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Donnerstag, 28. Oktober 1987

Nr. 254

Kampf und Vormarsch

genossen-

dem Schutze und den Interessen der

EIGENPRO

ERZEUGNISSE

der Kräfte ist

Eindringlicher als an irgend einem anderen Gedenktage kommt unS am 28. Oktober die weltgeschichtliche Bedeutung jener Ereignisse zum Bewusstsein, die im Herbst 1918 das Ende der Krieges begleiteten und daS politische Gepräge Mitteleuropas völlig veränderten. Dem rückschauenden Betrachter sind vielerlei Erinnerungen gegenwärtig.. In den Vordergrund seiner geistigen Blickfeldes drängen sich jedoch vor allem jene Geschehnisse, an denen er unmittelbar selbst beteiligt war. Sind es Erinnerungen an Versammlungen oder Konferenzen, an denen er teilgenommen hatte, deren Ergebnis die Gründung einer Organisation war, der er noch angehört, so vergleicht er die Verhältnisse jener Zeit mit den heutigen und ist befriedigt, wenn er feststellen kann, dass das damals begonnene Werk sich gut entwickelt hat. So werden viele tausende Genossenschaftler zurück­denken an die Versammlungen der Nachkriegszeit, in der sie die Gründung genossen­schaftlicher Verteilungsstellen oder selbständige Konsumgenossenschaften vorbereitet haben. Nach demUmsturze stand die deutsche Konsumgenoffenschaftsbewegung unseres Landes vor schweren Aufgaben. Durch den Zusammenbruch der Habs­burgermonarchie, losgelöst von den Wiener Zentralorganisationen, war sie eine zeitlang ohne Revisionsverband und ohne eigene Groheinkaufsgesellschaft. Erst am 6. Juli 1919 wurde der Verband deutscher WirtschastSgenoffenschaften gegrün­det, dessen Statuten am 11. September 1919 von der Politischen Landesver­waltung genehmigt wurden, womit er zugleich auch die Revisionsbefugnis erhielt. Die Warenvermittlung erfolgte zunächst durch die Hauptniederlassung der Grob­einkaufsgesellschaft österreichischer Consumvereine(GöC) in Prag , die dann im Jahre 1920 zu einem sebständigen Unternehmen der deutschen Konsumgenossen­schaften in der Tschechoslowakischen Republik wurde. Die deutschen Konsumgenossenschaften, in den historischen Ländern bereinig­ten im Jahre 1918 mit ihren schon rund 180.000 Mitgliedern fast die Hälfte der Mitglieder der gesamten, dem österreichischen Zentralverband angehörenden Kon« sulngenoffenschaften. Die Eigenproduktion war jedoch auf die Bäckereien der Kon-, sumgenoffenschaften beschränkt, und an zentraler Eigenproduktion war in diesem Gebiete überhaupt nichts vorhanden, als eine primitiv eingerichtete Marmelade­fabrik in Neratowitz, die im Jahre 1917 von der österreichischen Grobeinkaufs­gesellschaft erworben wurde, um die Mitglieder in der Zeit des Fett- und Butter­mangels mit Marmelade versorgen zu können. Auf diese Zeit rückblickend, lässt sich durch einen Vergleich des heutigen Standes mit jenem im Jahre 1918 klar erkennen, welch unermüdliche Pionier­arbeit erforderlich war, um der Genossenschaftsbewegung den Weg zu bahnen. Vielerlei Hindernisse und Schwierigkeiten gab es zu überwinden. Als unmittelbar nach dem Kriege di e V e r b r a u ch e r in grossenScharen denKon» sumgenossenschaften beitraten, bereitete schon der vielerorts fühlbare Mangel an genossenschaftlich geschultem Personal und Funktionären ernste Sorgen. Zahlreiche Konsumgenossenschaften wurden neu gegründet. Grobe Gebiete, wie Südböhmen und Südwestböhmen, wurden der Bewegung neu er« fchloffen; stürmisch wurde in Hunderten Orten die Eröffnung von Verteilungs­stellen verlangt. Zu deutlich hatte der private Handel in der Kriegs- und erste« Nachkriegs­zeit sein wahres Grstcht gezeigt. Zur.