Sonntag, 1. März 1936 Nr. 52 16. Jahrgang Einzelpreis 70 Heiter (oinichlieSlich 5 Heller Porto) 1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«. teiefon dok. HEIAUSGEBER SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER- REDAKTEUR DR. EMIL STRAUSS, PRAG. an * Son selbst Tokio . Im Laufe des Samstag Vormittag wurde der Militärputsch «ach entschiedenem Einsatz militärischer Machtmittel liquidiert. Die Aufstän­dischen wurden in ihren Stellungen von Regierungstruppen umzingelt. Schließlich ergaben sich die Putschisten ohne Stautf. Die 18 Offiziere, die dem Putsch teilgenomme» haben, verübten daraufhin Selbstmord. gestalten. Der entscheidendste Faktor ist in Ja­ pan noch immer der.göttliche Tenno ", der Kai­ser, der, nach japanischen Anschauungen, die hei­ligen Ueberlieferunzen des Landes verkörpert. Die Ernennung der Regierung liegt, trotz des Parlamentes, vollkommen in seiner Hand, mit anderen Worten, in der Hand jener Hofkliqu«, der eS gelungen ist, sich deS kaiserlichen Willens zu bemächtigen. In letzter Zeit hat der Satsuma- Klan sich daS Recht anzemaßt, den Willen deS Tenno monopolartig zu interpretieren. Der bis­herige Großsiegelbewahrer Baron M a k i n o, der dem Kaiser am nächsten stand, samt'dem letz­ten überlebendenalten Staatsmann" Sayonji, sind die eigentlichenRegierungsmacher" ge­wesen. Diese Heiden Hofleute gehörten zmn Satsuma-Klan. Kurz vor der Auflösung des Parlaments ist anStelle v.on Makino der Admiral Saito, der Vorgänger von Okada, als Minister­präsident getreten, der als Nachfolger von Sayonji angesehen wird. Auch Saito ist ein Sat- suma-Mann, und mit seiner Nominierung wollte di« Regierung Okada die Ernennung aller nach­folgenden Regierungen für die Satsuma-Klique monopolisieren. Die Wut der militärischen Ver­schwörer richtete sich demgemäß nicht nur gegen die Rezierungsmitglieder in Tokio , sondern auch gegen die Hintermänner am kaiserlichen Hofe. Die Innenpolitik von Okada Takahashi war die Resultante der verschiedensten Einflüsse. Die Regierung löste sich tatsächlich allmählich von derparlamentarischen" Grundlage gänzlich los, versuchte jedoch den Schein zu wahren und war grundsätzlich gegen.BerfaffungSreformen". Wirt­schaftspolitisch setzte man die Politik von Jnukgi und Saito fort, indem man sich feit November 1931, zugleich mit der Jen-Abwertung, mehr und mehr von der Deflationspolitik weg und einer großzügigen S ch u l d e n p o l i t i k zu­wandte. Takahashi hat allerdings die Anleihe- Politik abstopen wollen und drimgte vor allem auf stärkere Deckung der Ausgaben durch Steuern, was ihm die Feindschaft nicht nur der Militär­kreise sondern auch der Rüstungsindustrie einge­tragen hat. Der Außenminister H i r o t a trieb Politik auf lange Sicht. Hirota, der vom Frieden sprach, bereitete sich tatsächlich auf.alle Eventuali­täten vor. Sein nächstes Ziel war dir Schaffung einer gewaltigen strategischen und kriegswirtschaftlichen Basis in Rordchina und solange diese Aufgabe nicht gelost war, suchte Hirota eine Zuspitzung der Beziehungen zu M o s k a u zu vermeiden. Eine der schwächsten Stellen der beiden ein- ander. ablösendcn Satsuma-Regierungen..Saito großer BesticEung verzeichnet werden.'' Äämit tritt ejn bedeutender. Gelehrter, ein. erfahrener Diplomat, ein Mensch von ausgeglichenem Wesen upd großer Bedachtsamkeit an die