Samstag, 6. Juni 1986
Nr. 132
16. Jahrgang
Einzelpreis 70 Heller (inichliafilich 5 H.ll.r Porto)
TENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xu.. fochova«2. Telefon 53077. HERAUSGEBER. SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR) DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .
SdP gibt offene Rebellion zu Ehrengericht fegen Dr. Brand Sandner als Vollstrecker der Säuberungsaktion** Die neue Nummer derRund­schau" bringt die erste offene Stel­lungnahme der SdP zu den Vorgän­gen, die Henleins Partei erschüttern. Henlein selber läßt erkennen, wie weit die Zersetzungsarbeit innerhalb der SdP gediehen ist, indem er in einem Aufruf gegen denMachtdünkel und die Verblendung" zu Felde zieht, von denen die Frondeure er­griffen seien und gegen die einh a r- terZugriff" nötig gewesen sei. Das Blatt teilt weiter mit, daß Henlein den Abgeordneten Sandner, mit der Vollendung derLäuterungsaktion in der SdP" betraute und daß er ihn da­zu mit besonderen Vollmach­ten ausstattete.(Es wird also ein fe­sches Jagen veranstaltet.). Sandner selbst spricht in einem Artikel von der offenen Rebellion", die im Kampf um Machtpositio­nen" in der Partei ausgebrochen sei, nennt als Hauptrebellen die Herren Haider, Smagon, Brehm, Kreiß!, Kasper und Liebl und versucht den einen und de« anderen von diesen durch MitteUung garstiger Partei-Interna zu diffamiere«. Aber nicht nur von diesen Anterführer«, sondern auch von einem D ruck von unten" ist in diesen Auslastungen des von uns besonders geschätzten Herrn Sandner die Rede. Am Kasper hätten Henlein   und seine Getreuesten in einer der letzten Haupt- leitungssttzungenacht Stunden lang gerungen", aber Kasper habe sich Henleins Entschei­dungen nicht füge« wollen. And der Abgeordnete Liebl habe sich so behaupte» die Ehrenmänner der SdP ehrenwörtlich verpflichtet, sein Mandat nicht niederzulegen und nun weigere er sich dennoch. And während Henlein   in seinem Aufruf erklärt, daß er es ablehne,seine Mitarbeiter fal­len zu lasten" was zweifellos auf Dr. Brand gemünzt ist hat dieser sel- zer seine Aemter Herr« Henlein   zur Verfügung gestellt; der aber habe diese Demission nicht zur Kenntnis genom­men, worauf Dr. Brand gegen sich sel­ber ein Ehrengericht beantragt habe, das die gegen ihn erhobenen schweren Anschuldigungen prüfen solle. Dieses Ehrengericht wurde denn auch von Henlein   eingesetzt; es besteht aus dem Bundesführer des Bundes der Deutschen Wehrenfennig, aus dem Turnverbandsobmann Bern­hard, aus dem Komotauer Arbeiter- Kreisstandesvertreter Alter, aus dem Hochschulprofeffor Senator Dr. Gre­ger und dem Oberburschenschafter Sasum. *» (Weitere Berichte über die Revolte im Henleinlager bringen wir heut« imSudeten­deutschen Zeitspiegel". D. Red.).
