Seite 6 „Sozialdemokrat" Donnerstag» 21. Oktober 1937. Nr. 248 i Träger Leitung Das„Volk ohne Manieren“ Jin ersten Augenblick wird der Leser dieses Titels der Meinung sein, daß diese Charakteristik vielleicht das Ausland gegenüber Deutschland anwandte. Das ist aber ein Irrtum und es wäre sogar eine Beleidigung der übrigen Kulturwelt, wollte man ihr eine derartige manierlose Art der Beleidigung eines ganzen Volkes, das zu solcher Charakteristik zwar täglich Anlaß gibt, ernstlich zutrauen. Trotzdem ist dieser Ausdruck vorgestern abends in der Rundfunksendung, allerdings der reichsdeutschen, zur Anwendung gelangt, aber nicht in der Art einer Anwandlung von S e Ibsterkenntnis, die doch Wohl nur ein Schritt zur Besserung wäre, sondern es unterfing sich ein Nazireferent, der doch, was Anstand und Gesittung betrifft, in einem Glashaus sitzt, mit diesem Ausdruck auf das tschechische Volk zu verweisen, bei Gelegenheit der Wiedergabe von Pressestimmen aus Deutschland zu den Vorfällen in Teplitz . Daß dieser Pfeil den Schützen trifft, der ihn abschoß, ist ganz klar! Gibt es ein Volk, und jetzt kann man das als Europäer sagen, das ein so geringes Recht hat. andere Völker über Manieren zu belehren, wie es gegenwärtig das deutsch ' Volk ist, welches täglich und stündlich von braunen Desvoten und Barbaren in jeder nur möglichen Form bloßgestellt, ja selbst herabgewürdigt wird durch geistige und moralische Entmündigung? Ist es nicht ein Hohn auf alles, was Europa geleistet hat an Großem und Erhabenem, wenn es irgend einem dahergelaufenen Nazirepörter das Recht einräumt, über Manieren und Sitte zu sprechen; hat nicht der letzt' Bantunegcr einen moralischen Anspruch darauf, für seine Barbarei nicht verachtet zu werden, weil er eben nichts anderes gelehrt bekam, als eben ein Buschräuber zu sein, während ein Volk, vom Rang der Deutschen , das sich swlz das Volk der Dichter und Denker nannte, von seinen derzestigen Machthabern auf das Niveau von Buschmännern in vierjähriacr mühseliger Arbeit erst herab— erziehen ließ? Diese Erzieher und Kulturverächtet, die einem Ausspruch eines der Ihrigen zufolge den Revolyer entsichern, wenn sie das Wort Kultur hören, wagen es einem Volk, daF sich in Männern wie Masaryk und Benes, sowie vielen anderen in der Gegenwart und Vergangenheit geistig und sittlich manifestiert, die Worte eines Volkes ohne Manieren nachzuwerfen, wie man Steine wirft nach tollen Hunden. Dabei kann dieses Volk heute jene Kreise der Dichter und Denker aus seiner großen Einfalt des Herzens heraus. die ihm in seinen besten Stunde, zu eigen ist und von der es anläßlich des Todes seines Altpräsi- denten grandios Zeugnis ablegte, belehren, die glauben, auf Humanität als etwas Ueberlebtes manierlos verzichten zu können, denn dieses„Volk ohne Manieren" hat so viel Anstand, bis auf den heutigen Tag keine Konzentrationslager in seinem Lande zu dulden und sich zu empören, wenn man ät-ch nur im Scherz auf eiue solche Möglichkeit hinweist. Es hat in seiner Mitte keine politischen Reichstagsbrandstifter, und Mörder genießen bei ihm noch immer den Ruf von Verbrechern und nicht von Heroen, die Ehre von Mördern ist nicht die seiner Repräsentanten und Volksvertreter. Und"keiner hat hierzulande noch ein« Kundgebung an Mordbuben gerichtet, wie'die Botschaft an die'Lumpen von Potempa sie darstellt. Seine Lehrer haben ihm Bände voll tiefen gediegenen Wissens hinterlassen und der Kampf des Mannes aus den Tagen, von Polna und seines ganzen Lebens kanU heute als der Kampf des„Volkes ohne Manieren" gelten, das ihn vor der Welt ausficht als den Kampf des anständigen Menschen um die M^o r a l und Sittlichkeit einer Welt. Der Igel. .