- gleichen Zeit als-Brotkarten-uneingelöst blieben unft Menschen Hunger? star« ben; wurden knapp gewordene Lebensmittel durch die Hintertüren der Kaufläden zu Kriegsgewinne bringenden Wucherpreisen verschachert. Die in normalen Zeiten den Kunden gegenüber üblichen schmeichlerischen Phrasen hatten einem anderen Tone Platz gemacht. Unhöflich, ja barsch begegneten viele Händler jenen Frauen, die zu staatlich festgesetzten Höchstpreisen die ihnen zustehenden Mengen an Mehl, Z ucker, Fett, Seife und andere Artikel abholten. Hemmungslos tobte sich in vielen Orten die Profitgier aus und eS kam dort erst Ordnung in die Verteilung der staatlich bewirtschafteten Leben-mittel, als die genossenschaftlich« Verteilungsstelle geschaffen wurde. Für viele tausende Verbraucher waren diese Zustände ein lehrreicher Anschauungsunterricht vom Wesen des Profitgeschäftes. An jene Zeiten, die vielen Hausftauen lebenslang in Erinnerung bleiben, mögen die heutigen Lobredner des Privathandels denken, oder sich davon erzählen lassen, falls sie es selbst nicht miterlebten.- In zäher und verantwortungsbewusster Arbeit haben die konsumgenossen­schaftlichen Funktionäre die ihnen zur Leitung anvertrauten gemeinnützigen Unternehmungen ausgebaut. Sie haben in einigen Gebieten moderne genossen­schaftliche Fleischereien geschaffen und so mancherorts das Preisdiktat der privaten Fleischermeister gebrochen. Sie haben durch systematische Aufklärung den Mitglie­dern gelehrt, datz di« Verbraucher aus eigener Kraft sehr wohl imstande sind, ihre eigenen Kaufleute und ihre eigenen Fabrikanten zu sein. Sie haben das V e r« teipungsstellennetz der Konsumgenossenschaften er­weitert. Die Verbraucher sind heute auch in den Dörfern nicht mehr darauf angewiesen,. bloss Kunden eines Privatgeschäftes zu sein, dessen Inhaber sie Gewinne bringen, aber keinerlei Einfluss auf die Leitung des Geschäftes haben. Sie können sich durch den Beitritt zur Konsumgenossenschaft das Recht des Mit­besitzes und der Mitbestimmung auf diesem Teilgebiet der Wirtschaft erwerben. Sie wählen sich selbst ihre Beauftragten zur Führung des gemeinsamen Unter­nehmens und sie verteilen unter sich die erzielte Erübrigung in dem Verhältnisse, wie jedes Mitglied durch seinen Einkauf zum Geschäftserfolg« beigetragen hat. S-e legen alljährlich einen Teil der Erübrigungen zur Festigung und zum Ausbau ihrer Genossenschaft zurück. Mit diesen einfachen Mitteln haben sich die Verbraucher nicht nur ihre eigenen schönen, hygienisch einwandfreien Läden geschaffen, sondern sie haben durch den organisierten Verbrauch auch den Grundstein zur Errichtung genossen­schaftlicher Fabrikbetriebe gelegt.

