Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik
Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller
17. Jahrgang
Hodža bel Delbos und Baldwin
London.( Havas.) Der tschechoslowafische Ministerpräsident Dr. Milan Hodža befuchte Donnerstag um 11 Uhr den franzöfifchen Außenminister Delbos. Um 12 Uhr 30 min. wurde Dr. Hodža von dem Vorsitzenden der bri tischen Regierung Stanley Baldwin empfangen.
London . Ministerpräsident Dr. Milan Hodža hatte Donnerstag nachmittags eine Aussprache mit dem englischen Finanzminister Newille Chamberlain.
Spina im ,, Manchester Guardian" über das Feber- Abkommen
Die große englische Zeitung ,, Manchester Guardian" veröffentlicht einen ausführlichen Artikel Ministers Spina über das nationale Problem in der CSR . Wir zitieren im Nachstehenden den Schluß dieses Artikels:
,, Wir deutschen demokratischen Aktivisten haben bei der Aufstellung unserer Forderungen unsere Hauptaufgabe darin erblickt, den schöpferischen Willen des tschechischen Partners zugunsten der praktischen Lebensnotwendigkeiten des Sudetendeutschtums zu mobilisieren. Das ist kein papierener Ausgleich, wie er im alten Staat vergeblich versucht worden ist. Das ist mehr, das ist Demokratie und Verfassung ins Leben umgesetzt, das ist, wenn man die Gegebenheiten des tschechoslowakischen Staates berücksichtigt und anerkennt, die restlose Ver wirtlichung der Politik des Möglichen, das ist Versöhnung von Volksund Staatsinteresse mit dem Ziel der Stärkung der Staatsidee in der deutschen Bevölkerung.
Von diesen Grundlagen ausgehend, umfaßt unier Abkommen erhöhte Arbeitsbeschaffung im deutschen Krisengebiete, verstärkte Heranziehung des deutschen Elementes im Staatsdienst nach)
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Telephon 53077
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Ein Schuß im Parlament
Arbeitsloser schleßt nach Sitzungsschluß von der Galerie gegen die Decke
Pra g. Donnerstag nachmittags um 4 Uhr kam es unmittelbar nach Schluß der Plenarfitung im Sihungsfaal des Abgeordnetenhauses zu einem aufregenden Vorfall. Der Vorsitzende Malypetr hatte gerade den Schluß der Sigung verkündet und war ebenso wie die meisten Abgeordneten eben im Begriff, den Saal zu verlassen, als auf der für Zuhörer reservierten mittleren Galerie in der ersten Reihe ein Mann auffprang, einen Revolver zog und einen Revolverschuß gegen die Decke abgab. Dabei rief er in den Saal:„ Die Hälfte von euch find Korruptionisten und die Hälfte Lumpen!" Auf die Detonation hin eilten sofort Parla mentsbedienstete hinzu, die den Mann abführten. Er wehrte sich nicht und ließ sich den Revolver widerstandslos wegnehmen.
Es handelt sich um den 33jährigen ledigen Müllereiarbeiter František Šebek aus. Podol bei Ungarisch- Hradisch, der derzeit arbeitslos ist und im Joaneum in Prag II wohnte. Sebek kam vor zwei Monaten nach Prag .
Beim Verhör gab er an, daß er durch den Schuß auf sich aufmerksam machen wollte. Mit einem weiteren Schuß habe er Selbstmord verüben wollen, doch versagte der Revolver. Dann änderte er feine Aussage und erklärte wieder, er habe gegen die Wirtschaft der Monopole und Kartelle protestieren wollen.
Der Schuf wurde aus einem sechsschüssigen Trommelrevolver abgegeben, den Šebek seinem letzten Arbeitgeber entwendet haben will. Die Kugel prallte offenbar an der Decke ab und fiel dem Abgeordneten Topoli, der sich auf seinem Platz in den agrarischen Bänken befand, auf den Arm und dann zur Erde. Der Gewerbeparteiler Jira čet hob die Kugel auf und übergab sie dem Präfidium.
