Seite 2 Samstag, 13. Juni 1935 Nr. 138 men. Der hemmungslose Kampf der kommunisti schen Parteien gegen die sozialdemokratischen, ein Kantpf, welcher der Arbeiterbewegung so schwere Wunden geschlagen und dem Fa'chismuS die Tore zu den Burgen dec organisierten- Arbeiterklasse aufgerissen hat, hat uns niemals davon abgehal- tcn zu erklären, daß„die in der SAJ vereinigten Parteien" entschlossen' sind,„die Sowjetrepublik gegen jede Feindseligkeit kapitalistischer' Regierungen und gegen jeden konterrevolutionären Angriff zu verteidigen".(Brüssel 1928.) Die Sozialdemokratie der Tschechoslowakei hat diesen Beschlüssen der Sozialistischen Arbeiter-Internationale entsprechend gehandelt und eine Außenpolitik unseres Landes ermöglicht, die im Bunde mit der Sowjetunion den Frieden Europas verteidigen und die Welt vor dem Siege des angriffslustigen Faschismus retten will. Dieser Haltung dec Sozialdemokratie sollte auch die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei endlich Rechnung tra- Ilie neue Verfassung Der soeben veröffentlichte Entwurf der Sowjetverfaffung ist.außerordentlich umfangreich und besteht aus 13 Kapiteln. Im ersten Kapitel wird der gesellschaftliche Aufbau des Staates dargestellt, der als sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern bezeichnet wird und dessen ökonomische Grundlage der Sozialismus bildet. Grund und Boden, Produktionsmittel„sowie die Hauptmasse der Wohnbauten in Städten und Industrieorten" sind Staatseigentum. Neben dem Staatsund dem Eigentum der Kollektivwirtschaften„ist private Kleinwirtschaft von Bauern und Gewerbetreibenden, die auf persönlicher Arbeit beruht und die Ausbeutung fremder Arbeit ausschließt" gesetzlich zugelassen. Dazu kommt noch das persönliche Eigentum der Staatsbürger, ihr Arbeitseinkommen und ihre Ersparnisse, ihr Wohnhaus und seine zusätzliche Wirtschaft, ihre Hauswirtschaft und HauKhaltungsgegenstände wie auch die Gegenstände des persönlichen Gebrauchs und des Komforts" werden gesetzlich geschützt. Die Arbeit wird allgemein als Pflicht erklärt. Das zweite Kapitel behandelt den Staatsaufbau. Danach ist die Sowjetunion ein Bundesstaat, der aus der russischen, ukrainischen und weißrussischen Sowjetrepublik, aus Aserbeidschan, Georgien , Armenien , Turkmenien , der usbeti- schen, tadschitischen, kasachischen und kirkisischen, Sowjetrepublik besteht. In der Kompetenz der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken gehören die Fragen der auswärtigen Politik, des gemeinsamen Haushaltes, der Banken, des Verkehrs un ddicFestlegung der Hauptgrundsätze der Wirtschaft und Verwaltung. Jede Unionsrepublik hat ihre eigene Verfassung, es blecht ihr das Recht auf freien Austritt aus der USSR . Vorbehalten. Kapitel 3 handelt von den obersten O r g a n e n der USSR . Diese'sind: der Oberste Rat, der aus zwei Kammern besteht, nämlich dem UnionSrat und dem Rat der Rationalitäten. Der UnionSrat wird von allen Staatsbürgern nach der Norm gewähll, daß«in Abgeordneter auf 300.000 Einwohner entfällt. Der Rat der Nationalitäten besteht aus je zehn Abgeordneten jeder Unionsrepublik, je fünf Abgeordneten jeder autonomen Republik und je zwei Abgeordneten jedes autonomen Gebietes. Beide Kammern werden auf vier Jahre gewählt. Ein Gesetz gilt als gen. Sie