zentralen Eigenproduktion durch die Be­vorzugung der qualitativ hochstehender

Verbraucher dient. Gegen kapitalistische Ausbeutung und gegen das Marktdiktat der Kartelle können sich die Verbraucher

gen Nutznießer dieses Aufbauwerkes. Werdet Mitglieder der Konsumgenossen­schaften und fördert den Ausbau ihrer

unserer Konsumgenossenschaften

wird und die Grundlage zu einer festgefügten Organisation bildet. Dieser Konzentration es mit zu danken« dass die Konsumgenossenschaften auch dem furchtbarsten Kriseptum trotzen konnten, der in den vergangenen Jahren wiederum so viel« Privatunternehmungen hinwegfegte. Mit der gleichen, den genossenschaftlichen Funktionären eigenen Zähigkeit und Ausdauer wurde die zentrale genossenschaftlicheEig e n p r o d u k t r o n ausgebäut. Aus der alten Marmeladefabrik entstanden allmählich die modernen Nährmittelwerke. Planmässig erfolgte die Errichtung anderer Fabriken, so die Zichorien-, Kanditen» und Schokoladenfabrik, der Fischkonservenbetrieb, die Senf­erzeugung, Suppenwürze- und Essigerzeugung, die grosse moderne Wäschefabrik in Bärringen, die Be­kleidungswerke in Böhni.-Kamnitz mit der Schuh- und Strumpffabrik, die chemische Fabrik in Bodenbach und der Konservenbetrieb in Znaim . Alle diese Betriebe sind Gemeinschaftseigentum der organisierten Ver­braucher; alle Betriebe werden vorbildlich verwaltet. In allen Betrieben sind die Löhne und sozialen Einrichtungen mindestens- ebenso gut, wie sie die besten Privatbetriebe der gleichen Branche bieten. Die steigenden Umsätze der genossenschaftlichen Eigenproduktion beweisen, dab die Mitglieder mit der Qualität zufrieden sind. Im letzten Jahr wurden Waren im Werte von rund 64 Millionen UL erzeugt. Seit dem Jahre 1920 hat sich die eigene genossenschaftliche Produktion verzehnfacht. Mit Stolz können alle organisierten Verbraucher auf diese prächtige Entwicklung blicken. DaS Bekenntnis htr GenossrnfchaftSbrwegnng zur Demokratie und ihre Einsatzbereitschaft für die Verteidigung der demokratischen RegierungSform zieht, ihr die Feindschaft jener Kreise zn» die dem Faschismus huldigen. Ter Kampf gegen die Konsumgenossenschaften Hat längst die Grenze rineS ehr­lichen wirtschaftliche« Wettbewerbes überschritte»., I Ä Ausgeprägter als dies jemals vorher der Fall war, kommt hier bet Kampf zwischen zwei Welt­anschauungen zum AuSdruck. Während unsere Gegner sich in der Verteidigung der bestehenden kapita­ listischen Wirtschaftsordnung erschöpfen, kämpft die Genosseuschaftsbewegung um die Ueberführung de» Wirtschaft in die Hände des Volkes. m. sch.

am besten mit eigenen Einrichtungen zur Wehr setzen, mit dem eigenen Verkaufsapparat und der zentralen

Vie Mitglieder der Konsumgenossen­schaften sind die Besitzer und die alieini-

Zielbewutzt wirken die organisierten Verbraucher an dem AuSbaue der genossenschaftlichen Eigrn- produktion mit, indem sie den genossenschaftlichen Erzeugnissen stets den Vorzug gebe». Sir ver­folgen dabei daS Ziel, die Preisdiktate der Kartelle zu brechen. In Ländern, wo die Genossenschaftsbewegung schon stark genug ist, sind den Kartellen enge Schranke ge­zogen. Diese Tatsache muss selbst der blasse Neid unserer Gegner anerkennen. So brachte dieWirtschaft­liche Rundschau", eine Zeitschrift, die von der Firma Meinl A.-G. Herausgegeben wird, einen Artikel mit der UeberschriftWarum Schwedens Wirtschaft blüht", in dem«S unter anderem heisst: In seiner inneren Handelspolitik bemüht sich Schweden ebenfalls, im Gegensatz zu den meisten Ländern, die Stellung des Konsumenten zu stärken. Zunächst durch eine sehr weitherzige Zollpolitik, dann durch die Förderung der Konsumgenossenschaften, die wiederholt gegen Preiserhöhungen durch Kartelle und Monopole mit Erfolg ausgetreten sind." Aber auch in unserem Land- schreitet die Genosseuschaftsbewegung rüstig vorwärts. Noch hat unsere Bewegung nicht jenen starken Einfluss auf die Gesamtwirtschaft, wie die schwedische oder englische Ge­nossenschaftsbewegung, denn sie war durch die Krise in ihrer Entwicklung gehemmt und hatte Belastungs­proben zu bestehen, die den nordischen Genossenschaften erspart geblieben sind. Kaum war die stürmische Gründungszeit vorbei, ist die erste grössere Wirtschaftskrise in unser Land hereingebrochen. Tausende Privatgeschäfte meldeten zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft Ausgleiche und Konkurse an. Materiell wurden in dieser Zeit auch di« Konsumgenossenschaften geschwächt, denn durch den Preissturz wurden die Warenlager entwertet und die Umsätze gingen infölge der Arbeitslosigkeit der Mitglieder zurück. Organi­satorisch aber gingen die Konsumgenossenschaften gestärkt' aus' dieser Krise hervor, denn die genossen­schaftlichen Funktionäre lernten aus den Erfahrungen und zogen daraüs die richtige Schlussfolgerung, dass die Widerstandskraft der Bewegung durch den Zusammenschluß kleiner, finanziell schwacher Genossen­schaften z« große» leistungsfähigen Unternehmungen gestärkt

sind sündig am Werke, eine schaftliche Wirtschaft aufzubauen, die