16. JahrgangDonnerstag, 25. Juni 1936Nr. 148IENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova a. Telefon mHERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEURi DR. EMIL STRAUSS, PRAG.Ehzelirels 70 Heller(«intchlitBlich 5 Heller Porto)382:198 Stimmen für BlumParis. Nach der ausführlichenDebatte über die Außenpolitik, die sichbis 2 Ahr früh hinzog, wurde der Re»gierung mit 382 gegen 198 Stimmendas Vertrauen ausgesprochen.Noch 200.000. StreikendeParis. Die Zahl der Streikenden in Frankreich, welche in der Vorwoche die Maximalhöhevon mehr als 1.1 Millionen Personen erreichthatte, beträgt jetzt nach der Statistik des Innenministeriums 194.000 Personen, davon etwa10.000 Personen im Gebiete von Paris.In Paris streiken noch immer 7000 Angestellte des Warenhauses„La Samaritaine" undneu sind die 1200 Arbeiter der AutomobilfabrikChenard-Walcker in den Streik getreten, weil dieDirektion nach der Lohnerhöhung und der Arbeitszeitverkürzung eine Anzahl Arbeiter entlassen hat.In Marseille streiken seit Dienstag abends4000 Mann der Besatzungen der Handelsschiffe.Sie besetzten 60 Schiffe im Marseiller Hafen undzogest auf ihnen rote Fahnen auf. Fast alleOffiziere haben die Schiffe verlaßen. Der Sekre-tör der Streikenden ist nach Paris abgcreist, woer dem Ministerpräsidenten die Forderungen derStreikenden zu erläutern beabsichtigt.Deutsch-italienischeLuftverhandlungenBerlin.'(DNB) Auf dem Flugplatz Staaken traf der Chef des Generalstabes der italienischen Luftwaffe Valle, begleitet vom Chef deritalienischen Zivilluftfahrt Pclegrini, zu einemfünftägigen Aufenthalt ein, um die Einrichtungender deutschen Luftwaffe und der deutschen Luftfahrt zu'besichtigen.Die Schweiz wünscht keinenDaueraufenthalt des NesusBern.(SDA) Der Bundesrat hat dem Ne-gus nahegelegt, von einer Niederlassung in derSchweiz für solange abzustehen, als der italienisch-abessinische Konflikt nicht endgültig beendetist. Der Bundesrat wird dagegen der Anwesenheitdes Negus in Genf keine Schwierigkeiten in denWeg legen, wenn dieser seinen Fall während dernächsten Sitzung des Bölkerbundrates und derVölkerbundversammlung vertreten möchte.Der Dilek über die Grenze:„Zu Befehl I“Für die Verstaatlichung derGemeinsamer Antrag der■■■■~ Parteien RüstungsindustriePrag. In Vertretung der sozialistischenKoalitionsparteien haben die Genoffen H e e g e rund S r b a für die deutschen und tschechischenSozialdemokraten und Abg. David für dietschechischen Nationalsozialisten im Parlamenteinen gemeinsamen Antrag cingebracht, in demdir Verstaatlichung der Siüstungsindustrie verlangtwird. In dem Antrag heißt es:Die Erzeugung von Waffen, Geschossen undSprengmitteln, von Militärflugzeugen, Panzerautos, von Mitteln des Gasschutzes und der Fliegerabwehr und überhaupt solcher militärischer Bedarfsgegenstände» die nicht zugleich auch für zivileZwecke zu verwenden» sondern für die bewaffneteMacht des Staates bestimmt sind, ist demStaat Vorbehalten. Ter Staat kann sichjedoch auch die Erzeugung oder den Verkauf jedweder anderen Bedarfsgegenstände für die bewaffnete Macht oder zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen einen kriegerischen Angriff Vorbehalten.Der Staat führt diese Erzeugung in eigenenUnternehmungen und in eigener Regie durch. Füreine Ucbergangszeit, längstens jedoch auf zweiJahre von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, kanndiese Erzeugung im Falle der Notwendigkeit auchin gemischten Betrieben unter überwiegender undentschridmider Kapitalsbeteiligung des Staateserfolgen. Die Verzinsung des nichtstaatlichen Kapitals darf im Frieden sechs Prozent nicht übersteigen und entfällt überhaupt während derWehrbereitschaft des Staates.Zur Durchführung dieses Gesetzes wird dieStaatsverwaltung ermächtigt, Privatbe-triebezuenteignen, dir unter dieses Gesetz fallen, und zwar im beschleunigten Verfahrennach den zuständigen Bestimmungen des Staats-verteidigungsgefetzes für den Fall der Wehrbereitschaft des Staates, und sie noch vor Beendigungdes Entrignungsverfahrens in eigene Verwaltungzu übernehmen. Die Staatsverwaltung ist gleichfalls berechtigt, alle Dienst- und Arbeitsvrrtragein den eigenen oder neu übernommenen Rü-stungsbetrirben aufzuheben und neu zu regeln undohne Ersatz mit augenblicklicher Wirksamkeit alleLieferungoverträge aufzukündigen, die zur Ausrüstung der bewaffneten Macht des Staates abgeschlossen wurden.Ossietzky schwer krankEin Telephongespräch mit der GeheimenStaatspolizei in BerlinParis.