Aus dem Inhalt:
Der Luxuszug- für privaten Bonzentransport?
Der Leitmeritzer Prozeß
Nr. 113
Gedenktag der Demokratie
Heute jährt sich zum dreißigsten Male ein bedeutungsvoller Tag: Am 14. Mai 1907 schrit= ten die Arbeiter Oesterreichs zum erstenmale als gleichberechtigte Staatsbürger zur Wahlurne und errangen einen glänzenden Sieg. Die dreißigste Wiederkehr dieses Tages ist wohl Anlaß zur Erinnerung und Besinnung.
Der Kampf um das allgemeine, gleiche Wahlrecht ist so alt wie die Sozialdemokratie. Als 1862 Ferdinand Lassalle auftrat, um die deutsche Arbeiterschaft auf die Bühne der Ge schichte zu bringen, rief er sie mit flammenden Worten zum Kampfe um das gleiche Wahlrecht auf. Tatsächlich gab der preußische Junker Bismarck den Deutschen dieses Recht, um die Massen des Reiches an dieses zu fesseln und die separati fchen Gelüste von Adel und Bürgertum zu zügeln.
Die Arbeiter Oesterreichs besaßen das Recht, in die gesetzgebenden Körperschaften wäh len zu fönnen nicht und so begannen sie den Kampf um dieses Ziel, kaum daß der Ausnahmszustand beseitigt war. Seit 1891 führten sie den Strieg darum, aus politisch rechtlosen Menschen Bürger zu werden, die Einfluß auf die Staatsgewvalt haben, es begann ein Ringen,„ tvie demfelben wenige politische Feldzüge zur Seite gestellt werden können"( V. Adler).
Schon 1893 schien es, als ob der Sozialdemokratie ein Erfolg beschieden wäre, die Regierung Taaffe brachte einen Wahlreformentwurf ein. Bevor aber diese Reform beschlossen war, Regies
Der Vorfall erregte im Parlament begreiflicher Weise größtes Aufsehen. Der Täter, der den Eindruck eines geistig nicht ganz in Ordnung befindlichen Menschen macht, wurde zunächst in bie im Barlament befindliche Polizeiwachstube wir dann auf das Polizeikommiffariat in der wurde dieſe Josefsgaffe gebracht. Die Untersuchung feines Geisteszustandes wurde bereits angeordnet.
weitgehende kulturelle Zugeständnisse und Erleichterungen des Sprachenverkehrs. Eine Frucht
unferes Abkommens ist auch die letzte große polis Von den Aufständischen torpediert? Regierungskreuzer bringt Hilfe
tische Amnestie des Staatspräsidenten.
Dieses Abkommen, in welchem zum ersten.mal seit Bestand des Staates des schöpferische Bille auf tschechischer Seite zugunsten deutscher Lebensnotwendigkeiten mobilisiert wurde, ist als ein großer Befriedungsplan gedacht, dessen Wirkungen nicht nur für die Tschechoslowakei , sondern für die ganze europäische Demos tratie von größter Bedeutung fein werden. Wird dieses Abkommen in demselben Geist, wie es Ministerpräsident Hodža bisher tatfräftig ins Wert gesezt hat, vollinhaltlich und ehrlich durchgeführt, dann wird es die historische Mission der Tschechoslowakei , ein Wall der Demokratie in Mitteleuropa zu bleiben, ungeheuer stärken. Und je länger und unerschütterter diese tschechoslowakische Demokratie sich in Europa halten wird, um so größer werden die Chancen jener europäischen Demokratien, die von den gleichen Gefahren und Verwicklungen bedroht sind wie
London.( Neuter.) Auf dem britischen Torpedobootzerstörer Hunter", der in den füdspanischen Gewässern unweit Almeria den Nichtinterventions- Kontrolldienst versicht, ereignete sich eine Explosion, deren Ursache noch nicht festgestellt wurde. Der Torpedobootzerstörer wurde oberhalb der Wasserlinie beschädigt. Der Torpedobootzerstörer der spanischen Regierung Lazaga" schleppte ihn in den Hafen von Almeria ab.