Spitze des so wichtigen Außenressorts. Sein langjähriges har­monisches Zusammenarbeiten mit dem gegenwär­tigen Staatspräsidenten gibt die Gewähr dafür, daß die bisherige Außenpolitik des Staates, deren Ziel Frieden, deren Mittel Kollektive Sicherheit ist, weiter fortgeführt wird. Krosta stammt aus Pilsen , wo er am 17. Juli 1878 als Sohn des späteren Reichsratsabge­ordneten und Bürgermeisters von Pilsen , Dok­tor Josef Krofta, geboren wurde. Er studierte an der Prager Universität Geschichte, ging als jun­ger Doktor nach Rom , wo er in den Archiven des Vatikans arbeitete und trat dann in die Dienste des böhmischen Landesarchivs, wo er 1901 bis 1918 beschäftigt war. 1908 wurde er Dozent, 1911 außerordentlicher und 1918 ordentlicher Profeffor der Geschichte an der tschechischen Uni­versität in Prag . Er hat eine Reihe von Werken der Religions-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte herausgegeben, am populärsten wurde sein Buch überDie Deutschen in der tschechoslowakischen Geschichte". 1920 trat Krofta in den diplomati­schen Dienst ein, wurde Gesandter beim Vatikan , 1921 bis 1925 bertratz er die Republik in Wien , 1925 bis 1927 in Btrlin. Seither war er Ver­treter des Ministers des Aeußern Dr. Benes und dessen engstes Mitarbeiter. Krofta erfreut sich in allen Kreisen deS größten Ansehens, er ist ein Mann von Kultur und tadellosem Charakter, politisch überzeugter Demokrat, außenpolitisch ein Förderer der auf zielbelmrßte Aufrechterhaltung des Friedens ge­richteten Außenpolitik^' Neber die Ereignisse wird folgender Bericht anSgegeden: Di« regulären Regierungstrutzpen hatten Samstag um 7 Uhr morgens dir Aufstän­dischen umzingelt. Vorher wurden Maßnahmen zum Schutz der Einwohner der benachbarten Stadwiertel und der Gebäude der ausländischen Brrtretuugsbehürden getroffen. Die Regierungs- truppen wurden planmäßig vorgeschoben und um 8.20 Uhr wurden sogar Tanks gegen die Auf­ständischen eingesetzt, die sich auf dem Sanne- Hügel festgesetzt hatten. Nm 12.50 Uhr wurde bann amtlich bekannt gegeben, daß das Militär die Aktion ohne einen einzigen Schuß beendet hübe. Der größte Teil der Putschisten befindet sich jetzt wieder in den Kasernen. Die Regierung hat bewußt unterschieden zwischen den Unteroffizieren und Mannschaften einerseits und den Offizieren andererseits, die den Putsch geleitet haben. Die Aufforderung deS Generals Kaschii zur Uebrrgabe war nur an die Em Kenner d«r japanischen Politik stellt ' unS die nachfolgende Information zur Verfü­gung, welche über die Ursachen der Militär­revolte in Japan aufklärt: Der japanische Militärputsch vom 26. Feber erinnert an das große Attentat derjungen Offiziere", dem vor fast vier Jahren, am 15. Mai 1932, der Premier Jnukai und der Fi­nanzminister I n o u e zum Opfer fielen. Auch damals handelte es sich um den Kampf der radi­kalen Militärgruppen gegen die-bremsende Re­gierung, auch damals stand im Hintergründe die­ses Kampfes, teils als geistiger Urheber der Ai- litäraktion, teils als Mittler zwischen der Re­gierung und denjungen Offizieren", der Gene­ral Gadao A r a k i. Im Mai 1932 wi« im Fe­ber 1936 geht es um die grundsätzlich« Gestaltung der Außen- und der Innenpolitik. Das durch den jetzigen Militärputsch erledigt« Kabinett Oka- d a, in dem der 85jährige Finanzminister Korekie T a k a h a s h i die leitende Rolle