Seite 2 Donnerstag, 8. August 1937. Nr. 182 Vie Japaner fühlen sich„bedroht“ — und greifen zu Lande und zur See weiter an! Neuer Terrorakt in Irland Belfast . Dienstag drangen bewaffnete und maskierte Männer, die der Revolutionären Irisch-Republikanischen Armee angehören sollen, in die Wohnung des Innenministers Sir Dawson BateS ein, hielten das Personal mit Revolvern in Schach und plünderten den Biiroraum. Angeblich sollen die Männer nach Dokumenten gesucht haben, die einen Plan für die Unterdrückung der Republikaner enthalten. ginn 1938 der Index der Jndustrieiverte noch auf 119 stand(1927—199), schnellte er 1936 und 1987 von Monat zu Monat empor und ftehr jetzt aus 299. Diesem Galopp der Profite gegenüber ist die Bewegung der Löhne nicht einmal ein langsamer Trab. Der durchschnittlich mittlere Tagesverdienst des Arbeiters lvar laut Bericht der Zentralsozial-Versicherungsanstalt 1929 XL 19.11, er fiel dann bis 1936 auf 16.93 und ist bis Juni 1937 erst auf Xi 17.98 gestiegen, ist also noch tief unter jenem des letzten Konjunk- t urjahres. DahdieArbeiterdaSLohn« niveauvon1929 erreichen, ist eine Mindestforderung, auf welche die Unternehmer umso eher eingehen könnten als doch die Rationalisierung feit 1929 wieder Fortschritte gemacht hat, also weniger Arbeiter dieselben Warenmengen erzeugen, derLohn daherin den Erzeugungskosten eine geringere Rolle spielt. Dabei leben wir in einer Zeit ansteigender Preise, wodurch bei gleichbleibenden Löhnen eine Einschränkung der Lebenshaltung eintreten mähte. Der Index der Lebenshaltung einer Arbeiterfamilie in Prag betrug im Mai 1984 684, im Mai 1986 696, im Mai 1936 714 und im Mai 1987 717. Die Ar- beiterfchaft würde selbst auf ihre Verelendung hinarbeiten, wenn sie dieser aussteigenden Wirt- schaftSentwicklung und den steigenden Preisen gegenüber nicht mit Lohnforderungen auf beu Plan träte und diese durchzusehen trachtete, zunächst auf dem Wege ihrer Gewerkschaften durch Verhandlungen— wenn aber diese an der Einsichtslosigkeit der Unternehmersekretäre scheitern, durch Streiks. Gewiß hat das Blatt, auf das wir uns beziehen, recht, wenn es behauptet, dah Streiks in Exportindustrien unserer Ausfuhr schaden und dah durch den mehrwöchentlichen Streik der Handschuhmacher unser Absatzmarkt gefährdet ivird. Diesen Gesichtspunkt werden die Handschuharbeiter nicht aus dem Auge verlieren— aber er gilt auch für die Unternehmer. Diese brauchen nichts anderes als ihre primitive menschliche Pflicht zu erfüllen, damit der Streik beendet werde und unser Handschuhexport nach England ungehindert vor sich gehe. Die Arbeiter verlangen nichts unmögliches, sie wollen menschlich leben und einen bescheidenen Anteil an der Konjunktur haben. Die Arbeiterklasse mühte sich selbst ausge- üen, wenn sie es verlernte für ihre Grundrechte zu kämpfen. Und die Wirtschaft unseres Landes und der Welt könnte nicht bestehen, wenn die Masse der arbeitenden Menschen nichts kaufen könnte und elend dahin vegetierte. Alle Reiche in der Geschichte, welche ihre arbeitenden Klassen haben verkommen lassen, sind zugrundegegangen. Indem die Arbeiter für sich ein besseres Leben erkämpfen wollen, kämpfen sie für die ganze Menschheit und den Fortbestand unserer