Seite S Mittwoch, 6. MailvOK Rr. 108 weniger als einer Pcsete täglich. Noch schlimmer ist die Lüge der etwa drei Millionen Landarbeiter. Ihre Löhne schlvanken zwischen 1 Pesete und Deputat bis zu 5 Peseten, durchschnirilich erreichten sie nur 2J4 bis 3 Peseten. Dazu kamen aber A r b e i t s l o s i g- k c i i« P c r i o d e n, die von 90 bis zu 150 Tagenim Jahr dauerten. Aeußer'ste Armut . und Unwissenheit, rücksichtslose Ausbeutung durch die Granden, den Klerus und deren Pächter war ihr . Schicksal. Dabei könnte ei ihnen allen viel besser gehen, denn es ist kein Zweifel, dass aus dem Land bei richtiger Pflege noch unendlich viel herauszu­holen wäre. Die letzten Statistiken aus der Zeit Alfons XIH. geben neben der bereits erwähnten Ziffer von etwa 22 Millionen Hektar bebauten Lan­des auf einem Gesamtareal von etwa 50 Millionen Hektar einen Prozentanteil von Weid« und Wald in Höhe von 20 Millionen Hektar an, so dass also nur sechs Millionen, Hektar völlig unbebaubaren Lande­übrig bleiben. Mag nun selbst die Zerklüftung des Binnenlandes erklären, dass Weide und Wald«inen so grossen Prozentsatz des noch fruchtbaren, aber schwer kultivierbaren Bodens ausmachen, so ist es doch keine Frage, dass aus dem Lande noch unendlich viel herauszuholen wäre. Man bedenke nur, dass die landwirtschaftliche Produktion Spaniens   wertmässig von 2440 Millionen Peseten im Jahre 1897 auf 9201 Millionen Peseten zu Beginn dieses Jahrhun­derts gestiegen ist. Diese Zahlen datieren noch aus einer Zeit vor dem Rückgang der Kaufkraft der Pese­ten und sind darum um so überzeugender. Bedenkt man, daß die Hälfte der landwirtschaftlichen Produk- - iion auf Getreide und Futterpflanzen entfällt, und bedenkt man ferner, dass das Hauptunglück des Lan­des eine mangelnde Bewässerung ist, so kann man sich vorstellen, wie bei einer vernünf- tigenBewässerungspolitikdie Möglichkeiten der Bolksern'äh- rung sich steigern könnten. Wein- und Oliven­kulturen haben gleichfalls noch grosse Ausdehnungs­möglichkeiten, die Anbauflächen für Kartoffeln, ja selbst für Zuckerrüben und für Jndustriepflanzen könnten wesentlich vermehrt werden. Das Problem ist aber rein machtpolitisch. Wie kann das Los der Pächter und der landwirtschaft­lichen Arbeiter gebessert werden, wie entzieht man dem Grossgrundbesitz der im Ausland lebenden Granden und der mit kirchlichen Pfründen geseg­neten Geistlichkeit seine Rechtsbasis, wie fördert man die innere Kolonisation und die landwirt­schaftlichen Kredite? Trotz seines Individualismus sind dem Spanier genossenschaftliche Einrichtungen nicht fremd, in denPositos" besitzt das Land alte kommunale' Kreditgenossenschaften. Für die Be­wässerungsfrage gibt es gleichfalls eine inter­essante Tradition, die offenbar noch auf die Maurenzeit, zurückgeht, dasTribunal de Las AguaS". Salvador de Madagiaga, der grosse poli­tische Porträtist seines Heimatlandes,'Vertreter Spaniens   beim Völkerbund, berichtet darüber: Das Tribunal ist eine Körperschaft mit Gerichts­und Berwaltungsbefugniffen, auf der das ganze Bewäfferungswesen ruht. Jeden Donnerstag tagt das Tribunal vor dem Apofteltor der Kathedrale unter freiem Himmel. Sieben Syndici  , die Ver­treter der Nutzniesser der sieben Hauptkanäle der Huerta, bilden das Tribunal, selber hart arbei­tende Bauern, von ihresgleichen gelvählt und morgen vielleicht dem Urteil des Wählers von gestern unterworfen. Trotz, seiner demokratischen Herkunft und Zusammensetzung und