Die Explosion foll entweder durch eine Mine oder durch einen feindlichen Akt eines Flugzeuges der Aufständischen verursacht worden sein.
In den Docks von Gibraltar herrschte reges Treiben und es ist nicht ausgeschlossen, daß noch Donnerstag einige Kriegsschiffe aus Gibraltar ausfahren.
Bei der Explosion sind zwölf Matrofen verletzt und drei getötet worden.
Madrid . Union - Radio meldet, daß der britische Zerstörer von einem Schiff der Aufständischen torpediert wurde. Der republikanische Kreuzer Jaime I." eilte dem beschädigten britischen Kriegsschiff zu Hilfe, nahm alle Verletzten an Bord und schleppte dann das britische Schiff in den Hafen von Almeria ..
unfer Staat. Darum dient das große intereffe: Ciano: Die Achse Rom- Berlin
das jeßt insbesondere die englische Deffentlichkeit der Frage des demokratischen. Sudetendeutschtums entgegenbringt, nicht nur der Tschechoslowakei , sondern der gesamten friedlichen Entwicklung Europas . In diesem Sinne freuen wir fudetendeutschen Aktivisten und Demokraten uns, daß die Tschechoslowakei für die englische Deffentlichfeit interessant geworden ist Ind hoffen, daß sie es auch weiterhin bleiben wird. Und darum begrü ßen wir demokratischen Sudetendeutschen , die wir die verantwortlichen Träger unseres Volkes in der Prager Regierung sind und bleiben wollen, dieses Interesse mit besonderer Herzlichkeit und mit
besonderem Dant."
keine Scheidewand
Rom . Außenminister Graf Ciano hielt| Funktion Tag und liegt nicht in unserer Absicht Donnerstag in der Kammer eine große außen- und ebensowenig in den Wünschen und Möglich teiten Desterreichs." politische Rede, in der er u. a. sagte:
rungen zwischen 181918.
Drei Jahre später wurde unter der Regierung Baden i eine Wahlreform beschlossen, die den Arbeitern eine fünfte Surie neben den vier Kurien der Besißenden bescherte. Die Wahlen von 1897 brachten 14 sozialdemokratische Abgeord= nete ins Parlament. Die Arbeiterschaft hatte sich
längend geschlagen, war aber bald enttäuscht, weil die paar sozialdemokratischen Abgeordneten am Charakter des feudal- bürgerlichen, von nationalen Kämpfen zerfressenen Staates naturgemäß nicht viel ändern konnten. So erlitt die Sozialde= mofratie schon 1901 eine Wahlniederlage, nur
noch elf Sozialdemokraten blieben im Wiener Parlament und es gelang nicht gleich den Kampf um das gleiche Recht neu zu beginnen.
Erst die Ereignisse in Rußland und Ungarn belebten wieder den Wahlrechtskampf, der Parteitag Ende Oktober 1905 forderte unter dem Eindruck der russischen Revolution ungestüm die völlige Erfüllung der Forderung nach dem glei chen Wahlrecht und drohte mit dem Massenstreik. Am 28. November 1905 wurde der Proteststreik durchgeführt, die Massen marschierten auf, Oesterreich schien am Rande des Bürgerkriegs zu stehen. Da gaben Kaiser, Adel und Bürgertum das Spiel auf: am 26. Jänner 1907 unterschrieb derselbe Franz Josef , der 1849 den Kremsierer Reichstag auseinandergejagt und die Verfassung außer Straft gesetzt hatte, das allgemeine, gleiche und ge= heime Wahlrecht.
