Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077 HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG ,
16. Jahrgang
Auslandspropaganda
Freitag, 4. Dezember 1936
mit Hilfe von falschen SdP- Interpellationen
Energische Richtigstellung durch den Fürsorgeminister
Prag . In Anwesenheit des Ministerpräsi benten und der deutschen Minister nahm Fürforgeminiſter Ing. Ne čas Donnerstag nach mittags vor gut besetztem Hause Stellung zu der fürzlich eingebrachten dringlichen Interpellation der SdP ,, über das ungleiche Maß bei der staatlichen Kinderernährungsaktion", in der ausgerech net worden war, daß in vielen deutschen Bezirken die für die tschechische Jugendfürsorge beigestellten Subventionen, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, das zwei- bis sechshundertsiebzigfache der deutschen Kopfquote ausmachen.
An Hand eines überzeugenden Zahlenmaterials zeigte der Minister auf, daß diese Behauptung völlig haltlos ist, und daß gerade in der Jugendfürsorge Böhmen staatlichen Subventionen genau n nadj. bent Devifferungsschlüssel 1: 2 verteilt werden. Als er erwähnte, daß diese Interpellation in der reichsdeutschen Presse zu einer wüst en ese gegen die Tschecha flowakei mißbraucht worden sei, gab es auf den tfchedifchen Mänten wiederholt elnen tur m Der Gatrüftüng
nen Maßnahmen, um den Abdruck einer Regierungskundgebung zu erzwingen, auch zur Anwendung gebracht werden sollen, wenn das Henleinorgan dies nicht freiwillig tun follte. Weiters foll der Ministerpräsident auch erklärt haben, daß die Antwort des Fürsorgeministers auch in allen Bezirken, auf die sich die Interpellation bezicht, öffentlich plakatiert werden foll.
Nachträglich erklärte die SdP, daß sie dem Minister in der Debatte nicht mehr antworten fönne, da ihre Redezeit bereits abgelaufen fet, werde, die ganze Antwort abzudrucken. Wie die und daß sie sich infolgedessen die Antwort für den Prager Preffe" meldet, ist der nationalsoziali Senat vorbehalten müsse. Das stimmt nicht, weil stische Klub diesbezüglich auch offiziell beim Mini- Herr Ing. Peschka noch nachher über 20 Misterpräsidenten eingeschritten und hat von ihm die Bufage erhalten, daß die im Presgesetz vorgesehe
nuten im Hause sprach, ohne sich auf die Erklärungen des Ministers viel einzulassen.
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Nr. 282
Undeutsch weil unwahr
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Aus dem Bericht über die gestrige Sigung des Abgeordnetenhauses kann sich die Bevölkerung wieder einmal ein Bild von den sonder baren Methoden machen, welche die SdP als sudetendeutsche Politik bezeichnet. Die Abgeordneten dieser Partei haben in einer Interpellation die Behauptung aufgestellt, daß die staatliche Unterstüßung für die Jugendfürsorge in Böhmen so verteilt ist, daß auf die tschechische Jugendfürsorge 2 bis 670 mal mehr entfällt als auf die deutsche . Es war jedem flar, daß insbesondere die letzte Ziffer nur der regen- wenn man nicht igen will orientalischen- Phantasie der SDPLeute entsprungen ist und der Minister für soziale Fürsorge Nečas, der namens der Regierung auf diese Interpellation antwortete, hatte es leicht mit den nebulosen Ziffern der SdP zu polemisieren. Daß mit derartigen Uebertreibungen dem Sudetendeutschtum nicht geholfen werden kann, liegt klar auf der Hand. Wir wissen alle, daß die Not insbesondere im sudetendeutschen Indu striegebiet groß ist und daß wir alles tun müssen, um den in Elend geratenen Menschen zu helfen. Wenn man aber zu derartigen Uebertreibungen greift, wie es die SdP tut, dann wird man der sudetendeutschen Sache nicht nüßen, sonbern erheblich ſchaden.