„Arbeitseinkommen, Produktion und Verbrauch" ist das Thema eines Vortrages von Dr. K. Maiwald. Der Vortrag wird vom Sozialen Institut veranstaltet und findet heute, Donnerstag, um halb 2.0 Uhr im Wintersaal des Fürsorgeministeriums, Prag II., statt. Eintritt frei. Die Bibliothek und der Lesesaal des Fürsorgeministeriums(Sozialinstitut) sind in den Mnter- monaten Oktober—März Fachinteressenten an Wochentagen in der Zeit von 7.30 bis 14.30 am Samstag bis 12.30 und am Dienstag und Donnerstag auch nachmittags bis 18 Uhr zugänglich. Aktion der Deutschen Bölkerbundliga„Milch fürs Kind". Verkaufsausstellung von Heimarbeiten. Deutsches Haus, 24. Oktober bis 4. November (täglich von 10 bis 18 Uhr, Zimmer 6). Besichtigung frei, ohne Kaufzwang. Xunst und Mssen Präser Konzertsaal Eine Prager Konzertdirektion ist auf den guten Einfall gekommen, regelmäßig alle vierzehn Tage einen Konzertanzeiger erscheinen zu lassen, in dem alle für den folgenden halben Monat in Aussicht genommenen Konzertveranstaltungen Prags , also nicht nur jene der betreffenden Konzertdirektion allein, aufgeführt erscheinen. Dieser Konzertanzeiger könnte vielleicht der Anfang der so notwendigen Z entralisierung des Pra ger Konzertbetriebs sein. Vorläufig gibt er uns allerdings nur Kenntnis von der unerträglichen, künstlerisch und kunftwirtschastlich schädlichen Konzertho /hrt, die Heuer gleich im ersten Konzertmonat ungehemmt über unS hereingebrochen ist. Unter den zwei Dutzend Konzerten der er st enOkto verhälft« waren mit die erfolgreichsten jene unserer spanischen Genossen, nämlich derCoblaBarcelona. über dertn Kunst und Können wir hier schon besonders berichten konnten und die in der Lage war, ihren ursprünglich festgesetzten drei Konzerten noch eine Matinee folgen zu lasten. Uebcr die Konzerte, die eine 180 Mitglieder starke Truppe von Orchestermusikern, Sängern und Tanzkünstlern aus den Reihen der roten Armee Sowietruß- l a n d s veranstaltet hatte und die sowohl künstlerisch als auch der äußeren Aufmachung nach eine Sensation im Prager Konzertbetriebe waren, können wir leider nur die Tatsache ihres ungewöhnliche» Erfolges berichten,' der die Veranstalter nötigte, ihren drei programmgemäßen Konzerten zwei weitere außerprogrammliche folgen zu lassen, da es uns nicht gelang, eine Eintrittskarte zu erhalten.— Die eigentliche Eröffnung der Hcrbst-Konzertsaison erfolgte durch einen sehr stimmungsvollen Konzertnachmittag der UmLleckä Beseda und des Prager Klubs der Orchesterkünstler, der als Veranstaltung im Freien, im Garten des Palais des Außenministeriums, gedacht war, aber wegen der Ungunst der Witterung dann im Saale dieses Palais abgehalten werden mußte. Bläs er-Serenaden standen auf dem Programm dieses Konzertes; ein Di vertimento von Jos. H a y d n, die Serenade in C-Moll von W. A. Mozart und Anton D v o- räks Serenade opus 44. So schön und gediegen wie. dieses Programm war auch seine Ausführung durch die Künstler des Orchesterklubs unter der liebevoll besorgten und auf schöne Klangwirkungen bedachten musikalischen Leitung von D r. V. SmetäLek.— Der Deutsche Kammermusikverein begann seine Herbsttätigkeit mit einem Abend alterKammer« musik instrumentaler und pokaler Richtung aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, bei dem auch die künstlerische Ausführung auf alten historischen Musikinstrumenten erfolgte. Die Gleichartigkeit der gebotenen Kammermusik aber bewirkte eine gewiffe Eintönigkeit, die noch durch den intimen Charakter der klangzarten alten Instrumente, die sich im großen, wenig akustischen Festsaale des Deutschen Hauses nicht recht durchzusetzen vermochten, verstärkt wurde. Künstlerische Mittler der historischen Kammermusik waren die Instrumentalisten S jeder- beck, Dohm e, Wilke und Lechner sowie dex Baritonist Haase.