sollte endlich Schluß fachen mit einer unehrlichen, unsittlichen und unproletarischen Politik des Manövrierens, die unter dem Borwand des Strebens nach der Einheit das sozialistische Proletariat zermürben und zerreißen will. Dieser Politik Gottwalds und seiner Kumpane werden wir nach wie vor rücksichtslos und unentwegt entgegentreten. Wir tun das im Interesse des Fortschritts, des Kampfes gegen den Faschismus und um unsere Freiheit zu bewahren, die von jenen bedroht ist, welche das Proletariat immer wieder entzweien wollen. Eine starke Sozialdemokratie allein kann die Freiheit und Demokratie in Westeuropa und bei uns aufrechterhalten und dem Faschismus trotzen, der nicht nur uns bedroht, sondern auch die Sowjetunion . Wer die Sozialdemokratie schwächt, stärkt die Reaktion und seine kommunistischen Phrasen können nicht darüber hinwegtäufchen, daß er ein Schädling ist an Fortschritt, Demokratie und Sozialismus.. der Sowjetunion bestätigt, wenn es. von beiden Kammern angenommen wird. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten entscheidet eine.Schlichtungskommission, falls auch diese nicht eine einheitliche Entscheidung der beiden Kammern zustande bringt, wird der Oberste Rat aufgelöst. Der Oberste Rat wählt sein eigenes Präsidium, das aus 37 Mitgliedern besteht. Das Präsidium hat ungefähr die Rechte wie es dem Präsidenten einer Republik zusteht, es ernennt die Regierung, entscheidet über Krieg und Frieden usw. Kapitel 4 handelt von den obersten Organen der Unionsrepubliken. Analog dem Gesamtstaat hat auch jeder Einzelstaat seinen Obersten Rat. Die Kapitel 5, 6 und 7 enthalten Bestimmungen über die Organe der Regierung der Gesamtunion. Die Regierung bildet der Rat der Volkskommissäre. Ebenso haben die einzelnen Unionsrepubliken eine ähnliche Regierung. Kapitel 8 handelt von den örtlichen Organen der Staatsmacht, das sind die Räte in den Gauen, Bezirken, Städten und Dörfern, die für die Dauer von zwei Jahren gewählt werden. Kapitel 9 trägt die Ueberschrift: Gerichte undStaatsanwaltfchaft. Es gibt ein Oberstes Gericht, Gau- und Gebietsgerichte, die auf die Dauer von fünf Jahren gewählt werden. Me Verhandlungen sind öffentlich, von den Richtern heißt es, daß sie„una^ängig" sind. Es gibt Staatsanwälte der Gesamtunion und der einzelnen Gebiete. .Kapitel Ist setzt die Grundrech t e u n d P f l i ch t e‘n; b e r S t a a tsLu r g e r fest, darunter das Recht auf Arbeit und Erholung sowie auf materielle Versorgung im Aller und Krankheitsfall und schließlich auf Bildung. Die Frau ist dem Manne gleichberechtigt. Ebenso genießen alle Nationen und Raffen die gleichen Rechte. Das. W a hl s Hst« m(Kapitel 11) ist das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Stimmabgabe. Wahlberechtigt sind alle Staatsbürger, die im Wahljahr das 18. Lebensjahr vollenden. Wähler sin dauch die Frauen und die Angehörigen der Roten Armee. Die Kandidaten werden nach Wahlkreisen aufgestellt, das Recht der Kandidatenaüfstellung steht der Kommunistischen Partei, den Gewerkschaften, Genossenschaften, Jugendorganisationen und kulturellen Gesellschaften zu. Der Abgeordnete kann auf Mehrheitsbeschluß der Wähler abberufen werden. Kapitel 12: Das W a p p e n der USSR besteht aus Sichel und Hammer auf dem Erdball mll der