Kultur. Tokio.,(HavaS.) Meldungen zufolge, I welche aus China einlangen, wird di« Situation' für die Japaner in ganz China von Tag zu Tag gefährlicher. Im Flußgebiet deS Bants« steht das japanische Geschäft vor dem Verfall. Chinesische Wirtschaftskreise boykottieren die japanischen Ware»» und verkündeten ein Moratorium für die Gläubiger der Japaner. Die japanischen Handelsgesellschaften erlitten bereits unermeßliche niaterielle Schäden. Die chinesischen Angestellten nnd Arbeiter verließen massenweise die japanischen Arbeitgeber. Die japanische Bevöl- kenmg und die Konsularbeamten verlassen die im Innern Chinas gelegenen Städte und ziehen sich, nach Hankau oder Shanghai zurück. Dienstag lief in Tokio auch die Nachricht«In, daß einige Führer der chinesischen bolschewistischen Armee in den nächsten Tagen in Nanking eintreffen werden, um mit der chinesischen Zentralregiernng einen Plan für die Zusammenarbeit der chinesische « und roten Armee, falls«S zu einem Zusammenstoß mit Japan kommen sollt«, anSzuarbeitm. ES verlautet, daß die chinesische rote Armee in die Provinzen Schönst und Sujjuan einmarschieren wird, von wo aus sie sodann nach Dschrhel ihren Bormarsch fortsetzen wird, um dort den Japanern in den Rücken zu fallen. Nanking. Nach hier vorliegenden iklel- dungen sollen in Nordchina starke japanische Truppenverstärkungen angekommen sein. Die im Hafen von Tsingtau liegenden japanischen KriegSschifse haben Landung»korp» auSgebootet, die durch die Stadt marschierten. Salamanca.(Havas.) Dienstag veröffentlichte das diplomatische Kabinett in Salamanca eine, Note, in der mitgeteilt wird, dah aus Anlaß des Besuches des Prälaten Msgr. Antoniutti, der vorige Woche in Salamanca eintraf, um Ge neral Franco seine Aufwartung zu machen, beschlossen wurde, einen offiziellen diplomatischen Vertreter der Franco-Regierung mit dem Titel eines ChargL d'affaires und bevollinächtigten Ministers beim Hl. Stuhl zu ernennen. Zum ChargL d'affaires der Franco-Regierung beim Vatikan wurde Pablo Churrluca ernannt. . Stadt des Vatikan ».(Havas.) Das AgrLment, welches der Heilig«. Stuhl. dem-Vec- tceter der Franco-Regierung, P. Churruca, Marquis von Aycinema, erteilt hat, ändert in Wirklichkeit nichts an den Beziehungen, di« zwischen dem Vatikan und General Franco bestehen. Chur « ruea ist als ChargL d'affaires bloß der Nachfolge r des Admirals Magaz in der Betrauung durch die Franco-Regierung. Der Hl. Stuhl hat Admiral Magaz als nichtoffiziellen Vertreter betrachtet. Man kann demzufolge derzeit keineswegs von einer Aner- kencnung der Franco-Regierung durch den Hl. Stuhl sprechen. Interessant ist die Nachricht über die Abreise des Msgr. Antoniutti in da» von Franco Shanghai. Nach einer Meldung au» Nanking haben bei Fulinchen, etwa 38 Kilometer fiidlich von Tientsin, Gefechte zwischen chinesischen und japanischen Truppen stattgcfunden. In chinesischen Kreisen will man a«S diesen Meldungen erkennen, daß die Japaner ihre Sicherungslinien nach Süden verschieben. Japanische Flugzeug«, so wird weiter berichtet, hätten mehrere Bomben auf Tsinghai und Tangkuanttun an der Strecke Tientsin—Tsinan abgeworfen. Wie die chinesische Press« meldet, sind vor Sw,ata« neun japanische Kriegsschiffe eingetrosfe«. Die