— Kammermusik besonderer Art wurde auch in einem Konzerte geboten, das der Berliner Meisterlehrer'des Cellospieles Prof. Georg Wille mit einer Anzahl seiner besten Schüler veranstaltet hatte. Man hörte,— meistens in mehr oder weniger problematischen Bear- beitungen,— Stücke für zwei Celli, für Cello- Quartett und sogar für zwölf Celli. Die reproduktiven künstlerischen Leistungen überzeugten bei diesem Kammermusikabend zweifellos mehr als die im Programm gegebenen produktiven.— Unter den konzertierenden Jnstrumentalkünstlern war der russische Geiger Nathanael M i l st e i n, der das erste„Amö"-Meisterkonzert bestritt, die weitaus größt« Attraktion. Er bewies durch sein in der Technik unheimlich vollendetes und im Vortrag unnachahmlich vollkommenes, geistig und in der Empfindung gleich starkes Spiel neuerdings, daß er dermalen unbestritten der Größte seiner Kunst ist. Pergoleses E-Dur-Sonate, Ioh. Seb. Bachs Chaconne und Brahms D-Moll-Sonate, die Vortragsstücke der ersten Abteilung seines Programmes, waren Gaben reinsten künstlerischen Priestertums.— Ausgezeichneten Eindruck machte in seinem eigenen Klavierabend der immer mehr zu künstlerischer Reife und Vollendung gelangende junge Prager Pianist H. W. S ü ß k i n d. Dieser ambitionierte Künstler hat es sich zur schönen Aufgabe gemacht, vor allem der neuen Musik zu dienen. Nicht weniger als drei Werke spielte er diesmal als Erstaufführungen; eine Sonate von Hindemith , „Drei Tänze" von Florent Schmitt und eine, beachtliches musikalisches Gestaltungsvermögen offenbarende, formal schwer zugängliche eigene„Fan- tasietta".— Unter den Vokalkünstlern ragte turmhoch der Wiener Bassist Alexander K i p n i s hervor. Nur ein Künstler von der Ausdrucksstärke, der Stilvollkommenheit und geistigen Tiefe wie Kip- nis ist imstande, Johannes Brahms '„Bier ernste Gesänge" dem Hörer wirklich zu Dank zu singen. Die samtene Schönheit seines Organes und seine hohe Gesangskultur zeigte dieser Meistersänge! vor allem auch in-den Opernarien. Sein vorbildlicher Partner am Flügel war Kapellmeister Schick vom Deutschen Theater, sein musikalischer Helfer bei der Programmhestreitung der Wiener Pianist Prof. Franz W a g n e r.— Neben diesem Sängerkonzerte war nur noch jenes der polnischen Koloratursängerin Ada Sari bemerkenswert, die ihre überlegen« Gesangstechnik in einem ebenso reichhaltigen wie dankbaren Programm zeigen konnte. E. I . Wochenspielplan des Neuen Deutschen Theaters. Donnerstag halb 8: Arabella, C 2.— Freitag halb 8: Weh dem, der lügt! D.— Samstag halb 8: Frühlingsluft, neuinszeniert, CI.— Sonntag halb 3: Weh dem, der lügt! Halb 8. Arabella. A 2. Wochenspielplan der Kleinen Bühne. Heut«. Donnerstag, abends 8 Uhr: Parkstraße 13.—> Freitag 8%: Eine Frau ohne Bedeutung, volkstümliche Vorstellung.— Samstag 8: Parkstraße 13.— Sonntag 3: Bei Kerzenlicht. 8: Die Reile. 5port-8ptek-Xvrperpstege Westböhmischer Arbeiterfußball Die einzige Ueberraschung bei den sonntägigen Serienspielen wird aus Altrohlau berichtet. Dort spielte Chodaus„Rote Elf", welcher es gelang, beide Punkte zu gewinnen. Ganz knapp gewann Fischern über Karlsbad unverdient und Falkenau konnte gegen Neudek ebenfalls nicht besser abschneiden. Die Gvaslitzer büßten in Maierhöfen einen Punkt ein und den einzigen hohen Sieg buchte Drahowitz gegen Aich. Schankau trat auch gegen Unterreichenau nicht an und scheidet laut den Satzungen nun endgültig aus. Alle Spiele verliefen wieder ohne jeden Zwischenfall, obwohl die Führung von fünf Mannschaften hart umkämpft wird. Die Ergebnisse: FFK Falkenau gegen ASB Neudek 3:2, ASB Altrohlau gegen Rote Elf Chodau 2:3(2:2), Atus Fischern gegen Rapid Karlsbad 2:1(1:0), ASV Maierhöfen gegen ASK Graslitz 2:2(2:2), Atus Drahowitz gegen Atus Aich 6:2. Stand der Tabelle FFK Falkenau. . 