Minister Ne čas zitierte zunächst aus der zu erklären, insbesondere auch deshalb, weil diese Begründung" der Interpellation ein paar besonders Nachrichten im Auslande zu einer Propaganda gegen freche Stellen. Die Interpellation war im Haupt- die Tschechoslowakische Republik verwendet werden. organ der SDP, in der 8eit". noch vor ihrer Ein- Was die in der Interpellation angeführten Anbringung im Barlament veröffentlicht worden. Das gaben betrifft, so stellt der Minister dazu feit, daß Ministerium machte noch am gleichen Tag die Redak- mit der Organisierung der staatlichen Kinder- Ernädtion der Beit" auf die Unrichtigkeit der An- rungsaktion die autonomen, nationalfektionierten gaben aufmerksam und stellte fest, daß in Böhmen Landeszentralen betraut sind, denen die für Verhältnis 1: 2 eingehalten werde und die deutsche nach dem nationalen Schlüssel zugeteilt werden. bei der Subventionierung der Jugendfürsorge das diese Hilfsaktionen zur Verfügung stehenden Beträge Fürsorge 512.000, tschechische Fürsorge 1,025.000 Weitere Mittel fließen den beiden Landeskom ke crieiten. Zrobbem bie„ Beit" ibre Behauptung miffionen für sinderſidinis und Jugendfürforge box darauf doch in einer Lokalnachricht berichtigte, at örtlichen Fattoren, wie den Gemeinden und das Blatt die Einbringung der Interpellation im Bezirken, und aus der öffentlichen Wohltätigkeit zu. Gerade wenn man die Rechte einer Min= Parlament dazu benüßt, um noch ma 13 in großer Die Landeszentralen nehmen allerdings bei der Stel- ber heit verficht, muß man bei der Wahrheit Aufmachung den Inhalt der Interpellation zu ver- fung der Anträge für die Verteilung der Staats- bleiben und nichts übt einen solchen Eindruck aus, öffentlichen, ist der offenen Abficht, unter der beurs maille auf biefe Mittel tel her lokalen Faltoren Müd fheit Dessiferung das Gefühl der Bevelldung ano ng event die indemnice Cambesgenitale für die als die unumstößlichen Tatsachen, nichts beein des Unrechtes hervorzurufen. Dis Henleinleute faßen wie Sie begoffenen tichechische Augendfürsorge in Bezirlen mit deutscher druckt die Menschen so, als wenn der Kläger im Die in der Interpellation angeführten Daten Majorität verhältnismäßig größere Ruteilungen bollen Gefühl seiner Verantwortung bei der Bubel da, nur vereinzelt wagte hie und da einer wurden auch von der ausländischen Breffe, insseion- beantragt, fei dies vollkommen verständlich, da ein Wahrheit bleibt. Eine Minderheit muß immer etwas aufzumucen. Erſt am Schluß, als in den dere in der reichsdeutschen Preffe, gebracht. großer Teil der tschechischen Bezirksjugendfürsorgen an das sittliche Empfinden der MehrKoalitionsbänken langanhaltender Beifall erſcholl, Besonders charakteriſtiſch wurde die Sache beiſpiels von den deutschen Gemeinden und Bezirken überhaupt heit appellieren und sie wird die Mehrheit nic wendeten sich die Herren von der Söß mit plötsweise in der Chemniter Tageszeitung" aufgemacht, weiter feine interſtüßung erhält und die tschechische gewinnen, wenn sie sich nicht an die Wahrheit lich neu erwachtem Mut gegen die deur welche die Interpellation unter dem Titel" Gleich. Bevölkerung in den gemischtſprachigen Gebieten zum hält. Sie wird dann, im Gegenteil, der Mehrfchen Regierungsabgeordneten unterernährten deutschen Kinder werden unterdrückt" än ähnlicher Weise geht die deutsche Landeszenberechtigung in der Tschechoslowakei Sogar die größten Teil den sozial schwachen Schichten angehört. heit leicht möglich machen, die slagen, die und schrien auf sie ein, weil auch sie sich dem abbrudte. trale vor, die verhältnismäßig größere Buteilungen man vorbringt, als unbegründet hinzustellen. Beifall