Stadtver- waltung hat da» Standrecht verhängt und die See- und Landvefestigungen verstärken lassen. Auch vor A m o y liege» nach chinesischen Meldungen drei japanische Kriegsschiffe. Japan Ittßt slch's was kosten T o k i v. DaS Kabinett beschloß Mittwoch, dem Reichstag einen weiteren zusätzlichen Haushaltsvoranschlag in Höhe von 410,009.009 Aen mit Rücksicht auf den Nordchina-Konflikt vorzulegen. Damit haben die bisherigen Kosten der vierwöchigen Rordchinaaktion 81 7 M i l i o- n t« Ben<rund 6 Milliarden XL) verschlungen, bzw. rund 29 Prozent deS Gefamt- hauShalteS deS laufenden JahreS. Bon diesen zusätzlichen ReuauSgaien sind etwa 199 Millionen durch neue Steuern gedeckt, der Rest wird durch Staatsanleihen aufgebracht. befehle Gebiet Spaniens , doch wollen die vatikanischen Kreise diese Reise mit der Ernennung des Marquis von Aycinema in keine Verbindung bringen. Die Aufgabe Antonlütiis besteht lediglich darin, die Interessen der baski schen Katholiken zu betreuen, welche nach dem Falle Bilbao » vor eine neue Situation gestellt sind. Seine Vollmachten lönnen etwa: mit der Stellung eines apostolischen Legaten verglichen werden. Seine Beziehungen zu der Franco-Regierung können, wie informierte vatikanische Kreise betonen, in keinem Falle diplomatischen Charakter, erhalten. Außerdem Wird, ja der Hl. Stuhl durch den KgMnal Soma y Tomas offiziös bei Franco vertreten. Besonders klar erscheint die rechtliche und diplomatische Sitnatio»«ach diese» Enunziationen mm keineswegs. Offenbar hängt die Entsendung de» Legaten und die Ernennung eine» Geschäftsträgers Franco » in Rom doch mit der merkbaren Schwenkung zusammen, die Franco innen- und außenpolitisch vollzieht und der eine entsprechende Wendung auch in gewisse» Hauptstädte» de» Ausland«», vor allem i» London entspricht. Daß der Vatikan i« Gegensatz zu de« Kabinetten von Rom und ver- li» die angeblich so streng katholische Regierung von Burgo»-Salamanca bisher nicht anerkannt hatte, Vatikan und Franco Geschäftsträger ausgetauscht, aber„nicht offiziös" Intervention für die Basken oder de jure Anerkennung? Roman von L Pringsheim Dann standen sie ganz still vor der Leiche. Und ihre Augen konnten sich kaum von dem seligen fremdartigen Lächeln dieses sonst so pedantischen, nüchternen Beamten wegwenden. Jeder verstand auf seine Weise, daß da eine unantastbare Welt respektiert werden muhte. Und daß niemand das Recht hatte, diese Welt der Oeffentlich- keit und dem Klatsch preiszugeben. Man hörte Mirzas Schluchzen. Frau Hardt ging leise hinüber und küßte das völlig gebrochene Mädchen, welches ihr zögernd folgte, um dann still und unentwegt die Leiche anzuschauen. Mirza konnte sich von dem Lächeln, dem einzigen und letzten ehrlichen und schönen Geschenk eines Mannes, nicht trennen. Dann mühten sie sich ab, dem leblosen Körper einige Kleidungsstücke anzuziehen, hüllten ihn in eine Decke und unter Assistenz von Frau Hardt trugen beide Männer den Leichnam hinunter in den Vorraum hes Arztes/ wo er sorgsam auf einen Diwan gebettet wurde. Den Ort des Todes nicht zu nennen, war heilige Pflicht. Und auch bei Frau Hardt besiegte der Respekt den Triumph über eine Niederlage der Witwe. Kurz darauf läutete der Arzt bei Glasers» das