6 4 1 1 25:14 9 Atus Unterreichenau , 6 4 1 1 17:10 9 Atus Fischern.. ."6 3 2 1 14:13 8 ASV Altrohlau. . 5 3 2 1 18:13 7 Rote Elf Chodau , 6 3 1 2 12:12 7 ASK Graslitz .. . 5 2 2 1 15:12 6 Atus Drahowitz. . 6 2 1 3 12:13 5 ASV Neudek.. . 5 2 0 3 9:8 4 Rapid Karlsbad . . 5 2 0 3 6:17 4 Atus Aich... . 6 2 0 4 10:22 4 ASB Maierhöfen . 5 1 1 3 16:10 3 Atus-Union.(Fußball.) Wir machen di« Fußballabteilungen aufmerksam, daß in K a a d e n kein Fußballverein der Atus-Union besteht und daher Spiele mit einem anderen Verein in Kaaden verboten sind. Vwdnsnocfcricftten Vortrag über die Prnsionsverficherung und deren Mängel, gehalten für Rentner und Rentnerinnen, am Sonntag, den 24. Oktober, halb 10 Uhr vormittags im Angestelltenheim SmeLky 22. 8. Swck.— Eintritt frei. Republikanische Wehr, Prag . Am Donnerstag, den 21. Oktober, Uebungsibend in der Sporthalle auf dem DTJ-Sportplatz. Hetzinsel. Stndentenbund im Allgemeinen Angestellten- Verband.— Auskünfte und Anmeldungen täglich von 17 bis 18 Uhr SmeLky 22, 3. Swck. © Ortsgruppe Prag : Samstag, den 23. Oktober, Treffpunkt halb 4 Uhr Smichover Bahnhof, Fahrt nach Rev- nice, Wanderung zur Hütte. S o n n- t a: Kytin— Dobkis— Hieben«— Revnice . Führer: Schaffer. Preis zirka KL 8.50.- Neve Bttcher Else Lasher-Schüler, die eigenartigste in deutscher Sprache schaffende Dichterin, heut« wie fast alle eigenartigen und eigenwilligen deutschen Künstler im Exil, zur Emigration gezwungen wahrlich nicht nur ihres Judentums wegen—, Else Las ker-Schüler , die in ihrer Phantasie so oft und in so brennenden Farben den Orient geschaut hat, war, als nun mehr denn Sechzigjährige. in Palästina. In dem Buche„DaS Hebräerland"(erschienen im Verlag Oprecht, Zürich ) besingt sie, was ihre Augen und ihr Herz und ihre Seele dort erlebten. Land der Väter und Land ihrer Träume, Land der großen Geschichte und der Neugeburt eines alten Volkes, das alles ist ihr Palästina, und es ist das Land guter Freunde, der Dichterin vertraut noch aus Deutschland her, und das der lebenden Märchen und der wahren Wunder. Else Lasker-Schüler erzählt in höchster Begeisterung und doch in oft rührend einfachen Worten, in jener seltsamen Sprache, die allein ihre Sprache ist, in der es neben ganz unzulänglichen, falsch gebauten Sätzen solche gibt, die an die reinsten mnd schönsten und vollkommensten heranreichen, die je große Dichter schufen. Ein Buch der Wahrheit und doch ein verträumtes Buch, das schönste aller Palästina-Bücher. Auch in Anette Kolbs Sommerbuch„Festspieltage in Salzburg "(erschienen im Verlag Allert de Lange, Amsterdam ) ist, ein Land: Oesterreich, noch mehr aber eine Stadt, bas von Gästen aus aller Welt, von Kunstbegeisterten und Snobs aller Art überflutete Salzburg , der eigentliche Held einer Geschichte, in der nichts geschieht, nichts weiter, als daß zwei Freundinnen, deren eine Tschechin ist, sich Jahr für Jahr dort zur Festspielzeit wessen. Also ist auch keine Geschichte im eigentlichsten Sinne des Wortes zu erzählen, wird von der Stadt und ein wenig von ihren Menschen und) mehr von ihren Gästen, wird von den Opernaufsübrungen und Konzerten und großen Dirigenten geplaudert, klug und Wwn geplaudert, und auch manche gute Bemerkung Kiber Musik gemacht. Em Büchlein, das angenehme unbeschwerte Lektüre bietet und die Sympathien für die geistvolle Verfasserin vermehrt. Eine besonders spannende Liebesgeschichte ist der kleine Roman„Drei Tage" von VictoriaWolf (HnmanitaS-Verlag, Zürich ), die Geschichte einer Liebe auf den ersten Blick. Zu einem berühmten Chirurgen kommt ein von anderen Aerzten aufge- gebener Fremder, kommt, um sich einer äußerst schwierigen Operation zu unterziehen. Des Chirurgen Frau weiß beim ersten Anblick, daß der Fremde der für sie bestimmte Mann ist,— der Fremde weiß es, daß sie