(DJ) Nach dem Bekanntwerden derNachricht, daß der seit drei Jahren in Haft befindliche Carl von Ossietzky aus demMoorlager Esterwegen nach Berlin überführtworden ist, setzte sich das Organisationsbüro fürdie Europäische Amnestie-Konferenz zugunsten derpolitischen Gefangenen im Dritten Reich telephonisch mit dem Justizministerium in Berlin in Verbindung. Das Justizministerium erklärte, überdiese Angelegenheit keinerlei Auskunft geben zukönnen und verwies den Amnestie-Nusschuß an dieGestapo Berlin. Der Amnestie-Ausschuß meldetedaraufhin ein Telephonat mit dieser Stelle an undes entwickelte sich folgendes Gespräch:Frage: Hier ist die Pressestelle der Europäischen Amnestie-Konferenz, im Namen unsererSekretärin Eliane B r a u l t, Sekretärin der Al liance Internationale des Partis Radicaux etDemocrates möchten wir wissen, ob die Mittei-lung, daß der Fciedcnsnobclpreisträger Carl vonOssietzky schwer erkrankt nach Berlin überführtwürde, den Tatsachen entspricht?Antwort: Ja, das ist wahr. Ossietzkyist sehr krank. Ich kann Ihnen aber im Momentnichts Näheres darüber mitteilen. Sie werden inden nächsten Tagen über diese Angelegenheit eineamtliche Meldung in der deutschen Presse finden.Frage: Können Sie uns mitteilen, wegenwelcher Krankheit er nach Berlin überführt wurde?Antwort: Es handelt sich um die alteHerzkrankheit Ossietzkys.Frage: Ist die Krankheit gefährlich?Antwort: Das entzieht sich meinerKenntnis.Aus der Art der Anwort der Reichsstelle derGestapo empfing der Pariser Amnestie-Ausschußden Eindruck, daß in der Tat auch die Gestapo denZustand Ossietzkys als lebensgefährlich ansieht.Grundlegende mäßige Besserungin der IndustriewirtschaftBericht der NationalbankDer Bankrat der TschechoslowakischenNationalbank hielt am 24. l. M. seine ordentliche Monatssitzung- unter dem Vorsitz desGouverneurs JUDr. Karel E n g l i s ab. Dem■• vorgebrachten Geschäftsbericht entnehmen'wirfolgendes:Die Frühjahrsbesserung der Wirtschaftstätigkeit in der Tschechoslowakei ist heuer, namentlich auf dem Gebiete der Baubewegung,dynamischer als in den Vorjahren.Die Flüssigkeit des Geldmarktes, welche inden vorhergehenden Monaten den Konversionserfolg der Staatskassenscheine und die Unifizierung der Staatstitreschuld erleichterte, trägtwesentlich zum sehr erfolgreichen Verlauf der Zeichnung der Staatsverteidigungsanleihe bei, für welchesich in den weitesten Kreisen ein beträchtlichesInteresse zeigt. Auch die letztbekännten Ergebnisse der aus den öffentlichen Abgaben resultierenden Finanzeinkünfte reflektieren eine mäßigeVerbesserung der Situation, da sich dieselbenebenfalls in den mit der Entfaltung der Wirtschaftstätigkeit eng zusammenhängenden Komponenten äußern.Die ungünstigen WitterungsverhältnisseEnde Mai und anfangs Juni verschlechteren denStand einiger Kulturen, welcher bis zu, dieserZeit verhältnismäßig sehr günstig war. Ortsweise scheint der Roggen betroffen zu sein. DieFutterernte ist sehr günstig, die Heumahd wurdejedoch aufgehalten und das Trocknen des Heuesgestaltete sich anfangs sehr schwierig. Das kühleWetter und die Niederschläge schadeten am wenigsten den Kartoffeln, der Zuckerrübe und demGemsise.In der Beschäftigung der Industrieerzeugung wurde nun die grundlegende,mäßige Besserung durch eine sichtbare Belebung der Bautätigkeit unterstützt.Der plötzliche Wetterumschlag im Juni ermöglicht es, die iw einer Reihe von Branchenwährend der vorhergehenden kühlen Wochen imJnlaydsabsatz eingetretene Verspätung einzuholen. Der Jndustrieverbrauch an Kohle undelektrischen Strom verzeichnet gegenüber demJahre 1935 ein ständiges Ansteigen.Die S ch w ierigkeiten im Export,welche hauptsächlich aus der deutschen Dumpingkonkurrenz und aus der Unsicherheit des Deviseninkassos hervorgehen, halten an. Trotzdem zeugtder Maiumsatz des Außenhandels von einerneuen Vergrößerung seines Volumens, vornehmlich im Export nach den freien Gebieten mit unverengtem Transfer. Ein günstiges Zeichenbildet auch der Umstand, daß die Exportsteigerung nicht einseitig ist, sondern sich im Gegenteilauf eine Reihe