Blums Regierungsantritt
(E. R.) Seit Pfingsten hat die Streikwelle in ganz Frankreich   zugenommen, obwohl schon in den Tagen vor dem Fest nach kurzen Streiks in einigen wichtigen Betrieben der Metallindustrie Verträge zwischen den Unternehmern und Arbei­tervertretern zustande gekommen waren, die den Arbeitern die Erfüllung ihrer Forderungen brach­ten. So wurden vor allem die Streiks bei Re-, n a u l t und Citroen schnell beendet. Am Tage des Rücktritts der Regierung Sarvaut und der Machtübernahme der Volksfrontregierung Blum sind im ganzen Lande etwa 250 bis 300 Fabriken von der Arbeiterschaft besetzt, und die Zahl der Ausständigen wird auf rund 200.000 geschätzt. Der Donnerstag brachte vor allem die Ausdehnung des Streiks auf die Textilindustrie, das Transportwesen, die Tankstellen, das Beklei­dungsgewerbe, die Lederindustrie, einige Gas­werke, nachdem sich die Arbeitskämpfe bereits von der Metallindustrie auf das Baugewerbe, die Nahrungsmittelindustrie und die chemische Indu­strie erstreckt hatten. Ueberall, selbst in den klein­sten Werken, verlassen die Arbeiter ihre Plätze noch immer nicht; sie werden von den Gewerk­schaften und von den roten Bürgermeistereien ver­pflegt und beschäftigen sich in ost durchaus heiterer Stimmung damit, sich in den Fabriken mit Sport, Spiel und Debatten die Zeit zu vertreiben. Ost wird die rote Fahne auf der Fabrik gehißt, meist neben ihr auch die Trikolore. In der ganzen Be­wegung ist bisher nicht der geringste Zwischenfall oder Gewaltakt zu verzeichnen. Während bis zum Donnerstag die.Unter­nehmervertreter ebenso wie dir Mehrzahl der ein­zelnen Unternehmer eine nachgiebige Haltung ein­nahmen und die meisten Forderungen der Arbei­ter ohne schärferen Widerstand zu bewilligen be­reit waren, haben mit diesem Tage dieMetall- industriellen die unter der Mitwirkung des Arbeitsministers geführten- Verhand­lungen abgebrochen. Sie erklären- mit Rücksicht auf die Ausdehnung der Bewegung und die ernste Gefahr für die Wirtschaft des Lan­des trotz anfänglichen Entgegenkommens jetzt nicht mehr verhandeln zu können; es sei jetzt Sache der Regierung, aktiv einzugreifen und in Anbetracht ihrer Verantwortung für das Schick­sal des Landes zu handeln. Daß dieser Schritt der Metallunternehmer gerade in dem Augenblick des Regierungswechsels'stattfindet, zeigt eindeutig, daß die Unternehmer erst unter der Regierung Leon Blum   zum eigentlichen Kampf vorgehen wollen, indem sie gleich anfangs versuchen, zwi­schen Regierung und streikende Arbeiter einen Keil zu tr-jben. Ausdehnung des Streiks auf Kinos, Hotels und Warenhäuser Paris  . Im Laufe des Nachmittags hat sich der Streik auch auf einige große Kinos und Filmateliers ausgebreitet. Auch aus den Provinzstädten, insbesondere aus dem Kreise Lille   wird eine Verstärkung der Streikbewe­gung gemeldet, doch herrscht überall Ruhe. Auf einigen nordfranzösischen Gruben haben die Bergarbeiter die Zufuhr der Kohle zu den Maga­zinen auf den Bahnhöfen verhindert. Abends fand auf dec Arbeitsbörse eine Sitzung des Cafe- und Hotelpersonals statt, welches gleichfalls seine Forderungen erhebt und im Falle ihrer Nichtbewilligung in den Streik treten will. Abends nach Arbeitsschluß schlossen sich dem Streik auch die Angestellten der großen GeschäftsbetriebeLouvre" undAu bon M a r ch e" an, so daß bereits alle großen Geschäftshäuser im Streik stehen. Der Streik hat sich auch aus die Pharmazeu­tische Industrie ausgedehnt. Zahlreiche Laboranken und Apöthekerpersonal streiken. Eine bedrohliche Lage schafft der andauernde Streik der Angestellten, welche den Tanks und Pum­pen in Paris   Benzin zuführen. In zahlrei­chen Garagen sind die Benzinvorräie bereits voll­kommen erschöpft. Für heute hat der A r'b e i t 3 m t n i st e r eine neue Zusammenkunft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieses Zweiges zu einer raschen Beilegung des K.o n f l i 1 t e s ein- berufen.