gespielt hat, stützte sich auf den Marineklan Satsuma und auf den mit diesem Klan versippten schwerindustriel­len Riesenkonzern Mitsubishi. Im Parlament stützte sich die Regierung Okada Takahashi auf die sogenannteliberale" Partei Minsejto. Aber das Kabinett Okada stellte bereits den Heber- gang von einem parlamentarischen Regime zu einer überparteilichen Diktatur dar. Viel wichfiger. als die parlamentarisch« Mehrheit, die es übrigens im letzten Parlament nicht besessen hat, war für das Kabinett Okada die außerparlamentarische Basis, mit anderen Worten jene Riesenkonzerne, Hofkliquen und Klane, die die japanische Politik en Wirklichkeit Unteroffiziere und Mannschaften gerichtet, den Offizieren hieß es darin, daß sie sich alS Rebellen bezeichnet und sich so außerhalb des Gesetzes gestellt hätten. Rach anderen Meldungen haben die Behörden die Offiziere direkt zum Selbstmord aufgefor'dert. In dem erwähnten Aufruf wurden die Mannschaften auf­gefordert, zu den kaiserlichen Fahnen zurückzu­kehren:Ihre Frauen und Mütter weinten um sie, weil sie ihrem Kaiser nicht gehorchten." Das Kabinett gibt bekannt, daß drei Kapi­täne, sieben Leutnants und fünf Unterleutnants wegen Beteiligung au dem Aufruhr aus dem Armeeverband entlassen wurden. Wie erst jetzt bekannt wird, ist Ministerprä­sident Okada von den Putschisten nicht getötet ^worden. Die meuternden Offiziere sollen viel- ! mehr irrtümlicherweise OkadaS Schwager für den Premier gehalten und nirdergeschossen haben, ! während Okada mit dem Leben davonkam. Badoglio meldet Umzingelung der abessinischen Armeen Makalle.(Reuter.) Die Nachricht, daß sich der Regus selbst mit einer neuorganisiertrn Armee den italienischen Linien an der Nordfront nähere, hat den italienischen Genrralstab be­wogen, sich zu einer augenblicklichen Offensive zu entschließen, die den Sieg und die Einnahme des Bergmasfivs Amba Alagi brachte. Dir Italiener hatten beschlossen, die Gestaltung des Ergebnisses der Operationen in Tembien und am Takaze-Fluß nicht abzuwärteu. Marschall Badoglio meldet: Während die Truppen des 1. Armeekorps den Amba Alagi er­reichten, griffen die Truppen des 3. und des rri- träischrn Armeekorps vom Norden und Süden her die Streitkräfte des Ras Kassa an. Seit Freitag früh ist eine große Schlacht im Gange, dir in dir Entscheidungsphafe getreten ist. Die Lage der von unseren Truppen in die Zange ge­nommenen Heere des Ras Kassa und des Ras Seyum wird von Stunde zu Stunde kri­tischer. Der Reuterberichterstatter in Addis.Abeba meldet, daß die in der Hauptstadt eingegangenen Presse nach richten von zähen Kämpfen sprechen, welche in bet. Nähe von Amba Alag in den letz­ten 40 Stunden geführt wurden. In Addis Abeba ist man der Ansicht,-daß das rasche italienische Korps vielleicht wirklich Teile des Amba Alagi» Kammes erreicht hat, doch werden die Nachrichten, daß der ganze Gebirgstamm besetzt worden sei, nicht bestätigt. Auf dem Gipfel des Gebirges haben sich, wie erklärt wird, die Truppen des BaS Mulugeta festgesetzt, und man ist in abes- sinrschen Kressen der Ansicht, daß diese Truppen den Befehl erhielten, in einzelnen Punkten einen siiategsschen Rückzug Lurchzuführen. und Okada war ihrBerhältnis zu r A r» m e e, denn in' er Armee ist auch heute noch, trotz aller Wandlungen, der Einfluß des anderen großen Klanes, eben desArmeeklanes