Sozialdemokrat
8entralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartet in der Tschechoslowakischen Republik
Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh
17. Jahrgang
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Eine Welle europäischer Staatsbesuche
Telephon 53077 Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Rarl Rern, Prag Mittwoch, 24. März 1937.
Clano nach Belgrad Sandler in Paris , König Leopold in London Der Besuch des rumänischen Ministerpräsi- mittelbar betroffen erscheint. Aus allen diesen denten in Prag findet nicht nur in der Tschecho- Gründen darf man Tatarescus Prager Besuch slowakei und in Rumänien , sondern in ganz als ein Beichen der Festigung im Europa entsprechende Beachtung. Am Vorabend Donauraum buchen. der Konferenz der Kleinen Entente ist die lange
Augenzeugen- Bericht
über die Italiener- Niederlage
Einzelpreis 70 Heller( einschließt. 5 Heller Porto)
Aus dem Inhalt:
SdP organisiert ,, Alarmgruppen"
Betriebsbesetzung
und erfolgreicher Streik bei Pick- Oberleutensdorf
Gasdiebstahl- Ursache der Katastrophe von Tyler!
Nr. 71
Der jüngsten Sammlung interessanter und überzeugender Deutschland - Berichte der Sopade entnehmen wir folgende Darstellung:
Noch größerem Interesse begegnet aber wohl der Besuch des Königs der Belgier in London . Es ist bekannt, daß Leopold III. die Verhandlungen seiner Regierung über die Garantierung Belgiens durch die Nachbarmächte be= schleunigen möchte. Belgien wünscht eine Garantie von Frankreich , Deutschland und England, daß Nach der Auffassung verschiedener, von eines in keinem Fall Kriegsgebiet wird. Die Westmächte wünschen aber, daß diese Garantie nicht ander völlig unabhängiger, Beobachter ist ein Formen annehme, die es Frankreich und England Stimmungswandel in der Berliner Bevöl unmöglich machen würden, einem in Mitteleuropa ferung bis weit ins Bürgertum hinein festzustellen, Während der rumänische Staatsmann in angegriffenen Staat über Belgien rasch und uns wie er in diesem Umfange bisher nicht beobachtet Brag weilt und Ciano sich nach Belgrad begibt, mittelbar zu Hilfe zu kommen. Es handelt sich werden konnte. Wer sich zum Beispiel allein aus tommentiert die Weltpresse sehr ausführlich die also darum, wieweit sich Belgiens Verpflichtun- Beobachtungen in Berliner Kneipen ein Bild über Reise des schwedischen Außenministers nach Paris . I gen gegen den Völkerbund mit dem Wunsch nach die Einstellung der Bevölkerung zum Regime Sandler hat in Paris ebenfalls über toirt- bollkommener Neutralisierung in Uebereinstims machen wollte, der müßte zu dem Schluß kommen. schaftliche und politische Fragen, vor allem über mung bringen lassen. daß es kaum noch Anhänger des Naziregimes gibt. Es ist schon schwer geworden, sich von dem allge= meinen Geschimpfe fernzuhalten; man fällt auf, wenn mannichtschimpft. Dies ist der Fall, obwohl jeder, und insbesondere die Wirte berpflichtet sind, Beschimpfungen des Staates oder irgend eines Führers sofort anzuzeigen. Freiwil lige Denunziationen sind heute jedoch überaus selten geworden. Dafür nehmen aller bings die bezahlten 2odspitel zu. In der Bahn, auf den Märkten, in den Kneipen und in den Lebensmittelgeschäften fann man auf diese Achtgroscheniungens stoßen, die sich aber meist durch ein all- u provokatorisches Schimpfen tenntlich machen. Ez mögen genug Opfer dieser Lockspißel auf die Anklagebant und in die Gefäng nisse wandern, doch ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht halb so groß wie die des freiwilli gen Denunziantentums in den ersten Jahren des Hitlerregimes. Die Verhöhnung des Regimes oder feiner Führer vollzieht sich zum großen Teil in Formen, die von der Polizei schwer zu fassen find, z. B. in einem übertriebenen Byzantinismus. wenn man ettva von Göring als von unserem guten, lieben, füßen Göring " spricht, oder jeden Sab mit einer Berufung auf unseren unüber= Der Terror hält unvermindert an, seine Wirkung trefflichen und unerreichbaren Führer" einleitet. läßt nach, weil die freiwilligen Handlanger fehlen, auf denen ein großer Teil der Wirkung des Ter= rors der ersten Jahre beruhte. Außer dem umfangreichen Jockspißelwesen hat das Regime ein
