Nr. 131 Freitag, 5. Juni 1936 Seite 5 llusia-rcl Die Streikbewegungen in Frankreich Von unserem Pariser Korrespondenten Die vor wenigen Tagen begonnene Streikbewegung in der Metall- und Flugzeugindustrie der Pariser Vororte nimmt weiter an Bedeutung zu. Nachdem bis zum Mittwoch Abend bereits Tausende von Arbeitern im Streik waren, hat ihre Zahl und ihre Aktion eine neue Kraft dadurch erhalten, daß seit dem 28. Mai auch die dreißigtausend Mann starke Belegschaft der Automobilwerke von Renault in den Streik getreten ist. Nachdem die Arbeiter sich mit ihren Forderungen bereits in den Werken von Hotchkiß und Amict erfolgreich durchgesetzt und auch die Arbeit wieder ausgenommen haben, sind die wichtigsten der bestreikten Betriebe die Metallwerke Lavalette in St. Quen, die Flugzeugwerke Nieuport in Jssy- les-Moulineaux, ferner die Farmanwerke und eine weitere Flugzeugfabrik, die Werke von Liore und Olivier in Billacouülay. Die Streiks werden durch die Tatsache gekennzeichnet, daß die Arbeiter die Arbeitsplätze und Fabriksgebäude weder tagsüber, noch nachts verkästen. Sie wollen damit das Eindringen von Streikbrechern verhindern Md den Druck auf die Unternehmer verstärken. Ihre Verpflegung wird durch die Volksfrontkomitees durchgeführt, die an vielen Orten von den roten Bürgermeistereien tatkräftig unterstützt werden. Auch im sonstigen Frankreich nehmen die Arbeitskämpfe zu, so in Toulouse und Le Havre . Die scheinheilige Loyalität der großen Pa riser Preffe gegenüber der Volksfront ist gewichen. Die sogenannte Nachrichtenpreffe ruft eine Panikstimmung hervor. Drahtzieher dieser Manöver ist der Polizeigewaltige Guichard, der der Preste Schauerinformationcn über das Wirken der Hand Moskaus und den Beginn der Widerwärtigkeiten der Volksfront liefert, aber schlau hinzufügt, man solle sich nicht merken lasten, daß die Polizeiprä- ftktur diese Nachrichten fabriziert. Das Echo de Paris schreibt von Fabrikenbesetzung und Ausrufung von Scwjets, während sich die sonstige Preffe darauf beschränkt, in den Forderungen der Arbeiter nach der Vierzigstundenwoche, nach der Anerkennung der Betriebsdelegationen durch die Unternehmer, nach der Festlegung eines bezahlten Urlaubs, nach Kollektivverträgen, manchmal auch nach garantiertem Mindestlohn pro Tag, den Beginn der Revolutton zu sehen. In der Humanste, dem kommunistischen Zcntralorgan, vom 28. Mai beglückwünscht Frachon, Mitglied der Gewerkschaftszentrale, die BolksfrontkomiteeS. zu ihrer aktiven Unterstützung. Der Populaire vom 28. Mai meint/ der Kampf der fcrtgcschrittenen Arbeiter der Metall-, Auto- und Flugzeugindustrie werde nur der Auftakt für Kampfaktionen der schändlich ausgebeuteten Arbeiter des ganzen Landes sein. Am gleichen Blatt macht Zyromsti viel beachtete Ausführungen über die Gewerkschaftspolitik. Er schreibt unter anderem: „... Wir werden sehr klar dem Bulletin Ouotidien(Organ des mächtigen Comite des Forges) erwidern, daß die„direkte Aktion " der Arbeiterklasse, die gewerkschaftliche Attion in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, nicht schlummern. darf unter dem Vorwand, daß eine Regierung mit sozialistischer Führung an die Macht kommt. Im Gegenteil, wir denken, daß die Aktivität des Proletariats zur Durchsetzung seiner Ansprüche, die Aktivität der Arbeiter aller Kate- Volt Im Chaos Zufällig gerät mir ein Buch in die Hände, das schon vor fünf Jahren erschienen ist und fast vergessen zwischen anderen vergessenen Büchern verstaubt. Ein vergessenes Buch— ein Erinnerungsbuch. Und was für eins!