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Am 14. Mai 1907 vor dreißig Jahren war der Wahltag, der zu einem Siegestage der österreichischen Sozialdemokratic wurde. 995.937 sozialdemokratische Stimmen wurden abgegeben, hievon 511.760 für die Kandidaten der deutschen Sozialdemokratie. 27.4 Prozent aller deutschen Wähler hatten sozialdemokratisch gewählt. 87 Mann start zog die Sozialdemokratie in das Wiener Barlament ein.
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Entwicklung dazu geführt, daß die Politik des Bei mehr als einer Gelegenheit habe die Beginnender Katzenjammer Die so errungene Gleichstellung der Bürger faschistischen Italien und die des nationalsozialiBaris. Der öffentlichen Meinung in Italien aber konnte kein sofort sicher wirksames Heilmit= stischen Deutschland auf zwei paral bemächtigt sich nunmehr ein Gefühl der Getel gegen die Krankheit des Staates sein, sondern lelen Linien sich entfaltet habe. Diese Pa- drücktheit. Die Blätter sprechen systematisch nur ein erster Schritt zur demokratischen Umgerallelität habe noch durch die persönliche Fühlung von einer hinterlistigen Kampagne", melden staltung Desterreichs, zum staatlichen Umbau der nahme führender Persönlichkeiten der beiden Län- Anzeichen von gegen Italien begangenen Belei- Monarchie. Die Herrschenden in Oesterreid- der ihre Bestätigung und Festigung erhalten. digungen“,„ von Manövern von Feinden Ita- Sof. Adel und deutsches Bürgertum, lektere die An unsere Doch erklärte Ciano dann ausdrücklich: liens", ohne sich in das Wesen der Sache einzu- Vorgänger der SdP haben das nicht begrif Kolporteure, Wir haben keinen Block gebildet. Das poli: lassen. Die plößliche Abberufung der italienischen fen. Nach dem kurzen Zwischenspiel der parlamen Abonnenten und Leser! yſtem, das von Rom nach Berlin geht, ist Journaliſten aus London wurde damit erklärt, tarischen Regierung Bec( 1906-1908) folgten eine Achse und nicht eine Scheidewand." Die daß die britische Presse systematisch eine feind die bürokratisch- absolutistischen Ministerien BieAnläßlich der Pfingstfeierbeutsch- italienische Zuſammenarbeit werde in felige Stellung gegen Italien eingenommen habe. nerth und Stürgth, welche vermeinten das Land tage entfällt unsere Diens einem Geiſte fortgeführt werden, der keiner Allgemein überwiegt der Eindruck, daß der lekten genau so regieren zu können, wie Windischgrät weiteren Protokolle bedürfe. Sie werde Geste weitere folgen werden und daß und Bach und in Wirklichkeit der Monarchie das tagausgabe vom 18. Mai. Die nächste Ausgabe erscheint dann nicht nur auf dem Gebiet der Politit, sondern etwas geschehen werde, ohne daß man Grab schaufelten. Sie steuerten, wie der Vorgän zur gewohnten Stunde am Mitt auch auf dem der Wirtſchaft durchgeführt werden. weiß, was und wie es sein wird. Nach dem Be- ger Henleins, Karl Hermann Wolf, dem DeutschBum österreichischen Problem sagte Ciano fuche des deutschen Außenministers Neurath in tum einzureden versuchte, einen„ deutschfreundu. a.: Wer die Freundschaft zwischen uns und Stalien erwartete man, daß eine internationale lichen" Kurs, der in Wirklichkeit die Deutschen in Desterreich in antideutscher Funktion sehen wollte, Entspannung eintreten werde. Das ist nicht die Katastrophe führte. Mit denselben Methoden mag diese Hoffnung fahren lassen. Eine solche geschehen. will man die Sudetendeutschen beglücken, der Weg
woch, den 19. Mai.
Die Verwaltung.