In dem amtlichen Kommunique über die erste Sitzung des Kabinettsrates gibt die Regierung neuerlich die Versicherung ab, daß sie entschlossen ist, all« zweckmäßigen Anstrengun­gen zu machen, damit der Konflikt rasch und glück­lich beendet werde. Es wurde beschlossen, daß der Generalsekretär I o u h a u x noch gestern abends eine Rundfunkansprache an die Arbeiter halte und sie auffordere, Ruhe und Geduld zu bewahren. Heute Regierungserklärung Paris  . Der Kabinettsrat genehmigte die Hauptpunkte der Regierungserklärung, mit wel­cher sich das Kabinett heute nachmittags dem Par­lamente vorstellen wird. Die Regierungserklärung besagt u. a daß die Regierung am kommenden
Leon Blum  Dienstag Gesetzentwürfe über die Einführung der 40 stündige n*A rbeitswoche, der b e- zahlten Urlaube und der Kollektiv- ver träge vorlegen wird. Die Regierungser­klärung kommt auch auf die V e r st a a t l i- chung der Rüstungsindustrie zu sprechen. Die Regierungserklärung verspricht wei­ter, daß die Regierung eine Revision der Regie­rungsdekrete Lavals durchführen und innerhalb kurzer Zeit die Restringierung der Gehälter der kleinen Staatsangestellten aufheben wird. In dem Absatz über die auswärtige Politik hebt die Regierungserklärung den Willen Frank­ reichs   und der französischen   Regierung hervor, den Frieden zu erhalten und dem Völkerbund treu zu bleiben. Paris.(Tfch. P.-B.) In seiner Freitag vormittags gehaltenen Rundfunk-Kundgebung er­klärte der Vorsitzende der Regierung Leon Blum  unter anderem: Die Regierung ist, so sagte Leo» Blum  , wei­ter entschlossen, entschieden und rasch sowohl für die landwirtschaftliche wie auch für die industrielle Arbeiterschaft zu handeln. Die Regierung wird ihre gesamten Pflichten erfüllen und allen Ver­pflichtungen nachkommen, ihre Hauptstärke be­ruht jedoch vor allem in dem Vertrauen, das das französische   Volk in sie legt und das es bei den Wahlen zum Ausdruck gebracht hat. Um die Tä­tigkeit der Regierung wirksam zu gestalten, müsse sie unter der öffentlichen Sicherheit vor sich gehen. Diese Tätigkeit wäre durch jedes gewaltsame Bor­gehen gegen die öffentliche Ruhr, durch jeden ge­walttätigen Eingriff in den Lebenslauf des Vol­kes bedroht und eine jede Panik, rin jedes Chaos würde den umstürzlerischen Absichten der Volks­ front  -Gegner in die Hände arbeiten. Die Regie­rung fordert daher die Arbeiterschaft auf, bei der Verfechtung ihrer Forderungen, die gesetzlich ge­regelt werden müssen, auf dem Boden des Gesetzes zu bleiben, Ruhe, Würde und Diszi- plinzube wahren. Von den Arbeitge­bern aber fordert die Regierung, datz sie im liberalen Geiste die Berechtigung der Ar- briter-For de r«n g en P fe n. Es wäre bedauerlich, wenn die Arbeitgeber gerade in dem Augenblicke, da die neue Regierung das Staats­ruder ergreift, einen unversöhnlichen Standpunkt emnehmen würden.
