Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  , VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Sonntag, 29. März 1936

Als Hans Krebs   noch Falschgeld

Eine zeitgemäße Reminiszenz zur Reichstags ,, wahl  "

in Umlauf setzte...

Auf der Liste der Reichstagskandidaten der NSDAP  , die heute zweifellos gewählt werden, befinden sich bekanntlich auch drei ehemalige tschechoslowakische Hakenkreuz- Parlamentarier, die Herren Krebs, Jung und Schubert. Of­fenbar soll diese Auszeichnung ein Pflaster für die unbeschreiblichen Märtyrerqualen sein, die diese Herren so lange Jahre hindurch in der Tsche= choslowakei erdulden mußten.

Man stelle sich nur vor, wie namentlich Herr Krebs gelitten haben muß, als er durch fast anderthalb Jahrzehnte den loyalen tschechoslowa tischen Staatsbürger spielen und diese für einen echten Nazi so qualvolle Rolle noch durch so und so viel Presseklagen und Berichtigungen gegen die ,, marristische Lügenpresse" aufrechterhalten mußte

gewiß eine bewundernswerte Selbstverleug­nung, in der heute übrigens auch gewisse Epigo­nen des Herrn Krebs eine große Virtuosität an den Tag legen..

noch nicht verbüßten Strafrest in der Zeit vom

Ins19th

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 76

23. Mai bis 17. September 1921 abigen mußte. Zu dieser ,,

Zu dieser ,, Wahl"!

Die Aberkennung des Wahlrechts für drei Jahre, die gleichzeitig ausgesprochen wurde, hatte außer= dem zur Folge, daß das tschechoslowakische Bar­lament für seine erste Wahlperiode auf die Mit­gliedschaft eines solchen Ehrenmannes wie des Herrn Krebs verzichten mußte.

Schwurgericht, und nur das Ableugnen aller vor der Polizei abgelegten Geständnisse rettete den Herrn Krebs   und Konsorten vor der Anwendung Müßte man im Dritten Reich   nicht schnell des§ 1 des Gesetzes 269/19, der Strafen von 10 noch einen hohen Hakenkreuzorden schaffen, um bis 15 Jahren vorsah. So kam Krebs nach§ 4 solche Ruhmestaten des jezigen Herrn Regie­des zitierten Gesetzes viel glimpflicherdavon, weil rungsrates und Reichstagsabgeordneten wenig= das Geschworenengericht nur die wissentliche Verstens nachträglich noch nach Gebühr zu belohnen? breitung von Falschgeld, nicht aber ein direktes Einvernehmen mit dem Fälscher oder die Einfuhr

aus dem Ausland als erwiesen annahm.

Daß Herr Krebs selbst der Auffassung war, noch glimpflich davongekommen zu sein, geht schon daraus hervor, daß weder er noch seine Mitangeklagten ein Rechtsmittel ergriffen, son­dern unter Hinweis auf ihre Familie etc. nur ein Gnadengefu ch an den Präsidenten der Republik einreichten, das allerdings abgewiesen wurde, so daß er den durch die Untersuchungshaft

Und dann der Volkssportprozeß bei dem viele der von Krebs Verführten die ganze Strenge der tschechoslowakischen Gesegge- Sie haben die bung zu spüren bekamen, während der Herr und

Wahl,

Meister, der ursprünglich in flammenden Worten deutsche Männer selbst seine Auslieferung verlangt hatte, sich die

Sache nachher überlegte und sich gebrochenen Her- und Frauen

zens mit allen Mitteln dagegen stemmte, nun auch selbst vor Gericht Rede und Antwort zu stehen! Was sind wohl die Annehmlichkeiten der deutschen  Konzentrationslager gegen die Untersu chungshaft, in der Herr Krebs dann einige Monate saß, und wer beschreibt seine Seelen­qualen, als er auf dem berühmten Elbekahn schließlich über die Grenze ging? Eine Flucht aus dem Konzentrationslager Dachau   etwa muß ein Kinderspiel dagegen sein.

Für ein solches Märthrerleben sind das Amt eines Regierungsrates im Goebbelsschen Propa­gandaministerium und jetzt noch als Draufgabe die lumpigen paar hundert Mark, die Herr Krebs als Reichstagsabgeordneter erhalten wird, ohne mehr dafür leisten zu müssen, als einmal im hal­ben Jahr eine Stunde Führer- Rede anzuhören, eigentlich nur eine elende Gegenleistung

Und dabei ist der Herr Krebs noch so be scheiden und zurückhaltend, daß er seinen neuen Herrn und Gebieter sicher nicht einmal von dem Höhepunkt seines Märtyrerlebens in der Tschechoslowakei   in Stenntnis gesetzt hat, der in die Jahre 1920 und 1921 fällt:

Damals ist Herr Krebs schon einmal hinter tschechoslowakischen Kerkermauern ge­seffen, acht Monate lang und noch dazu wegen eines ganz gewöhnlichen Verbrechens mit der Qualifizierung aus niedrigen und unehrenhaften Beweggrün­den, weil er nämlich falsches Geld wissentlich in Umlauf gefekt hatte. Auch damals schon hat er auch noch andere Leute mit hineingeriffen, zwei seiner Freunde namens G. und Sch., die ihre Hilfs­bereitschaft für den damals schon führenden Mann und Generalsekretär der Nazi- Partei ebenfalls mit je acht Monaten Kerkers büßen mußten!

