Nr. 254

Von 1918-1937

Donnerstag, 28. Oftober 1937

Entwicklung und Probleme der tschechoslowakischen Wirtschaft

Concordia VERSICHERUNG REICHENBERG

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Will man die wirtschaftlichen und sozialen| Es ist interessant festzustellen, daß sich wäh­Lebensprobleme der Tschechoslowakei , insbesondere rend der Hochkonjunktur von 1926 bis 1929 der der deutschen Industriebevölkerung dieses Landes wirtschaftliche Aufstieg in der Tschechoslowakei in erkennen, muß man von jenen großen Ereignissen rascherem Tempo vollzogen hatte als jener der ausgehen, welche zu Ende des Weltkrieges das Weltwirtschaft. Von 1926 bis 1929 stieg der politische Leben Mitteleuropas und die Voraus- Inder der Weltproduktion( 1929= 100) bon jezungen des Daseins seiner Bevölkerung gestal- 71 auf 107, derjenige der Tschechoslowakei von tet haben. 53 auf 106, der Zuwachs betrug im Weltdurch schnitt 51 Prozent, in der Tschechoslowakei aber 100 Prozent, vollzog sich demnach in der Tschecho­ slowakei doppelt so rasch. Das muß beachtet wer= den, wenn man den Verlauf der Wirtschaftskrise in der Tschechoslowakischen Republik richtig be­100 Liter Blut durchströmen täglich die urteilen will. Während im Verlauf dieser Krise Schilddrüse, die aus Jod ein Hormon aufbaut, der Welthandel auf ungefähr einem Drittel seines das die Entwicklung und den seelischen und kör­Umfanges, den er in den Jahren der Konjunktur perlichen Zustand des Menschen reguliert. Bei angenommen hatte, zurückgegangen war, sank der Außenhandel der Tschechoslowakischen Republik Jodmangel kann die kleine Drüse diese Arbeit nicht fast auf ein Viertel. Hatte die Ausfuhr der Tsche- einwandfrei bewältigen, sie wuchert zum Kropf. choslowakei 1928 21.2 Milliarden betragen, Ein Jodüberschuß erzeugt oft Glogaugen, Erreg­ſo ſant ſie 1933, auf dem Tiefpunkt der Striſe, auf barkeit usw.( Basedow ). Den genauen Tag 5.85 Milliarden, das sind 28 Prozent. Auch die Arbeitslosigkeit erreichte im Feber 1933 ihr bedarf an Jod enthält 1 Rippe Gehes Jod­größtes Ausmaß mit 920.000 gemeldeten Ar- fchokolade, das bekannte Mittel gegen Kropf. beitslosen und der Inder der industriellen Pro- 1 Tafel Gehes Jodschokolade mit 14 Rippen kostet duktion hatte im ersten Vierteljahr 1933 mit 58 in der Apotheke 8.-. feinen tiefsten Punkt erreicht.

Das Gebiet der Tschechoslowakei ist im Jahre 1918 aus der österreichisch- ungarischen Monarchie herausgeschnitten worden. Die wirt­schaftliche Struktur des Staates und seiner Be­bölkerung wurde dadurch wesentlich geändert. Während von den 52 Millionen Einwohnern der Monarchie etwa 14 Millionen, das ist also etwas mehr als ein Viertel, auf die Tschechoslowakei entfielen, verblieben auf dem Boden des neuen Staates etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Industrie des alten. Wir nennen einige Bei­spiele: 75 Prozent der Baumwollspinnereien, 80 Prozent der Baumwollwebereien, 87 Prozent der Webstühle in der Wollindustrie, 75 Prozent der Schuhindustrie, 93 Prozent der Zuckerindustrie, 75 Prozent der Glasindustrie, ebenso viel Pro­zent der chemischen Industrie und fast 100 Pro­zent der Porzellanindustrie. Die Folge davon war, daß sich für diese Industrien der Innen­markt berengte und daß, sollten diese Industrien in ihrem alten Umfange erhalten werden, sie in größerem Maße als dies im alten Oesterreich der Fall gewesen ist, auf die Ausfuhr angewiesen

waren.

