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Nr. 146.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 3,30 Mt., monatl. 1,10 mt., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags­Nummer mit illustrierter Sonntags Beilage ,, Die Neue Welt" 10 Pfg. Posts Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Eingetragen in der Post- Zeitungs­Preisliste für 1899 unter Dr. 7820. Unter Kreuzband für Deutschland   und Desterreich Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat.

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Erscheint täglich außer Montags.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

16. Jahrg.

Die Insertions- Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Rolonel zeile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins­und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Pfg. ( nur das erste Wort fett). Inferate für bie nächste Nummer müffen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet. Fernsprecher: Hmt I, nr. 1508. Telegramm Adresse: " Socialdemokrat Berlin"

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Einladung.

Zu einem neuen Quartalabonnement auf den Vorwärts" laden wir hiermit unsere Parteigenossinnen und Parteigenossen ein, sowie alle diejenigen, die, ohne Socialdemokraten zu sein, an den öffent lichen Angelegenheiten ernsten Anteil nehmen, und die Bedeutung der augenblicklich in Deutschland   sich vollziehenden Krisis erfaßt haben. Wenn Caprivi  , der vorige Reichskanzler mit vollem techt sagen konnte: alle Gesetze sind nach der Wirkung zu beurteilen," die sie auf die Socialdemokratie haben" tönnen wir mit

Sonntag, den 25. Juni 1899.

Regierung und Volksvertretung.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Konfliktsluft?

In Ländern ohne Konstitution ist die Regierung unbeschränkt Der Groll über die Hinrichtung des geliebten Zuchthausgesetzes es giebt nur eine Souveränität, die des gottbegnadeten hat in den Centralverbändlern wollüftiges Sehnen erzeugt, Monarchen; der Wille der Regierung ist Gesez, und wer dem von Niederlage zu Niederlage zu schwelgen. Das Leibblatt der Krupp Willen der Regierung, d. i. des Monarchen, sich nicht fügt, und Bued kommt auf den Vorfall zwischen dem Reichstagspräsidenten wird mit Gewalt unterworfen oder erdrückt. Das Volk und dem preußischen Handelsminister ausführlich zurück. Es bes ist nichts, die Regierung alles. Solche Länder sind in Europa   streitet dem Reichstagspräsidenten das Recht, Mitglieder des selten geworden. Außer Rußland   und der Türkei   Bundesrats in ihrer Rede zu unterbrechen oder ihnen eine fennen wir kein europäisches Land, in dem das rein despotische Rüge zu erteilen. Es bestreitet auch dem Reichstage das Recht, sich Regierungssystem noch herrscht, und diese zwei Länder sind nach irgendwie mit taiserlichen Aeußerungen zu be­Ansicht aller gebildeten Menschen Länder, die außerhalb des faffen. Es erinnert an den Konflikt zwischen dem Präfi­dem Ministerium Bis­Bereichs der modernen Civilisation stehen. In allen übrigen denten des Abgeordnetenhauses und gleichem Recht sagen, die Krisis, Ländern Europas   ist das Princip der Bolts souveränität mard im Jahre 1868 und läßt sein Reichstagsärgernis in dem welche unser Vaterland jetzt durchläuft, ist nicht zu verstehen, ohne zur Anerkennung gelangt, und wird die Regierung entweder Scharfmacherwunsch austönen: daß man die socialdemokratische Bewegung versteht. Und diese Be- direkt durch das Volk und dessen Vertretung ausgeübt, wie wegung ist nicht zu verstehen ohne die socialdemokratische in den demokratischen Ländern: der Schweiz  , Frank Presse insbesondere das Centralorgan unserer Partei: den ,, Vorwärts"

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in Retten und Banden zu legen.

so

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Wir dürfen vertrauen, daß seitens des preußischen Staats­ministeriums nichts unterlassen werden wird, im Bundesrat eine entschiedene Stellungnahme herbeizuführen, sowohl gegenüber der parlamentarischen Kritik kaiserlicher Aeußerungen, als auch gegen­über den Versuchen, die Redefreiheit der Bundesratsmitglieder der parlamentarischen Hausdisciplin unterzuordnen."

