Nr. 69

Samstag, 21. März 1936

Scite 5

Randbemerkungen

zum Wiener Prozeß

Mit Recht wurde dieser Tage im Pravo Lidu" darauf hingewiesen, daß der Wiener Sozialistenprozeß sehr start an den Omladinaprozeß und ähnliche politische Massenprozesse aus alter Zeit erinnert. Wenn man den Aussagen der Angeflag­ten, die ohne Zögern und immer unter Berufung auf die Treue zur sozialistischen Idee abgegeben werden, aufmerksam zuhört, wied die Ueberzeugung gestärkt, daß dieser Prozeß eine Schande ist. Die Angeklagten hätten das Recht, eine Verantwortung bor diesem Gericht, das über eine auf flarem Rechtsbruch beruhende Anklage verhandelt, kurzer hand abzulehnen. Sie müßten kaum fürchten, eine härtere Strafe diftiert zu bekommen als jene, die ihnen nach ihren klugen und mutigen Bekenntnissen zum wahren Recht und ihrer Idee winkt. Sie haben kaum die Hoffnung, daß sie das Gericht überzeugen fönnen.

Der Vorsitzende Dr. Osio ist derselbe, der im Sommer 1934 den jungen Gerl mit talt- höhnenden Worten zum Tode verurteilt hat. Er äußert immer wieder, daß doch ,, alles so einfach" sei: die Ange= flagten müßten auf die Beschuldigungen nur mit " Ja" oder Nein" antworten. Mit Recht sagte ein Angeklagter, daß die Dinge zwar für den Vor­sisenden, nicht aber für die Beschuldigten so einfach liegen. Und sie halten überzeugende poli­tische Erfurse, woran sie allerdings das Gericht kaum hindert. Auch die Richter scheinen das Ge­fühl zu haben, daß man doch zumindest der Aus­Landspresse das Bild eines objektiv geführten Pro­zesses bieten müsse. Daß die Votanten wäh­rend der Verhandlung schlafen, interessiert die Auslandspresse allerdings noch mehr als der Schein der Objektivität, der immer wieder von dem Bestreben des Vorsißenden verdunkelt wird, die Angeklagten zu belasten.

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Deutsche Kriegswirtschaft

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vor­

Westmächte endgültig bestegt sein werden, wird Hitler uns wohl einen ewigen Frieden schlagen.

Litwinow für den Völkerbund und die Achtung vor Verträgen. In der öffentlichen Sibung des Völ­ferbundrates am 17. d. hat Litwinow in die Debat­ten über die Locarnotrise mit einer großen Rede eingegriffen. Er hat u. a. ausgeführt: Ich weiß, daß man in einigen Kreisen den Beweis für die be­sondere Friedfertigkeit Deutschlands darin erblicken will, daß Hitler einen Nichtangriffspaft mit Frank­ reich und Belgien auf 25 Jahre abzuschließen beab­sichtigt. Aber der Rheinpakt ist nicht befristet gewesen und bot außerdem eine besondere Garantie in Gestalt der demilitarisierten Zone. Der neue Vorschlag wird nur für Deutschland vorteilhaft sein. Dieser Vor­schlag hat den Zweck, Europa in zwei oder mehrere Teile zu teilen, wobei Deutschland einem Teil Garantien für eine friedliche Politik bieten will, während Hitler gegenüber demt anderen Teil freie Hand für jeden Angriff behalten möchte. Erst wenn man uns zivingend überzeugt, daß jene Zweifel und Befürchtungen, die durch die heu­tige Politik Deutschlands hervorgerufen werden, grundlos feien, wird man die Frage der Rückkehr Deutschlands nach Genf erörtern können.

