Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077.9 Punuzo

16. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

Mittwoch, 22. April 1936

Wir müssen dem Völkerbund

streu bleiben!

Dr. Krofta gegen Defaitismus treu

Die Bedeutung der Tschechoslowakei genügend anerkannt

Prag . Am Dienstag hat der Außenaus­schuß des Senates die Debatte über das Exposé Dr. Kroftas vom 17. März d. J. nachgetragen. Der Aninminister benützte das Schlußwort zu zusätzlichen Erklärungen, aus denen der Ernst der heutigen europäischen Situation, aber auch das unerschütterliche Vertrauen der Staatsleitung in eine beffere Zukunft hervorgeht.

Dr. Krofta wies die Ansicht zurüd, als ob bei der Abfassung des Erposés irgendwelche Einflüsse oder Ministerpräsident Dr. Hodža eingewirkt hätten. Er habe vielmehr nach seiner Ueberzeugung und im vollen Bewußtesein seiner Verantwortung gesprochen und glaube, daß in feiner Koalition und unter keiner Regierung ein Minister des Aeußern hätte anders sprechen können.

Manifestationen gegen den Hitlerismus, wie sie die Kommunisten forderten, hält der Minister nicht für zweckmäßig. Durch sie werde nichts bewiesen und auch nicht die Sicherheit im Staate gefestigt; höchstens könnte durch sie irgend ein Angriff provoziert werden. Der Minister hält auch an der Auffassung fest, daß eine Kritik der Person Hitlers aus internationalen Gründen nicht zulässig sei, da es sich um ein Staatsoberhaupt handle. Der Protest wegen der Wahl tschechoslowakischer Staats bürger in den Reichstag wurde bisher von Berlin nicht beantwortet.

Gegenüber den Bemerkungen einzelner Redner über die Tätigkeit des Ministerpräsidenten Dr. Hodža als Außenminister erflärte Dr. Strofta, daß er sich ein Erposé über Mitteleuropa für seine nächste Rede vorbehalte. Dr. Hodža babe unstreitig in diese Verhandlungen sehr wertvolle Momente hin eingetragen. Daß er nicht sofort zum Erfolg gelan gen werde, habe Dr. Hodža selbst vorausgesetzt. Eines seiner positiven Ergebnisse war die Beschleunigung des Handelsvertrages mit Defter­reich.

Ueber alle Fragen haben sich die Regierungen der Kleinen Entente eingehend beraten, auch über die österreichische Frage. Ein Ergebnis des Einschreitens in Wien ist freilich noch nicht er­fichtlich und eine Antwort ist bisher nicht einge­laufen, aber die Angelegenheit ist noch nicht ab­geschlossen, und es scheint, daß unser Einschreiten nicht ohne Wirkung bleibt.

wirtschaftlichen Gründen. Es wäre jedoch unrichtig, zu glauben, daß sich Jugoslawien von seiner bisherigen Politik und von der Kleinen Entente abwenden wolle.

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Nr. 95

Flammenzeichen in Polen

Uebergang zur Demokratie, außenpolitischer Kurswechsel und wirtschaftliche Umstellung notwendig

-m. Warschau , 20. April. Iwenden. So haben sich gerade in den Städten mit Die Herrschaft der Pilsudsti- Offiziere über| mittleren Fabriken und viel kleingewerblichen Be­Polen ist rascher ins Wanten geraten, als Freunde trieben und Gegner dieses Regimes vorausgesehen haben. Den blutigen Zusammenstößen notleidender Klein­bauern mit der Polizei in verschiedenen Landes­Auf die Anfrage, ob mit den Großmächten ver- teilen und den Arbeitslosen- Unruhen von Kr a= handelt worden ist, verlangt der Minister, ihm zuta u im März, die schon eine große Zahl von Sontatt mit den befreundeten glauben, daß wir in ununterbrochen em Toten und Verwundeten forderten, jind Mitte Gr.o mächten stehen und dafür sorgen, daß an uns nicht vergessen werde.

Wir können damit zufrieden sein, daß unsere Bebentung genügend anerkannt wird.

Auf allen Seiten dringt die Erkenntnis durch, daß, wenn Desterreich und die Tschechoslowakei aus Europa verschwänden, das gegenwärtige Gleichgewicht schwer verletzt wäre, namentlich die westlichen Großmächte wissen, daß es im allge­meinen Interesse liegt, daß diese beiden Staaten ihre Unabhängigkeit bewahren.

Der Glaube an die Verträge ist erschüttert. Dies ist eine traurige Wahrheit, an der man nichts ändern kann, aber deshalb ist noch kein Defaitis mus am Plate, als ob die Basis unserer Existenz untergraben wäre. Wir verdan­ken den Verträgen viel, aber unsere Eri­stenz ist nicht von ihnen abhän gig. Unser Staat wird existieren, deshalb, weil seine Existenz durch sittliche und andere gefunde Grundsätze begründet ist.

im

Pessimistische Ansichten über den Völkerbund find in der ganzen Welt vorhanden. Es ist auch feine Kleinigkeit, wenn selbst Großmächte die Möglichkeit eines Austrittes andeuten. Aber der Minister ist der Ansicht, daß das eher Aeußerungen Eifer der Debatten sind, als ernste Ab­fichten. Zeigt doch auch sogar Deutschland , das aus dem Völkerbund ausgetreten ist, die Bereitwilligkeit zur Rückkehr.

