Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077 HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

Freitag, 27. November 1936

Alle Angriffe vergeblich

Milizerfolge an einigen Frontabschnitten

Madrid. ( Havas.) Das amtliche Kom- Havas meldet über die Fliegerkämpfe: muniquee vom Donnerstag meldet: Im Süd- Flugzeuge der Aufständischen bombardierten westen von Madrid hält der Feind die Positionen Mittwoch zweimal Madrid , und zwar das erste bei Sien Pozuelos unter intensivem Feuer, jedoch mal um 9 Uhr vormittags und dann um 15 Uhr mit dem gleichen Mißerfolg wie gestern. In nachmittags. Das Bombardement forderte neu Guadarrama und Somosierra entwickelte sich ein Opfer an Menschenleben. In den Randvierteln starkes Artilleriefeuer. Die Regierungstruppen wurden große Materialschäden angerichtet. Der bedrängen sehr hart den Feind. Die Aufständi- Angriff war aber weniger wirksam als die der schen haben zahlreiche Verletzte. Tanks der Auf- lezten Tage. Republikanische Flugzeuge stieger ständischen unterstützten heftige Angriffe der jedesmal sofort auf und vertrieben die feindlichen Frembenlegion und der marokkanischen Soldaten. Flieger.

die jedoch zurückgeschlagen wurden. Die Regie.

Das englische Waffenausfuhrverbot rungstruppen haben sich zweier Tanks bemächtigt. von denen der eine italienischer und der andere London . Ministerpräsident Baldwin hat er­deutscher Herkunft ist. Im Südwesten haben die klärt, daß der Gesehentwurf, durch welchen die Regierungstruppen einen Ueberfall unternommen Ausfuhr von Kriegsmaterial auf britischen Schif und den Aufständischen große Verlufte beigebracht. fen untersagt werden wird, dem Unterhau, e Havas teilt auch mit, daß die Regierungs- Dienstag zur Beratung vorgelegt werden wird. abteilungen an der Front von Aranjues das Da es sich um eine dringende Maßnahme han­Dorf St. Martin de Montalban erobert haben. delt, wird der Ministerpräsident das Parlament In den Nachmittagsstunden sind an der Madrider ersuchen, den Geseßentwurf noch am gleichen Front keine Aenderungen eingetreten. Tage zu verabschieden.

Görings Staffelkamerad Kriegsflieger der spanischen Regierungstruppen

Einer der besten deutschen Kampfflieger des Weltkrieges, der gleich dem jetzigen Minister Göring zur Nichthofen- Staffel gehörige Leutnant Seffner, kämpft zur Zeit auf Seiten der Ne­gierungstruppen im spanischen Bürgerkrieg. Heff ner, der 1918 mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet wurde, hat vor etwa zwölf Jahren durch einen aufsehenerregenden Flug von sich reden gemacht. Ueber den norditalienischen Städ ten erschien plötzlich ein fremdes Flugzeug und

warf antifaschistische Flugblätter ab. Es gelang

Seffner damals, über die Grenze zu entkommen und mit seinem Apparat in der Schweiz nieder zugehen. Die Maschine wurde befchlagnahmt und der Flieger verhaftet, später aber freigelassen. Da ihn sein ehemaliger Kriegskamerad Göring wegen privater Differenzen verhaften laffen wollte, verließ er Deutschland und begab sich nach Paris , wo es ihm in den letzten Jahren sehr | schlecht ging.

Stalins Referat auf dem Rätekongref

An der Talavera- Front beschossen Flugzeuge der Regierung mit Erfolg vier in einem Balb. Die erste Etappe zurückgelegt" chen versteckte Bombenflugzeuge der Aufständi­schen. Bei Carabanchel sprengten Milizionäre eine Brücke in dem Augenblick in die Luft, als die Aufſtändischen in dichten Scharen über die Brüde zum Angriff übergehen wollten. Weiters werden Erfolge der bastischen Milizionäre ges meldet, die an der Nordostfront sieben Dörfer ers oberten. Der Feind war zum Rückzug in der Rich tung nach Oviedo gezwungen Die Zivilbevölkerung

verläßt die Stadt Madrid. ( Havas.) Etwa 200.000 Bivil personen, die nicht zu den Kämpfenden gehören, haben die spanische Hauptstadt verlassen.