Diese Seite aus Krebsens Vergangenheit berdient denn doch der Vergessenheit entrissen zu

werden.

wir gratulieren dem neuen Parla­ment zu diesem hochwertigen Mitglied und geben nur noch der Erwartung Ausdruck, daß diese nationale Heldentat des Krebs auch in seinem curriculum vitae im neuen Reichstagshandbuch gebührend vermerkt und er als Urbild eines wackeren Auslandsdeutschen auch in die nazi­ft ifchen Lefebücher eingereiht werde, deren unbehinderte Einfuhr in die Tschechoslowa­fei Herr en lein fürzlich so stürmisch ge­fordert hat

Wowral

Deutschlands   östliche Nachbarn

Intervention gegen Festungs­bauten im Rheinland  

fordern Schutz

Es solle nicht gedroht werden, wer aber aus Faulheit, Gleichgültigkeit oder Hochmütigkeit von der Abstimmung fern bleibe, habe kein Recht, sich einen Deutschen   zu nennen."

"

( Gaupropagandaleiter von Hessen- Nassau  , Müller ScheId, in einer Wahlversamm­lung in Frankfurt   nach der Frankfurter Zeitung  ", Nummer 151/52, vom 22. März, Seite 6.)

Abstimmungen steht das Ergebnis des 29. März Nach den Erfahrungen der vergangenen fest und nur noch ein paar unverbesserliche Illu fionäre glauben an die Ernsthaftigkeit einer Ko­mödie, die die größten Gaukler der Welt und dem eigenen Volke vorspielen werden. Fragt man den stimmberechtigten deutschen   Bürger nach dem wahrscheinlichen Resultat, so werden neunund­neunzig von hundert ernsthaft antworten: Min­destens 90 Prozent! Um, wenn er sich vor Ver­rat sicher wähnt, delphisch hinzuzusetzen: Das steht heute schon bombenfest.

Es ist ein riesiger Propagandaapparat auf­gezogen. Goebbels   läßt alle Register spielen und alle staatlichen Einrichtungen dienen bis zum 29. diesem einen Zwed. Die große Welt registriert nur die Reden des ,, Führers". Allenfalls noch die Versammlungen der Minister Göring  , Goeb bels, Heß, hier und da nennt man auch noch Frid. Gleichzeitig sind aber zehntausende Pro­pagandaredner auf die willenlose Masse los­gelassen. Es finden Versammlungen größten und fleineren Stils statt. Alle nationalsozialistischen Silfs- und Nebenorganisationen sind eingespannt. Die SA   und SS ist in ständiger Bereitschaft, Lautsprecherwagen sausen von morgens bis abends durchs Land. Eisenbahnbetriebswagen. Postautobusse und so weiter, usw., dienen der heiligen Sache des Vaterlands". Ich komme aus einer norddeutschen Stadt. Dort hat die Wirts schaftsgruppe Einzelhandel die Kaufleute, die über zwei Schaufenster verfügen, verpflichtet, bom 22. März ab bis zum Wahltage ein ganzes Schaufenster zur Propaganda für die Wahl zu dekorieren. Von diesem Sonntag ab ist Flaggen im ganzen Reiche angeordnet, Transparente und Symbole in tausendfacher Gestalt überall.

Man muß es den Drahtziehern lassen: Sie verstehen ausgezeichnet Ohr und Auge zu fesseln. Von den wichtigen politischen Verhandlungen der Tezten Woche brachte die Provingpresse, das Lese­futter der großen Masse in Deutschland  , nur turze, tendenziös zugestutzte Berichte. Hitlers Privatdiplomat, Ribbentrop  , erschien, von Hellstem Glorienschein umstrahlt, und die ganze Angelegenheit war so behandelt, als erledige der Führer solche Bagatellen mit der linken Hand nebenbei. Dagegen wurde jede Rede Hitlers groß aufgemacht auf der ersten Seite serviert. Mit dem Erfolg, daß der deutsche Spießer bor  Franzosenhaß überschäumt und der Meckerer bon gestern sich über Nacht zum glühenden und hißigen Patrioten entwickelt.