Eine Depesche der tschechoslowakischen Spanien - Delegation
Die nach Spanien entsandte tschechoslowakische Delegation, der auch der DSAP- Sefres tär Ernst Pa u I angehört, telegraphiert uns unter dem 23. März aus Madrid : Die Arbeiter der ganzen Welt werden in den letzten Tagen die günstigen Nachrichten von der Guadalajara - Front mit tiefer Befriedigung vernommen haben. In zwei Tagen hatten wir TeleTschechoslowakischen Republik Gelegenheit, uns durch Augenschein von der Kampffituation im Gebiete
und gründliche Aussprache, die der führende Polisierten aus der The host Guadalajara selbst zu überzeugen. Wir waren ſtundenlang in der vor
titer Rumäniens mit einer Reihe tschechoslowatifcher Staatsmänner pflegt, von besonderer BeDer Hauptzweck Besuches
cus in Brag fit wirtschaftlicher aus Tatarts
vill seine Handelsbeziehungen zur Tschechoslowa tei ausgestalten, insbesondere tschechoslowakische Industrieprodukte in größerer Menge als bisher beziehen. Im Vordergrunde stehen ri st ung 3-
tedniid bigtige geen rüstung rumänische Armee bedarf in einer Zeit allgemeiner Aufrüstung neuen Materials und es ist nicht nur ein Beweis für das Ansehen und die Qualität unserer Rüstungsindustrie, sondern auch für die enge politische Freundschaft der beiden Länder, daß Rumänien vor allem die tschechoslowakische Industrie zur Lieferung heranziehen will. Daneben galt der Besuch Tatarescus dem ein Besuch des Handelsministere Constantinescu in Berlin paralIel geht aber selbstverständlich der Bespre= chung der Lage in Europa überhaupt undim Donauraum im besonderen.
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dersten Linie im Madrider Universitätsviertel und haben gesehen, daß sich der Bofitionen in heißen Kämpfen den Hafchiften abgerungen werden konnten. Wir haben vor allem die ganz ausgezeichneten Verteidigungsanlagen, die das bedrohte Gebiet der Stadt mit einem zwanzigfachen Gürtel von solidesten Barrikadenanlagen sichern, kennengelernt und wir fahen die glänzende Verfassung der in jeder Hinsicht militärisch difaiplinierten Truppe, die in diesem Abschnitt aus baskischen Kämpfern besteht. In tiefer Empörung haben wir die sehr gut belegten Mitteilungen entgegengenommen, daß in diesem Abschnitt deutsche Truppen den spanischen Freiheitskämpfern gegenüberstehen. Am heutigen Tage war es uns möglich, durch viele Stunden hindurch in und um Brihuega die in den letzten Tagen zurückeroberten Strecken zu besichtigen. Dort hatte der Stab einer italieni schen Division feinen Sit. Wir haben zahllose Beweise davon gesehen, daß dieses Gebiet ausschließlich nur von italienischen Truppen, und zwar nur von solchen der regulären ita lienischen Armee besetzt war. Wir werden diese Beweise nach unfe rer Rückkehr der Deffentlichkeit unterbreiten. Vor allem sahen wir das in ungeheuren Mengen erbeutete italienische Kriegsmaterial: Geschütze, Traktoren, Lastkraftwagen, Munition, Tanks usw.
Gegner nur noch in verzweifelter Weife in der Klinit zu halten perming, wir haben geſehen, wobe
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Auf der Nückfahrt überholten wir Italien er, die bereits aus eigener Entschlußkraft nach Mabrib fuhren. So hat fich Herr Muffolini wahrscheinlich die ,, Eroberung Madrids" nicht vorgestellt.