„Zwanzig Jahre Weltgeschichte in Bildern." Kursaison in Baden- Baden , Karneval in Nizza , Monarchenbesuche in Wien , in Berlin , Eduard VII. und Wilhelm II. , Wilhelm II. und Franz Joseph I. , Zar Nikolaus und Wilhelm II. — damit hebt es an. Und dann beginnt der andere Karneval, der große, der des Grauens und des Todes. Der Attentäter von Sarajewo wird verhaftet; gekrümmt hängt er in den Polizeigriffen. Franz Joseph betet, die Stirn auf die gefalteten Hände gestützt.„Ich habe alles geprüft und erwogen", läßt er veäünden.„Ich habe es nicht gewollt", schwört sein Berliner Bundesgenosse. Aber es geschieht. Bildnisse der Heerführer reihen sich aneinander. Und auf den Soldatenfriedhöfen reihen sich die Gräber. Frauen in gestickten serbischen Trachten, mit verhüllten Gesichtern, baumeln am Galgen; wie bunte Trachtengruppen hängen sie da—„spionageverdächtige" Frauen; die uniformierten Henker lassen- sich zusammen mit den Gehenkten photographieren. Sturmangriffe, Gasangriffe, Flammenwerfer, Unterseeboote, Bombengeschwader, verstümmelte Soldaten, wie verreckte Katzen im Drahtverhau* hängend. Ein pockennarbiges Stück Erde , Sprengtrichter an Sprengtrichter— „das war eine Wiese"; zersplitterte Baumstümpfe—„das war ein Wald"; Schutt und Trümmer—„das war eine Stadt"; zerfetzte Glieder in Uniform, ein zermalmtes Gesicht— „das war ein Mensch". In den Städten stehen die Frauen„Sckilange" um Brot, um Butter, um Fleisch, um Kohlen, um ein Hemd. Siegesfahnen wehen. So geht das vier Jahre lang. Und gorien sich nur entfalten und ausdehnen kann, wenn eine Bolksfronttegierung besteht. Diese Regierung wird auf jeden Fall keine Rolle eines Schlafmittels spielen, sondern das gerade Gegenteil. Um einen recht bezeichnenden Ausdruck des spanischen Ministerpräsidenten aufzunehmen: diese Regierung wird überall„Kriegführender" sein." Was dem Temps vom 29. Mai eine Polemik entlockt, in der er sich der vermeintlichen Interessen Leon Blums annimmt und schreibt: „... Herr Leon Blum sieht also folgerichtig voraus, daß seine Regierungsaufgabe darin bestehen wird, die Aufrechterhaltung der Ordnung mit der Befriedigung des iatkräfttg fordernden Proletariats zu verbinden. Dazu wird ein Genie nötig sein, Talent allein reicht nicht aus... Wenn wir den hervorragenden Revoluttonär der Sozialistischen Partei richtig verstehen, wird Aon Blum die Revolutton machen oder überhaupt nicht regieren..." Die Befriedigung der in den Streiks vertretenen Arbeiterforderungen wird wenig mit der Revolution zu tun haben. Dafür«wer dürfte die Pressepanik unmittelbar vor dem Regierungswechsel ein Ausdruck einerseits für Angststtmmun- gen, andererseits für den Wunsch nach einer Verschärfung der Mißtrauenswelle zuungunsten von i Staatsfinanzen und Währung sein, damit die neue-Regierung Von vornherein vor besonderen Schwierigkeiten und unpopulären Akten steht. Ribbentropp wieder in England. Der außen- polittsche Mitarbeiter von„Sunday Referee" berichtet zu dem gegenwärtigen„privaten" Besuch von Ribbentropps bei seinem englischen Freunden:„Ribbentropp habe eine ganze Reihe von Vorschlägen mitgebracht und hoffe, einige davon mit Hilfe von Lord L o n d on« d e r r y und dessen Freunden in der Regierung durchzusetzen. Der wichtigste von diesen Vorschlägen sei der Entwurf eines