schlaftrunkene Mädchen öffnete. Frau Franzt war erst sehr spät von einem entzückenden Zusammensein mit ihren Freundinnen heimgekehrt. Da» Mädchen muhte den Bericht totmüde mit anhören und auf die Bemerkung, daß der Herr noch gar nicht heimgekehrt sei," wurde unter der Nachwirkung von Kaffee, Likör,"Mehlspeisen und Schlagebers, Reden und Lachen kaum hingehört. Wahrpeinlich eine Nachtsitzung im Amt. Nie kam»Frau Franzi der Verdacht, ihr Mann könne ihr untreu werden. Sie war zunächst viel zu viel mit"sich beschäftigt. Ferner hatte dieser stille, ernste, langweilige Mann auch nie den geringsten Zweifel an seiner absoluten'Korrektheit zugelassen. Franzi selber war viel zu unbedeutend und temperamentlos, um den Pfad der Tugend zu verlassen, den ihre kleinbürgerlichen Eltern ihr vorgeschrieben hatten. Ebenso hinderten sie ihre Berechnung und Bequemlichkeit vor einer Extravaganz, da sie genau wußte, daß sie jetzt nie wieder einen Mann finden würde, welcher ihr ein derartig schöne» Leben bieten konnte. Für die Abgeschlossenheit ihre» Mannes hatte sie ja Ersatz in ihrem Kreise gefunden. Einige Aufregung verursachte heute Nacht der mit Schlagobers überfütterte Mops, welcher sich übergab. Finni mußte ihm Lindenblütentee kochen und ihm einen warmen Leibwickel verabreichen.»Wissen Sie," sagte Frau Franzi ängstlich besorgt,»da» arme Viecherl hat so traurig nach den Mehlspeisen geschaut. Wir haben nicht das Herz gehabt, ihm sie zu verbieten. Und Schlagobers ist doch seine LieblingSspeise. Meine Freundinnen alle haben ihm eUvaS abgegeben, und schließlich ist e» halt doch etwas zu viel geworden. Das arme, arme HunderlI" Dann beugte sie sich über seinen Korb, wo der Mop» träge schnaufend, nach Lindenblütentee riechend und im Leibwickel dampfend, lag.»Viecherl, Golderl, Herzerl, schlaf güt— wenn dir nochmal übel wird, dann bellst du— waudi waudi— dann kommt die gute"Finni und hilft dem Hundi Hundil" Nachher ließ sich Frau Franzi ihre bewährten Schlankheitsbandagen umlegen, verlangte gestrickte Bettschuhchen, da sie Wärme wegen der Aufregung, mit dem Hund brauchte. Dann schlsef sie gesättigt ein. Sie böt wirklich ein Bild- welches Hungernde und Denkende zur Opposition reizen mußte, al» sie so voll und seelen« und gedankenlos dalag und kleine Schnarchtöne ausstieß. So schlief sie beruhigt weiter, während das Mädchen blaß und erschrocken die Botschaft entgegennahm, daß ihr Herr auf der Treppe einem Herzanfall erlegen sei und trotz aller Wiederbelebungsversuche der ArztcS tot bei ihm auf dem Diwan liege. Auf die Bitte des SanitäiSraieS, Frau Franzi zu wecken, um ihr die Nachricht mitzuteilen, meinte das Mädchen in plötzlich hervorbrechender Verächtlichkeit:»Am besten wäre es, man ließe die Gnädige schlafen. Sie erfährt es ja noch früh genug!" Aber der Arzt beharrte auf Wecken, da der Fall zu Ende geführt werden mußte. Während das Mädchen diese Mission auSfiichrte, wartete der SanitätSrat im eleganten Vorzimmer und trotz des Ernstes der Situation konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken, als seine Augen den Korb mit dem Mops entdeckten, welcher eingewickelt und zugedeckt träge mit den Augen blinzelt«. Endlich erschien Franzi in einem molligen, wattierten Schlafrock, die Augen gierig geöffnet, das Kinn In der Bandage, die Haare im Lockenwickel.