Choshu maßgebend. Der sichtbarste Exponent des Armeeklanes in der Oeffentlichkeit.st zweifellos der ftühere Kriegsminister A r a k i. Aber in Wirklichkeit ist seine Stellung keineswegs ein­deutig. Araki gehört selbst bereits zu dem neuen bürgerlichen Militärtypus, aber er hängt zum Teil noch den alten adligen Klantraditionen an. Hinter Araki stehen aber radikale Gruppen der jungen Offiziere, die überwiegend den Kreisen des städtischen Kleinbürgertums und des Bauern­tums entstammen und wirsschaftlich am Raupe der Armut stehen. KeineArmee hat so niedrige Gagen wie die japani» s ch e. Mit dem Aufkommen einer neuen Genera­tion von kleinbürgerlichen und bäuerlichen Offi­zieren wird die A r m e e, im Gegensatz zur Maring deren Offizierstamm eine viel höhere soziale schicht darstellt, zum Reservoir aller llnzufrirdenen. Die Regierung OkadaTakahashi versuchte gegenüber demfaschistischen" Triumvirat M u t o-Araki-Masaki(die Gruppe Saga") ein anderes regierungsfreundliches Offizierszentrum herauszubilden, die Gruppe H a y a s h i31 agata(Gruppe»Kumamo­ to " f. Zeitweilig'schien es, daß die beiden Kliquen einander näher kamen, doch ist durch die Demis­sion des Kriegsministers Araki aus dem Kabinett Saito'(Anfang 1934) und seine Ersetzung durch H a y a s h i die Spannung wieder sehr groß ge­worden. Dabei handelt es sich nicht so sehr um politische Gegensätze, als um lokale Klanrivali­täten: Saga und Kumamoto sind zwei Städte auf der Insel Kyushu . Diese Rivalität steigerte sich schließlich zu Terroraktionen(Ermordung von Nagata). Der Grupp« Araki ist es gelungen, eine große Gegenoffensive gegen Hayafhi und den hinter ihm stehenden Finmizminister Takahashi zu organisieren, die sehr bald mit einem großen Erfolg gekrönt war: Hayashi wird auf dem Po« Fünffaches Todesurteil im NeukBliner Kommunisten-Prozeß Berlin . In dem großen Mord- und LandfrirdenSbrnchprozeß gegen dir 25 Neuköllner Kommunisten wegen Beteiligung an dem Feuerüberfalt auf das SA-Brrkrhrslokal in Neukölln am 15. Oktober 1931 verurteilte Samstag mittags daS Schwurgericht nach fast sechs­monatiger Berhandlung fünf Angeklagte wegen gemeinschaftlichen versuchten und vollendeten MordeS in Tateinheit mit schwerem Ländfrirdensbruch z u m T o d e. Für die Urteilsverkündung war ein verstärkter Polizeischutz durch uniformierte Schutz­polizisten und Justizwachtmeister eingerichtet. Elf Angeklagte wurden wegen Beihilfe zum Mord sowie wegen Landfriedrnsbruch zu. Zuchthausstrafen pan drei bis 14 Jahren verurteilt. Diese neuen Opfer des Hakenkreuzes standen wegen der angeblichen Morde bereits einmal vor Gericht und haben das damals gegen sie gefällte Urteil abgebüßi. Jetzt wurde, allen RechtSgrundfätzen der gesitteten Welt zum Trotz, noch einmal ein Verfahren gegen sie eingeleittt, dessen Ergebnis von vornherein festgelegt war. ** Die Hintergründe Ole verschiedenen Strömungen Im japanischen Faschismus Der Tokioter Putsch liquidiert Die Aufständischen unterwerfen sich/ Selbstmord der Führer/ Okada lebt Außenminister Krofta Der Präsiident der Republik hat den Mi­nisterpräsidenten Tr. H o dza von der Lei­tung deS Außenministeriums enthoben und den Gesandten Dr. Kamill Krofta zum Außen­minister ernannt.; Die Ernennung des langjährigen Stellver­treters des Außenministers, des Gesandten Dok- toc Kamill Krosta zum Außenminister, kann mit