Paktes über gegenseitige Unterstützung zwischen England und Deutschland . Auf Grund dieses Paktes erkläre sich Deutschland berest, eine Garantie für die Sicherheit Groß britanniens sowohl in Westeuropa als auch im Mittelmeer zu übernehmen. Dafür solle England sein vollkommenes Desinteressement rn Osteuropa erklären und Deutschland dort freie Hand Waffen. Man habe angeblich bereits beim April-Besuch von Ribbentropps darüber gesprochen, aber die Gruppe der„jungen Regierungsmitglieder" „Eden-Duff-Co oper" habe die Annahme dieses Paktes seitens des Kabinetts verhindert. Volkswirtschaft uad Sozialpolitik Betriebsgröße und Bodenbesitz in der Landwirtschaft Nach der letzten Zählung der landwirtschaftlichen Betriebe, die gleichzeitig mit der Volkszählung im Jahre 1930 vorgenommen worden ist, ergibt sich nach den endgülttgen Feststellungen die folgende Grötzengliederung der Betriebe und des Bodenbesitzes vrozentualer Anteil an der GesamtzM am landwirtschaft- der landwirtschafl- tichen Betriebsarötze lichen Betriebe Bode» bis 1 Hektar 28,1 2,3 von Ibis 8Hektar 42,7 20,8 von 8 bis 10 Hektar 18,7 19,9 von 10 bis 30 Hektar 11,7 31,1 von 30 bis 100 Hektar 1,3 10,4 über 100 Hektar 0,6 18,5 Aus der Tabelle geht das starke Uebergewicht der landwirtschaftlichen Kleinbettiebe hervor. Neber 70 Prozent aller Betriebe verfügen über nur bis z« 5 Hektar Boden, 86,5 Prozent vis 10 Hektar. Auf die Gruppen der mittleren land- wirtschastlichen Betriebsgrößen'von 10 bis 100 Hektar entfallen 13,2 Prozent, und auf die Großbetriebe nur 0,6 Prozent. Ganz anders ist freilich das Bild der Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft, wenn An alle proletarischen Organisationen! Das Heim für konfessionslose Kinder, gegründet im Jahre 1923, hat bis zum heutigen Tage an Unterstützungen mehr als 100.000 KC ausgegeben. Die Mittel wurden zum größten Teil durch Mttglirdsbeiträge aufgebracht. Di« Wirtschaftskrise hat aber viele Mitglieder gezwungen, die Mitgliedschaft aufzugeben. Wir rufen sämtliche proletarische Organisationen auf, dem Heim für konfessionslos« Kinder beizutreten oder ihm Mitglieder zuzuführen. Für ordentliche Mitglieder und Organssattoncn KL 15.—, beitragende KL 5.— pro Jahr. Stiftende Mitglieder zahlen einmalig KL 100.—. Wir richten an alle die herzliche Bitte, unserem Verein beizutreten, damit wir unsere konfessionslosen Waisenkinder, 45 an der Zahl, Wetter unterstützen können. Auskunft erteilen alle Ortsgruppen des Bundes proletarischer Freidenker oder dar Heim konfessionsloser Kinder in Tetschen Brückenstr. 1089. Für den Vorstand: MUDr. S. Fischt, Brünn . Wilhelm Jäger, Eulau. Heinz Ihme, Tetschen , Ambros Diez, Komotau . man es nach dem Bodenbesitz betrachtet. Da ergibt sich, daß auf die Betriebe viS 5 Hektar, die 70,8 Prozent aller Betriebe darstellen,«ur 23,1 Prozent des Bodens entfallen. Die Mittel- und Großbetriebe aber, die insgesamt 13,8 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe ausmachen, verfügen über mehr als 57 Prozent des gesainten Bodens. Allein den 0,6 Prozent Großlandwirten gehören 15,5 Prozent drS landwirtschaftlichen BodenS unseres Staates. Aus Mary wurde Mark Dem Beispiel der tschechoftowakischen 800-Me ter-Läuferin Koubkovä folgte jetzt auch die frühere englische Meisterin im Kugelstoßen und Speerwerfen, Mary Weston. Sie„wechselte" ihr Geschlecht. Aus Fräulein Weswn wurde Herr Weston. Nun legte sie sich statt Mary