seinen schlichten Formen umgibt eine merkwürdige ^Majestät dieses Tribunal, dessen Autorität von den Männern, über dessen Interessen es verfügt, nie bestrftten wird." Die Aufgabe ist also groß, aber keineswegs unlösbar. Ob man dazu bereit ist, mit den füh ­renden Mächten abzurechnen, muss die Zukunft lehren. Das Programm des antifaschistischen Wahlblocks sah in dieser Hinsicht noch recht be­scheiden aus. So wurden beispielsweise zugunsten der Landarbeiter und Pächter folgende Forderun­gen aufgestellt: 1. Herabsetzung der Steuern und Abgaben. 2. Abschaffung der Wucherzinse. 3. Her­absetzung übersetzter Pachtzinse, Erleichterung landwirtschaftlicher Kredite, Aufwertung der landwirtschaftlichen Produkte. 4. Landwirtschaft­liche Schulung, Förderung der Weidekultur, der Viehzucht, des Ackerbaues  , der Aufforstung, Be­wässerungsarbeiten, Ersteäung von Strassen und landwirtschaftlichen Gebäuden. 5. Sofortige Auf­hebung des reaktionären Pachtgesetzes und Rück­gängigmachung der Exmissionen von Pächtern, die auf Grund dieses Gesetzes in den letzten zwei Jahren erfolgt sind'; Konsolidierung des Pacht­besitzes für die alten Kleinpächter; Erlass eines neuen Pachtgesetzes; Förderung' der Genöffen- schaften und der landwirtschaftlichen Kollektive; Niederlassungsfreiheft für Landarbeiter, Zutei­lung von Gemeinden; Ausserkraftsetzung des Ge- Dle Staatsangestellten beim Finanzminister Äm Dienstag verhandelte das Präsidium der Arbeitsgemeinschaft der Staatsangestelltenorgani­sationen mit dem Finanzminister Dr. I. Kalfus in Anwesenheit der Fachreferenten über die vier Hauptforderungen der öffentlichen Angestellten. Der Minister nahm zu den einzelnen Forderungen einen klaren Standpunkt ein. Er erklärte, dass auf eine Milderung der Gehaltsabzüge keine Hoffnung bestehe und begründete dies in einer übersichtlichen Zergliederung der Einnah­men und Ausgaben der Staatskasse. Ueber die Gleichstellung der vierten Etappe der Altpensionisten sagte er, dass diese Forderung noch in diesem Jahre so, wie es bereits der Vorsitzende der Regierung Dr. Hodza zugesagt hat, werde verwirklicht werden können, lieber die weitere Forderung betreffend bie 7 Rückverlegung des A uszah- lungStermins sprach sich der Minister zwar günstig aus, verwies aber darauf, dass ihre Ver­wirklichung von den Bedürfnissen der Staats­finanzen abhänge, deren gegenwärtiger Stand eine solche Lösung, wie sie die Angestellten wün­schen, noch nicht gestattet. In einer ausführlichen Unterredung mit den Mitgliedern des Vorstandes der Arbeitsgemein­schaft lieh sich dann der Minister eingehend über das Arbeitsprogramm informieren und sagte be­reitwillig die Unterstützung der Bestrebungen der Gemeinschaft. zur Herstellung des engsten Kon­taktes mit den offiziellen Referenten in den Frq-v gen der öffentlichen Angestellten zu. Schliesslich chiN er die Notwendigkeit der Vereinfachung der staatlichen Administrative im Interesse des Staa­tes und seiner Angestellters hervor. Der deutsche Rundfunk In der Tschechoslowakei  >Jn der vom Verlage Jan Laichter   heraus­gegebenen ausgezeichneten RevueNase doba" wurden die Aufgaben des deutschen Rundfunk­wesens in der Tschechoslowakei   in bemerkenswerter Weise behandeü. Dem ausführlichen Artikel kön­nen wir nur kurze Auszüge entnehmen: Endlich hat es den Anschein, als ob die selbst­verständliche Forderung. nach Verwirklichung einer ordentlichen, gut organisierten und zumindest überall dort, wo in unserer Republik   