements,Bundesrat Motta, Kenntnis von dem Eingangund Inhalt dieser deutschen Protestnote. An dieKenntnisnahme dieser ziemlich umfangreichenNote knüpfte sich ein v o r l ä u f i g e r M e i*nungsaustausch an, doch wird der Bundesrat, die Allgelegenheft erst in einigen Tagenbehandeln, und zwar in aller Ruhe, nachdem der vom Polftischen Departement im Einvernehmen mit-, dem Justiz- und Polizei departe-ment aufzustellende Entwurf einer Antwort demBundesrat vorliegen wird.Da an der nächsten Sitzung des Bundesrates der Chef des Justiz- und Polizeidepartements, Bundesrat Baumann, nicht anwesend seinwird, kann, die weitere Behandlung der. Angelegenheit er st in achtTagen erfolgen.Scharfe Sprache Sarrautsgegen die RechteMÄNNER, FRAUENI UND WAFFEN I? Roman von Manfred GeorgIn dieser Nacht betete Schumann. Er wußtenicht zu wem, er wußte Nicht für wen, er wußtenur: daß nach so vielen Jahren der Beschwernisein neuer Abschnitt seines Lebens begonnen hatte,dessen Gefahren und Leiden alles andere nur alsein Vorspiel erscheinen lassen würden.Nachher ttäumte er von Mardrier, der, einenKörb auf dem Rücken, eine unendlich langeStraße ihm entgegen kam. Obwohl er im Traumsofort Mardrier und seine alte,'ungeheuerlicheBegegnung vom Bache bei Gornitsch identifizierte,blieb diesmal die-Angst aus. Denn er erhob sichleicht vom Boden, überflog Mardrier und sah, daßdessen Korb leer war. Dann wachte er auf, fühlt:die Atenmähe Haydees, wühlte den Mund in ihrHaar und schlief traumlos bis zum Morgen.Zwei Tage waren vergangen, die Schumannin einer Art Dämmerzustand verbracht hatte. Ersaß in den Cafes, trank unzählige Schwarze, sahunzählige illustrierte Zeitungen durch, ging inFilme und wußte, als er herauskam, nicht, waser gesehen hatte. Einmal traf er einen Bankier,der ihm eine Stunde lang einen Vortrag über alledie Gründe hielt, die für eine möglichst rascheZeichnung der neuen Völkerbund-Anleihe inFrage kamen. Er hörte überhaupt nicht zu, erinnerte sich nur dunkel, einen Scheck über 20.000Schilling gezeichnet zu haben. Nur um den Burschen loszuwerdeu. Seine Rede war wie. derdauernde Lärm eines Wasserfalls gewesen, derihN betäubt hatte. Am Nachmittag des zweitenTages hatte Schumann sich plötzlich in einemkleinen Stundenhotel gefunden. Wenn' er jetztnachdachte,, dann sah er blitzarttg nur noch einkleines Kreuz auf der Höhe zweier Brüste baumeln und den etwas verfilzten Scheitel einesPortiers, der sich verbeugte.Vergeblich versuchte Schumann, während erin der Halle des Grand Hotels darauf wartete,daß Mardrier ihn herausrufen laffen würde, dieses Mosaik zusammen zu setzen. Als er in derNacht des entscheidenden Abends, unter heftigenFieberanfällen von Kopf bis Fuß erschauernd, inLHotel zurückgekrhrt war, hatte er Haydee nichtmehr vorgefunden. In. einem Brief, den er aufdem Tisch fand, stand in ganz ruhigen, undramatischen Zügen nur die kurze Mitteilung:„Allesin Ordnung. Erhiett Telegramm, sofort insEngagement zu fahren. Auf Wiedersehen. Muchluckl"Merkwürdig, während er jetzt noch einmaldiese paar Worte las, blieben seine Augen ausdem letzten Punkt haften. Er war weder größernoch kleiner als die sonstigen Interpunktionszeichen, aber die weiße, unbeschriebene Fläche, diesich unter ihm breitete, kam Schumann wie einunbegangenes Feld vor, durch das er noch würdehindurchschreiten muffen. Plötzlich würden überallWorte und Zeichen um ihn wachsen. Wenn er sichnur nicht darin verirrte! In einer sinnlosen Aufwallung hielt er das Papier gegen das Licht, alssuche er nach einer Geheimschrift, die sich in seinem Faser-Geäder verbergen könnte.Er fühlt« sich mü einem Male angesehen.Der Blick kam aus einer Gruppe am Nebentisch,die, in weiche Sessel tief versunken, um ein Ge-häuf von Mokkatassen schwätzte. Es wurde aus-schlietzlich französisch gesprochen und alles war andie Frau gerichtet, die jetzt rasch das Lorgnon wegtat, mit dem sie ihn gemustert hatte. Es überraschte Schumann gar nicht, Mardriers