Aufschrift: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Die Staatsflagge ist ein rotes Tuch, am Flaggenstock sind Sichel und Hammer mit dem fünfzackigen Stern. H ä u p t st a d t ist Moskau , A e n d e r u n g der,V e r f a.s s u n g (Kapitel 13) ist nur möglich mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen in jeder der. beiden Kammern. Kirche und Staat sind nach Art. 124 getrennt, es besteht aber Freiheit sowohl für die Ausübung religiöser Külte wie für antireligiöse Propaganda. Auch die Freiheit des Wortes, der Presse, der Versammlungen wird den Staatsbürgern gesichert. Den Werktätigen und ihren Organi- saftonen werden die materiellen Mittel hierfür zur Verfügung gestellt. Faktisch dürfte diese Bestimmung zunächst kaum Geltung erhallen, da ja ein Monopol des Staates und der KP besteht. Auch die Koalitionsfreiheit, die in Art. 128 zugesichert'wird, ist begrenzt und erstreckt sich ausdrücklich nur auf Konnnunisten und ihre Organisationen. Die alte Bestimmung bürgerlicher Verfassungen gegen willkürliche Verhaftungen ohne Gerichtsbefehl, findet sich in Art. 128, das Briefgeheimnis und der Hausfrieden werden unter Schutz gestellt. Auch das Asylrecht für politische Flüchtlinge ist in der Verfassung festgelegt. Die Schlußartikel setzen die Pflichten der Staatsbürger(u. a. allgemeine Wehrpflicht) fest. Zur Streiklase in Frankreich (E. R.) Wollte man von dem französischen Streik sprechen, so würde eine Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit im Vorgehen der französischen Arbeiter vorgetäuscht, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Vielmehr handelt es sich um eine ungemein große Anzahl von Streiks. Täglich werden Streiks durch Kollektivvereinbarungen beigelegt, die sich all« im Rahmen der Mantelabmachung vom 7. Juni halten. Täglich brechen aber auch neue Streiks aus, und nicht allen Tarifvertragsabschlüffen zwischen Gewerkschaften und Unternehmern folgt stets unmittelbar die Arbeitsaufnahme durch die Arbeiter der betreffenden Industrien und Werke. Der sozialistische Innenminister Sälen - gro hat in einer Radiomtsprache in Lille , dem Zentrum des industriellen Nordens, die streilenden Arbeiter«beschworen, die Arbeit wieder aufzunehmen, nachdem die Regierung den ersten Teil ihrer Forderungen durch di« Sozialgesetze befriedigt habe und allenthalben vertragliche Regelungen der Lohnerhöhungen zwischen 7 und 15 Prozent im Gange seien. Nachdem jetzt auch entsprechende Tarifverträge abgeschlossen worden sigF, haben im Laufe des 11. Juni im ganzen Norden an die 300.000 Arbeiter vor allem des Bergbaues, der Metall- und der Textilindustrie die Arbeit wieder ausgenommen. In Paris sind dafür neue Streiks durchgeführt worden, die vor allem die Casts, Wirtshäuser und Restaurants, ferner das Hotelgewerbe und die Metzger betreffen. Außerdem streitöii in Paris vor allem noch die etwa 20.000 Angestellten des Versicherungsgewerbes, die Warenhausangestellten, und noch etwa 90 Prozent der ursprünglich bestreikten Betriebe der Pariser Metallindustrie arbeiten noch nicht wieder. Die Midinetten streiken, und die Angestellten der wichtigsten Pariser großen Modehäuser haben sich der Bewegung angeschloffen. Die Forderungen aller dieser^ Proletarierkategorien gehen io der gleichen Richtung: