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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

Sonntag, 11. Oktober 1936

Die Heimwehren aufgelöst

Bedrohung des italienischen Einflusses

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Starhemberg unterwirft sich?

Wi e n. Nach fast dreitägigen Verhandlungen und einer stürmischen Nachtfißung hat der Ministerrat über Antrag Schuschniggs Samstag früh beschlossen, sämtliche militärische Orga­nisationen in Desterreich einschließlich der Heimwehren aufzulösen. Neben dem Bundesheer soll nur noch die Frontmiliz der Vaterländischen Front bestehen, die in allen Fragen der Orga­nisation, der Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung engste Verbindung mit dem Bun­desheer zu halten hat. Da die Leitung der Frontmiliz in das Bundesministerium für Lan­desverteidigung verlegt wird, wird jeder Einfluß der bisherigen Heimwehrführer auf die Miliz restlos beseitigt.

swertung und man wollte nicht durch seinen er zwungenen Rücktritt zur Heimwehrkrise noch eine Schilling- rise entfeſſeln.

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 237

Unruheherd Oesterreich

Wie Hitler am 30. Juni 1934 den Sturm­abteilungen( SA ), die ihm zur Macht verhalfen, durch die Erschießung ihrer Führer das Rückgrat gebrochen hat, so hat Schuschnigg am 10. Oftober 1936, den Heimwehren ein Ende bereitet, welche die österreichische Dittatur möglich gemacht haben. In Deutschland und Desterreich hat sich so das den Bundesländern eine außerordentliche Demokratie teils in gutem Glauben, teils gegen Die letzten Vorgänge haben in Wien und in Schicksal der Prätorianergarden erfüllt, welche die Erregung ausgelöst. Die Bevölkerung wartet guten Lohn niedergeworfen haben. Die Proleta­gespannt darauf, wie die Heimwehren, welche in rier der Kontrerevolution trifft stets das gleiche der Provinz teilweise über sehr starke Positionen Los. Der Faschismus braucht sie, um die Arbeiter­verfügen, auf den Auflösungsbeschluß reagieren bewegung niederzuknüppeln, ist aber die Sozial­Die drei Heimwehrminister im Kabinett, die führte Schuschnigg den schon längst vorbereiteten werden. Man erwartet, daß es entweder zur offe- demokratie machtlos geworden und in die Illega Starhemberg zum Rücktritt aufgefordert hatte. Schlag. Die Auflösung der Heimwehren wurde nen Auflehnung der alpenländischen Heimwehr- lität zurückgedrängt, so trifft die Fauſt des Dik­um so das Kabinett Schuschnigg zu stürzen, näm- nach dreitägigen Verhandlungen in der Nachtsit- uppen kommen wird oder daß sie ihre Waf- tators jene, die ihn auf den Thron erhoben haben. fen an die Nazis verschieben werden, Die den schmeichelnden Worten und gleißenden lich Vizekanzler B a a r= Baaren fel 3, zung des Miniſterrates auf Samstag beschlossen, um bei nächster Gelegenheit gemeinsam mit den Versprechungen geglaubt haben, ſehen sich bald Finanzminister Dr. Drayler und Staats- obwohl der Schwiegersohn Mussolinis, Graf sekretär Dr. Perntner, gaben wohl vor der Ciano , seinen Wiener Aufenthalt dazu benüßte, Nationalsozialisten an der Schuschnigg - Gruppe enttäuscht. Sie haben ihre Haut zu Wartt ge­Rache zu nehmen. tragen, sie haben Blutopfer gebracht, kaum ist die Beschlußfassung über die Auflösung der Heimweh- für die Heimwehren zu intervenieren. Für die ernste Lage ist bezeichnend, daß in Macht erkämpft, werden sie davongejagt. Der ren ihre Demission, ließen sich aber sofort nachher Daß troß dem Auflösungsbeschluß die drei Desterreich sowohl Militär als auch Gendarmerie Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr mit der Begründung, daß infolge der Auflösung Heimwehrminister auch wenn sie Schuschnigg und Polizei in Bereitschaft gehalten werden. Die tann gehen. der Wehrverbände die Gründe für ihre Demission ausdrücklich Treue schwvuren nicht gleichzeitig Nachricht, daß der Heeresminister General 3 e h= Was werden nun die abgerüsteten Heimweh­in Wegfall gekommen seien, über Vorschlag ausgebootet wurden, wird in Wiener politischen ner wegen der gespannten Situation die Teil- ren tun? Die Liebe zum bestehenden Regime wird Schuschniggs vom Bundespräsidenten wie- Streisen durch die Sorge um den Schilling begrün- nahme an dem Begräbnis des verstorbenen un- in jenen, die um Macht, Bedeutung und Broter­der ernennen. Schuschnigg verwies unter det. Der von der Heimwehr entsandte Heimwehr - garischen Ministerpräsidenten Gömbös absagen werb gebracht sind, nicht größer werden. War die Hinweis auf die Bundesverfassung darauf, daß minister Drayler gilt als Gegner einer Ab- mußte, wird bestätigt.

