Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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16. Jahrgang

Flandins Gegenplan

Schaffung einer internationalen Truppe

Paris  . Nach einer Darlegung des Außen­

Dienstag, 7. April 1936

Nr. 83

Mit dem Fürsorgeminister im Erzgebirge  

miniſters& land in und nach einer Debatte ge- Eine lehrreiche Rundreise- Die Wünsche und Hoffnungen der Bevölkerung

nehmigte der Ministerrat: 1. den Plan des fran­ zösischen   Memorandum s, mit dem das deutsche Memorandum vom 31. März beantwortet wird, und 2. den Text des sogenannten font= struttiven Friedens planes, den die französische   Regierung dem Völkerbundrat vorlegen will.

Das Memorandum enthält eine rechtliche Ablehnung der in der deutschen   Note vom 31. März der französischen   Außenpolitik gemachten Vorwürfe. In seinem zweiten Teil wird konsta= tiert, daß Deutschland   auf das Londoner   Ab­tommen der Locarnoſtaaten vont 19. März feine positive Antwort gegeben hat. Es wird insbesondere präzisiert, daß Frank­ reich   nicht darauf eingehen würde, daß Dentich­land in der ehemaligen entmilitarisierten Rhein­landzone Festungen bane.

Die zweite Note, auch fonstruktiver Plan genannt, empfiehlt:

1. In militärischer Hinsicht die Organisie rung des auf der Gleichberechtigung aller Staa­ten gegründeten Friedens. Sie empfiehlt ferner die Schaffung internationaler Militärkräfte. Die Großmächte würden je drei bis vier Divisionen, die fleinen Staaten je eine Division dieser Berufstruppe stellen, welche modern motorisiert und in ständi­ger Bereitschaft wäre, um einer Aufforderung des Völkerbundes zur Unterdrückung der Verlet­zung eines internationalen Vertrages, interna­tionaler Verpflichtungen u. ä. sofort Folge leisten zu können.

2. In politischer Hinsicht die Verstär fung der follettiven Sicherheit dadurch, daß der Artikel 16 des Völkerbundpaktes eine größere Wirksamkeit erlangt.

3. Organisierung der europäischen gegen­seitigen Hilfe für die von der Gefahr eines Neber­falles bedrohten Staaten fo wohl im Ofte it. als auch im Westen Europas  .

Nach französischer Ansicht sollten alle dieje Anregungen von einer vom Böfferbund delegier­ten europäischen Kommission durchstudiert wer= den. Es ist dies demnach eine Art Rückkehr zu dem europäischen   Plan Briands.

Weiterer italienischer Vormarsch

London  . Die fiegreichen italienischen Truppen, die laut einer Meldung aus eritreischer Cuelle gegen Süden vorrüden, haben 20 Kilome­

ter von der Stadt Quoram die Reste der abeffi­nischen kaiserlichen Garde geschlagen, die den Rückzug der Reste der kaiserlichen Armee vertei­digen.

Der Fürsorgeminister Ing. Ne čas hat sich entschloffen, die Verhältnisse in den ärgsten Notstandsgebieten Böhmens   aus eigener Anschauung kennenzulernen. Die Neise, die er am ver­gangenen Samstag in Begleitung des deutschen   sozialdemokratischen Abgeordneten Taub und der westböhmischen Abgeordneten der deutschen   Sozialdemokraten, Eugen de Witte   und bitte umb Franz Ka z, durch die Bezirke Elbogen  , Graslih, Neudet und Karlsbad   un­ternahm, hat nicht nur in den weitesten Kreisen der Bevölkerung große Beachtung gefunden und viele Freude ausgelöst, sondern sie war auch in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Beziehung sehr lehrreich. Zweifellos hat sie dazu beigetragen, daß das enge Band, das unferen Fürsorgeminister mit den arbeitenden Massen des Sudetendeutschtums verbindet, noch fester geknüpft wurde, ja, sie hat bewiesen, daß die Arbeit der Sozialdemokratie in der Regierung nicht nur von den unmittelbaren Anhängern der sozialistischen   Arbeiterbewegung, sondern auch von deren Gegnern anerkannt, geschäßt und mit Dankbarkeit aufgenommen wird. Die Reise war für die Teilnehmer um so beschwerlicher, als Ing. Nečas sich nach den Verhältnissen in der eingehendsten Weise erkundigte und sich bei jeder Zusammenkunft erst dann zufrieden gab, wenn er ein vollkommen abgeschloffenes Bild gewonnen hatte. Diese Gewissen­haftigkeit und die Deffenheit, mit der Nečas alle Probleme behandelte, in Verbindung mit sei­nem gewinnenden Wesen, hat in den Teilnehmern der Aussprachen die Ueberzeugung gestärkt, daß hier ein Mann am Werke ist, dem die nationale Gerechtigkeit und die selbstlose Hingabe an die Sache der Armen oberste Nichtschnur find. Es ist wahr, daß die Unterredungen mit Nečas allen Teilnehmern ein tiefes Erlebnis wurden, und wir wollen dem Fürsorgeminister, von dem wir wissen, wie er als Tscheche für die deutschen   Notstandsgebiete mit besonderem Eifer forgt, für diese ihm und uns so wertvolle Reise aus ganzem Herzen danken. Sie hat ihm nicht nur Material für seine weitere Arbeit geliefert, sondern wohl auch die Ueberzeugung vermit telt, daß sich diese Arbeit auf das Vertrauen und die Liebe der deutschen   sozialdemokratischen Arbeiter unseres Landes gründet. Möge ihm dieses Bewußtsein neue Kraft bei der Erfüllung feiner übermenschlich großen Aufgabe vermitteln!