Arbeitszeitverkürzung, Urlaubsbezahlung, Betriebsdelegationen, Koalitionsrecht, Lohn- und Gehaltssteigerung, Festsetzung von Mindestlöhnen und-gehälter.n nach i geographischer Region und Arbeitsart. Im großen ganzen kann damit gerechnet werden, daß in den nächsten Tagen die meisten der im ganzen Lande bestreikten Betriebe der verschiedensten Industrien wieder normal arbeiten werden. Allmählich dürften die meisten der geplanten Tarifverträge abgeschlossen werden, und die erfolgte Annahme der ersten Reihe von Sozialgesetzen, die Blum am 6, Juni angekündigt hatte, wird die Arbeitsaufnahme beschleunigen. Goebbels blamiert sich Korrumpierung des..Pariser Tageblatt " mißglückt Kurz nach dem Hitlerumstürz hat der aus Deutschland emigrierte frühere Chefredakteur der „Boflischen Zeitung", Georg Bernhard , in Paris das„Pariser Tageblatt " begründet, das unter seiner Leitung einen stark antihitlerischen Kurs hatte, wenn es auch das österreichische Fa- schistenregitne"'zuweilen lobte.' Das ,,Pariser Tageblatt " war dem Goebbels schon lange ein Dorn im Auge, denn es-ist weit verbreitet und wird— bester gesagt: wurde— besonders in England viel gelesen. Besitzer des Blattes ist ein gewisser P o l j ä k o w, ein übler russischer Geschäftemacher. Ihn hat nun das Propagandaministerium des Herrn Goebbels bewogen, das „Pariser Tageblatt " zu verkaufen. Und zwar an Mittelsmänner dieses Ministeriums. In der Ausgabe des„Pariser Tageblatt " vom 11. Juni wird nun auf der ersten Seite dieser Tatbestand mitgeteilt. Diese Erklärung hat das Geschäft für Herrn Goebbels so entwertet, daß sich dessen Beauftragten weigerten, den Kaufpreis zu bezahlen. Die Einschaltung der Bekannt gabe- daß das Blatt in den Händen Hitlers ist, ist ein Meisterwerk der„Tageblatt"-Redakteure. Nach dem„Prager Mittag" hat sich die Sache folgendermaßen abgespielt: Der Verleger war gewarnt worden und erwartete, daß er. im'Blatt angegrifsty. werden würde. Darum trug er dem Druckereipersonal auf, kein«. Artikel zu setzen, in denen gegen dxn Eigentümer des„Pariser Tageblatt " Stellung genommen wird. Die Redakteure ließen ihre Erklärung in einer anderen Druckerei setzen und schmuggelten den klischierten Satz wenige Minuten vor der Drucklegung anstelle eines gleich großen Klischee auf die erste Seite. Dadurch, daß der Besitzwechsel auf diesem Wege allen Lesern des„Pariser Tageblatt " auf kürzestem Wege zur Kenntnis gebracht wurde, war der Kauf für Herrn Goebbels wertlos geworden. Die Redakteure brachten auch die Adressenkartothek in Sicherheit und geben ein UeueS Blatt heraus, die„Pariser Tageszeitung". 11 Wir suchen ein Land Roman einer Emigration Von Robert Grötzich Copyright by Eugen Prager-Verlag. Bratislava . Der Kleine wurde eifrig, seine Stimme kam inS Krähen.„Und wennse{eene Jüdin iS? Wie war denn das bei her Villa Wanja? Die wollte sogar Wienerin fein' und wie sie genug Adressen hatte, gingen in Deutschland ein paar Genossen hoch...