Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Samstag, 21. März 1936

Die neue Locarno - Front

Das Abkommen von London , Paris und Brüssel bereits genehmigt Nur Italien zögert noch

Das neue Abkommen der Locarno - Mächte wurde Freitag nachmittags zugleich in Lon don und Paris veröffentlicht und von den Kabinetts in London , Paris und Brüssel geneh­migt, während sich Italien noch vorbehalten hat, in der nächsten Zeit sein Gutachten zu diesem Entwurf abzugeben.

Der Text des Abkommens wurde auch in einer vertraulichen Sigung des Völkerbundrates zur Verlesung gebracht. Der Vertreter Polens zeigte sich darüber ungehalten, daß er nicht früher von dem Abkommen in Kenntnis gesetzt worden sei, und setzte schließlich, um Instruktionen seiner Regierung einholen zu können, die Vertagung des Nates auf Montag nachmittags durch.

Der Rat wird sich mit der Prozedur bei der Beauftragung des Haager Schiedsgerichtes mit der Arbitrage, mit der Einberufung der vorgesehenen Konferenz etc. zu befassen haben. Falls Deutschland keine Schwierigkeiten macht, dürfte die Konferenz Anfang Juni in Brüssel oder in London zusammentreten.

Der Dreizehnerausschuß für den italienisch- abessinischen Konflikt wurde für Montag vor­mittags einberufen.

Die Forderungen an Deutschland

Einladungen zu einer Konfe= renz mit folgendem Programm übermitteln: 1. Organisierung der kollektiven Sicherheit, 2. genauere Definition der Verpflichtungen und der Anwendung des Artikels 16 des Völker­bundpaktes.

3. Beschränkung der Rüstungen, 4. Stärkung und Erweiterung der Wirtschafts­beziehungen und Organisation für Waren­austausch sowohl in finanzieller wie in wirt­schaftlicher Hinsicht,

5. Prüfung der Bedingungen für die Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund und Prüfung der Frage des Ostpaktes, wie hievon in den Desterreich und die Tschechoslowakei betreffen­den Vorschlägen Hitlers Erwähnung getan

wurde.

Der Völkerbundrat erklärt neuerlich, daß Verträge geheiligt sind, und er wird einen Aus­schuß errichten, der die weitere Entwicklung der Angelegenheit zu verfolgen haben wird.

Wenn Deutschland ablehnt:

Ein Nachtrag zum zweiten Teil sieht Maß­nahmen vor, welche getroffen würden, wenn London. ( Reuter.) Das Weißbuch über 3. Wird ein Pakt über gegensei- Deutschland die angeführten Bedingungen a b= die Londoner Verhandlungen, das Freitag nach- tigen Bei it and abgeschlossen, der den lehnen sollte. Wenn ein solcher Fall eintritt, mittags erschienen ist, besteht aus zwei Teilen. Locarno - Patt ersessen wird. In diesem Paft wird werden die beiden Garantengroßmächte Großbri­Der erste Teil befaßt sich mit dem Abkommen der auf die Organisierung sofortiger mili- tannien und Italien sofort den garantierten Locarno - Mächte betreffend die Aktion, die die tärischer Hilfsmaßnahmen für Mächten( Frankreich und Belgien ) Noten senden, Mächte während der gegenwärtigen Krise und den Fall eines Angriffes Bedacht genommen in welcher sie erklären, daß sie sofort an die Prü­nach deren Aufhören unternehmen werden. Das werden. fung aller Maßnahmen herantreten werden, Weißbuch spricht einige allgemeine Grundsätze welche unter solchen Umständen ergriffen werden Im Rahmen dieser auf der geschilderten müssen, und sie werden sich verpflichten, auf aus, auf denen die internationalen Beziehungen Grundlage zu führenden Verhandlungen wird Grund des Locarnovertrages den garantierten aufgebaut werden sollen, das ist die Achtung auch über ein eventuelles Berbot oder die Be- Staaten zu hilfezueilen, und zwar durch der Verträge und die Unzulässig schränkung von Festungsbauten im Rheingebiet jebe Manahme. die durch gemeinsames feit der einseitigen Vertrags de berlegung. Aus diesen Gründen gelangten Abkommen beschlossen werden wird. Sie werden die Locarno - Mächte zu der Auffassung, ba sogleich nach gegenseitigem Einvernehmen Maß­Deutschland von sich aus keinerlei Recht schaffen nahmen zum Schuße der garantierten Staaten egen einen nichtprovozierten Angriff treffen und ihre Generalſtäbe werden damit betraut werden, fofort die durch die Umstände diftierten Maßnah­men zu ergreifen.