„War ist, was ist? Ast das Mopserl tot?" Der Arzt teilte ihr schonet und knapp mit, was geschehen sei, warum man ihn hdrausgellingelt habe und daß alle seine Wiederbelebungsversuche bei dem aus der Treppe Zusammengesunkenen erfolglos blieben. Zuerst begriff Franzi ihn gar nicht. Dann wurde sie schreckensbleich und schrie:»Aber da» ist doch nicht möglich, da» ist doch nicht wahr!— Er war doch so gesund!— Ihm fehlte gar nicht»! — Aber ich war immer krank!" Sie wiederholte da» mehrere Male, al» hätte sie es immer noch nicht begriffen."Der Arzt bat sie, ihm zu folgen und'führte sie in seine. Wohnung. Al» sie den zugedeckten Körper sah, erschrak sie furchtbar, klam- werte sich an den SanitätSrat und sing ö» wimmern an. Al» man den Kopf des Toten freimachte, starrte sie fassungslos auf da» ihr fast fremde Gesicht, da» Wimmern hörte auf, und flüsternd kamen die Worte heraus:„Aber da» ist er ja nicht. Gr ist ja ganz fremd, da» kann"er nicht fein." Sie schien begriffen zu haben, daß diese» Lächeln nicht ihr gehörte— vielleicht der ganze Mann nicht,. war eine vielfach nicht genug beachtete Erscheinung. Man wollte sich im Vatikan anscheinend nicht festlegen, während man jetzt, ohne e» hundertprozentig zu tun, doch einer Zwischenstation justreht, Wohl nicht ohne Verständigung mit London . Franco wieder war» von feinen waurischen Gardisten und Söldner« ganz abgesehen, weit weniger„katholisch", al» man Hel seinen Freunden und Feinden»st annahm. E» heißt von.ihm sogar, daß er Freimaurer sei. Bestimmt sind einzelne seiner Generale Freimaurer . In der jüngsten Zeit aber hat der Rebellen-llhef sich ja in dem Maße, in dem er sich außenpolitisch mit England z» verständige« und von Italien zu lösen sucht, auch innenpolitisch gegen den reine» Faschismus der Phalangisten gewandt und über G i lRoble» und Oliveira Dalazar versucht, bessere Beziehungen zum Vatikan und zu den katholisch.num? archistischen Kreisen in Spanien selbst herzustellen. In diesem Zusammenhang ist Wohl auch die diplomatische Aktion zu verstehen, von der oben die Rede ist. Dabei mag e» schon stimmen, daß dem Va tikan daran liegt, die Brutalitäten des Siegers von Bilbao gegen die katholischen Basken nicht öl« zum äußersten wie» zu lasse», um die Basken nicht in» kirchenfeindliche Lager z» treiben. Vorsichtige Rede Welzmanns auf dem ZlonlstenkongreB Zürich.(SDA)' Dienstag um 20 Uhr 89 Uhr wurde in Anwesenheit von 699 Delegierten und Mitgliedern des Aktionskomitees der zioni stischen Organisationen vom Präsidenten der Organisation Dr. Weizmann der 20. Zionistenkon- greß eröffnet. Fast alle Regierungen waren durch ihre in Zürich und Bern niedergelassenen Gesandten und Konsuln vertreten.," , Professor Weizmann kam auf den Vorschlag der britischen Regierung zu sprechen, wobei er ausführte: »Die heutige Situation ist gekennzeichnet durch den Bericht der königlich englischen Kommission, und durch die Vorschläge, welche die britische Regierung sich im Prinzip zu eigen gemacht hat. Die ganze zionistische Welt ist in tiefer Bewegung angesichts dieses Momentes der Entscheidung. Sie hat im Laufe der Jahre manche Versuche erlebt und viele Enttäuschungen