Madrid . Der Kriegsminister gab Mittwoch abends im Rundfunt bekannt: Im Abschnitt am Manzanares- Fluß haben wir die Aufständischen, welche ihre Angriffe auf unsere Positionen fort­setzten, zurückgeschlagen. Flugzeuge der Aufstän­bischen unternahmen vor- und nachmittags. Ans flüge auf Madrid , wurden aber in die Flucht ge= jagt. Ein dreimotoriges feindliches Flugzeug wurde abgeschossen.

Danzig Weihnachts­

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geschenk für Hitler? Warschau.( Tsch. P.-B.) Der Führer der nationalsozialistischen Par. tei in Danzig Förster erklärte in einer öffentlichen Versammlung, daß er zu Weihnachten dem Reichskanzler Hit ler Danzig als Geschenk brin gen werde. Förster drohte neuerlich mit der baldigen Aufhebung der oppofitio. nellen Parteien. Neuer Grenzzwischenfall in Fernost

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umsab liegt jetzt in den Händen des Staates, der Genossenschaften und der Kollektivwirtschaften Soweit ist jetzt der volle Sieg des sozialistischen Systems auf allen Gebieten der Volkswirtschaft Tatsache geworden. Das bedeutet, daß die Aus­beutung des Menschen durch den Menschen ver­nichtet ist und daß das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln als unerschütterliche Grundlage unserer Sowjetgesellschaft festge: legt ist.

Alle Ausbeuterklassen sind somit liquidiert. Geblieben ist die Arbeiterklasse, geblieben ist die Bauernklasse, geblieben ist die Intelligenz. Aber es wäre verfehlt zu glauben, daß diese sozialen Gruppen in dieser Zeit keinerlei Veränderungen erlitten haben, daß sie so geblieben sind, wie sie zur Zeit des Kapitalismus waren.

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Nr. 276

Ein Kulturfortschritt

- und sein Hindernis

Die langsame allzulangsame- Beles bung der Wirtschaft im Lande macht eine Reihe von Kulturfragen aktuell, an die man in den aller öffentlichen Körperschaften rapid zurückg n- schlechtesten Zeiten der Krise, da die Einnahmen gen, nicht denten konnte. Dazu gehört eine For­derung, welche seit Jahren erhoben wurde und nun der Verwirklichung zugeführt werden soll, nämlich, daß jedes Kind in der Tschechoslowakei die Möglichkeit haben soll, eine Bürger­schule zu besuchen.

Schon im 18. Jahrhundert wurde in Dester­

reich die allgemeine Schulpflicht zum Grundſay erhoben und die liberale Aera hat dann in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur Schaf fung des Reichsvolksschulgesetes geführt. War Damals die allgemeine Voltsschulpflicht ein ge waltiger Fortschritt, so genügt heute die Absol­bierung einer Volksschule längst nicht mehr- besonders wenn man in Betracht zieht, daß ein großer Teil unserer Kinder ein- und zweiflas= fige Schulen besucht. Gerade die schwere Zeit der Krise hat uns gezeigt, daß eine höhere Qualifi tation unserer Arbeiter ein unbedingtes Erfor dernis ist und daß der Wiederaufbau unserer Ausfuhr und die Wiedereroberung des Weltmart­tes eine leistungsfähige Industrie und damit eine hohe Qualifikation unserer Arbeiter zur Voraus­jebung hat. Insbesondere die alten Industrieläns der können sich nur dann behaupten, wenn ihre Arbeiter jenen der jungen Induſtrieſtaaten über legen sind, wenn die Arbeiter der Altindustrie mehr fönnen als jene der bisherigen Agrarlän­der. Je besser die Schulbildung der Massen ist. desto leichter wird es sein, uns eine erstklassige industrielle und gewerbliche Arbeiterschaft zu er­ziehen. Man denke nur daran, wie schwer es bei uns ein deutscher Mensch hat, ohne Kenntnis der tschechischen Sprache sich im Leben durchzuschla gen. Das kann er nicht in der Volksschule lernen. er braucht dazu die Bürgerschule. Tatsächlich gibt es z. B. in Böhmen keine deutsche Bürgerschule. an der nicht die tschechische Sprache gelehrt wird. Ueberhaupt kann man sagen, daß unsere Bürger­schule in den letzten Jahren bedeutende Fort­schritte gemacht hat. deren sichtbarster in der Schaffung eines vierten Jahrganges beruht und daß wir eine sehr gut qualifizierte Bürgerschul­lehrerschaft haben, von der man nur wünschen würde, daß sie besser bezahlt wäre.