Begleiterin hier zu treffen. Schließlich wohnte dieser jahier. Eher war er interessiert, diese Dame, die erbisher nur im unsicheren Licht des halbdunklenFemina-Zuschauerrayms und zwei Sekunden rnHaydees Garderobe gesehen hatte, genauer be trachten zu können. Es war ihm unmöglich, ihrAlter zu schätzen. Rur, daß ffie nicht jung seinkonnte, war sicher. Aber wie all war sie wirklich?Alles an ihr war straff, sah natürlich aus, siewar nicht auf jugendlich zurechtgemachtt Ihre Bewegungen hatten die Eleganz einer Achtzehnjährigen. Die Augen, etwas ttefliegend, wären voneiner intensiven Lebhaftigkeit, der man nicht ausweichen konnte, die betont einfache Linie der Kleidung zeigte einen raffinierten Schnitt, der beiäußerster Dezenz die Geschmeidigkeit eines volleset trainierten Körpers ahnen ließ. Nur überdem linken Auge lag, fein wie. ein Strich? sichvon der sanft schwingenden Braue abhebend undauch gär nicht verdeckt, eine kurze, scharfe Falte,die wie ein erfrorenes Zucken war und dem ganzen Gesicht— Schumann wußte nicht, wieso—etwas im tiefsten Erfahrenes und Drohendes gab.Als Typ schätzte Schumann sie auf Rumänin,auf eine jener von altem lateinischen Blut, vonder hohen Kultur französischer Schule wundervoll zurechtgeschliffenen Bukarester Frauen, derenKrönung vor Jahren noch die herrliche Maria vonRumänien gewesen war.Bon ihrer Runde kannte Schumann nur denEinen, der wie ein Ungar aussah, groß, schlank,mit fahlem Gesicht, Lberelegant angezogen. Erspeichelte seine Worte mehr, als daß er sie sprach.Die Uebrigen waren offenbar Wiener Geschäftsleute, darunter einer, den man zuerst gar nicht sah,weil er so klein und winzig war, fast ein Zwerg.Er hatte ein Kinderköpfchen mit roten Bäckchenund ganz falttge Gxsichtszüge, war wenig sorg-fälttg gekleidet und baumelte zwei fragile Füßein knittrigen Gamaschenschuhen vom Sessel, ohneden Boden zu erreichen. Erst als Schumann genauer hinblickte, bemerkte er, daß der kleine Mannbucklig war.In diesem Augenblick schwenkte Blllinger,der täglich an den frühen Nachmittagen durch dieVestibüls der Ringstraßen-Hotels wasiderte, umim Vorbeigehen Gelegenheiten an diesen Kreuzwegen der internattonalen Refferouten zu pflük-ken, in die Haffe. Er steuerte geradewegs aufSchumanns Nachbartisch zu. Sein Lächeln erstarb,das Armfuchteln, mit dem er sich gewöhnlich beider ihm etwas schweren Rede Lust und Mut zumachen pflegte, wurde zu einer ungeschickten Devotheit, kurz, Bilfinger trat an den Tisch wie eineArt Kammerdiener, der Furcht hat, jede Minutegekündigt zu werden. Man begrüßte ihn kühl undsprach zuerst gar nicht mit ihm. Er machte vergeblich einige Ansätze, woffte offenbar auch eingrößeres Dokument aus der Brusttasche holen»aber der Bucklige winkte mit der Spitze seinerVirginia ab, und das Gespräch rollte über denarmen Billinger erbarmungslos hinweg.Jetzt bemerkte er Schumann. Es war ihmeine Erlösung, hinüber zu grüßen, eine Verbindung mit der Welt außerhaw seines Tisches herzustellen. Sein Erfolg war sogar besonders groß.Die' Dame in Schwarz neigte sich zu ihm undfragte ihn etwas, worauf Billinger steudig erwiderte. Er machte lange Erklärungen, die auchdie Aufmerksamkeit des Buckligen zu erregenschienen. Dann erhob er sich und kam zu Schumann:„Hören Sie, das ist ja ein guter Zufall, daßich Sie hier treffe. Der Herr dort drüben würdesich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen. LaffenSie sich das nicht entgehen. Er ist einer der wichtigsten und reichsten Leute Europas."„Wie heißt er denn?"Billinger strahlte:„Aristides Makropulos.Er hat von Ihnen gehört."„Das wundert mich aber. Was ist denn vonmst zu,hören?"«Ja, das ist ein« merkwürdige Sache. DieserGrieche sammett Menschen für sein Geschäft. Erbeobachtet überall, wer im Handel, in der Industrie, im Bankwesen austaucht, und wenn erLeute findet, dst ihn interessieren— und ihn interessieren nur Leut«, dst ihm impon»-»-n— sozieht er sie in seinen Kreis."(Fortsetzung folgt.)