die einzige Frau ist, die er jk lieben kann. Es gibt kein Fragen, kein Bedenken, kein Zweifeln. Und knapp vor der Operation erfährt der Chirurg, daß sein Weib des so plötzlich erschienenen Patienten Geliebte geworden ist— und er operiert doch und seine Hand zittert nicht, über den ergrimmten und gekränkten Mann siegt der Arzt, der den glücklichen Nebenbuhler rettet. Der Chirurg ist die am schärfsten gezeichnete Gestalt des Romans, der in ihm wühlende Kampf ist meisterhaft gestaltet, durch die Schil« berung dieses seelischen Ringens und die photographisch geweue Darstellung der Operation wird eigentlich der Chirurg in den Mittelpunkt der Erzählung gerückt. „König sein dagegen sehr..Roman von Sinclair Lewis .(Humanitas-Berlag,' Zürich . Preis kart. Fr. 4.80, geb. Fr. 5.50.) Das ist, was jeder wirklich humoristische Roman sein soll: ein heiteres Buch mit tiefernstem Gehalt. Es erzählt die Geschichte eines kindlichen Filmstars, der von seiner geschäftstüchtigen Mutter, einer phantastisch ungebildeten, aber nicht unklugen Frau,„gemacht" wird. Terry, her Filmknabe, ist ein im Grunde unglückliches Kind, er darf nie er selber sein. Das darf auch der zehnjährige Knabe nicht, der schon König ist, König irgend eines Balkanreiches. Mit diesem jungen König soll Terry zusammengebracht werden, zu Reklame-Zwecken. Er soll ja die Hauptrolle in dem Film„Kleine Majestät" spielen. Deswegen also, um mit dem König in Berührung zu kommen, schleppt ihn die Mutter nach London , wo sich der junge König Mar gerade mit der Königin-Mutter aufhält. Das ist köstlich, wie Terrys Mutter sich abmüht, zur Königin zu gelangen— und am allerköstlichsten, wie der König, her seinen Bewachern durchgebrannt ist, zu Terry kommt und wie beide in Gemeinschaft mit einem Hotclpagen ausreißen, um Seeräuber zu werden. Selbstverständlich endet alles„gut", fitzt der junge König zuletzt in seinem Schloß und der jung« Filmstar spielt einen jungen König— aber die Flucht der Knaben war, obwohl typisches Jungenabenteuer, doch mehr als Kindertorheit, sie war Flucht in«ine wahrere und vernünftigere Welt. Und weil wir in einer vernünftigeren Welt der Großen leben, mußte sie mißlingen, mußten zwei verschiedene Etiketten— die königliche und die für Filmkinder bestimmte— die Knahen umschließen und festhalten und— vernünftig machen. , AnnaSiemsen:„Diktaturen oder europäische Demokratie?"(Verlag Buchdruckerei Volksstimme, St. Gallen ). Anna Siemsen schildert den heutigen Zustand Europas , macht dabei sehr eindringlich auf die sehr ernsthafte Bedrohung Europas durch den Faschismus aufmerksam und gibt die Losung aus, dem Faschismus die Ide« Europa ent- gegenzustellen, die Idee des organisierten Europa , her gesamteuropäischen Demokratie. Die kleine Schrift ist lebhaft, überzeugend geschrieben, sie ist dabei allgemein verständlich, und so kann sie mit dazu beittagen, die für Europa lebenswichtigste Erkenntnis zu verbereiten. Willi Münzenberg , der von der Sache wirklich etwas versteht, denn er hat«sich als Hauptleiter der Berlage der KPD bewährt, schildert die „Propaganda als Waffe" in einem fast 300 Seiten starken Buch, das in Paris (Editions du Carrefour) erschienen ist, die Nazi-Propaganda vor Hitlers Einsetzung in die Macht und seit der Gründung des „Dritten Reiches ", die offene und geheime Propaganda, die im Jnlande und die von tausenden Or- ganisattonen unter Aufwand gewaltiger Kostenwon den Nazi im Ausland hetriebene Propaganda. Und es berichtet, daß den gleichen Titel«in in Deutsch - land erschienenes und nur für Offiziere bestimmtes Buch trägt und daß darin gezeigt wird, was die Propaganda, die schon während des Friedens mit ganzer Kraft einsetzen-muß, für den Krieg bedeutet. Es ist stellenweise sehr spannend zu lesen, wie die