Verfassung registriert, was ist- Kein Proletariat" mehr Moskau .( Taß.). In seinem Bericht beim außerordentlichen Nätetongreß der Sowjetunion führte Stalin u. a. aus: Die Verfassungstom­mission hatte Aenderungen an der gegenwärtig geltenden, im Jahre 1924 angenommenen Ver­faffung vorzunehmen und dabei diejenigen Wand­lungen im Leben der Union in der Richtung zum Sozialismus hin zu berücksichtigen, die bis zur gegenwärtigen Zeit verwirklicht wurden. Welche sind die Alenderungen im Leben der USSR? Was hatten wir im Jahre 1924? Das war die erst c Periode, als die Sowjetmacht eine gewisse Belebung des Kapitalismus unter allseitiger Ent wicklung des Sozialismus zuließ, als sie darauf rechnete, im Verlauf des Wettstreites der Wirt­schaftssysteme des kapitalistischen und soziali ſtiſchen das lebergewicht des sozialistischen zu organisieren. Unsere Industrie bot damals cin Man nehme z. B. die Arbeiterklasse der unerfreuliches Bild, besonders die Schwerindus USSR; man nannte sie oft aus alter Gewohn= strie. Zwar wurde sie allmählich wieder hergestellt, heit Proletariat. Was aber ist das Proletariat? Durch die Schaffung des Gesetzes über die doch brachte sie ihre Produktion noch bei weitem Es ist die Klasse, die der Produktionsmittel be: Sprengelbürgerschule will nun das Land Ko­nicht auf das Vorkriegsniveau. Sie basierte auf raubt ist in einem Wirtschaftssystem, wo die Pro- menstys die große Tat seßen, daß jedes Kind- der alten rückständigen und dürftigen Technit. duktionsmittel dem Kapitalisten gehören und wo also auch jedes sudetendeutsche Kind- die Bür­Unsere Landwirtschaft bót ein noch unerquid die Kapitalistenklasse das Proletariat ausbeutet. gerschule besucht. Das ganze Land wird in Spren licheres Bild. Allerdings war die Grundbesizers Bei uns gibt es aber keine Kapitalistentlasse mehr, gel eingeteilt, die so beschaffen sind, daß für jedes lasse schon liquidiert, dafür aber stellte die Klasse von der die Arbeiterklasse ausgebeutet werden sind eine Bürgerschule erreichbar ist. Es gilt der landwirtschaftlichen Kapitalisten, die Klasse könnte. Es ist klar, daß man unter diesen Um- nun alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, der Kulaken, noch eine ziemliche Kraft dar. Wir ständen unsere Arbeiterklasse nicht die der Durchführung dieser schönen Idee im sprachen damals nicht von Liquidierung des mehr Proletariat nennen fann. Unsere Bege ſtehen. Und es gibt ein großes Hindernis, Stulatentums. sondern von seiner Einschränkung, Dasselbe muß gesagt werden über den gantung, Arbeiterklaſſe iſt eine ganz neue, von Ausbeutung worauf die Oeffentlichkeit aufmerksam gemachi werden muß, damit es aus dem Wege geräumt befreite, wie sie die Geschichte der Menschheit noch saß im Lande. Der sozialistische Sektor im nicht getannt hat. Auch die Bauernschaft der wird. Nach dem Gesetze soll der Aufwand für die Warenumfaß bildete nicht mehr als 50 bis USS von heute ist von der Ausbeutung befreit. Errichtung und Erhaltung der Sprengelbürger­60 Prozent, während das ganze übrige Feld von Die Sowjetbauernschaft ist in ihrer erdrückenden schulen zu je einem Drittel vom Land, von den Kaufleuten, Spetulanten und sonstigen Privat- Mehrheit eine Kollektivbauernschaft, die ihre Bezirken und den Gemeinden getragen werden. unternehmen eingenommen war. Was haben wir Arbeit und ihr hab und Gut nicht auf die Einzel- Die Länder sind bereit und auch in der Lage, jezt im Jahre 1986? arbeit und rückständige Technik, sondern auf die Kollektivarbeit und moderne Technik gründet. Verändert hat sich auch der Charakter der Intelligen. Sie mußte früher den bes güterten Klaffen dienen, sie dient jetzt dem Volte.