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könne und daß seine Tätigkeit die europäische

Sicherheit bedrohe.

Die Locarnomächte erklären, daß der Lv=

diskutiert werden.

Weltkonferenz zur Organisierung des Friedens

Flandin vor der Kammer

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 69

Deutschland isoliert

Alle jene, die wissen, was ein europäischer Krieg bedeutet, die ahnen, daß die Frage Krieg oder Frieden die Entscheidung über Vernichtung oder Fortbestand der europäischen Zivilisation in sich schließt, haben mit höchster Spannung die internationalen Verhandlungen verfolgt, in denen sich der Völkerbundrat und die Locarnomächte mit dem Einmarsch deutscher Truppen im Rhein­ gebiet und damit dem Bruch des Vertragswertes von 1925 befaßten, eines Systems von Verein barungen, das die eindschaft zwischen Frankreich und Deutschland beseitigen und den Frieden auf dem bluigedüngten Boden Flanderns und Lothringens herstellen sollte. Jeden Tag, ja mehrmals im Tage, wechselte die Szenerie. Wird die Einigkeit zwischen Frankreich und England, den beiden Hauptmächten des Westens, hergestellt werden oder wird die Londoner Konferenz auf= fliegen? so fragte man sich. Gelingt es Hitler , die beiden Gegner Deutschlands aus dem Welt­krieg auseinander zu manövrieren? Gehen Eng­land und Frankreich zusammen, dann müßten in Deutschland Wahnsinnige regieren, wenn sie einen Strieg entfesseln wollten, in welchem an der Seite der Franzosen , England mit seinen nahezu uner­schöpflichen Quellen an Mann und Material, die Sowjetunion mit ihren 170 Millionen Einwoh­nern, die Kleine Entente und die Balkanentente fechten würden! So bedeutet das englisch - franzö­sische Zusammengehen Friede und internationale Organisation Europas , während aus einem Bruch der beiden großen Westmächte Krieg, Chaos, Verderben und Untergang des Abendlandes her vorgehen tönnen,

Von diesem Standpunkt gesehen- und vir glauben, daß dies der entscheidende ist- muß es begrüßen, daß die Vertragspartner man Deutschlands in Locarno , Frankreich , Belgien , England und Italien ( Hitler hat Mussolini aus seiner Zsolierung befreit, wofür dieser an die Seite Frankreichs tritt!) sich geeinigt haben. Hitlers kühner Gedanke, die Zusammenarbeit Englands und Frankreichs zu torpedieren, ist mißglückt. Der Versuch Deutschlands , den ande= Varis. Der letzte Tag der Kammer stand die Stärkung der allgemeinen Sicherheit im euro­ren Mächten Bedingungen dafür zu stellen, daß im Zeichen des Exposés des Außenministers päischen Rahmen gesucht werden inuß. Das soll Herr Ribbentrop sich auch nur dazu herbei­Flandin. Alle Abgeordnetenbänke waren dicht auf der kommenden Weltkonferenz ge- läßt, mit ihnen zu verhandeln, ist gescheitert, die befest sowie auch die Diplomatenloge und alle schehen. Locarnomächte haben im Gegenteil, ohne sich mit Tribünen. Flandins Exposee wurde von der Kammer Deutschland in Verhandlungen einzulassen, den und auch später im Senat fast einhellig ange- Wechsel präsentiert. Das Memorandum der nommen.

Im zweiten Teil des Weißbuches heißt es, carnovertraginKraft bleibt der Völkerbundrat werde allen Mächten der Welt und aus diesem Grund wird fofort ein Abkom= men zwischen den zuständigen General stäben über die technischen Be­dingungen vereinbart, unter denen die Garantien über gegenseitige Hilfe, wie es im Locarnovertrag borgesehen ist, durchgeführt werden.