Der Völkerbund wird immer noch als ein sehr wichtiges Instrument der internationalen Politik angesehen und es wäre unvernünftig, ben Stab über ihn zu brechen. Der Minister vergleicht die internationalen Verhältnisse mit den inner­

staatlichen.

Auch die beste Polizei fann in feinem Staate verhindern, daß ein Verbrechen geschehe. Um so schwieriger ist dies im internationalen Leben. Wir müssen dem Völkerbund tren blei ben und dafür sorgen, daß er seine Aufgaben aufs

Es ist richtig, daß der Einfluß Deutschlands in Jugoslawien bedeutend ist, namentlich aus beste erfülle. Genosse Dr. Heller:

Die Tschechoslowakei

die Notzustände besonders scharf zugespitzt. Dort sammeln sich die Scharen jener Unglücklichen, frü die niemals versicherungspflichtig waren here Angestellte und Gesellen kleiner Handwerks­und Handelsunternehmungen, Jugendliche, die

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Eine der von den Demonstranten in Lemberg errichteten Barrikaden

April die zweimaligen schweren Straßen tämpfe von Lemberg gefolgt, die nach vor­jichtigen Schäßung wiederum mehr als zwei Dußend Menschen das Leben kosteten. Alle Zen fur- Maßnahmen konnten nicht verhindern, daß diese Ereignisse

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überhaupt noch keinen Arbeitsplatz hatten, Bus wanderer vom flachen Lande, wo es noch keinerlei Arbeitslosenfürsorge gibt, usw. Daraus erklärt sich die Tatsache, daß der soziale Zündstoff in Stra­kau und Lemberg früher explodierte als in den Bezirken der polnischen Großindustrie. das ganze Land in starke Bewegung brachten. Ereignisse zwangen das polnische Regie­Die grellen Warnungszeichen der Lemberger Selbst eine offiziöse Zeitung wie die Gazeta rungslager, das seit langem zwischen der Polsta" des Außenministers Bed mußte in einem nationalistischen Rechten und der demokratischen muß tschechoslowakische Politik machen Lemberger Bericht zugeben, daß die Autori Linten hin und her manövrierte, zu grundsäßlichen tät der Staatsbehörden erschüt- Entscheidungen. Der rechte Flügel, geführt von einigen forschen jüngeren Offizieren, verlangte In der Debatte sprach u. a. Genosse Dr. Erfolge erzielten, wie die Räumung der Ruhr, die tert sei. Bersuche, die Schuld auf die Agitation schärferes Anziehen der politischen Zügel und Er­Heller. Räumung des Rheinlandes, den Eintritt in den Völkerbund, den Locarnovertrag, die Herabjegung der Kommunisten zu schieben, verfingen nicht eins feßung des jeßigen Kabinetts Koscialfowski durch Genosse Dr. He II er polemiſierte vorerst gegen den Senator Rypar( Boltspartei), der anzüglich der Reparationslast und die Einsetzung der Ab- mal innerhalb der Anhängerschaft der Regierung. eine Regierung starter Männer". Aber eine bon dem Bankrott des Sozialismu 8" ritungsfommission, hat der faschismus nach seiner Man weiß zu gut, daß diese illegale Partei der Tagung der Wehrverbände des Pilſudſki - Lagers, gesprochen hatte, und verwies darauf, daß in Deutsch - Machtergreifung den Weg der Gewalt und land, Desterreich, Ungarn und Italien seit vielen des Vertragsbruches gewählt. Sitler führt äußersten Linken in der Arbeiterschaft Polens kei- stand, lehnte diese Parolen eindeutig ab und ver­Jahren die Bourgeosie herrscht und die nur das aus, was er in seinem Buche Mein nen großen Anhang mehr hat. Die wahre Ur- langte statt dessen Diftatur ihre Nachfolgerin ist, während in Schweden , soche der Lemberger Unruhen lag in der furcht­Norwegen, Dänemark und Rußland der Sozialis­Wie die Ereignisse des letzten Jahres zeigen, baren Not der Eriverbslosen. Die bisherige find es die faschistischen Staaten Italien , Japan , Deutschland und Desterreich, die den Frie- Methode der Regierung im Kampf gegen die Ar­den bedrohen, während die demokratischen Staaten beitslosigkeit wird selbst von jenen Gewerkschafts­und das auf dem Wege zur Demokratie befind- berbänden, die das jetzige Regime sonst unter liche Rußland den Frieden verteidigen. Infolge- ftüßen, mit größter Schärfe kritisiert. dessen ist auch der Standpunkt, daß man sich in die Regierungsform anderer Länder nicht ein mischen dürfte, nicht haltbar.

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mus regiert. Es könne daher weder von einem Bankrott des Sozialismus", noch davon gesprochen werden, daß der Sozialismus der Wegbereiter der Diktatur" sei.

Kampf" vertreten hat.