deutsch   gesprochen wird, gut hörbaren deutschen Rundfunks im Prinzip aus- setzcS, wonach für die beschlagnahucten Güter des Adels Entschädigungen gezahlt werden müssen. Die neue spanische Regierung, von bürger­lichen Politikern gebildet, aber von den sozialisti­ schen   Parteien unterstützt, hat vor kurzem einen manches versprechenden Anfang in der Durchfüh­rung ihrer Programmpunkte gemacht. Sie hat 100 Millionen Peseten für Siedlungszwecke an die Provinz Toledo   überiwesen. Aber das ist erst ein Tropfen auf den heissen Stein, viel reicher müssen die Aufwendungen sein, um das Land wirklich fruchtbar zu machen und die Scbuld ver­gangener Zeiten bei Zwergbauern und Land­arbeitern auszutilgen. Ganz wörtlich verstanden: Auf ihrem Boden ruht die Zukunft der spani­ schen   Republik! Otto Friedrich. Ter Druckfehlerteufel hat am Schluss« unse­res gestrigen Leftartikels, Wohl zu einer Art Vorfeier d«S 80. Geburtstages S. Freuds, aus seque-ntibus das Phantasiewort sexuan- tibus gemacht. gekämpft sei... Unser deutscher Rundfunk wurde bisher als politische Konzession an die Deutschen   be­wachtet, als unfreiwilliges Zugeständnis, welches einerseits durch die Mitregierung der deutschen Akti­visten, andererseits durch die Tatsache, daß unter den Abonnenten des Radiojournals doch eine anständige Quote deutscher Mitbürger ist, erzwungen wurde.." Der Attikel geht von dem Standpunkt aus, daß das deutsch  « Voll heute ein Voll mit zwei Kulturen ist, die durch keine territorialen Grenzen gettennt werden, sondern durch die, Seelen der einzelnen Dlen- schen hindurch gehen.Diese Zwiespältigkeit der deut- fchen'Vollsseele", heißt es dann,gibt unserem deut­schen Rundfunk eine«inzigarfige Gelegenheit stch geltend zu machen. Und zur Geltungmachung nach seiner Art, nach deutscher Art. Denn scheuen wir davor nicht zurück der Erfolg der Sache hängt davon ab, ob es ein wirklich deut­scher Rundfunk werden wird. In blutlosem Oppor­tunismus, in schulmeisterhafter Erziehung um jeden Preis, in der Verdolmetschung tschechischer und slowa- kischer Interessen, in einer politischen Kritik, welche die antidemokratischen Systeme nur negiett, liegt die Zukunft dieses Rundfunks picht. Seine Zukunft liegt darin, ob er es verstehen wird, das Organ jenes anderen deutschen Geistes zu werden, welcher der Gegenpol des(kurz gesagt) kolonialen PangermaniS- mus ist. DeS Geistes, der ähnlich wie es die großen allen Böller des Westens verstehen, das Rational  « mit dem Allmenschlichen vermählt. Nicht des altger­manischen und heidnischen Geistes, sondern des euro­ päischen   und christlichen(des christlichen als Resultat eine» mehr als zweitausendjährigen SttebenS der europäischen   Menschheit nach universell^:..Kylzur) dieser deutsche Geist-wftd^ unserem Stuckt-gegenüber loyäl sein, nicht' aus Gründen eines'politischen Op­portunismus, sondern deshalb, weil er den Sinn sei­ner Existenz im Rahmen des modernen Europa  » be­greift... Kurz, es scheint uns, daß die Aufgabe einer deutschen Sendestation in der Tschechoftowaki- schen Republik die ist, unfern aber auch allen andern Deutschen   zu Bewußtsein zu führen, daß eS auch noch eine andere große deutsche Kultur gibt, als die, welche Leipzig   und Berlin   verkünden. Verhaftung russischer Emigranten Antisowjet-Organisation in Prag  In einer russischen Restauration in Prag   II wurde in der Nacht auf Dienstag«ine geheime Versammlung russischer Emigranten von der Polizei