Propaganda«ine Hitler -Legende geschaffen hat und wie sie daran ist, eine, neue Religion zu schaffen, und es. ist dann auch freilich wieder ein wenig ermüdend. diese schier endlosen Aufzählungen der Mittel, der Arten, der Organisation der Nazi-Propaganda zu lesen. Wer Politiker sollten das alles lesen, Politiker und Staatsmänner, und sie sollten . es nicht mit müder Gleichgültigkeit lesen, nicht bloß pflichtgemäß, nicht als überlegene„Praktiker", sondern sehr aufmerksam. Nicht nur, um die ganze Gefahr zu erkennen, die der Welt durch die Nazi-Propaganda droht! Auch um für sich selber, zu lernen. Was man tun soll und was nicht. Nm vor allem sich von den Nazi darüber belehren zu lassen, daß der Politiker auch Psychologe f«in muß!— Zu Münzenbergs Buch ist nur noch zu sagen, daß es die in Deutschland sich«nffaltenden Widerstände zu überschätzen scheint. Noch scheint er uns kaum mehr als ein gefühlsmäßiger Widerstand zu sein, noch weit entfernt von wirklicher Krttik, von Erkenntnis, und noch weiter entfernt hon Tatbereiffchaft.. Vier Jahre deutscher Faschismus— das war zu viel, als daß nicht die Enttäuschungen der proletarischen Massen üher sich selber-nd über ihre Parteien allgemein und tief sein müssen, und das war zu wenig, um schon neue, allgemeine, tiefaufwühlende, durch keine Propaganda mehr zu belügende Enttäuschung zu erwecken. Tayerlova Sedcsätka.(Tayerles 60. Geburtstag.). Unter diesem Titel hat der Zentralrat der tschechoslowakischen Gewerkschaftsvereinigung ein von Jaromir HlavaLek redigiertes Büchlein herausgegeben, in welchem eine Reihe von Funktionären der internationalen sowie der tschechischen Gewerkschaftsbewegung di« bedeutenden Verdienste Tayerles um den gewerkschaftlichen Aufstieg der tschechischen Ar- beiterfchaft schildern. Das Büchlein ist mit interessanten Photos aus der Geschichte der tschechischen Arhetterbewegung versehen. Andre Philip : Krise und Planwirtschaft. (Zürich . Jean-Christoph-Verlag.) Das vorliegende Büchlein gehört zu den besten sozialdemokratischen volkswirtschaftlichen Broschüren, die in der letzten Zeit erschienen sind. Sein Verfasser ist Professor an der Universität in Lyon , ein Autor, der nicht nur außerordentlich kenntnisreich ist, sondern auch klar und volkstümlich zu schreiben versteht. Im ersten Kapitel ist eine Darstellung der Geschichte der Krise gegeben, dann werden alle jene Maßnahmen erläutert, die dazu gedient haben, um die Wirtschaften der einzelnen Staaten an die Krise anzupaffen bzw. sie aus der Krise hinauszuführen. Alle die großen Wirtschaftsprobleme, die seit 1929, dem Jahre des Krisenausbruches, eine Rolle gespielt Haden und dies nicht nur in Europa , sondern auch in Amerika , gelangen zur Erörterung. Wer der Verfaffer schildert nicht nur die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, sondern er versucht auch eine theoretische Erklärung für die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre zu geben, wobei er sich im- Wesentlichen auf die Krisentheorien von Marx stützt. In seinen Schlußfolgerungen gelangt Philip zu der überzeugend dargelegten Erkenntnis, daß uns nur eine planmäßige, vom Staat dirigierte Wirtschaft davor bewahren kann, in eine neue Krise und damit in neues Elend zu geraten. E. St. Bezugsbedingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post monatlich KL 16.— vierteljährlich KL 48.—. halbjährig KL 96.- ganzjährig V 192.—.— Inserate werden laut Tarif billigst berechnet. Bei öfteren Einschalttmgen Preisnachlaß. Rückstellung;on Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken..— Die Zeitungsfrankatur wurde von der Post- und Telegraphendirektion mit Erlaß Nr. 13.800/VII/1930 bewilligt.(Konttollpostamt Praha 25— Druckerei:.Orbis". 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