für die Regierungsmitglieder teinerlei andere Bindungen für ihre Tätigkeit in der Regierung maßgebend sein könnten, das heißt, daß keiner der Heimwehrminister

bets irgendwelche pitia bon Starhem­

Direttiven geben lassen dürfe. Sämtliche Kabinettsmitglieder nahmen diese Feststellung zur Kenntnis.

Den aufgelösten Wehrverbänden wurde der Dank der Bundesregierung ausgesprochen und augleich der Erivartung Ausdruck gegeben, daß die wehrhaften Mitglieder ihre bewährten Kräfte in den Reihen der Frontmiliz auch weiterhin zur Verfügung stellen werden.,

Ein Ministerkomitee wurde beauftragt, die Bestimmungen über den Aufbau der Frontmilia und über die Ueberführung der militanten Mit­glieder der Wehrverbände in die Frontmiliz aus­zuarbeiten.

Starhemberg im Ausland?

Wie Samstag abends vom Tſch. Pr.- Büro aus Wien gemeldet wird, haben die Wehrverbände die Entscheidung ruhig angenommen, die Ost­märkischen Sturmscharen( Führung Pentner) und der christliche Freiheitsbund( Führung Kunschat) sogar mit Zustimmung. Aber auch der Heimat­schuß hat bisher nichts gegen die Entschlüsse der Regierung unternommen. Starhemberg erließ sogar einen Aufruf, in dem er zur Unter­werfung auffordert. Starhemberg soll auf län­

Harte Kämpfe in Oviedo

Madrid in Erwartung eines Angriffs

Grundlage, auf der die österreichischen Regierun

gen seit dem Feber 1934 bauten, ohnehin nicht breit, wird sie jetzt noch schmäler werden. Auf wen ſtützt terung ist

gesinnt, dazwischen ist nicht viel. Sicherlich hat die Regierung die Vaterländische Front ,. die Polizei. die Gendarmerie und vor allem das Bundesheer hinter sich. Aber die Vaterländische Front ist ein Gemengsel von Leuten, die mehr oder weniger unfreiwillig mittun, hinter die Berläßlichkeit der Polizei muß man ein Fragezeichen seßen und das Militär läßt man in die inneren Ereignisse nicht werden für die jetzige Regierung kaum eine bes­fere Stimmung erzeugen. Sie werden das ſozia­listische und vielleicht noch mehr. das nazistische Lager stärken.

Madrid . Mit Ausnahme von Oviedo herrscht| Das Aussehen Madridz ändert sich von Tag zu am Samstag an den Frontabschnitten verhältnis Tag. Eines Morgens sind im Zentrum der Stadt mäßige Ruhe. In den Stadtteilen am Rand von auf den Pläßen und vor den öffentlichen Gebäu­nacht eindrangen, und in der Richtung zum oder Maschinengewehren zu sehen. Am andern gern eingreifen. Die enttäuschten Heimwehrler Oviedo , wo die asturischen Bergleute um Mitter- den Automobile mit Flugzeugabwehrgeschützen Stadtzentrum, zu dem sie sich vorkämpfen, spiel­ten sich erbitterte Stämpfe ab. Der Angriff der Regierungstruppen wurde durch Artillerie unter­

ſtützt.