Komotau  - Berlin  -Antwerpen  Von Rudolf Storch Wir leben in einer unvollkommenen Welt, inmitten von Wirrnissen einer Uebergangszeit, aus der heraus etwas Neues, Besseres geboren werden soll. Das ist wohl einmütige Auffassung. Nicht so einmütig ist die Vorstellung davon, w i e das Neue ausschauen soll und auf welchem Wege man dazu kommen kann. Ein Faktor, der an der Neugestaltung der Verhältnisse einen wesentlichen Anteil hat und dem deswegen eine besondere Bedeutung zukommt, weil er große Teile der Jugend in seinen Reihen erfaßt und erzieht, ist die Massen-Turn- und Sportbewegung. Es ist richtig, daß die in den verschiedensten, auch weltanschaulich gegeneinan­der eingestellten Verbänden organisierte Massen­körperkultur das eine als gemeinsames Ziel hat: sie will eine körperlich starke, disziplinierte und einsatzbereite Jugend erzKhen. Recht verschieden werden aber die Antworten lauten auf die Frage: wozu sollen die körperlichen und moralischen Kräfte der Jugend eingesetzt werden und für wel­ches Ziel gilt die Einsatzbereitschaft? Die Arbeiter-Turnbewegung sieht ihre Auf­gabe darin, die Arbeiterschaft körperlich und sitt­lich kampffähig zu machen für den Kampf Um ihre Befreiung aus dem Joche der Lohnsklaverei, für-das Recht auf Arbeit und menschenwürdiges Leben, das heißt für die Sicherstellung von Nah­rung, Kleidung, Wohnung und Freude, für die Ueberwindung der Kriege und für ein vernünf­tiges Zusammenleben aller Völker, kurzum für den Sozialismus. Das vor uns stehende Bundesturnfest in Komotau   gibt vielfache Möglichkeit und Verpflich­tung, unsere Zielsetzung eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Schon daß Arbeiterturner in Massen aufmarschieren, nicht weit von der Grenze eines Staates, in dem die Arbeiterorganisationen mit Gewalt zu Boden geschlagen und dann ausge­plündert wurden, ist eine Demonstration für die politische Demokratie, gegen den Faschismus. Un­ser Aufmarsch in Komotau   wird eine deutliche Absage an die Totalitätsbestrebungen der Hen- leinbewegung und eine bedeutsame politische De­monstration nach der Richtung, datz zehntausende deutsche Arbeiter-Turner und sozialistische Arbei­ter und Arbeiterinnen sich niemals gleichschalten lassen. Durch die Teilnahme der tschechischen Ar­beiter-Turner wird aber auch zum Ausdruck ge­bracht, datz die gemeinsamen sozialen Interessen der Arbeiterschaft gemeinsam von den deutschen  und tschechischen Arbeiterorganisationen vertreten werden müssen. Der Kampf um die Erhaltung des Friedens wird die einmütige Forderung aller am Bundesturnfest in Komotau   teilnehmenden Ver­bände sein. Die Bedeutung des Komotauer Festes nach dieser Richtung ist innerüalb der Arbeiter­schaft ersaht worden und deshalb wird es auch zu einer Massenveranstaltung und zu einem Massen­bekenntnis der sudetendeutschen   Arbeiterbewegring werden. Welche Bedeutung hat nun die Berliner  Olympiade? Daß der bürgerliche Sport schon immer und jetzt erst recht eine politische Funktion zu erfüllen hat, die im Gegensatz zu den Interessen der Ar­beiterbewegung steht, darüber sind wir uns lärigst im klaren. Unser Kampf gegen den bürgerlichen Sport besteht nicht darin, daß wir ihm Vorschrif­ten machen, wie er sich zu benehmen hat, sondern darin, daß wir den dort in großen Massen befind­lichen Arbeitern und Angestellten, die politische Orientierung des bürgerlichen Sportes vor Augen zu führen versuchen. In sachlicher und anständiger Weise haben wir unermüdlich diese aufklärende Arbeit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu betreiben. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es viel­leicht gut, daß die Olympiade in Berlin   stättfin- det, denn das gibt die Möglichkeit, an das Ge­wissen der sogenannten unpolitischen Sportler in den bürgerlichen Sport- und Turnverbänden zu appellieren und sie zu fragen, ob sie sich für eine Stützung des faschistischen Systems in Deutschland  mißbrauchen lassen wollen.. Denn darum geht es bei dieser Olympiade in Berlin  . Italiens   Faschis­mus hat den Kampf gegen ein wehrloses Volk be­gonnen und dabei Milliarden investiert, um seine inneren Schwierigkeiten mit einem äußeresi Glanz kriegerischer Erfolge zu übertünchen, Deutschlands  Faschismus braucht jedes halbe Jahr eine das