reich, England, oder in Verbindung des souveränen Volks mit der Monarchie an der Spitze, wie das in den nichtdemokratischen Ländern, die aber nach einer, die Monarchen­Bei der Schwäche des deutschen   Bürgertums, das Souveränität einschränkenden Verfassung regiert werden, niemals vermocht hat, die bürgerlichen Freiheiten dauernd zu der Fall ist. Zu diesen Ländern gehören Oestreich, Der Bundesrat wird sich weislich hüten, den Ratschlägen der begründen, ist die Socialdemokratie in Deutschland   die Italien  , Spanien   und Deutschland  . Allein in Berliner Neuesten Nachrichten" zu folgen. Er hat kein Recht und Bannerträgerin der Freiheit geworden. Das wissen die souveränität und der Volkssouveränität besteht zwischen diesen nicht gegenüber einer Kritik kaiserlicher Aeußerungen. Bezug auf das gegenseitige Machtverhältnis der Monarchen- teine Möglichkeit, die Redefreiheit des Reichstags einzuengen. Auch Feinde der Freiheit, die Reaktionäre aller Art und darum Staaten ein sehr wesentlicher Unterschied. Während Ju tonstitutionellen Staaten liegt allerdings fein Anlaß vor, den suchen ste um jeben Preis die Socialdemokratie au in anderen Ländern die Regierung sich stets mit der Monarchen in die parlamentarische Debatte zu ziehen. Wenn aber * nebeln, und die deutsche Arbeiterklasse, aus der die Volksvertretung im Einvernehmen zu halten sucht und unsere Regierung ein Heraustreten des Kaisers aus den konstitutio­Socialdemokratie ihre Kraft schöpft, durch ein Buch thausgeset sich nach den Beschlüssen der den Beschlüssen der Volksvertretung richtet, nellen Schranken geschehen läßt, so ist die notwendige Folge, je nach diesen Beschlüssen sich umgestaltet, sich niemals daß auch der Reichstag   die sonst übliche Gepflogenheit nicht in offenen Gegensatz zu ihnen stellt, gilt tann  . es innehalten Der deutsche   Kaiser verschmäht häufig Wohl hat der Reichstag der Gesegesvorlage zur Bernichtung in Deutschland   als Regierungs- Ariom, sich um die Willens den konstitutionellen Schutz der Reichskanzlerverantwortlikeit des Koalitionsrechts eine schwere Niederlage bereitet, allein aus äußerungen der Volksvertretung nicht zu befümmern. Und im und greift mit sehr entschiedenen und scharf ge= der Welt geschafft ist die Vorlage noch nicht. Fall eines Konflikts wird entweder der Reichstag   auf spigten Meinungen in das politische Leben der Nation ein. Er hat So lange in Deutschland   das Junkertum die einflußreichste gelöst, oder, oder, wenn von einer Auflösung eine neue wiederholt den Reichstag   oder einzelne Parteien des Reichstags mit Partei im Staate, und infolge der Unvollkommenheit unseres Ver- Niederlage zu erwarten ist, die Willensäußerung des fritischen Pfeilen getroffen. Da ist kein Zweifel, daß der Reichstag  Partei im Staate, und infolge der Unvollkommenheit unseres Ver- Reichstags, welcher das deutsche   Volk vertritt, einfach Rede und Antwort stchen muß. faffungswesens im stande ist, eine politische Rolle zu spielen, zu der ignoriert. Es liegt auf der Hand, daß durch eine derartige Die Grenzlinie, die Graf Ballestrem den Reichstagsmitgliedern in es weder wirtschaftlich, noch moralisch, noch intellektuell berechtigt ist, Regierungspraxis Deutschland   thatsächlich auf ein gleiches der Besprechung kaiserlicher Aeußerungen gezogen hat, ist eng sind die Grundrechte des deutschen   Volks bedroht, Niveau mit den nichtkonstitutionellen Staaten gestellt wird. genug. Private und von Amtswegen nicht beglaubigte Aeuße­ist das allgemeine Wahlrecht und ist das Koalitions. Oder läuft es etwa nicht in der Sache genau auf das rungen des Kaisers liegen außerhalb der vom Präsidenten ge­recht in Gefahr. felbe hinaus, ob eine Regierung, wie das in Rußland   geschieht, stedten Grenze. Das Bemühen der Berliner   Neuesten Nachr.", in den Bapierforb wirft, oder ob sie die Beschlüsse eines nach aufzustacheln, dürfte keinen Erfolg haben, denn die Regierung wird die Beschlüsse des nur zum Ratgeben berufenen Senats die preußische Regierung gegen diese Anordnung des Präsidenten der Verfassung zur Teilnahme an der Gesetzgebung und ihr Conto mit einer schweren Blamage gerade in dieser Frage nicht zu gleichberechtigter Mitregierung berufenen Körpers, wie der belasten mögen. Verspürte fie dazu Lust, so hätte sie sicherlich schon deutsche Reichstag   es ist, als Makulatur für den Papierforb alsbald nach dem Unglücksfall des Herrn Brefeld Gelegenheit ge­betrachtet? Papierforb ist Papierkorb. Von den Russen hat nommen. Sie weiß aber, daß Herr Brefeld im Unrecht ein französischer Politifer gesagt: Man trage den Russen und war, und wird sich wohl hüten, auf der abschüssigen Bahn der der Tarbar kommt zum Vorschein. Von der deutschen Reichs. Berlegenheiten noch tiefer zu gleiten. verfassung kann man ähnlich sagen: man braucht sie nur zu fragen und das russische Regiment steht vor uns. Das russische Wesen des preußisch- deutschen   Regierungs­systems ist wohl noch niemals so flar zu Tage getreten, wie im gegenwärtigen Augenblick.