Weiters wird gemeldet, daß die Aufständi­schen im Abschnitt Öchandinao zum Rückzug ge­zivungen wurden, wobei sie außerordentlich viel

Morgen sind diese Zeichen der Kriegssituation von den Straßen verschwunden und die Flatgeschüße find nur auf den Dächern der Ministerien zu sehen. Einige größere Gebäude in Madrid wurden be­schlagnahmt und in Gefängnisse und Milizkasernen umgewandelt. In den Häusern und Villen der Reichen werden größtenteils Krankenhäuser und

Man sage nun nicht, daß es die Bewohner der Nachbarhäuser und dazu zählen auch wir

nicht stört, wenn es im Gemäuer des Neben­Tote und Vertvundete zurückließen. Im Abschnitt Rote- Streuz- Stationen errichtet. hauses rieselt. Die Vorgänge in Desterreich, die Campazar eroberten die Milizen einige Ort- Ansonsten ist das Leben bei Tag in Madrid vielleicht nicht außenpolitische Ursachen haben. schaften. Baskische Miliz eroberte den Berg Arate fast normal. Theater und Kinos spielen. Fait werden sicherlich zu außenpolitischen Folgen füh­troß heftigsten Widerstandes der Aufständischen. leer bleiben nur die ehemaligen Lugustaffee- ren. Starhemberg, der abgesägte Heimwehrfürſt. sich die Positionen verschoben hätten, Angriffe der Gefämpft wurde auch bei Huesca , ohne daß häuſer. der in seinen kühnsten Träumen schon die öster­Die Bevölkerung ist belehrt, daß sie gleich reichische Krone oder wenigstens den Herzogshut Aufständischen bei Malaga wurden zurück nach dem ersten Alarm in die Keller und in die auf seinem Kopfe jah, galt bisher als der Erpo­geschlagen. Stationen der Untergrundbahn flüchten soll. In nent des italienischen Kurses. War er doch zu Die Aufständischen melden, daß sie auf dem jedem Hause sind Kundmachungen über das Ver- wiederholten Malen bei Mussolini gewesen und Marsch gegen Madrid eine Reihe von Orten be- halten bei Flieger- und Gas- Angriffen. In hatte sich in Italien als leidenschaftlicher Bewun­febt haben. Der Havas- Berichterstatter in Bur- jedem Hause soll eine hinreichende Menge von derer des dortländischen Faschismus gebärdet und 80s berichtet, daß die Angriffsbasis der Aufstän- Waffer und Chlortalt sein. In der Stadt sind sein erster Gedanke bei der durch seinen Gegen­dischen vor Madrid der Ort San Martin de viele Stationen für Erste- Hilfe- Leistung einge- spieler Schuschnigg erfolgten Auflösung der Valdeiglesias sein dürfte. Die Truppen werden richtet, insbesondere für die Fälle von Gasvergif- Heimwehren war der Versuch nach Italien zu flie an den wichtigsten Stellen zum Angriff auf die tungen durch Stickgase. Nach dem nächtlichen gen, woran ihn nur die Wiener Polizei gehindert Hauptstadt konzentriert. Bombenangriff, wurde am 3. Oktober mit Be- hat. Schuschnigg wieder ist der Mann des 11. Juli, festigungsarbeiten und der Errichtung von Baf: i- der den deutsch - österreichischen Vertrag abgeschlos­Ein Gelegenheitsberichterstatter des Tsch. faden im Zentrum der Stadt begonnen. Die Gin- sen, den betont" Nationalen Glaise- Horstenau Zuſammenſtoß mit& ch uſ ch nigg hatte. Star-| P.- Büros in Madrid ſendet folgenden Bericht: wohnerſchaft iſt ruhig. hemberg forderte von Schuschnigg , daß der Füh­

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gere Zeit ins Ausland gehen. Nach einer nicht beſtätigten Meldung soll er bereits abgereist sein. Zur Vorgeschichte des aufsehenerregenden Ministerratsbeschlusses erfahren wir, daß Star­hemberg vor wenigen Tagen einen heftigen

zer des oppoſitionellen Heimwehrflügels, Major Greift England In Spanien ein?

ey, verhaftet und wegen seiner bekannten Hal­tung beim Juli- Putsch der Nationalsozialisten nachträglich unter Hochverratsanklage gestellt perbe. Schuschnigg lehnte dieses Ansinnen ab, worauf Starhemberg die Unterredung mit der Drohung beendete, er werde durch die e im­wehren selbst Ordnung machen und Fey verhaften lassen.