den Vornamen Mark bei. Arbeitsbesdiaffungsprogramm in Neuseeland Der neuseeländische Minister für öffentliche Arbeiten R. Semple hat im Parlament die Ausarbeitung eines Dreijahrplans für öffentliche Arbeiten im Betrage von etwa 17.5 Millionen Pfund angekündigt. Dieser Betrag soll für Straßen- und Brückenbauten, Be- wäflerungsarbeiten, Flughäfen, Eisenbahnbauten, Flußregulierung usw. ausgegeben werden. Besonders sollen die Verkehrsverbindungen entlegener Siedlungen verbessert werden. Das gesamte Straßennetz soll einer staatlichen Zentralstelle unter-, warfen sein, die aus dem Ertrage einer Benzinsteuer für Bauten und Erhaltung, Sorge trägt. Bet den öffentlichen Arbeiten wird' aüf Grund' einer Vereinbarung mit den Gewerkschaften eine Fünftagewoche von 40 Arbeitsstunden bei einem Mindestlohn von 16 Schilling täglich eingehalten werden. Schwedische Arbeitslosigkeit stark gesunken. Im Aprilbericht der Kommission für Arbeitslosigkeit werden nurmehr 47.000 Arbeitslose gegen 75.000 im April 1935 ausgewiesen. Japans Absatzerfolge in Jugoslawien . Die Einfuhr Japans nach Jugoftawien betrug im ersten Quartal 1936 bereits 10,1 Mill. Dinar gegen 5 Mill, im gleichen Vorjahrsabschnitt und nur 1,8 Mill. Dinar 1934. Die jugoftawische Ausfuhr nach Japan blieb demgegenüber auf ganz unbedeutender Höhe. dann geht es weiter. Aber:„Wer weitergeht, wird erschossen!", verkünden die Plakate an Stacheldrahthindernissen in Großstadtstraßen. Aus Zusammenbruch und Revolution, aus den Schmerzen der Besiegten und denen der Sieger will sich ein neues Europa erheben. Wunschbild und Zerrbild verschmelzen ineinander. Da reiht sich die Galerie der Männer, die das Weltgesicht zweier Jahrzehnte bestimmen. Kommende und Gehende, Demokraten und Dik- tatoren, Sozialisten und Reaktionäre: Clemen- ceau und PoincarL, Briand und Leon Blum , Lloyd George und Macdonald, Scheidemann und Ebert, Rathenau und Stresemann , Hindenburg und Hitler , Wilson, Hoover und Roosevelt , Masaryk und Benes, Matteotti und Mussolini , Bela Kun und Horthy , Paderewsky und Pilsudsty, Lenin , Trotzki und Stalin , Aoung, Kellogg und Dawes und fern im Osten Gandhi . Und da sind die ungekrönten Regenten des Geldes und der Wirtschaft: Morgan, Rockefeller , die Zeitungskönige Northcliff und Hearst, der Shellkönig De- tevding. Da sind die Spieler und Spekulanten: Stinnes, Casttglioni, Kreuger— Berliner ist noch nicht dabei. Europäische Monarchen gehen in Exil; exotische Monarchen besichtigen Europa ; Schön- heitskäniginnen werden gekrönt. Und da ist die Totengalerie der Ermordeten: 1918 Graf Stephan Tisza ermordet; 1919 Rosa Luxemburg , Wilhelm Liebknecht , Gustav Lan dauer erschossen; 1920 Kurt Eisner erschossen; 1921 Matthias Erzberger ermordet; 1922 Wal ther Rathenau ermordet; 1923 der bulgarische Ministerpräsident Stambulinski erschossen; 1924 Matteotti ermordet; 1926 Saeco und Banzetti hingerichtet; 1928 Zena Beg, albanischer Gesandter in Prag , ermordet; Raditsch, kroatischer Bauernführer, ermordet. Die Bilder des ermordeten Rathenau und eines seiner Mörder, des Ingenieurs Fischer, stehen im Buche nebeneinander. Friedrich Sieburg , der das Geleitwort des Buches geschrieben hat, sagt, da:„Es ist die Zeit, die dunkle Zett, in die Rathenau und sein Mörder mit dem gleichen festen Blick hineinsehen." Jawohl, und mit dem gleichen, festen Blick hat sich Sieburg dann auf die Seite der Mörder geschlagen. Wie die