Für diese Grundrechte und für alle Rechte des Bolts kämpft in vorderster Reihe die Socialdemokratie und ihr Centralorgan, der " Borwärts". Und wer diese Stämpfe verfolgen will, dem können

wir nur das Abonnement auf den Vorwärts" empfehlen.

Die Zeiten sind niemals so ereignisreich und so wichtig für die Entwicklung der Menschen gewesen. Die bürgerliche Gesellschaft be­findet sich, nach einer ökonomischen Revolution ohnegleichen, in gährender Umgestaltung. Da heißt es, sich auf dem Laufenden halten, und die Entwicklung der Dinge in allen Einzelheiten zu ber­folgen. Der

,, Vorwärts"

Seit Jahren bereitet die Regierung eine Gesetzesvorlage bietet den Lesern nicht bloß alle Vorteile eines großen vor, deren Annahme durch die Volfsvertretung sie für eine politischen Blatteser hat es sich auch zur Aufgabe ge- politische Notwendigkeit erklärt, eine Vorlage, von der setzt, ja zur Hauptaufgabe, alle Phafen der Arbeiter- sie den Bestand der ganzen Staats- und Gesellschafts­bewegung zur Darstellung zu bringen, und sie im einzelnen Ordnung abhängig macht. Alles wird aufgeboten, um für diese und in ihrem Zusammenhang abzuspiegeln und zu be- Maßregel die Volksvertretung zu gewinnen. Und diese Maßregel ist von der Volksvertretung mit zermalmender Mehrheit ver­worfen worden.. Und nicht bloß verworfen. Nein als un­Die Arbeiterinnen und Arbeiter Berlins   rufen wir aber in staatsmännisch, als ein Attentat auf die Grundrechte des erster Linie an: Der Vorwärts" ist Euer Kampforgan der Voltes bezeichnet; die Befürworter der Maßregel in einer ,, Vorwärts" ist Eure Waffe je mehr Ihr ihn verbreitet, Weise angegriffen und mit einer Nichtachtung behandelt, desto mehr Macht hat Euer Organ, desto schärfer wie es Regierungsvertretern bisher kaum jemals wider­und wuchtiger ist Eure Waffe! fahren ist.

Ieuchten.

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Wahrt Euer Interesse! Und erfüllt Eure Parteipflicht!

Für den

Vorwärts"

mit feinem wöchentlich fünfmal erscheinenden

Unterhaltungsblatt

und der Sonntags Beilage

Die Neue Welt"

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nehmen sämtliche Berliner   Zeitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum

monatlichen Preise von

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Und diese Regierung hat nach ihrer beispiellosen parla­mentarischen Niederlage sich weder zurückgezogen, noch hat sie verkündet, daß sie einen Fehler begangen, den sie wieder gut machen wolle. Nichts von alledem. Sie thut, als sei gar nichts geschehen, als gäbe es feinen deutschen   Reichstag und tein deutsches Volt.

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Läßt sich ein russischeres Handeln denken? Höchstens daß in Rußland   die Reichstagsmehrheit vielleicht nach Sibirien  geschickt worden wäre. Aber ländlich sittlich. Ein Sibirien  haben wir nicht. Das ist vorläufig noch Zukunftsmusik.-- Und diese nämliche Regierung, freilich mit anderer Titulatur: als föniglich preußische Regierung, statt als kaiserliche Reichsregierung, beugt sich im preußischen Landtag vor den fräftiges Wort der Vernichtung überliefern würden. volksfeindlichen untern, bietet ihnen, die ein Ent­schädigungen" für den Fall, daß sie auf ihren Widerstand gegen eine im Interesse des Staates notwendige Maßregel verzichten die Güte haben.