* Alle schwiegen, die Erinnerung war zu unangenehm. DaS Mädel hatte in einer Pension drüben überm Flusse gewohnt, suchte die Nähe der Emigranten, wo immer eS ging, knüpfte einige Bekanntschaften an... Keiner ahnte etwas, nur der Kleine hatte gewarnt aber niemand hörte drauf. Der war ja noch nicht richtig fertig, dec sah in jedem Weibe eine Gefahr. Aber gerade der behielt recht... In der Spinne trug Gusti Gewärmtes vom Mittag auf. Schwarzer las in der Zeitung. Peter-und Paul maulten. Egal sächsisches Gemüse. Sie hatten sich auf Braüartoffeln gespitzt, wo doch gestern die Rede davon war. „Sonst fällt euch nichts auf?" fragte Gusti. Schwarzer verschwand hinter seinem Blatte. Die andern schauten verdutzt von den Tellern hoch. Ja natürlich, der Herkner... War mit dem Boß was paffiert? Frosch wurde feuerrot. „Es wird ihm gut gehen, Flitterwochen", sagte MoseS , erschrak aber ein wenig, denn Gusti verschräntte die Arme auf der Tischkante. Dazwischen wölbte sich eine stattliche Büste. Der Kleine wurde unruhig—— so machte sie eS immer nur, wenn was Besonderes los war. „Woher wißt ihr denn, daß es ihm gut geht? Kann doch auch was schief gegangen sein! 7 Vorhin war der Ignaz hier, hie Frau is nich gekommen. Vielleicht verhaftet oder sonst waS. Heck-1 ner wollte bis heute warten.... hoffentlich macht er keine Dummheiten an der Grenze... Aber ihr, heute Mittag—■— na, ich sag nichts weiter." Löffeln ringsrum. Frosch holte tief Lust:„Einen Spaß wird man Wohl noch machen dürfen." Mo ses sagte sachlich:„Der Emi ist ein Mensch, welcher dort lachen muß, wo andere weinen und umgekehrt, weil man seine Welt auf den Kopf gestellt hat..." Benommen von seinem eigenen Ausspruch hielt er inne und erwischte gerade noch Gustis strafenden Blick. Eine Schüssel Kartoffelsalat marschierte hinter dem Gemüse drein, aber außer Frosch, dessen Appettt sich durch keinerlei Ereignisse stören ließ, war niemand recht bei der Sache. Allen war beklommen zumute, alle warteten. Wird er mit dem letzten Autobus kommen? Schwarzer holte die Karte aus dem Tischkasten, spielte mit Frosch, Peter und Paul einen Skat. Moses und der Kleine hockten sich daneben übers Schachbrett. Gegen zehn Uhr knarrte draußen das Gartentor. Herkners Tritt. Alle atmeten auf. Schwarzer' hatte gerade ein großes Spiel in der Hand, Moses bot Schach sonst wären sechs Mann hinausgerannt. Dann saßen alle um den Boß herum. Gusti sah, wie er sich zusammenriß, stieg in die Küche hinab, kam mit ein paar Schnitten und einer Tasse Kaffee wieder herauf. Anna war nicht gekommen, keine Nachricht, nichts. Er aß hastig und erzählte brockenweise. Der Kleine ging hinauf in seine Kammer, nahm einen Topf mit Wiesenblumen vom Fenster und trug ihn in Herkners Zimmer. Unten erzählte Herkner, was er, von drüben gehört. Wachsende Not. Mißstimmung. Enttäuschung der Naziwähler, jawohl, aber auch viel Gleichgülügkeit, zunehmende Indifferenz... Zwei unsrer tüchtigsten Kuriere hoch gegangen. Sett Monaten wagten sie sich jede Woche an die Grenze und zogen mit Flugblättern wieder in die Nacht. Gusti und Schwarzer saßen ihm gegenüber, Seite an Seite. Die Lampe goß roten Schimmer über das braune Haar der Frau. Herkner mußte den Blick abwenden. Gut haben's die beiden, sitzen hier wie ein Liebespärchen. Und Anna? Krank? Verhaftet? Sein Bericht stockte, als kröchen die Worte wieder in den Hals hinab... Schwarzer spürte es und sagte:„Wie wär's mit'nem Spielchen, Karl?" Herkner griff mit zu den Karten. Jetzt nur keine Schwachheit merken laffen. Morgen würde vielleicht Nachricht da sein, morgen... Man ließ ihn einige große Spiele gewinnen. Gusti stopfte