Volkswirtschaft und Sozialpolitik

Tschechoslowakische

Wirtschaftsnachrichten

Erdöl, künstlicher Kautschuk, Kraftwagen ,, Brabag " ,,, Buna" In den deutsch - tschechoslowakischen Kohlen­Der verstorbene englische Staatsmann Lord [ fahren sind sehr kostspielig und verteuern den verhandlungen ist bisher noch keine Einigung ers Curzon hat einige Tage nach dem Waffen- Produktionspreis ganz ungeheuer. Aber Not zielt worden. Deutschland tritt mit der Forderung stillstand den Ausspruch getan: Die Alliierten tennt bekanntlich kein Gebot. auf, die Einfuhr von Steinkohlen nach der Tsche= sind zum Sieg auf den Wellen des ,, Buna" so wird heute in Deutschland choslowakei zu vermehren. Dabei läßt es offen, oo Erdöls getragen worden." Der deutsche Ge- synthetischer Kautschut genannt, es zu einer Erhöhung der tschechoslowakischen neralstab von heute hat sich diese Wahrheit sehr dessen Erfindung allerdings noch auf die Kriegs- Braunkohlenbezüge bereit ist. In der Entwicklung eindringlich eingeprägt. Eine der Hauptsorgen zeit zurückgeht, der aber erst jetzt eine praktische des gegenseitigen Kohlenverkehrs findet das Die Wiener Presse ist bis auf Seuns chats der deutschen Kriegswirtschaft ist die Versorgung Bedeutung erlangt hat. Nach den neuesten Ver- deutsche Verlangen keine Berechtigung; während mit Oel , denn ohne diese Versorgung das ist suchen, die bezeichnender Weise von der Reichs- die Einfuhr von Braunkohle aus der Tschechoslo­Wiener Neueste Nachrichten" eifrigst bemüht, die Wahrheit über den Prozeß zu verschweigen und eine der wichtigsten praktischen Lehren des abessi- wehr durchgeführt wurden, ist dieser Kautschukter- wakei nach Deutschland im letzten Jahre zurück­in der Deffentlichkeit eine den Angeklagten un- nischen Krieges ist die moderne Kriegsfüh- fat besser als der natürliche Gum gegangen ist, ist die Steinkohlenausfuhr Deutsch­günstige Stimmung zu schaffen, zumindest aber den rung, die ja ohne Kraftwagen und Flugzeuge mi. Selbstverständlich ist er auch entsprechend lands nach der Tschechoslowakei gestiegen. Prozeß zu bagatellisieren. Am ersten Verhandlungs - undenkbar ist, unmöglich. Die Bemühungen der teurer, aber wer fragt in dem heutigen Deutsch­Bedeutende Preiserhöhung in Wollwaren. tag fonnte man in der Reichs poſt" hämische deutschen Kriegswirtschaft gehen zunächst in der land danach? Daß der Autobetrieb auf den neuen, Die Wollindustrie bereitet die Oeffentlichkeit aut Gloffen über die Proteste des zivilisierten Auslandes Richtung der Aus beutung aller na aus Buna" verfertigten Pneus für den Mit eine recht beträchtliche Erhöhung der Wollwaren­Lejen in Verbindung mit der unwahren Be- turlichen Erdölquellen, über die telstand, schon gar nicht zu sprechen vom Volf, preise vor. Sie weist darauf hin, daß die Preise hauptung der Anklageschrift, daß das Ziel der re- Deutschland verfügt. Es scheint im allgemeinen völlig unerschwinglich wird, versteht sich von selbst. für bessere Rohiollsorten um 60 bis 70 Prozent volutionären Sozialisten die Neuschaffung des unbekannt zu sein, daß man in allerlegter Zeit in Gleichzeitig mit der Einführung der ,, Buna" über den vorjährigen Preisen liegen. Da bisher Schußbundes und die Vorbereitung des Bürger- dieser Hinsicht bedeutende Erfolge erzielt hat. Die werden die Zölle auf den natürlichen Kautschuk noch mit billigem Rohmaterial hätte gearbeitet krieges sei. Auch dieser Presse- Eingriff in die Ausbeutung der Delvorräte in Hannover und auf alle Erzeugnisse daraus außerordentlich werden können, seien die alten Preise bis jetzt ge= Prozeßführung, der in einem Kulturstaat nicht mög- datiert bereits seit langer Zeit, aber vor dem erhöht. Mit dem Volkswagen, von dem der Füh- halten worden. Für die bevorstehende Herbst- und lich wäre, gehört zu dem Bilde des heutigen Defter Kriege hat man dort etwa bloß 60.000 Tonnen rer", unlängst faselte, als er auf der Eröffnung Wintersaison müsse mit einer Erhöhung der glei­reich. Selbstverständlich wurde in den gleichgeschal- jährlich produziert. Während des Krieges hat der Berliner Autoausstellung eine Verbilligung chen Artikel um mindestens zehn bis fünfzehn teten Zeitungen der von uns gemeldete Zwischenfall man die hannoverschen Vorkommen überhaupt des Kraftivagens um das Vierfache forderte, ist Prozent gerechnet werden. Dieser ersten Preiser­im Gerichtssaal entſtellt wiedergegeben; die neuer nicht ausgebeutet, da man Del aus Rumänien es also Wasser. Auf der Auto- Ausstellung lenken höhung werde bald eine zweite folgen müssen, liche Verhaftung Rosa Jochmanns und Galizien bezogen hat. Aber nach dem Krieg übrigens die neuen Riesenautobusse die allges denn erst ein um mindestens 25 Prozent höheres wurde überhaupt verschwie gen. Der Ange- hat man den Betrieb wieder aufgenommen und meine Aufmerksamkeit auf sich, die offensichtlich Preisniveau werde den Wollwarenfabriken eine flagte Sailer, ein geistig aufrechter, aber körper- gewann bereits 1929 in Hannover 100.000 Ton- militärischen Zwecken zu dienen haben. Auch die rentable Fortführung ihrer Betriebe ermöglichen. lich gebrochener junger Mann, der nie ein An- nen, im Jahre 1934 321.000 Tommen, 1935 großen und kleinen Raupenwagen, neueste Mo- Skoda erhält rumänischen Auftrag. Die hänger der Gewaltanwendung war, wird von jener rund 450.000 Tonnen. Aber es ist anzunehmen, Skoda- Werke haben von der rumänischen Marine­niederträchtigen Presse als Rädelsführer einer daß es, außer Hannover , noch andere Oel verivaltung einen größeren Auftrag erteilt bekom­Gruppe von gewalttätigen Umstürzlern" bezeichnet. bortom men in Deutschland gibt und men. Es handelt sich darum, die Bestückung von daß sie bereits im Betriebe sind, nur daß die drei Donau - Monitoren zu modernisieren. Der Oeffentlichkeit gar nichts darüber weiß. Anfang Auftrag hat einen Wert von etwa sechs Millio­1935 ist durch eine Verordnung ein Monopol nen Kronen und soll innerhalb vierzehn Monaten für Erdöl in ganz Deutschland erklärt worden. durchgeführt sein.