1 Mark 10 Pfennig frei ins Haus. Für außerhalb nehmen sämtliche Bostanstalten Abonne  - zu ments zum Preise von

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lifte für 1899 unter Nummer 7820).

Die Redaktion des Vorwärts".

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des

Diefer Mangel an Rücksichtnahme auf den Reichstag  , der, nach allgemeinem Wahlrecht gewählt, den Willen deutschen   Volkes vertritt, und dieses Entgegenkommen gegenüber dem nach dem elendesten aller Wahlgesete" gewählten preußischen Landtag, in dem nicht der Willen des deutschen   Volks, sondern nur der einer rück­ständigen Minderheit zum Ausdruck kommt hierin spiegelt sich das Deutschland   des Zuchthauskurses.

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Keinesfalls würden derartige Versuche den Reichstag beirren. Der ganze Reichstag steht zu dem Verfahren seines Präsidenten gegenüber kaiserlicher Aeußerungen. Ausgenommen find nur jene parlamentarischen Parlamentsfeinde, welche unsere scheinkonstitutionelle Staatsform nur benutzen, um den Absolutismus vorzubereiten. Von der Linken des Reichstags ganz abgesehen, Centrum wie die Mehrheit der Nationalliberalen werden die Entmündigung des Reichstags, der die B. N. N." zustreben, nicht geschehen lassen. Die, National 3eitung" schreibt:

Je häufiger der Kaiser in die öffentliche Distussion eingreift, und je offenbarer es ist, daß solches Eingreifen unmittelbare politische Wirkungen hat -die Vorlage über das gewerbliche Arbeitsverhältnis ist doch unleugbar eine Wirkung der Reden von Bielefeld   und Dehn­hausen! so unhaltbarer wird bei uns die alte tonstitutionelle Regel, daß der Monarch außerhalb der politischen Debatte zu lassen ist. Durch ihre Befolgung würde unser öffentliches Leben zu einem großen Teil sich in eine leere Fittion verwandeln. Es ist sogar fraglich, ob die ziemlich willkürliche Unterscheidung des Grafen Ballestrem auf die Dauer haltbar sein wird, daß kaiserliche Neben nur dann Gegenstand der parlamentarischen Debatte sein dürfen, wenn über sie ein authentischer Bericht vorliege; denn es kann recht zweifelhaft werden, was als authentischer" Bericht anzu= sehen ist. Wir stimmen dem Minister Brefeld darin durchaus zu, daß es ein höchst unerwünschter Zustand ist, wenn im Parlament und wir fügen hinzu: in der Presse sozusagen mit dem Monarchen diskutiert wird; aber die Folge kann nur mit der Ursache, kaiserliche Kundgebungen wie die in der Rede von Deynhausen, ausbleiben.

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Und ähnlich spricht sich die Köln  . Volks atg." aus:

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Die streng tonstitutionelle Theorie verbietet allerdings die Hereinziehung der Person des Monarchen in den Parteikampf und die Parlamentsdebatten und will überall die Regierung vor ihn stellen. Allein, wenn der eine Teil sich nicht an die Theorie hält, kann man es doch auch von dem anderen nicht ver­langen. Der Kaiser will nicht immer durch den Reichskanzler oder seinen Minister gedeckt sein. Was hätten dann seine zahlreichen öffent lichen Reden für einen Zweck, wenn damit nicht auf das politische Leben eingewirkt, in den Parteikampf eingegriffen werden sollte? Spricht aber der Kaiser persönlich seine Meinung öffentlich aus, um auf andere Faktoren unseres politischen Lebens einzuwirken, so muß doch an irgend einer Stelle die öffentliche Antwort er­folgen fönnen. Will der Kaiser mit seinen Reden auf den Reichs­ tag   und seine Parteien einwirken, so muß im Reichstage doch gestattet sein, die entgegengesetzte Meinung auszusprechen und dar­zulegen, warum man die Ansicht des Kaisers nicht acceptieren tann."

Die B. N. N." suchen den Bundesrat aber auch gegen das Hausrecht des Präsidenten scharf zu machen. Das Blatt