angeschloffen hatten. Genosse Krejči Der Minister erachtet es als seine Pflicht zu für die deutsche Fürsorge in überwiegend tschechischen erteilte ihnen turz nachher von der Tribüne auß erklären, daß sämtliche Angaben über eine angebliche Bezirken beantragt. die richtige Antwort. Bedrückung bei der Verteilung der Unterstübungen für die Kinder- Ernährungsaktion und auch bei allen anderen Unterstüßungen den Tatsachen nicht ent wiedergegeben wurden. Er bitte daher die Inter sprechen und einseitig und tendenziös bellanten, sowohl im Abgeordnetenhaus wie in der Presse ihre Angaben zu berichtigen und ihren Lesern und Mitgliedern den richtigen Stand
Daß die Sd auch jetzt noch offen ihre Provokationen fortsette, brachte die tschechischen Abgeordneten aufs neue in große Erbitterung. Fran 3eminová verlangte kategorisch, daß Die 3 ei t"; die die Interpellation in großer Aufmachung gebracht hatte, nun auch gezwungen
Heiratsprojekt
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Um die Mündigkelt des Königs gegenüber dem Parlament
geführten Gründen verhältnismäßig größere RuteiDie anträge, auf Grund welcher aus den ans fungen für tschechische Bezirksjugendfürsorgestellen deuten also in feiner Weise eine Vertürzung der deut im gemischtsprachigen Gebiete bewilligt werden, beſchen Bezirksfürsorgeſtellen, denn durch sie werden die ( Fortsetzung auf Seite 2.)
Neuwahlen, in denen es im Grunde um eine Privatjache geht, eine Verschiebung der Krönung, Kabinettswechsel aus rein verfassungsrechtlichen Motiven, das wäre just das, was die Unruhe stifter in der Welt jetzt brauchten und was die friedlichen Völker zu fürchten haben.
Nicht Ebenbürtigkeit, sondern verfassungsgemäße Heirat!
Deutschsein heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun" hat Richard die SdP tut, nicht deutsch, denn es handelt sich Wagner gesagt. In dieser Hinsicht ist das, was dieser Partei nicht um die Behebung der SchäNot, sondern es handelt sich ihren Parlamentaden und um die Beseitigung der sudetendeutschen riern um etwas ganz anderes. Das ersieht man schon daraus, daß die Interpellation lange, bevor sie überreicht wurde, in der Zeit" veröffentlicht wurde. Aber nicht nur in diesem Hauptblatt der SdP, sondern und das ist charakteristisch im Auslande, hat man mit der Riffer 670 Propaganda treiben wollen. Aber in jenem Ausland, auf das es ankommt, und dessen Stimme moralisch in der Welt noch etwas gilt, wird man gleichfalls das Gegenteil erzielen, wenn festgestellt werden wird, daß die in der behandelten Interpellation vorgebrachten Ziffern falsch sind. So schadet man der sudetendeutschen Minderheit im Seit einigen Tagen bereits war die Presse daran haben, daß England diese Krise rasch und Auslande und erschüttert sogar die Autorität der Vereinigten Staaten und der englischen ohne Wunden überwindet. Man muß bedenken, jener, die sich ehrlich bemühen, durch die DarDominions voll von sensationellen Nachrichten daß der König in England, trok seiner geringen stellung der Wirklichkeit das moralische Gewissen über eine bevorstehende Heirat des Königs von des tschechischen Volkes und der tschechischen PoliGroßbritannien mit Frau Bessie Simpson, ge titer aufzurütteln. Lange noch bevor die Sd beborenen Wallis - Warfield. Frau Simpson, die stand, hat die deutsche Sozialdemokratie immer giveimal mit amerikanischen Staatsbürgern vers vieder auf die schwere Notlage der sudetendeutHeiratet war und von diesen beiden Gatten ges schen Arbeiter, Angestellten und kleinen Leute schieden wurde, lebt seit einiger Zeit in der Ums aufmerksam gemacht und vor allem ihrer Progebung Eduards VIII . Seit Mittwoch beschäf paganda und Arbeit ist