Erschütternde und begeisternde Szenen erlebten wir am geftrigen Abend. Eine Gruppe italienischer Gefangener, die in Madrid untergebracht sind, stimmte nach einer Ansprache das alte italienische Revolutionslied, Avanti popolan; nach langen Jahren der Knechtschaft konnten sie offen, obwohl gefangen, einen Revolutionsgesang in Freiheit erklingen laſſen. Sie haben eine S chlacht verloren, aber sie haben M u f f o l ini besiegt.
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auf dem Pavier lückenloses Beobachtungsnet durch das System der Blockwarte aufgebaut. Jeder Blodwart ist zur Berichterstattung über das Leben und Treiben der Hausbewohner verpflich= tet. Viele Blockwarte zeichnen sich aber durchaus nicht durch besonderen Eifer aus. Diejenigen, die getreu berichten, sind sehr bald bekannt und man sieht sich vor ihnen vor. Es ist ja auch im Grunde felbstverständlich, daß bei einem so ausgedehnten
Heberwachungsapparat, wie ihr bas Dritte Reich organisieren muß, die unteren und untersten Organe, die gar nicht oder nur schlecht bezahlt werden können, sich der allgemeinen Stimmung gar nicht entziehen können. So stark auch der Druck des Apparats auf sie fein mag, der tägliche und stündliche Druck der Mitbewohner des Hauses und der Kollegen im Betrieb muß sich auf die Dauer als stärker erweisen.
Die Funktionen der einzelnen Staaten der Kleinen Entente haben sich im Laufe der Jahre notwendigerweise geändert. Noch im Vorjahr sprach man davon, daß Rumänien die Brücke zu Italien, die Tschechoslowakei die Verbindung zu Rußland und Jugoslawien den Mittler gegenüber Deutschland darstelle. Heute steht Jugoslatvien unmittelbar vor einer engeren Verbindung mit Italien. Donnerstag wird Graf Ciano in Belgrad eintreffen und das Programm seiner Beratungen mit Stojadinovič umfaßt eine Reihe brennend wichtiger Fragen, vor allem auch die Probleme der kroatischen Emigration, der Ustaša, Eine Analyse der allgemeinen Mißstimmung Rom .( Ag. Stef.) Ministerpräsident Muf- Busammenarbeit sind, welche wir aufrichtig wün- gegen das Megime ist zur Zeit überaus schwer. der Adria- und der albanischen Frage. Andererfeits war zwischen Rumänien und Italien feit folini erſchien Dienstag gegen 11 Uhr auf dem schen und die wir durch unsere Handlungen ver- Teuerung, Rohstoff- und Lebensmittelknappheit, Balkon des Palazzo Benezia in Rom und hielt wirklichen. Man spricht davon, daß das italie- Mißstimmung wegen der allseitigen Reglemen= längerer Zeit eine Entfremdung eingetreten. Es ist bekannt, daß Belgrad sich heute in eine Ansprache an die versammelte Menge. Er nische Bolt leicht vergesse. Das iſt ein großer rierung, Kriegsangst all diese Gründe waren erster Linie für Balkan- und Mittelmeerfragen führte u. a. aus: Irrtum. Das italienische Bolt hat vielmehr ein vor einem halben Jahr auch schon wirksam. zum interessiert. Es hat sich an dem Ausbau der Der heutige Jahrestag( der Gründung der fehr gutes Gedächtnis. 40 Jahre haben wir auf Teil sogar stärker. Noch vor wenigen Wochen Baltan- Entente sehr attiv beteilig, hat seinen Faschistischen Partei) fällt gerade in die Zeit, da die Revanche für Adun gewartet, bis wir sie end- fonnte man von einer ausgesprochenen Kriegsewigen Frieden" mit Bulgarien gemacht und will wiederum einer der üblichen Stürme gegen das lich erreicht haben. Wenn jemand das vergessen psychose sprechen, die heute mehr einer latenten fich eben jetzt mit Stalien verständigen. An- großartige fafchiſtiſche Italien tobt. Es ist ein wollte, werden wir seinem Gedächtnis