Es ist nun das Eigenartige, daß in den ersten Jahren der Nachkriegszeit dieses Lebens­problem der Tschechoslowakischen Republik für unsere Erkenntnis etwas verdeckt war. Nach dem Weltkriege herrschte ein gewaltiger Warenhunger der im Kriege von Verbrauchsgütern ausgeplün­derten Bevölkerung, so daß die Nachfrage auf dem Innenmarkt das normale Maß überstieg. Dieser Warenhunger fonnte aber auch befriedigt werden, weil infolge der gestiegenen Macht der arbeiten den Klassen eine Angleichung der Löhne an die im Kriege und nach dem Kriege gestiegenen Warenpreise erfolgte. Dazu tam noch, daß der

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Seither sind wir in eine neue Phase des industriellen Zyklus eingetreten. Der Produk­tionsinder der Tschechoslowakischen Republik stieg 1934 auf 66.5, 1935 auf 70.1, 1936 auf 80.2 und hatte im Juli 1937 99.2 erreicht, d. h. fast den Stand der Hochkonjunktur von 1929. Ebenso war die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, im Sep­tember 1935 war die Zahl der Arbeitslosen rund 573.000, im September 1936 fast 480.000, im September 1937 etwas über 230.000. Ebenso stieg der Umfang des Außenhandels. Die Aus­fuhr hatte 1936 die Höhe von 8 Milliarden erreicht, betrug clso 38 Prozent des Höchststandes von 1928. Jm Jahre 1937 hat sich die günstige Entwicklung des Außenhandels weiter fortgesetzt, in den ersten acht Monaten des Jahres 1937 war die Ausfuhr fast so groß wie im ganzen Jahre 1936.

Seit einem Jahrzehnt bewährt MARSMALZ

sich bei Husten, Heiserkeit u.Grippe

Wert der Währungseinheit infolge der Vermeh­tung des Papiergeldumlaufs gefallen war, das durch waren auch die Produktionsfosten im Ver­hältnis zum Ausland gesunken und die tschecho­Slowakischen Waren konnten die fremde Kontur renz auf dem Weltmarkt aus dem Felde schlagen. Gestiegener Export und gestiegene Nachfrage auf dem Binnenmarkt boten unserer Industrie Absatz und unseren Arbeitern Beschäftigung.

Wohl wurde diese günstige industrielle Ent­

wicklung durch Rückschläge unterbrochen, im allge­meinen hielt aber die günstige Konjunktur bis 1929 an. Die große Krise der Weltwirtschaft, die auch ihre Wellen nach der Tschechoslowakei warf. stellte uns allen erst die wahren wirtschaftlichen und sozialen Probleme dieses Landes klar vor Augen.

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Troßdem kann man noch immer von keiner Hochtonjunktur in der Tschechoslowakei sprechen. Selbst in dem Augenblid, da die Arbeitslosigkeit ihren tiefften Stand erreicht hat, gab es bei uns nicht viel weniger als eine Viertelmillion Arbeits­lose. Ebenso hat die Entwicklung der Löhne noch nicht das Niveau der letzten Hochkonjunktur er reicht. 1929 war der Durchschnittslohn der bei in den letzten Wochen eingetreten sind, ist man| Kraft bemüht sein, eine Hebung der inneren der Zentralsozialversicherungsgesellschaft ber= sicherten Arbeiter 19.11, war dann 1935 auf doch zur Vorsicht und gezwungen unsere Wirtschaft durchzuführen, was nur durch eine 15.92 gesunken und ist bis Juli 1937 blok wirtschaftliche Lage immer wieder zu verfol- Stärkung der Kauftraft der Massen der Bevöl auf 17.29 gestiegen. Das hält den Verbrauch gen und jene Maßnahmen anzuwenden, welche ferung möglich wird. Die Hebung der Löhne und bei uns bisher in engen Grenzen und ebenso die Räder der Wirtschaft rascher in Gang bringen Gehälter der Angestellten und Arbeiter ist nicht lassen die noch immer andauernden Schwierigkei tent des Exportes es zu feiner vollen Entfaltung des Außenhandels kommen. Wenn auch nicht übermäßig fühlbare Rückschläge der Konjunktur

fönnen.

nur eine für die betroffenen Schichten bedeutsame soziale Frage, von der ihr Glück und Wohlergehen abhängt, sondern auch eine wirtschaftliche Auf­gabe für die Gesamtheit. Nur kaufträftige Massen werden eine Entwicklung der Verbrauchergewerbe herbeiführen, die sich dem Produktionsumfang anpaßt, wodurch Produktion und Verbrauch halb= wegs in Einklang gebracht werden. Aus der be­sonderen wirtschaftlichen Struktur des Staates und unserer Grenzgebiete geht auch hervor, daß wir alle Maßnahmen ergreifen müssen, die zu einer weiteren Hebung des Exportes führen kön sagt noch immer hunderttausende von Arbeits- nen. Die Devalvation der Krone, der Abbau der nolloviansi Tojen bei uns gibt, deren Kauffraft auf dem Einfuhrbeschränkungen, die Unterstübung des Er­niedrigst denkbaren Niveau ist und diese Zahl der portes für einige Industrien haben zu einer Ru Arbeitslosen hat wieder ihren Grund in der noch nahme der Ausfuhr geführt. Durch weitere Er­immer fortschreitenden Rationalisierung. Wäh- porterleichterungen muß diese günstige Entwick­rend der Produktionsindex anzeigt, daß die Er- lung fortgesetzt werden. Freilich bedarf es in den zeugung im Durchschnitt denselben Umfang ange­nommen hat wie 1929, zeigt die Zahl der Arbeitslosen, daß weniger Arbeiter notwendig find als im letzten Jahre der Hochkonjunktur, um dieselbe Menge von Waren zu erzeugen.