überrascht. Ungefähr 30 Personen wurden angehalten. Sie gehören einer weissgardisttschen Organisation an, welche Zweigstellen in einigen Ländern hat und sich die Propaganda gegen Sowjet-Russland   zum Ziele gesetzt hat. Einige der Angehaltenen, unter welchen auch Mittel­schüler sind, blieben in Haft. Informationen für Genossen Bechynt über die Lage in Westböhmen. Karlsbad  . Dienstag weilte der politische Sekretär des EisenbahnininisterS 7 und stellvertre­tenden Ministerpräsidenten Genossen Bechhnk, Genosse Dr. Jng. K r i j, in Karlsbad  , um im Auftrage des Ministers eingehende Informatio­nen über die polifische und wirtschaftliche Situa­tion einzuholen. Genosse Dr. Kiiß wurde bei sei­ner Ankunft von den Genossen Holik, Horn, Schneider und Werner begrüßt, worauf er zunächst eine ausführliche Ueberjicht über die nächsten Arbeften der Regierung gab. In mehrstündiger Aussprache zeichneten die Ver- ttauensmänner ein Bild der politischen Verhält­nisse in Westböhmen und unterrichteten den Ge­nossen Dr. Kriz über die Notwendig­keit, den Forderungen der akti­vistischen Parteien und beson­ders der deutschen sozialdemo­kratischen Arbeiterschaft im GrenzgebietRechnung zu tragen. Am Schluß der Aussprache, in der viele Detailftagen, vor allem die Frage der Arbeits­vermittlung und des Schutzes des deutschen Ar­beitsplatzes, behandelt wurden, gab Genosse Dr. KtiZk die Zusicherung, dass er die berechtigten Wünsche der deutschen Arbeiterschaft an zustän­diger Stelle vortragen und sich für deren baldige Erfüllung mit seinem ganzen Einfluss einsetzcn werde. Der Senat verabschiedete am Dienstag in einer kurzen Sitzung ohne Debatte die Vorlage über den Umtausch der Schuldverschreibungen der inneren Staatsschuld gegen die neue Unifi­zierungsanleihe. Der Referent Doktor K a r a S gab eine Uebersicht über die Massnah­men, die bisher zwecks Herabsetzung der für Ver­zinsung und Amortisierung der Staatsschuld nöti- gen Budgetpost getrosten wurden. Nachdem die Verzinsung seit 1933 um eist Viertel gekürzt wurde, soll nunmehr die Amortisierung, die seit 1933 eingestellt ist, wieder ausgenommen, zugleich aber einheitlich auf den Zeitraum von 50 Jahren verteilt werden. Die Amorttsierung der Baulose wird mit 1. Feber 1937, die Amortisierung der Staatspapiere längstens 1938 aufgeommen wer­den. Ab Mittwoch werden die Ausschüsse an der Beratung der Staatsverteidigungs- und der Spionagevorlage arbeiten, die dann das Plenum voraussichtlich schon in der nächsten Woche ver« Abschieden-dürfte. Der Rechtsbeirat nahm am Montag in einer unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Dr. Hodja und des Justizministers Dr. T e r e r abgehalte­nen Sitzung daS Referat des Ersten Präsidenten des Obersten Berwaltungsgerichtshofes Dr. Emil H ä ch a, betrestend die gesetzliche Regelung der Gebundenheit der Verwaltungsbehörden durch die RechtSanschäuungen deS Obersten Verwaltungs­gerichtshofes entgegen. Die Verhandlungen über diesen wichtigen Gegenstand werden in der näch­sten Sitzung fortgesetzt werden. Madrid   von der Welt abgeschnitten Madrid  . Nun haben sich auch die Lokomotiv­führer dem Streik angeschloffen, der von den Kohlenaufladern der Eisenbahngesellschast in Madrid   am Montag proklamiert wurd». Seit dem gestrigen Tage hat kein ZuK mehr Madrid   ver­lassen. Die Pcizfögcr Von Albert Daudistel  . (Schluss.) Am folgenden Tag, oder vielleicht war es bloss nach ein paar Stunden oder gar nur Minu­ten, lugte er wieder einmal