Selbständige Kontrolle der Nichteinmischung

London. ( Reuter.) Der Nichteinmischungs| lienische Soldaten an der Besetzung von Ibiza ausschuß hat Freitag abends das folgende Kom- teilgenommen haben. muniqué ausgegeben:

" Der Nichteinmischungsausschuß kam zu der einmütigen Ansicht, daß es eine imperative For­Tatsächlich wurde die noch der Führung derung im allgemeinen Interesse sei, daß die Be­Starhembergs gehorchende Heimwehr in Bereit- schwerden in Angelegenheit der Nichtintervention schaftszustand gefeßt. Aus vielen Teilen der Pro- dem eingehendsten Studium unterzogen werden

Nach mehreren Polemiken zwischen den Ver­tretern Italiens , Deutschlands und Rußlands er­lärten einige Delegierte, daß sie mit ihren Re­gierungen beraten müssen, welchem Wunsche der Ausschuß entsprach.

in die Regierung berufen hat und seit Monaten einen nazifreundlicheren Kurs steuert. Es scheint. daß Italiens Einfluß in Wien schwächer geworden ist. Einstens hat der italienische Gesandte in Wien , Herr Zerutti. Regierungen gestürzt und eingesetzt, diesmal wartete Mussolinis Schwieger­sohn, der Außenminister Graf Ciano , im Vorzim­mer des Ministerrates darauf, wie es ausfallen werde. Es ist anzunehmen, daß sich der Duce das Vorgehen Schuschniggs nicht so ohne weiteres ge­fallen lassen und seinerseits einen Schachzug tun wird, um seine Stellung und sein Preſtige in Wien zu stärken. Aber auch Deutschland bleibt weiter an der Arbeit, Desterreich gleichzuschalten

vinz kommt die Nachricht, daß Geimwehrabteilun- und das biefes. Studium mit der größten Be- Selbständige Untersuchung und fo fönnen sich die Dinge an der gefährlichſten

durch England

Stelle in Mitteleuropa in einer Weise entwickeln, die alle Nachbarn Oesterreichs in Mitleidenschaft ziehen kann.

Gen bewaffnet in ihren Lokalen versammelt waren schleunigung durchgeführt werde." Der und auf den Befehl zum Losschlagen Ausschuß hat zur Kenntnis genommen, daß der warteten. Starhemberg scheint sich aber die Sache Vorsitzende die Dokumente Italien , Deutsch - London . Wie amtlich bekanntgegeben überlegt zu haben und versuchte am Donnerstag land und Portugal mit dem Ersuchen um schrift wird, wird die britische Regierung von sich aus Desterreich kommt nicht zur Ruhe, weil es nach Italien zu fliegen, um sich der Unterstüßung liche Aufklärung mitgeteilt. fofort Erfundigungen über die von der Madrider keine demokratische Regierung hat, die sich auf die Mussolinis zu verfichern. Er wurde aber, als er Der italienische Delegierte erklärte, daß es Regierung erhobenen Anklagen des Bruches des Massen des Voltes stüßt. Die Diktatur in dem in Aspern das Flugzeug besteigen wollte, von sich um phantastische Erfindungen handle, die Richtinterventionsablommens feitens gewiffer feinen Lande bildet ein Moment der Unsicherheit der Polizei daran gehindert. jeder Grundlage entbehren. Staaten anstellen. Auf welche Weise die britische in der Politik Mitteleuropas . Auch in Desterreich Als die Heimwehr diese Demütigung ihres In einer Freitag überreichten spanischen Regierung hiebei vorgehen wird, ist noch nicht be- zeigt sich, daß der Faschismus Kriegsgefahr, die nominellen Führers ohne Gegenattion hinnahm, Note wird demgegenüber festgestellt, daß ita- tannt. Demokratie den Frieden bedeutet.