es zu verdanken, wenn im tigen sich auch die englischen Zeitungen mit der Laufe der Krise große Summen staatlicher GelAffäre, im Unterhaus wurde mit gewundenen der in das sudetendeutsche Gebiet geflossen sind. Umschreibungen davon gesprochen, der Hof Der Fürsorgeminister selbst hat angeführt, daß von St. James und die Downing street , die königvon 1930 bis 1935 für die Ernährungs-, Weihlichen Prinzen also und das Ministerium, bes nachts- und Kartoffelaktion in die deutschen Beraten fast ununterbrochen und das Wort Ver zirke 520 Millionen, in die tschechischen 507 fassungstrife oder Verfassungskonflitt ist Millionen gegangen find, Nohle wurde an die auf die Tagesordnung der englischen Politik ges deutschen Bezirke 301.000 Zentner, in die tiche= fest worden. Man weiß bereits, daß Baldwin mit chischen 368.000 3entner abgegeben, Brot an die der Demission gedroht hat, nachdem der König So groß, die Sympathien sein mögen, die der deutschen Bezirke 1,380.000 Laibe, in die tscheihm offiziell mitgeteilt hat, daß er Frau Simpson König findet, fo fehr muß man begreifen, daß ein hifchen 1,855.000, um nur einige Ziffern anzu heiraten beabsichtigt, daß Attlee erklärt haben tonstitutioneller önig, der als erster zuführen. Gewiß sind in den Bezirken mit deuts foll, er tverde in diesem Fall die Kabinettsbildung Diener feines Staates gilt und gelten will, Müd- scher Mehrheit Not und Elend weit größer als in nicht übernehmen und daß der König zwiſchen sichten zunehmen und alles zu vermeiden den tschechischen. Deshalb haben wir uns bemüht, Abbankung und dem Appell an die Nationalso verfassungsmäßigen Rechte, eine sehr bedeutende hat, was seinem Kabinett untragbar erscheint. Die auf die Regierung und Verwaltung einzuwirken, der Ausschreibung von Neuwahlenschwanft. Rolle spielen fann, wenn er nur will, und daß Annahme einer Krone verpflichtet. Und wie ein damit hier nicht etwa nach dem BevölkerungsMan braucht laum zu erklären, daß die bei der Toderen Struttur des Empire eigentlich Prieſter, der die Gelübde geleistet hat, sich nachher schlüssel vorgegangen wird, sondern nach dem Verfassungskrise im Britischen Impes das ganze Gebäude des riesigen Weltreichs nur nicht über das Bölibat beflagen darf, fo lann im einaig möglichen Schlüffel bes rium im gegenwärtigen Augenblick ein Verdurch die eine Klammer, welche die Person des Grunde ein König, wenn er einmal den Thron be- tatsächlichen Bedürfnisse 3. Gehängnis werden kann, daß die friedliebenden Königs darstellt, rechtlich zusammengehalten stiegen hat, teine volle Freiheit in seinem Privatleben rade jetzt, da wir den Tiefpunkt der Krise überStreise der ganzen Welt ein brennendes Interesse wird. Eine Abdantung des Königs, vollends| mehr fordern. wunden haben, können wir auf die ganz außer
Baldwin
Whe
Der Kontinental- Europäer wird leicht in den Irrtum verfallen, in dem Streit zwischen dem Sabinett Baldwin und dem König ein Problem der Ebenbürtigkeit zu sehen, wie es so oft die deutschen und russischen Höfe beschäftigt hat. Dem ist aber nicht so. Das englische Recht schreibt dem König teine ebenbürtige Frau im festländischen Sinne vor. Aus Gewohnheitsrecht und Diplomatie wird er seine Frau meist aus einem der hohen Adelshäuser oder aus einem fremden. Herrscherhaus holen, aber grundsäglich kann er auch eine bürgerliche Frau wählen.( Auch die Mutter Eduards, Königin Mary, eine Prinzessin Ted, wäre etwa nach habsburgifchem Hausgefeß nicht ebenbürtig gewesen.) Es geht also nicht darum, daß der König eine bürgerliche Dame ehelichen will, sondern es geht um die wirklich berfaffungsteⒸtlime Frage, ob der König über sein Privatleben allein zu bestimmen hat.