Kriegsangst gewichen ist. Auch die Lebensmitteldererseits ist die Tschechoslowakei weit mehr als Sturm von bedrucktem Papier. Italien aber nach helfen. Schwarzhemben, schloß Musso- knappheit, speziel Butterknappheit ist im Augen= etiva Jugoslawien an den Fragen der westeuropä- nimmt ihn mit unerschütterlicher Ruhe hin. Dem lini, vergeßt nicht und bleibt vorbereitet! blic weniger fühlbar als noch vor etwa vier ischen Sicherheit, am Ostpatt und an den Pro- Mißtrauen der anderen stellen wir unsere ehrWochen. Dennoch hat die Mi; it im mung blemen des mittleren Donau- Raumes interessiert. liche Loyalität entgegen. Dieser Sturm verdankt ohne Zweifel augenommen und breitere Rumänien nimmt heute, wie schon vor dem feine Entstehung den hysterischen und Weltkrieg eine Art 3 wischenstellung ein. unaufrichtigen Rebekünften berLondon( Reuter.) Nachdem der Unter- her, ist nicht mehr an einen aerade aktuellen An= reise erfakt. Außerdem geht sie tiefer als friiEs wird immer an den Ballanfragen und den jenigen, die stets geneigt sind, den Splitter im ausschuß für die Nichteinmischung befchloffen lak gebunden, richtet sich vielmehr gegen die be= Problemen des Schwarzen Meeres interessiert Auge des Nächsten, nicht aber den jahrhunderte- hatte, die Frage der Mobilisierung des Goldes der stehenden Verhältnisse überhaupt, gegen das ganze bleiben, aber es gehört doch weit weniger zum alten Balken im eigenen Auge zu sehen. Italien Balencia- Regierung einer besonderen technischen Regime, gegen die Bonzokratie im allgemeinen Ballan und zu den Mittelmeerstaaten als Jugo- antwortet auf die Lügen und Angriffe Subkommiffion zuzuweifen, erklärte Botschafter ebenso wie gegen die einzelnen groken und Heinen ſlawien. Die Sicherheitsprobleme im Osten sind durch seine unwiderleglichen Wahrheiten. Wir Grandi, daß die italienische Regierung derzeit Führer". Hitler eingeschlossen. Lekteres unters für Rumänien überaus wichtig. Für uns hat haben nem Monate lang der wirtschaftlichen Be- nicht bereit fei, auf eine Debatte über die Ab- fcheidet die Situation wesentlich von früheren Rumänien eminente Bedeutung als Brücke zu lagerung getroht, die damit geendet hat, daß sich berufung der Freiwilligen einzugehen. Der Vor-„ Meckerperioden"." Der Führer" wird Rußland, aber auch als der an Del und Getreide die Belagerer ergeben haben. Es muß laut auß- fikende des Ausschusses Lord Plymouth erklärte nicht mehr von der kritikausgenoma reichste Nachbarstaat. Die jetzt häufig diskutierte gesprochen werden, daß diese neue von berufs- hierauf, daß die dadurch entstandene Lase als men. Er hat zu oft selbst seine Verantwortlich Busammenarbeit an der mittleren Donau, also die mäßigen Pazifisten ins Werk gefekte een ft anzufchen sei und daß er sie selbst mit feit für alle Vorgänge in Nazi- Deutschland er= Annäherung awiſchen Desterreich und Ungarn Kampagne berorbereitung neuer feiner Regierung beraten müsse. Der Unterans- lärt. Jest wird er von den Massen beim Wort einerseits, der Tschechoslowakei andererseits, ist se om plitationen und Konflikte dient, was ausschuß beschloß, Dienstag abends neuerlich zu nenommen. Das ist, wenn es sich durch eine ohne Teilnahme Rumäniens faum vorstellbar, newerlich ein Beugnis dafür ablegt, daß diese fammenzutreten und einen offiziellen Bericht aus- etwas längere Periode bewahrheiten sollte, von während Jugoslawien in diesen Dingen nicht un- Herren Feinde des Friedens und der europäischen zuarbeiten. grundsäßlicher Bedeutung. Es würde nämlich be
Italien spielt Hasard