von Waren mit einem beträchtlichen Prozent heimischer Arbeit aufteilt. Auchdie Zusammensetzung der erhöhten Einfuhr,namentlich von Rohstoffen, zeugH von einem.größeren Umfang der.Nationalproduktion»DcrPilodiflirdlcZlcgcDie Tagung der tschechischen. und deutschenIndustriellen, welche Dienstag in Prag stattgc-funden hat, stand im Zeichen der„langsamenAufwärtsbewegung in der Wirtschaft", wie diesder Handelsminister N a j m a n in seiner Ansprache festgestellt hat. Allerdings hat die mäßigeBesserung der Jndustriewirtschaft, von der auchder eben erschienene Bericht der Nationalbankspricht, keine besondere Wirkung auf die herkömmliche Auffassung der Unternehmer ausgeübt.In der schwersten Krisenzeit haben die Industriellen von den segensreichen Wirkungen der Initiative des Privatunternehmertums gesprochen undauch diesmal haben wir dasselbe Lied aus demMunde des Handelsminister gehört. Merkwürdigist nur, daß die'Herren auf der einen Seite möglichste Freiheit des Unternehmers verlangen, andererseits aber gerne Banken und Großunternehmungen vom Staat sanieren lassen. Wenn die„Privatinitiative" Tausende von Menschen insUnglück reißt, soll der Staat helfen, sonst abersoll er die Fabrikanten und Bankdirektoren nachHerzenslust arbeiten, Löhne drücken und Kartellpreise festsetzen lassen. Die Unternehmer sollenmöglichst niedrige Steuern zahlen, die Arbeitszeitsoll nicht verkürzt werden, keine Zwangsarbeitsvermittlung eingeführt und die Zwangssyndizierung soll nicht verallgemeinert werden— sowünscht es Herr Dr. P r e i ß und der deutscheJndustriellenkapitän M ü h l i g— sonst einer deraufgeschlosseneren Unternehmer— ist von derSorge bewegt, es könnte in der Planmäßigkeit zuweit gegangen werden,Man erkennt schon daraus, daß unsere Industriellen sehr negativ eingestellt sind. Sie befassen sich zu viel damit, was nicht geschehen soll,statt ein positives Programmder Krisenbelämpfung aufzustel-l e n. Was darüber gesagt wurde, war viel zuwenig— wenn wir auch anerkennen wollen, daßder Handelsminister ein gerade für das sudetendeutsche Gebiet lebenswichtiges Problem wenigstens angedeutet hat, daß wir nämlich neueProduktionszweige mit qualitativhöherwertigen Waren schaffen müssen, Auch HerrMühlig hat von neuen Erzeugungszweigen gesprochen, die notwendig sind und wir möchten hinzufügen, daß solche Betriebe insbesondere in denGebieten der alten Industrien entstehen müßten,dort wo der Notstand am grüßten ist. Das wäreein Gebiet, wo sich die gerühmte Privatinitiativeentfalten könnte und wo die deutschen Unternehmer zeigen mühten, daß sie noch nicht tatenloseEpigonen, sondern tatkräftige Männer unsererZeit sind. Bisher haben wir davon wenig gesehen.Bemerkenswert sind auch Mühligs Worteüber„die innere Bereitschaft zur Versöhnung" mitder Arbeiterschaft, womit wohl die Bereitschaftder Unternehmer gemeint sein soll, alle großenLebensfragen der sudetendeutschen Industrie, dieauch Existenzfragen der schwer geprüften sudetendeutschen Arbeiterschaft sind, einvernehmlich zuregeln. Die Arbeiterschaft ist Verhandlungen niemals ausgewichen und unseren Gewerkschaftenkann man wohl nachsagen, daß sie durchaus realpolitisch eingestellt sind. Gerade aus dieser Auffassung heraus werden sie die Frage der E r h ö-hungder unerträglich niedrigenLebenshaltung unserer sudetendeutschen Arbeiter zur Erörterung stellen, weil ein höheres Lebensniveau notwendig ist, soll unsere Wirtschaft gesunden. Wenndie Industriellen Erleichterungen beim Exportverlangen, wie dies in der Prager Tagung geschehen ist, sind wir bereit, mitzuraten und mitzuhelfen.,••In einer Rede^ die auf der Tagung JanBata gehalten hat,, gebrauchte er folgendesBild:Ein Flugmotor von 100 Pferdzjfräften ist imstande, die Wolken zu durchschneiden. Es genügtaber das Flugzeug an einen. Pfahl zu binden, dernicht einmal eine Ziege festhalten kann. und einnoch so starker Motor ist nicht imstande,-das Flugzeug von der Stelle zu bewegen..So ist es auchbei der Tätigkeit des Unternehmers.Wir wissen nicht, ob ein so starker Motor denPflock nicht doch vom Flecke bringen wird, aberwir sind bereit mitzutun, damit her Strick zerschnitten wird und das Flugzeug sich erheben kann,d. h. ein Aufschwung der Wirtschaft herbcigeführtwerden wird. Mögen dabei nur die Unternehmer