Männer, so folgen einander die Ereignisse: Spartakuskämpfe in Berlin , Räterepublik in München , in Ungarn , Umsturz in Warschau , Kapp-Putsch in Berlin , Hitlerputsch in München , Marsch der Faschisten nach Rom , Putsch in Ungarn , Inflation und Ruhrkämpfe in Deutschland , Revolutton in Athen , in China , in Mexiko , Lappoputsch in Lettland , Straßenkämpfe in Kairo , Streikunruhen, Arbeitslosendemonstrationen, Hungerkrawalle in Paris , in London , in New Aork, in Südamerika , in Kanton, in Tokio . Reichstagspräsident Löbe spricht zu den Massen; vor ihm steht das Mikrophon:„Unser ist die Zukunftl" Adolf Hitler spricht zu den Massen; vor ihm steht das Mikrophon; hinter ihm verkündet das Spruchband:'„Unser ist die Zukunftl" Wilhelm II. läßt sich in Doorn neben dem Hackklotz photographieren; acht Söhne und Enkel umstehen ihn, alle mit Aexten und Beilen über der Schulter, eine Gesellschaft vergnügter Herren in Hemdärmeln— mit Recht vergnügt, denn die Mehrheit des deutschen Volkes hat für die Fürstenabfindung gestimmt. Mussolini läßt sich photographieren, während er im Käfig einem jungen Tiger leutselig das Fell streichelt; Püsudski läßt sich photographieren, während er Patience legt; Hitler läßt sich photographieren, während ihm ein kleines Mädchen einen Blumenstrauß überreicht— nett« Herren, diese Dikta» toren. Und in all diesen Jahren umjubelt die Menschheit Filmstars, sie bekränzt Schönheitsköniginnen, löst Kreuzworträtsel, treibt Massensport, feiert Boxchampions, läßt sich vom Rekordwahn berauschen, fährt ins Weekend. Die Wimper der Technik lassen sie das Staunen verlernen. Die Wissenschaft feiert Triumphe. Und gleichzeitig marschieren wieder die klirrenden Paraden auf, Maschinengewehre und Schnellfeuergeschütze, Minenwerfer und Tanks, Bombengeschwader, Schlachtkreuzer und Torpedoboote. Und wieder starrt die Welt in Waffen— in Genf aber wird feierlich der Grundstein des Völkerbundpalais gelegt. Alles zu gleicher Zeit. . Das Buch bricht ab— das Chaos nicht. Das geht weiter— wir wissen, wie; wir haben es miterlebt und erleben es noch mit, wenn wir es nicht eines Tages ersterben. Man fragt nach dem Sinn, wenn man die Bilder des Buches bewachtet; man fragt nach dem Sinn, wenn man in die Gegenwart blickt— frage das Kind, wenn es geboren wird, nach den Schmerzen der Mutter... Das Bilderbuch lenkt den Blick zurück in die Vergangenheit, in die Zeit von 1910 bis 1930. Und seitdem? 1933 bis 1936 nur, nur diese drei Jahre seit dem Berliner Reichstagsbrand— was für ein Bilderbuch würde das sein! Alles, was zwanzig Jahr« lang vor sich ging, erscheint wie nur ein Vorspiel zu noch schlimmerem Chaos. Die Welt starrt in Waffen. Ehrgeizige und rachsüchtige Diktatoren bedrohen die Menschheit. Europa ist, wie es ein Redner dieser Tage formulierte, vom traurigen Mut der Selbstzerstörung besessen. Gebrechlich und bedroht grünt das Pflänzchen „Hoffnung", Nationalistischer Wahn und Irrsinn des stiasscnglaubens— welche Triumphe dürfen sie keiern! Aber seltsam— natürlich ist es ein Zufall, der jedoch in diesem Bilderbuche aus dem Chaos zweier Jahrzehnte dokumentarisch anmutet: ein einziges Bild unter den siebenhundert Bildern des Buches ist einfach nur schön, spricht den Betrachter mit großen dunklen Augen rein als Schönheit an—es ist die Negertänzerin Josephine Baker . Manfted.
Ausgabe
16 (5.6.1936) 131
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