Es ist wahr: der Nationalsozialismus   hat bis heute das Volk nicht erobert. Und in weiten Kreisen der überzeugten Anhänger hat der Zwei­fel die Treue besiegt. Das Regime ist gegründet auf der Bereitschaft, die Staatsgewalt in jedem Falle der Widerspenstigkeit auch in der brutalsten Form anzuwenden und auf der Feigheit des größ ten Teiles der deutschen   Männer, denen Freiheit Paris  . Den freitägigen Besprechungen liege das ganze Problem. In Berlin   wird erklärt, und Menschenrechte noch nie selbstverständliche landins mit Litwinow  , Rusch di daß Deutschland   nicht die Absicht habe, Frankreich   Forderung gewesen sind. Unter solchen Vorbes Aras, Dr. Ofuský und Dr. Burič und Belgien   anzugreifen, welche, wie man auch dingungen, aus der Furcht geborene Begeisterung Es war im März 1920, als beim damaligen meffen die Blätter große Bedeutung bei, da sie in Berlin   weiß, die Garantie Großbritanniens   zu schaffen und den furor teutonicus, zu entfachen, Bankamt des Finanzministeriums in Prag   ein ihnen eine Garantie für die Organisierung des besitzen. In Paris   verstehe man die Ansicht, daß ist nicht schwer. Genau so wenig, wie die Legiti­zur Umwechslung eingereichter Betrag von Friedens zeigen. Nach Informationen des Pe- die Befestigungen im Rheinland   Frankreich   mation durch eine sogenannte Wahl zu erhalten, 24.000 in Zehnkronen- Noten, die durchwegs tit Parisi e n" wurde Flandin   in den Be- von seinen Bundegenossen iso- wenn man gewillt ist, außer dem Mißbrauch falsche Stempel trugen, beanständet wurde. Die sprechungen mit den Diplomaten aufmerksam ge- lieren und dem deutschen   Einfluß Versuche staatlicher Mittel zur Propaganda, Zwang und eingeleitete Untersuchung ergab, daß Herr Krebs macht, daß die öffentliche Meinung ihrer Länder zur Lösung gewiffer politischer Blocs erleichtern Terror einwandfreien Betrug bei der Feststellung. dieſe Noten durch Vermittlung einer Reihe von nicht ohne gewiffe Beunruhigung die Möglichkeit würden. Gleichzeitig würde die Errichtung der des Wahlresultates anzuwenden. Personen, unter denen sich die später mit ver- erwäge, daß Deutschland   am Rhein Fe st u n- Befestigungen ein rasches Eingrei- Hitler braucht zur Festigung seines Ansehens urteilten G. und Sch. befanden, unter Zufiche- gen erbauen werde, wodurch ein Einschreiten fen der Franzosen verhindern. eine hohe Stimmenzahl. Sie soll die Einigkeit rung einer 5prozentigen Provision gegen gutes Frankreichs   in dem Falle erschwert würde, daß und Geschlossenheit des deutschen   Volkes demon Geld umtauschen wollte. Im weiteren Laufe der es notwendig werden sollte, den Vertrag über ftcieren. So legitimiert, schafft er die Grundlage Untersuchung stellte sich heraus, daß Krebs diese gegenseitige Hilfeleistung durchzuführen. Das Sy­für seine provokatorische Politik, die eine, ständige Bedrohung des Weltfriedens und damit eine un­Gelder in damals schon start entwerteten öfter- stem der kollektieven Sicherheit ist insbesondere reichischen Noten, die mit falschen wertvoll für die Donaustaaten, denen viel daran aufhörliche Beunruhigung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der Völker untereinander Stempeln versehen wurden, aus Wien   liegt. Der Matin" bringt Informationen aus darstellt. von dem Hilfsverein für Sube­tenländer" angeblich zu Wahlzwecken er- halbamtlicher Quelle, wonach Hitler   am 31. März halten hatte. Nach längerer Untersuchungshaft einige unbedeutendere Konzeffionen machen, fich des Herrn Krebs und feiner Freunde kam es am aber nicht verpflichten werde, im Rheinland  19. Juli 1920 zur Verhandlung vor dem Prager   Befestigungen zu unterlassen. Und gerade darin werden,

Prinzip der., halboffenen Tür" Paris  . In Paris   kursierenden Meldungen zufolge beabsichtigt Hitler  , seine Gegenanträge am Dienstag in der Weise zu stellen, daß sie zumindest in den Augen Englands als halb offene Tür zu Verhandlungen der Locarno­mächte mit Deutschland   behufs einer neuen Rege­lung der Sicherheit im Westen Europas   engeſehen

Desalb ist es notwendig, dem Ausland gegenüber festzustellen: Es gibt keine freie Mei­nungsäußerung, weder in Wort noch in Schrift. Der ganze Staatsapparat wird mißbraucht, das