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die unter dem Eindruck der Stimmung im Lande

verstärkte sozialpolitische und wirtschaftliche Aktivität des Staates zur Lösung des Erwerbs= lofenproblems durch großzügige Arbeitsbeschaf­fung.

Von sozialistischer Seite war diese Forderung schon lange vorher mit Nachdruck erhoben worden. Macht die Regierung jezt ernst mit der Durch führung, so würde das eine Linksschwen= tung der polnischen Politik und einen fachlichen Erfolg der Arbeiterbewegung bedeuten. Doch das Kabinett Koscialfowski, welches die Inangriffnahme der Arbeitsbeschaffung auf brei­tester Grundlage in Aussicht stellt und dadurch die Regierungskrise diesmal vermieden hat, weiß noch nicht anzugeben, wie es

die Finanzierung dieses Plans

Genosse Dr. Heller verlangte, daß die Praxis beseitigt werde, wonach die Person Hitlers nicht fris tisiert werden darf. Da er nicht nur Reichsober­Für die registrierten Arbeitslosen wird in haupt, sondern auch führer einer Partei Polen nicht schlechter gesorgt als in den meisten ist, muß er sich wie jeder andere Führer jede Kritik Ländern Mitteleuropas . Sind die Sozial- Beiträge gefallen lassen. An den Außenminister stellt Doktor Heller die Frage, welche Antwort die deutsche Regie- An den derzeitigen verworrenen Verhältnissen für ihn, während er noch Erwerb hatte, richtig be­rung auf das Einschreiten unserer Regierung wegen ist ebenso Frankreich , das gegen Italien zahlt worden, so erhält er einige Monate lang der Wahl von Jung, Krebs und Schubert in den versagt hat, schuld, wie England, das den Bruch eine leidliche Unterstüßung. Die Wohlfahrtspflege, deutschen Reichstag gegeben hat. des Locarnovertrages toleriert. Dem gegenüber der er nach Ablauf dieser, in den verschiedenen steht der Völkerbund ziemlich machtlos da, was nicht Landesteilen ungleich bemessenen Frist zugeteilt nur aus der Umständlichkeit der Prozedur, sondern wird, ist dann allerdings bereits ganz armselig. viel mehr aus der Verschiedenheit der Interessen der im Völkerbund vertretenen Staaten zu erklären ist. In Polnisch- Oberschlesien hat sich daher die Ein­Die Tschechoslowakei kann weder englische richtung des sogenannten Turnus Urlaubs durchführen wird. Unter dem Einfluß der Armee­noch franzöfifche und am wenigsten reichsdeutsche herausgebildet. Die großen Montanunterneh- führung hat man sich entschlossen, solchen öffent Bolitik machen, sondern immer nur die Bo- mungen wechseln einen Teil ihrer Belegschaften in lichen Aufträgen den Vorzug zu geben, die zu­litik des eigenen Staates. Die dent Abständen von einigen Monaten aus, damit die gleich der Landesverteidigung dienen, dem Ausbau schen Arbeiter find fest entschlossen, diesen Staat, Masse der Erwerbslosen wenigstens vorübergehend des rückständigen Straßennezes, der Staatsbahnen, feine demokratische und republikanische Grundlage Arbeit erhält und dadurch nach der abermaligen aber auch der Beschaffung von unmittelbarem gegen jeden Feind zu schützen. Und obwohl Entlassung neuen Anspruch auf die öffentliche Heeresbedarf. Dafür wäre, wie es heißt, eine fie diesem Standpunkt die schwersten Opfer von allen bringen, verlangen fie feinen Breis Unterſtüßung hat. Die Zahl der völlig unter- größere Anleihe aus dem berbündeten Frankreich dafür. Wir fordern lediglich, daß die Regierung haltslosen Proletarier wird auf diese Weise zu haben, wenn Paris die Sicherheit hätte, daß und die Bürokratie uns in unserem sehr schweren wenigstens in den Bergbaurevieren verhältnis die polnische Armee immer nur auf französischer Kampf gegen die Gegner in unserem Gebiete mäßig niedrig gehalten. In der verarbeitenden und niemals auf deutscher Seite kämpfen würde. nicht noch hindern! Industrie ist dieses Verfahren schwieriger anzu Die Außenpolitit des Obersten Bed,

Er appelliert ferner an die Kommuni­it en, ihre innere Politik in Einklang mit ihrer Außenpolitik zu bringen. Ihre Innenpolitit ist un berständlich und hinterhältig und es fann zu einem Zusammengehen mit den demokrati­schen Parteien im Staate nicht kommen, solange die Kommunisten diese Politik weitertreiben. Leider ist durch das Auftreten Gottwalds die Aussicht hie­für fast vernichtet.

Genosse Dr. Heller sprach sodann über die außenpolitische Entwicklung der letzten Jahre, die von dem Gegensatz zwischen Deutschland und Frank­ reich beherrscht ist. Auch das demokratische Deutschland mußte die Beseitigung der Härten des Friedensvertrages anstreben. Während jedoch Her­ mann Müller und Stresemann den Weg der Verhandlungen beschritten und dabei große