unter den Fellen her­vor. Misstrauisch richtete er sich auf und starrte mit angehaltenem Atem umher. Das Feuer im Kamin war erloschen. Die Finsternis schien end­los. Beftemdung überkam ihn. Und da sah er drüben, weit in der dynklen Ferne, ein winziges Licht untergehen, das Lichtchen, in dessen mattem Schein die Seelen Gott   vermuten. Er schlodderte vor Frost, vor innerem Frost. In sinnverwirren­der Angst stammelte er:Erbarme, erbarme dich unser... Er bekreuzigte sich und redete, um sich zu beruhigen auf Maßja ein:Ja, Mütter­chen, schlafe ruhig weiter: gleich hole ich Holz von draußen, gleich, gleich...." Und während er zur Tür hin trippelte, plapperte er in einemfort: Gleich, Mütterchen,'gleich...." Er nahm sein geladenes Gewehr von der Wand. Ein Kochtopf­deckel, der in dem Dunkel fiel, schetterte, dass es klang wie höhnisches Gelächter. Äja erschrak. Aber schon herrschte die beftemdende Stille wieder. Zaghaft schob er den Riegel der Tür weit zur Seite. Aber als er sie aufstoßen wollte, blieb sie unbeweglich. Er versuchte sie aufzurütteln. Sie verhielt sich jedoch still, starr und unnachgiebig, als sei sie zugenagelt. Er stellte sein Gewehr ab und klemmte seine Hände, an denen die Kälte nagte, in die Achselhöhlen. Seine Seele wim­merte. Seine Kieferladen klapperten. Er be­gann, an der Tür, die er vor Finsternis nicht sah, zu trippeln. Er trippelte so schnelle so aus- d iuernd, als befände er sich auf der Flucht aus seinem Elend, als sei er schon auf dem Wege zu den Menschen. Auf einmal verhallte sein Lauf­schritt. Er buckelte sich. Er stürmt« gegen die Tur/ zweimal, dreimal. Immer und immer wieder warf er seinen greisen Körper mit der Karst der Verzweiflung gegen sie. Aber der Schnee, der sie zuwehte, war hart wie Sand. Schlaf nur weiter, Mütterchen, schlaf nur," keuchte er, in dem er sich anschickte, mit dem Knüp­pel, auf dem sie einst ihre Jagdbeute nach Hause trugen, die Tür aus den Angeln zu heben. Zenti­meter um Zentimeter zwängte er sie hoch, bis zur Kienhöhe. Dann stellte er die Bank unter sie, da er keinen anderen Ausweg sah, als durch den Schneeberg, der die Felshühlung geradezu ver­mauert hockte, ein Loch zu graben. Denn die Wände links und rechts waren Gestein, und das Ueber- gewicht des Felsens hing herab bis aufs Dach. Entschlossen begann er, den Schnseberg mit einer Schaufel zu unterhöhlen. Den Schneeschutt warf er in die Hütte und flüsterte erregt:Gleich gibt's Holz, Mütterchen, gleich, gleich...." Dann wühlte er weiter. Und immer wieder kam er aus dem niederen, unterirdischen Gang herausgekro­chen, und schippte den Schnee, der sich an der Bank, die die Tür hochhielt, so anhäuste, daß er den Ein­gang verstopfte, in den Hintergrund. Und der Schneeberg in der Finsternis der Hütte wuchs und wuchs. Plötzlich hielt er in dem dunllen Loch inne und zweifelte:Aber es kann doch nicht möglich sein, dass ich mich aus Versehen nicht aufwärts herausgrabe, sondern nach abwärts vorarbeite...." Bei dieser Erwägung schrie es aus ihm:Wir brauchen doch Lust!" Und da kam eS ihm vor, als habe nicht er, sondern Maßja-Lisaweta oder irgend ein ihm fremder Mensch weit auS der Ferne in ! Todesängsten so gerufen, so nach Hilfe geschrien...' Gleich!" stammelte er,gleich, gleich...." Er griff die Decke des Schachtes mit der Schaufel an und keuchte verbissen:Luft! Doch Luft!" Und da durchstiess seine Schaufel die Schneedecke. Sie stürzt» ein. Er stieg auf di« Brocken, so daß er aus dem