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Die Locarnomächte fordern Deutschland auf, den Konflikt dem Internatio nalen Haager Tribunal vorzu= Tegen und zu erklären, daß es sich dieser Ent­scheidung unterwirft.

Diesem Teil ist ein Zusatz angefügt, in wel­chem von ,, konservierenden" Maßnahmen gespro­chen wird, durch welche für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit an den Grenzen für die Zeitdauer des Konfliktes vorgesorgt werden soll, solange der Haager Gerichtshof nicht ent­schieden hat. In diesen Maßnahmen wird bestimmt:

1. Erhaltung der militärischen Kräfte in Rhein­ land auf dem heutigen Stande, wie er in der amtlichen Mitteilung der deutschen Regierung 2. Aufrechterhaltung der halbmilitärischen Orga­nisationen im Rheinland auf dem heutigen

enthalten ist.

Stande, 3. Aufrechterhaltung des heutigen Standes hin­sichtlich der Befestigungen und 4. Schaffung einer internatio­len Truppe, die aus Abteilungen der Garantenstaaten zusammengesetzt ist, welche östlich von der französisch - belgischen Grenze in eine 12.5 Meilen breite Grenzzone entsendet

werden.

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Eine internationale Kommis sion soll die Durchführung aller angeführten Maßnahmen überwachen.

Wenn Deutschland annimmt:

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Auch Eden

appelliert an Deutschland

Flandin führte eingangs aus, daß nach den letzten Tagen schwieriger Beklemmungen die Regierung den Trost des Friedens bringe. Der Regierung sei dies gelungen, ohne ihre Prinzipien aufzugeben. Er gab dann eine Ueber­sicht über die dramatischen Verhandlungen in London . Außenminister Eden gab London und erklärte, es sei nötig gewesen, daß Freitag im Unterhause eine Erklärung über die die französische Stimme in London gehört werde, letzten Ereignisse ab. Nachdem er dem Unterhause wo man seit einigen Monaten aufgehört hätte, seinen Dank für die vom Hause während der sie zu verstehen. Die Herstellung des Status quo schwierigen Verhandlungen an den Tag gelegten im Rheinlande hätte nur durch einen hinreichend Geduld ausgesprochen hatte, brachte Eden das starken gemeinsamen Druck auf Berlin erreicht neue Abkommen der Locarno - Mächte zur Kennt­werden können. Als sich die Regierung in London nis In Besprechung seiner Vorschläge sagte überzeugte, daß ein solches Einvernehmen nicht Eden, das Hauptziel der britischen Regierung sei, zustande kommen könne. wandte sie alle ihre Be­strebungen dazu auf, eine für alle vier Staaten annehmbare Lösung zu erzielen. Das sei auch geschehen. Flandin gab dann eine detaillierte Darstellung des neuen Abkommens zwischen den Locarnomächten und erklärte, Verhandlungen, mit Deutschland werden erst dann aufgenommen wer den, bis Deutschland ausdrücklich auf alle ge­stellten Bedingungen, die zusammen ein Ganzes bilden, eingeht. Es handle sich überhaupt nicht darum, daß internationale Truppen auch nur den geringsten Teil franzöfifchen oder belgischen Bodens besetzen.

Flandin ist der Ansicht, daß die deutsche Regierung die Gemäßigtheit der ihr gemachten Vorschläge würdigen und sie annehmen wirb. Flandin hob ferner die Bedeutung der militäri­

daß das Vertrauen in das internatio::: le Gesetz wiederhergestellt und Bedingungen geschaffen werden, unter denen es möglich wäre, eine neue Wiederaufrichtung der euro päischen Stabilität anzustreben.