Moskau. Aus Chabarowsk wird gemeldet: Wenn wir damals die erste Periode, den Am 24. November überschritt eine japanisch- Anfang einer gewissen Belebung des Kapitalis­mandschurische Abteilung, bestehend aus etwa 50 mus hatten, so haben wir jeßt die lebte Mann, die Grenze südöstlich vom Grenzzeichen Periode, die Periode der völligen Liquidie­Nummer 20 und drang in das Gebiet der rung des Kapitalismus in allen Belangen der Sowjetunion auf einer Strecke von 1700 Metern Volkswirtschaft. Das allerwichtigste ist, daß der wache herannahen sah, eröffnete sie gegen sie das überhaupt vertrieben ist, während die sozialistische ein. Als die Abteilung die sowjetruffische Grenzs Kapitalismus aus dem Bereich unserer Industrie Feuer. Nach einem Gepläntel mußte sich die japas Produktionsform das unumschränkt herrschende nisch- mandschurische Abteilung über die Grenz- System auf dem Gebiete unserer Industrie ist. linie zurückziehen. Am Drte des Zusammenstoßes Auf dem Gebiete der Landwirtschaft haben wir auf sowjetrussischem Territorium wurden die Lei- jept. ftatt eines Ozeans Kleiner individueller chen mehrerer gefallener Japaner und zahlreiche Bauernwirtschaften mit ihrer schwachen Technik japanische Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegen- und mit überwuchernder Stellung des Kulaten stände gefunden. tums, die in der Welt größte und mit neuer Technit ausgerüstete mechanisierte Produktion in Gestalt des allumfassenden Systems der Kollektiv­und Sowjetwirtschaften.

Der Leiter der zweiten Oftabteilung des Voltskommissariats für Aeußeres legte sofort beim japanischen Geschäftsträger Protest ein und forderte die Grgreifung von Maßnahmen zur

Was den Warenumfaß im Lande anlangt, so Verhinderung berartiger Zwischenfälle in der sind die Kaufleute und Spetulanten aus diesem Zukunft sowie die Bestrafung der Schuldigen. Gebiet gänzlich vertrieben. Der gesamte Waren­

Das Bild der Veränderungen des gesell­schaftlichen Lebens in der USSR wäre aber nicht dem Gebiete der nationalen gegenseitigen Be­vollständig ohne das Bild der Veränderungen auf ziehungen in der Union, der etwa 60 Nationen, nationale Gruppen und Völkerschaften ange­

hören.

Die vergangenen 14 Jahre haben gezeigt, daß der Versuch der Bildung eines Staates aus vielen Nationalitäten auf der Basis des Sozialis­mus vollauf gelungen ist.

Welche Widerspiegelung haben all diese Veränderungen im Leben der USSR im neuen Berfassungsentwurf gefunden? Bei der Ab­faſſung des neuen Verfaſſungsentwurfes ging die

( Fortschung auf Seite 2.),

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dieser Aufgabe nachzukommen. Auch die Gemein­den werden bei aller Anstrengung vielleicht noch imitande sein, einige Mittel aufzubringen. Am ärgsten aber ist es mit den Bezirken bestellt, bon denen viele beim allerbesten Willen das Geld dazu nicht aufbringen können. Wir greifen als in den letzten zwei Monaten dieses Jahres ein Beispiel den Bezirk Dur heraus, dessen Wirtschaft Erfordernis von 1,518.555 Kronen aufweist, dem

aber eine Bedeckung von nur 643.796 Kronen

monatsbefizit von 874.749 hat. Wie soll ein solcher Bezirk, der nicht einmal seine Angestell­ten bezahlen kann, für 1937 eine Neuausgabe von mehr als 100.000 aufbringen, die er für die Sprengelbürgerschulen braucht? Man sieht an Se I b st verwaltungsfinanzen diesem Beispiel, daß die kritische 2rge der e in Hindernis des Kulturforts schrittes gevorden ist und daß die besten kul

gegenübersteht, der also ein ungedecktes mei­

turfördernder. Gefeße auf dem Papier bleiben müssen, wenn wir nicht endlich die chronische Era