Fürsorgeminister Nečas

Weltrekord der Arbeitslosigkeit Mit Recht hat in der letzten Unterredung in Karlsbad   der Abgeordnete de Witte dar­

der Gesamtbevölferung nicht nur einen staatlichen und europäischen, sondern einen Weltrekord erreicht zu haben. Diese Feststellung trifft eigent lich auf das ganze bereiste Gebiet zu. Die Ziffern, die von den Vertrauensmännern der Arbeiter und von den Vertretern der Industrie vorgelegt wurs ben, sprechen eine deutliche Sprache. So hat z. B. die Porzellanindustrie, die früher die Balfanländer hundertprozentig belieferte, diese Abſabgebiete entweder durch die Konkurrenz oder burch handelspolitische Schwierigkeiten vollfom­men verloren. Die Devisenschwierigkeiten sind so groß, daß die Fabriten nicht einmal ihre eigenen Lager in den betreffenden Ländern beliefern fön­nen. Dazu kommt eine erschreckende Senkung des Inlandskonjums, die vor allem mit der gefun­fenen Kauftraft der Bevölkerung zusammenhängt. Auch durch das Zugabegesetz entstand ein Produk tionsausfall von 6 Millionen und außerdem haben die Sanktionen gegen talien gerade in der Sudetendeutschen   Porzellanindustrie den allers größten Schaden angerichtet. In Italien   wurden für 11 Millionen Porzellanwaren umgefeßt. Der Beschäftigungsstand ist in dieser Industrie von 16.000 bis 18.000 auf etwa 9000 gesunken. Während z. B. im Bezirk Karlsbad   1929 noch

auf hingewiesen, daß der einst so reiche Bezirk 6000 Beschäftigte in der Porzellanindustrie Karlsbad   heute den traurigen Ruhm in Anspruch waren, sind es heute nur nach 3600. Aehnlich nehmen kann, beim Anteil der Arbeitslosen an liegen die Dinge in der Glasindustrie.

Gemeinsamer Protest in Wien  

in

Dort sant der Stand der Beschäftigten auf ein Drittel, der Umsaß auf ein Viertel bis ein Drit tel! Allerdings hat die Rationalisierung einen entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung. Reichsdeutsche Schmutzkonkurrenz

Nicht minder aber die Schmutzkonkurrenz, die von der reichsdeutschen Seite unter Zuhilfe­nahme der Exportförderung und schwindelhafter

Genosse Taub

Methoden getrieben wird. So wird die Wirkung des Bontotts, der auf dem amerikanischen   Markt gegen reichsdeutsche Erzeugnisse verhängt wurde, dadurch umgangen, daß in Deutschland   erzeugte Handschuhe nach Abertham gebracht, hier einem Schein- ,, Veredelungsverfahren" unterzogen wer­den nur zu dem Zwecke, damit sie die Stempelung Made in Czechoslovakia  " erhalten. Sie gehen als Tschechoslowakische" Handschuhe nach Amerika  , der Exportausfall für wirkliche tschechoslowakische Handschuhe beträgt 25 Prozent, was einer Be­schäftigungsziffer von etwa 1000 entspricht.

Die Not der Bergarbeiter

Am traurigsten liegen wohl die Verhältnisse bei der Brauntohlenindustrie des Faltenauer Reviers und bei den Spielwaren- und Instrumentenmachern des Erzgebirges. Während es im Falfenauer Revier im Jahre 1921 noch 12.644 Bergarbeiter gab, die 44.5 Millionen Meterzentner Kohle förderten, waren im Jahre 1935 noch 3987 Bergarbeiter mit einer Förde= rung von 28.7 Millionen Meterzentnern in Be=