Wir hoffen aufrichtig, erklärte Eden, daß auch die deutsche Regierung anerkennen wird, daß diese Vorschläge darnach angetan sind, den ern= sten gegenwärtigen Schwierigkeiten begegnen zu können. Es ist jetzt Sache der deutschen Regie­rung, zu zeigen, welchen Beitrag sie zur Locke­rung der Spannung beitragen will. Hitler weicht

Locarnomächte fordert zivar nicht die Räumung des Rheinlandes durch deutsche Truppen, aber der Bruch des Locarnovertrages gelangt vor das Haager Schiedsgericht, das untersuchen wird, ob der russisch - französische Pakt von 1935 die Ver­träge von 1925 verletzt. Bis zur Entscheidung Haags darf Deutschland seine militärischen Kräfte in der Rheinzone nicht vermehren, darf keine Befestigungen errichten und interalliierte Truppen

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vermutlich Engländer und Italiener werden in einer 20 m. breiten Zone statio= niert eine internationale Kommission wird die Einhaltung aller dieser Maßnahmen überwachen. Inzwischen bieten England und Italien den Franzosen und Belgiern erhöhte Sicherheiten. Andererseits sind die Mächte bereit, über die Friedensangebote Hitlers zu verhandeln, wobei uns am meisten interessiert, daß bei diesen Ver­handlungen auch die Frage der tschechoslowakischen Sicherheit zur Sprache gelangen wird.

Das Ergebnis von London ist, wenn es auch diejenigen nicht voll befriedigen kann, welche im Sturze Hitlers allein den Weg zu einer Be friedung und damit zur Rettung Europas sehen, doch die vollkommene Isolierung des Dritten Reich e s, für das sich im Völkerbundrat auch nicht eine Stimme er

einer klaren Antwort aus hoben hat. Daß Chile jich der Stimme enthielt, Berlin. ( Tsch. P. B.) In der Hanseaten- wird Herrn Hitlers Laune sicherlich nicht bessern, Nimmt Deutschland die Entschen Abkommen zwischen England, Frankreich Halle in Hamburg hielt Freitag abends daß aber der einzige Freund, den Deutschland scheidung des Haager Gerichts. und Belgien für die gegenseitige Hilfe im Falle Reichskanzler Hitler seine fünfte Wahlrede. der in Europa hat, auf der Seite der Westmächte hofes und die Forderung nach der Gefahr hervor. Diese wichtige Maßnahme, nicht nur im Reiche, sondern auch weit darüber stand und Deutschlands Verurteilung mitbeschlos= Sicherheitsmaßnahmen an, so fagte er, ist eben eine Folge der französischen hinaus mit großer Spannung entgegengesehen sen hat, das ist eine der bittersten Pillen, welche werden die Locarno - Mächte Deutschland auffor- Bestrebungen zur Sicherung der vollkommenen wurde, da man die Erwartung hegte, daß der dern, auf folgender Grundlage an den Verhand- Solidarität zwischen England, Frankreich und deutsche Reichskanzler in konkreter Form zu den lungen teilzunehmen: 1. Die Vorschläge Hitlers 2 bis 5 werden geprüft werden, das heißt, es werden nur die Borschläge betreffend den Ostpakt und die Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund ausgeschieden.

2. Das Rheinland Statut wird einer Revi­sion unterzogen werden,

Belgien vor einer Kriegsdrohung, und diese ver­einbarten Maßnahmen ermöglichten es, mehr noch als im Jahre 1914, das Kriegsgespenst zu ver­scheuchen.

Wir vergessen, sagte Flandin ferner, un fere Freunde in Mittel- und Ost europa nicht und sind uns eingedenk, dak

die Regierenden des Dritten Reiches schlucken müssen. Was die so geschmähte Weimarer Re­jetzt von London aus bekannt gewordenen be publik an moralischen Eroberungen in Europa stimmten Forderungen der Locarnomächte Stel- gemacht hat, ist von Hitler verwirtschaftet wor­lung nehmen würde. Die Rede Hitlers war zwar den wenn die ganze Welt gegen Deutschland sehr entschlossen und energisch, vermied es steht, nüßt die schimmernde Wehr des Dritten aber, eine der bestimmten Forderungen, die heute Reiches nichts und dem deutschen Volk, der der ganzen Welt bekannt geworden sind, nament- deutschen Jugend droht wieder die Katastrophe lich abzulehnen. von Langemarck und Verdun , dem Deutschen Reich