durchgemacht. Der Bericht der Königlichen Kommission verdient, wenn wir auch naturgemäß nicht mit allem einverstanden sind, und in den Vorschlägen ernstere Fehler finden, unseren Respekt. Die Hauptthese des Berichtes, daß das Mandat undurchführbar fei, ist ein Satz, den wir bestreiten. Wir stützen unsere Einwendungen auf die Errungenschaften auf fast jedem Gebiete seit dem Jahre 1922, wobei der Bericht selbst Zeugnis ablegt. Die Kommission bildete sich ihr Urteil im Schatten von Ereignissen, die man niemals hätte zulasten sollen, und die durch entschlossenes Handeln in den ersten Stadien der Unruhen hätten verhindert werden können. Zur Zelt ist es nicht das Mandat, da» undurchführbar ist, sondern die Schwierigkeit liegt darin, daß es von einer unentschlossenen Verwaltung gehandhabt worden ist, die es versäumt hat, einen wirklichen ernsten Versuch zu unternehmen, es durchzuführen. Zum Schluß sagte Weizmann:„Wir werden uns dieser Besonderheiten des 20. Kongresses be>" wußt bleiben. Wie erregt die Debatten dieses Kongresses auch sein werden, wir fühlen alle," daß die Entscheidungen, die wir zu fällen haben, an die Wurzel unserer Existenz und an den Kern unserer Bewegung greifen. Eine große Verantwortung ruht auf uns." Der erfahrene Arzt deckte das Gesicht des Toten wieder zu und ordnete mit ihrer gedankenlosen Zustimmung sofort die Abholung und Uebersüh- rung der Leiche telephonisch an. Er verabreichte Franzi ein Schlafpulver und beorderte Finni herauf. Auf das Mädchen gestützt wankte die völlig aufgelöste Frau in ihre Wohnung. Weinend bat sie um eine frische Wärmflasche, fragte erneut schluchzend nach dem Mop» und ordnete an," daß das Mädchen bei ihr im Schlafzimmer wache. »Ich fürchte mich so entsetzlich— ich bin ja so allein!— jetzt hab ich keinen Beschützer mehr— und— oh Gottl— was hab ich für Pflichten in der nächsten Zeit! Das halten ja meine Nerven gar nicht aus!— Meine Freundinnen(erneutes Schluchzen) müssen gleich"heute Morgen noch an- telephoniert werden!— Die Armen— was werden die alle mit mir leiden!— Finni—wo ist die letzte„Wiener Mode"— mit den Trauerkleidern?— Wer hätte das gedacht, daß ich sie so jung werde brauchen müssen!" Und die Tränen rieselten nur so über ihre eingefetteten Wanzen. Finni könnt« sich, kaum mehr auf den Beinen halten- aber gehorsam suchte sie nach der Zeitschrift mjt den Trauermoden. Eine Welle war Frau Franzi beschäftigt, hastig nach einem passenden Trauerkleid zu suchen. Dann aber begannen die Klagen wieder:„Die Welt ist so schlecht! — Und ich bin ohne Beschützer— und wer regelt mir da» alles mit den Traüerkarten— das ist ja gräßlich—. ach Gott !—und die Witwenpension! Meine Freundin, die Generalstochter, weiß da» gediegenste.und vornehmste Leichenbestaüungs« instttut. Finni— schreiben Sie, bitte, auf-daß wir gleich dann in der Frühe telephonierend- ach Gottl— ach Gott!— wa» für Pflichten!-—was für Arbeit!— Womit hab ich da» verdient?— Mein May» war doch so glücklich mit mir— hier machte Franzi eine Pause und erinnerte sich plötzlich lebhaft de» sonderbaren Ausdruckes der Fremdheit ihres toten Mannes, Und-sie schwieg, ..(Fortsetzung folgt.)
Ausgabe
17 (5.8.1937) 182
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