belle, die jedes Terrain bewältigen können, sind offenbar für Deutschland mit seinen notorisch ausgezeichneten Wegen in Friedenszeiten wohl von geringem Wert.

Das Regime scheint vor den Arbeitern nicht geringe Angst zu haben. Nicht nur auf den Straßen Winston Churchill hat sich vor einigen Tagen um das Gerichtsgebäude, sondern auch im Ver­Die Erzeugung des Erdöls auf fünstlichem in einer Unterredung folgendermaßen zu der heu- Die Aufteilung des Holz- Weltmarktes. Das handlungssaal wimmelt es von schwerbewaffneten Wege hat gleichfalls in der allerlegten Zeit tigen außenpolitischen Strise geäußert: Hitler von den Hauptlieferanten der Welt für Holz ge= Polizisten und leicht erkennbaren Spizeln. Die Vertreter der Auslandspresse, die entgegen den Mel- außerordentliche Erfolge erzielt, ganz neue Wege schlägt nach der Remilitarisierung der Rheinzone bildete internationale Holzkomitee, an dem auch sind auf diesem Gebiete beschritten worden. Europa einen Frieden auf 25 Jahre vor. Na ch die Tschechoslowakei durch Privatbesitz beteiligt ist, dungen der gleichgeschalteten Preſſe den Verhand- Einerseits fährt man in der Vervollkommnung dem er Oesterreich und die Tichestrebt nach der kürzlich zustande gekommenen lungen mit gespanntester Aufmerksamkeit folgen, vermerken alle diese Tatsachen mit Befremden. Es der bekannten Methode der Gewinnung von Erd- choilowatei bejebt haben wir d, europäischen Schnittholz- Konvention zunächst ein öi nach dem Verfahren von fort Bergius. Die wird Hitler uns einen Frieden auf Mittelmeer - Abkommen an. Darüber hinaus be= ist ihnen auch nicht entgangen, wie niederträchtig Produktion der berühmten Le u na Werte 50 Jahre vorschlagen. Nach der Be- müht es sich, Vereinbarungen zustande zu brin die Spigelei organisiert war, der die Angeklag­ten zum Opfer fielen und daß die Behauptung der( 3. G. Farben) hat 1935 fast 200.000 Tonnen feßung des polnischen Korridors wird er diese gen, die eine Aufteilung des Holz- Weltmarktes Anklage, die Beschuldigten hätten eine sozialistisch betragen. Man hat außerdem eine besondere Ge- Frist auf 75 Jahre verlängern und, nachdem die unter den Hauptlieferanten zum Ziele haben. kommunistische Einheitspartei zum Zwecke der Or- sellschaft, die Braunkohlen- Benzin A. G., Bra­bag, gegründet, in der alle mit künstlicher Er­ganisierung von Straßenfämpfen gebildet, eine bloße Konstruktion des Staatsanwalts und seiner Helfer zeugung des Erdöls aus Braunkohle sich beschäf= ist. Das Auditorium besteht zum größten Teil aus tigenden Konzerne, I. G. Farben an der Spize, den weiblichen Angehörigen der Angeklagten. Es zwangsläufig zusammengeschlossen sind. Drei sind die Mütter, die Frauen und Bräute jener Män- große Fabriken, die sich nur mit dieser Produk­ner, die schon seit vierzehn Monaten in Haft ſizen, tion befassen sollen, werden von der Brabag ge= weil sie Sozialisten geblieben sind.( Die Herr- baut, die Errichtung einer jeden kostet 50 Mil­schenden können es eben nicht fassen, daß man, wie lionen RM. Diese Fabriken sollen in 18 ein Angeklagter bemerkte, seine Gesinnung nicht so Monaten fertig sein und zusammen etwa 500.000 rasch ändern kann, wie man gewisse Verfassungen Tonnen Erdöl jährlich produzieren. Das alte änderte.) Da sieht man das stille Duldergesicht der Frau Sailer, die der vergrämie, abgehärmte Gatte immer wieder stumm grüßt, dort sizen die alten Eltern eines Angeklagten. Fast allen Ange­hörigen sieht man nicht nur die seelische, sondern auch die physische Not an, in der sie leben. Viele bringen mit knapper Not die je 60 Groschen auf, die man vor- und nachmittags in der Kleiderablage bezahlen muß.