Man darf bei der gegenwärtigen Konjunktur nicht vergessen, daß sie zum Teil eine Rüstungs­fonjunktur ist, daß also nicht alle Werte, die er zeugt werden, in Form von Lohn und Ver­brauchsgütern wieder in den Kreislauf der Wirt­schaft zurückkehren. Die Rüstungen in der ganzen Welt bringen die Gefahr mit sich, daß die Rüstungsindustrie stärker wächst als die Ver­brauchsindustrie und der Verbrauch dadurch dem Wachstum der Produktion nicht nachfommen fann. dirt Diefelbe Gefahr entsteht dadurch, daß es wie ge­

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Ganz besonderes Augenmerk müssen wir auch der Tatsache zuwenden, daß gewisse Indus strien hinter dem allgemeinen Durchschnitt der Entwicklung der Produktion zurückgeblieben sind und daß in gewissen Gebieten die Arbeitslosigkeit entspricht. Es handelt sich hier um die deutschen Notgebiete dieses Staates, welche zugleich Inseln hoher Arbeitslosigkeit Europas find. Während Ende Juli 1937 von 1000 Einwohnern im tsche chischen Gebiete 10 arbeitslos waren, waren es in den deutschen Gebieten 42.9, von 1000 Berufs­tätigen waren in den tschechischen Gebieten 32.5 und in den deutschen Gebieten 84.8 arbeitslos. Unter zwölf Bezirken mit der geringsten Arbeits­Yojigkeit war nicht ein deutscher, unter den zwölf Bezirken mit der größten Arbeitslosigkeit nicht ein tschechischer Bezirk. Daraus geht hervor, daß die Probleme von Konjunktur und Krise die Deut schen im allgemeinen, die deutschen industriellen Irbeiter aber im besonderen start interessieren und daß es auch besonderer Maßnahmen bedarf, um die deutschen Gebiete dieses Staates wieder zu Stätten zu machen, in denen jene, die arbeiten wollen, auch Arbeit finden.

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am härtesten betroffenen Notgebieten der Schaf fung neuer Erwerbsmöglichkeiten, neuer Indus strien für den Bedarf des Inlandes und des Auslandes. Den Wirkungen der Rationalisierung fönnen wir nur durch Verkürzung der Arbeitszeit entgegentreten und wir müssen unaufhörlich be­müht sein, die Deffentlichkeit über die Bedeutung dieser Forderungen aufzuflären. Die Verlän gerung der Schulpflicht und die Herabsetzung der Anfallszeit der sozialen Renten werden das An­gebot auf dem Arbeitsmarkt herabdrücken und dazu beitragen, ein Gleichgewicht zwischen Nach frage und Angebot herbeizuführen. Ebenso wird die Durchführung der Regierungsvereinbarungen vom 18. Feber die Aufnahme von Deutschen in den Staatsdienst eine Entlastung des Arbeits­marktes in den deutschen Gebieten herbeiführen.

Freilich dürfen wir als Sozialisten nie vers Jeffen, daß, solange die entscheidenden Gebiete der Produktion in den Händen Privater sind, unsere Wirtschaft immer wieder dem Wechsel von Kons junktur und Krise unterworfen bleibt. Je mehr unsere Wirtschaft planmäßig durchorganisiert wird, je mehr die Allgemeinheit Einfluß gewinnt auf Erzeugung, Verbrauch, Handel und Kredit. desto mehr wird die notwendige Stetigkeit in der wirtschaftlichen Entwicklung erzielt. Von den ärgsten Folgen der Krise befreien kann uns nur eine sozialistische Planwirtschaft, d. h. eine Wirts Beantworten wir noch zum Schluß die schaft, auf deren Kommandobrücke nicht private Frage, was angesichts der wirtschaftlichen Si- Interessen, sondern die Bedürfnisse der Allge­tuation des Landes nottut. Wir müssen mit aller meinheit entscheiden.