Strümpfe. Zwischen den Sttchen der Nadel tauchte Annas Bild vor ihr auf. Eine nette Frau mußte es sein, ihr Photo hing über Herkners Bett. Sin Kinderkopf erschien da neben: Gustis Bub. Offne, klare Augen» Gustis leicht geschwungener Mund... Ja, die Anna, die hatte wenigstens ihre Kinder um sich... Ob das nicht immer noch besser war, als neben dem Manne in der Fremde zu sitzen und nachts vor Sehnsucht nach seinem Buben aus dem Schlafe zu schrecken? Am anderen Ende des langen Tisches knallten die Karten. Froschs Pratzen nagelten jeden Trumpf gewissermaßen auf die Platte. Zwischendurch hob Herkner einmal den Kopf und warf zu der Frau hinüber:„Arme Gusti— du wirst noch mehr Arbett kriegen... Imins will in die Spinne, weißt du, der Schriftsteller..." Gusti biß einen Faden ab.„Der muß uns die getarnten Briefe aufsetzen I" Moses und der Kleine hockten wieder über dem Schachbrett^Der Kleine stand gut, mit einem Turm in Borsprung. Aufgeregt glühte er dem Siege entgegen. Der Große kniff die Augen zusammen, überdachte Zug um Zug und blödelte dabei nach Art vieler Schachspieler:„Das Türmchen muh weg... Weg sag ich... Und die Dame? Eva heißt sie, Eva... und sieht beinahe aus wie Gretchen... Das Läuferchen steht auch stei... Die Dame bedroht ihn... Eva, das Gretchen pom Libanon» spielt gern mit Steinen»»"' Unruhe kribbelte im Kleinen hoch. Kotz verfluchter, egal von den Menschern reden... Spielen wir oder quasseln wir von Unterröcken? Er tat hastig eineix schwachen Zug. Weg war sein Turm. Die Partte endete remis. Weit draußen im Strome aber schwmnm die Flasche durch die Nacht, wurde gegens Ufer getrieben, blieb hängen, strudelte wieder davon. Fiel das Mondlicht auf den Flaschenhals, so schimmerte darin etwas Helles, Weißliches auf: Papier. V. Kapitel. Einen Rucksack auf dem Rücken, einen Koffer in der Hand, so ging Justus vom Landhaus Maria weg. Unterwegs drehte er sich noch einmal um und wintte zurück. Drei Frauen standen am Gartentor und ließen ihre Tücher flattern. Die Alte weinte und schlug in der Luft mehrere Male das Zeichen des Kreuzes. Nun hatte mal ein ordentlicher Mieter bei ihnen gewohnt, da duldete es wieder die Polizei nicht. Aber pünktlich Steuern zahlen, das sollte man! JustuS ging nicht gern, lieber hätte er diese dunllen Burschen, die da ums Haus schlichen, einmal mtt beim Kanthaken gepackt. Aber wenn es die Obrigkeit eben nicht wollte I— Die zwei Kerle, die am Walde so offenherzig geplaudert hatten» konnten nicht ermittelt werden, dafür hatte man ihn zur Gendarmerie bestellt und ihm bedeutet: „Bitte, entfernen Sie sich landeinwärts. Hier ist die Grenze zu nahe. Wir können für Ihren Schutz am Walde nicht bürgen. Ersparen Sie uns weitere Scherereien...." Und die Genossen im Orte unten rieten dasselbe. Justus' Geld wurde auch dünne. Er hatte bisher von dem wenigen Ersparten gelebt. Gelegentlich wurde seine Kasse wieder aufgefüllt durch gelinde Honorare für Artikel oder Plaudereien, die in der und jener Zeitung erschienen. In der Spinne, kam Justus erheblich billiger weg als bisher, zahlte einen bescheidenen Satz, brauchte sich nicht an der Kollektivarbeit zu beteiligen, konnte seiner Schreiberei obliegen. ^Fortsetzung folgt.).
Ausgabe
16 (13.6.1936) 138
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