häftigung. Die Wirkung der Rationalisierung iſt

Nach einer Meldung des Neuterbureaus aus von den Gesandten der Kleinen Entente   überreicht Addis Abeba   treffen allmählich die ersten Mel­aus den folgenden Ziffern erkennbar: Während dungen über die Schlacht ein, an der der Kaiser Wien  . Montag, um 17 Uhr haben der publik( Rumäniens  , Jugoslawiens  ) kann mit seiner Garde persönlich teilnahm, wobei er rumänische und der jugoslawische Gesandte, sowie keinem Falle zulassen, daß sich der Förderanteil pro Schicht und Arbeiter im zwei Tage und zwei Nächte lang ein Maschinen- der tschechoslowakische Geschäftsträger im Bundes- Desterreich durch seinen einseitigen Schritt, der Jahre 1921 etwa 14 Meterzen er betrug, war gewehr bediente, ohne sich auch nur einen Augen- kanzleramte gemeinsam drei tertlich gleichlau- eine Ablehnung der internationalen Verpflichtuner im Jahre 1935 auf nicht weniger als 31 blick Ruhe zu gönnen. Schließlich erteilte er den tende Protestnoten gegen die Einführung der gen darstellt, ein Recht schaffen könnte. Deshalb Meterzentner, also um mehr als das Doppelte, Befehl zu einem strategischen Rückzugg, der sehr allgemeinen Dienstpflicht überreicht. Die Note behält sich die Tschechoslowakei  ( Rumänien  , Ju- gestiegen. Es versteht sich, daß die Löhne in der goflawien) das Recht vor, sich später über die gleichen Zeit. empfindlich gesenkt worden sind. besonnen war. Etwa ein Drittel der kaiserlichen hat folgenden Wortlaut: Garde blieb in der Reserve. Maßnahmen zum Schuhe ihrer Intereffen auszu- Uebrigens verfahren die meisten der verbliebenen viertausend Bergarbeite: nur drei Schichten sprechen. wöchentlich. Die Wirkung der deutschen Kon=

Baldiger Rücktritt Baldwins?

Am 1. April hat der Bundestag ein Gesetz angenommen, durch welches das für Oesterreich im fünften Teile des Vertrages von Saint Ger­

-

main festgesetzte Militärſtatut abgeändert wird. Oesterreich   reagiert nicht! urrenz ist auch in der Spielwarenindustrie be­

merkbar,

3700 Einwohner

Diese durch einseitigeKündigung des betreffenden Die amtliche Nachrichtenstelle knüpft an Paris  . Die Pariser   Mittags- und Abend Teiles des Vertrages von Saint Germain   durch­die Wiedergabe der Note folgende Bemerkung: blätter drucken die Londoner   Nachricht der geführte Aenderung stellt eine offenficht­Der Minister des Aeußeren hat 67 Berufstätige! Daily Mail" ab, derzufolge es entweder liche Verlegung der Militär Hier gibt es regelrechte Industrievers nach den Osterfeiertagen, oder spätestens bis zu laufeln des erwähnten Bertra- diese Note entgegengenommen. Die den Pfingstfeiertagen zu wichtigen Aenges bar. Unter diefen Umständen sieht sich österreichische Regierung gedenkt schleppung von Graslis nach Klingenthal  , derungen in der britisch en te die Tschechoslowakei  ( Rumänien  , Jugoslawien  ) nicht, auf diesen gemeinsamen Schritt wie man überhaupt foren muß, daß ein großer gierung kommen werde. Ministerpräsident als Signatar des Vertrages von Saint Germain der Tschechoslowakei  , Rumäniens   und Teil der Schuld an dem fudetendeutschen Wirt­Stanley Baldwin werde sich wegen zuneh- gezwungen, gegen die Verlautbarung des betref- Jugoslawiens   zu reflektieren. Als sie schaftselend auf das Konto Deutschlands   zu mender Schwerhörigkeit seines Amtes begeben. fenden Gesetzes energisch zu brote das neue Gesetz schuf, tat sie es in vol- buchen ist. Es ist selbstverständlich, daß unsere Sein Nachfolger werde Neville Cham beritieren, Auch als Mitglied des Bölkerbundes ler Ueberlegung und mit dem Bewußt. Senleinleute darüber fein Wort verlieren und daß I a in sein. Neville Chamberlain   im Amte eines bedauert sie tief, daß Oesterreich, ebenfalls Mit sein, damit den Lebensnotwendigkeiten Schabamtajekretärs soll Sir Samuel Hoare er- glied des Völkerbundes, es für angezeigt gahalten ſeßen. E d e n werde zum Minister für Indien   bat, einen Weg zu beschreiten, welchen der Böl- des österreichischen Volkes und der Sie ernannt werden. Für das Amt des Außenmini- terbundrat unter analogen Umständen durch die cherheit der Existenz des österreichi sters soll entweder 2 ord alifar oder Sir Resolution vom 17. April 1935 feierlich verurteilt schen Staates pflichtgemäß Rechnung Robert Horne ausersehen sein, hat. Die Regierung der Tschechoslowakischen Re- getragen zu haben."

sie sich auch bei dem Besuche des Fürsorgemini­sters diefe von industrieller Seite gemachten Fest­stellungen wortlos anhörten. Der Beschäftigten­stand in der Musik- Instrumenten= industrie ist auf weniger als ein Drittel ge=

funken. Früher machten in dieser Industrie die