Berg herausschauen konnte. Um ihn war es Nacht. Weiße Stürme wüteten. Schüt­zend hielt er sich die Hände vor» Gesicht und jam­merte:»Holz! Holz! Wir brauchen doch Holz!" Er wusste, drüben, etwa zwanzig Meter von ihm entfernt, lagen dürre Aeste, die einmal der Wind brach. Aber stets, wenn Ilja sich an der Kante des Schachtes hochziehen wollte, versanken seine Arme im Neuschnee. ,Holzl" schrie er aus Lei­beskräften,Holz! Holz!" Aber das Geheul des Sturmes war stärker als seine Sfimme. Und die Angst, verenden zu müssen, trieb ihn zurück in die Hütte. An der Tür blieb er stehen. Die Dunkelheit verwirrte ihn. Er rieb sich die Augen. Aber es blieb Nacht. Der Raum u.'die Zeit schienen ihm fremd, so fremd, daß er sich einredete, er träume. Mit gespreizten Fingern tastete er in dem Dunkel her­um. Er wünschte sich, nichts mehr über sein aus­sichtsloses Dasein zu wissen, zu schlafen, zu ent­schlafen. Aber überall, wo er hingriff, fühlte er nur Kälte und Nässe.Mütterchen," rief er, als wolle er sie wecken,Mütterchen, antworte doch!" Da faßte seine Hand in die Felle. Schnee lag ans ihnen. Er schrie:Hör doch! So hör doch!" Sie schwieg. Er rüttelte sie:He! He! Was denkst du, an was denkst du, dass du schon so lange schweigst...." Er horcht« nach ihrem Atem. Da heulte es im Kamin. Die Lust wurde lebendig. Die eiserne Bratpfanne, die an der Wand hing, bewegte sich. Und das Bild des Zaren und die Säge schürften am Gestein. Mit beiden Händen hielt er ihre Hand. Sie blieb kalt. Da» Grauen packte ihn. Und in der Angst lallte er vor sich, hin:In Petcrskojc kommen die Jäger zum I Markt, tralala, tralala; und der Ural   ist f j| weit...." Er brach ab.Nein, nein, nein," hastete er,hier wollen wir nicht enden, oder we­nigstens im Tode bei den Menschen sein!" Er bahrte sie auf den Schlitten und bedeckte sie, als lebe sie noch, mit den Fellen. Kauernd hockte er sich neben den Schlitten und vertröstete sich:Wir müssen noch warten, bis es helle wird, bis der Ostwind kommt; dann wird der Schnee hart; und wir können fahren, nach PeterSkoje... nach Pe« terskoje..." Und er summte traurig:Nach Pe- terskoje kommen die Jäger zum Markt..." Er dachte an die Menschen, die ihm und Mffja-Lisa« weta nicht vermissten. Er dachte an die Welt, in der sie, trotz ihrer wertvollen Dienste zugrunde gehen muhten. Er horchte sehnsüchtig in die Ferne. Ruhe kam über ihn. Müde lehnte er den Kopf an den Schlitten. Plötzlich hielt er den Atem an. ES heulte in der Ferne.. Das Geheul wurde lauter, wie das Geheul nahender Bestien. Und heimlich lähmte die Kälte seine Glieder.Ruhig, Mütter­chen, nicht fürchten; ich din ja bei Dir!" flüsterte er. Er nahm sein Gewehr an sich. Bald kam das Geheul aus dem Schacht, bald verhallte es im Walde. Und da vernahm er das kindlich feine Ge« quitsche deck Hakens, an dem das erloschene Lämp­chen vor dem Madonnenbilde unruhig pendelte. Es überlief ihn. Er lachte auf, irre, blechern, so dass es klang wie das Geschetter des Kochtopfdeckeis, der in dem Dunkel fiel.Nicht fürchten, Mütter­chen", lispelte er frierend,es ist der Wind auf den wir warten; bald wird es helle; dann müs­sen wir fahren, fahren nach... nach...", sagte er zögernd und vermochte nicht mehr zu Ende zu sprechen. Der Frost liess sein angstvoll klopfendes Herz erstarren. Einige Jahre später, als die Vermessungs­kommission der künftigen Uralbahn an der Fels- höhlung vorbeikam, war die Hütte zerfallen. U»d die Höhle gehörte wieder den Bären.