Der Prozeß wird wahrscheinlich Samstag zu Ende geführt werden. Aber die zibilisierte Welt­öffentlichkeit hat das Urteil schon gesprochen.

Dieses Urteil spricht die österreichische Regie­rung und deren Rechtspflege schuldig, ungefeßliche Gewalt zu üben, das Recht zu brechen und das Volk in einem Zustand unwürdiger Verfflavung zu halten vor allem jenen Teil des Volkes, der für die Be hauptung der österreichischen Unabhängigkeit felbft in der Illegalität mehr getan hat, als alle Tra­banten der Feh und Starhemberg.

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Der Ruf der Angeklagten und ihr leidenschaft­liches Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus wird in der ganzen Welt gehört werden. Und bald auch in ganz Desterreich. Der Prozeß ist eine Etappe auf dem Wege zur Freiheit der österreichi­schen Arbeiterklasse.

Verfahren Bergius soll auf diesen neuen Werken ncht mehr zur Anwendung kommen, man hat an­geblich ein neues Verfahren erfunden, wonach nicht bloß, wie früher, Erdöl , sondern auch gleich der bei den in Deutschland so beliebten Diesel­motoren verwendete Rohstoff gewonnen wird.An­dererseits ist man aber heute in Deutschland be= reits dazu übergegangen, Erdöl auch aus Stein­kohle zu gewinnen. Wie es heißt, ist man aus dem Stadium der Versuche längst heraus und ist zur praktischen Organisation der Produktion gleich im großen Maßstabe geschritten. Damit wird die Steinkohle in furzer Zeit eine mindestens ebenso wichtige Rolle bei der fünstlichen Erdölerzeugung spielen wie die Braunkohle. Die neuen dabei an­gewendeten Verfahren heißen Bergius II" und

Verfahren nach Dr. Fischer". Man verspricht sich durch Bearbeitung von 312 Millionen Stein­fehle den ganzen jährlichen Bedarf Deutschlands an Erdöl zu decken. Drei neue Fabriken sollen für diesen Zweck in allerfürzester Zeit im Ruhrge­ biet errichtet werden. Es scheint also, daß Deutschland sich tatsächlich anschickt, sich von je= der auswärtigen Abhängigkeit auf dem Gebiete der Erdölversorgung vollständig zu befreien, was natürlich nur vom Standpunkt der Kriegswirt­schaft erklärlich ist. Denn alle diese neuen Ver

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Katastrophales Hochwasser in USA Nachdem schon vor mehreren Tagen in den Vereinigten Staaten Hochwasserschäden zu verzeich nen waren, ist jetzt über das Land eine Hochwasserkatastrophe von ungeheurem Umfange her­eingebrochen. Zahllos sind die Städte und Ortschaften, die von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Schon wurden mehr als 100 Tcle gezählt und Millionen Menschen droht Gefahr. Auf unserem Bilde sieht man eine zu Beginn der Hochwasserperiode völlig überschwemmte Straße in Woodside- Queens im Staate New York .