Veite 2 Dienstag, 9. November 1937 Rr. 263 faschistischen Staaten bisher nicht gelungen ist, bas soll nun-dem Druck des Dreierbundes gelingen. Die von Deutschland , Italien und Japan bedrohten Mächte brauchen aber in Wahrheit leine Furcht zu empfinden. Die drei Länder des neuen römischen Paktes haben zusammen 207 Millionen Einwohner, das britische Reich har mit seinen Dominions und Kolonien 600 Millionen, wozu noch 106 Millionen Frankreichs und seiner Kolonien, 166 Millionen der Sowjet-Union , fast 70 Millionen der Kleinen Entente und des Bal­kanbundes und 142 Millionen der Vereinigten Staaten kommen. Groß-Britannien allein hat also zweieinhalbmal so viel Einwohner als der ganze antikommunistische Bund, mit Frankreich und der Sowjet-Union dreieinhalbmal, die Ver­einigten Staaten inbegriffen viereinhalbmal so viel Bewohner wie der Bund der dynamischen Staaten. Die Mächte, welche die Aufrechterhal­tung des Friedens anstreben, brauchen sich ihrer Kraft nur bewußt zu werden und die Drohungen Mussolinis, Hitlers und Konoyes werden aufhören. In England beginnt man dies langsam, aber umso sicherer zu begreifen und Edens Bemerkung in seiner letzten Rede, England werde sich von Neue Hetze gegen die Arbeitslosen? Hundert Millionen XL unverrechneter staatlicher Vorschüsse"700 Millionen für Unterstützungen waren da, nicht aber 60 Millio­nen für die Elektrifizierung"wo muß streng revidiert werden"Erscheinungen, die wir nicht begreifen". Wenn wir diese und ähnliche Titel und Untertitel imBenkov" wo denn sonst zu lesen bekommen, dann ist wohl die Frage berechtigt, ob die Hetze gegen die Arbeits­losen wiederum von neuem loSgehen soll und ob das der Text zu der täglich imBenkov" gesun­genen Melodie der notwendigen Zusammenarbeit und Sachlichkeit in der Koalition sein soll. Wie oft will derBenkov" diese tibetanische Gebet­mühle noch ableiern? Wie oft sollen wir ihm anSeinandersetzen, daß es just die Sozialisten sind, die immer und immer wieder auf Arbeitsbeschaf­fung drängen, daß aber leider mit einem Betrag, mit dem, sagen wir 100.000 Arbeitslose zur Not unterstützt werden können, keine Investitionen "finanziert werden können, die 100.000 Menschen Arbeit verschaffen! Wie ost sollen wir uns dar­über unterhalten, daß es in einem Budget von acht oder zehn Milliarden wahrhaftig andere Posten gibt, Posten, an denen dick veMent wird und die daher einer scharfen Revision wesentlich dringender bedürfen als die kargen Unterstützun­gen der Arbeitslosen? Wie ost will derBenkov" den Gewerkschaften die Vorschüsse vorhalten, die ihnen zur Ausbezahlung des Staatszuschusses gewährt werden, da fie ja doch nur der Form nach Vorschüsse sind, weil die Gewerkschaften den Staatszuschuß ja im vorhinein auszahlen müssen? Die Erscheinungen, welche derBenkov" nicht zu begreifen vovgibt, sind der Arbeiter­mangel auf dem flachen Lande und der Mangel an Facharbeitern. Das Problem der Landflucht ist zu kompliziert und zu ernst, als daß eS in einigenan den Rand geschriebenen" Bemerkun­gen, wie derBenkov" sich selbst auSdrückt, ab­getan werden könnte. Wer weiß, wie sich die Arbeitslosen alljährlich um die paar Kronen drängen, die sie bei der Hopfenpflücke verdienen, wird jedenfalls zugeben müssen, daß nicht die' niemandem kommandieren lasten, wird hoffentlich von noch deutlicheren Worten und Täten ge­folgt sein., Einer der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus hat einmal gesagt, die Geschichte werde der Arbeiterklasse Dialektik einpauken und in vielen Ländern ist daS Klassen« und das Krast- bewutztsein des Proletariats erst durch daS egoi­stische Klassminteresse einer rücksichtslosen Bour­geoisie geweckt worden. Vielleicht gilt diese Er­scheinung nicht nur von den Kämpfen der Klassen, sondern auch von jenen der Staaten. Erst die Ge­fahr, die auS dem Zusammenschluß der faschisti­schen Staaten erwächst und dem naivsten und gut­gläubigsten Menschen in den westlichen Demokra­tien sichtbar erscheint, wird den eisernen Ring der Friedensmächte schmieden, in deren Händen die Zukunft der Zivilisation, der Freiheit und Menschlichkeit ruht und eine solche Uebermacht schaffen, durch deren Bestand der Friede gesichert werden wird. Je stüher diese Aufgabe erkannt wird, desto eher wird die Menschheit auS der un­erträglichen Kriegsgefahr bestell sein, die allen Fortschritt hemmt und wie ein Bleigewicht alle Ideale in den Staub zieht, für welche wir leben und kämpfen. Arbeitslosen an dieser Erscheinung schuld sind. WaS aber den Mangel an Facharbeitern anbe­langt, so haben wiederum wir immer und immer wieder darauf hingewiesen, daß die Dauer­arbeitslosigkeit die Heranbildung eines qualifi­zierten Nachwuchses gefährden mutz, wir haben Vorschläge zur Abhilfe erstattet und das Mini­sterium für soziale Fürsorge hat im Rahmen sei­ner Mittel das Möglichste für die Schulung und Umschulung der Arbeitslosen getan. DerBenkov" schließt seine Betrachtungen, die mll dem üblichen Angriff auf die Arbeits­losen und die Gewerkschaften beginnen, mit einem Vorschlag, der auf den ersten Blick sehr sozial erscheint. Es soll den alten Arbeitslosen, die nirgends mehr Beschäftigung finden können, die Sozialversicherungsrente zuerkannt werden. Aber derBenkov" dürfte nicht derBenkov" sein, wenn diese. sozialpolitische Großherzigkeit nicht ihren deutlich sichtbaren Pferdefuß hätte. Er meint nämlich, daß diese Maßnahme ,xmch um den Preis gekürzter Renten" verwirllichi werden müßte. WaS soll das bedeuten? Sollen die Jnvalkditätsrenten nach dem Grade der Er­werbsunfähigkeit abgeftuft werden wie in der Un­fallversicherung? Das wäre«ine so grundlegende Aenderung in der Konstruktion unserer Sozial­versicherung, daß es zumindest leichtfertig ist, mit einer flüchtig hingeworfenen Bemerkung an ein derartiges Problem heranzugehen. Oder soll das Mitleid mit den alten Arbeitslosen nur die Tar­nung sein, unter deren Deckmantel ein ,allgemei­ner Angriff äüf die Sozialvcrsicherüügsrtnten eröffnet wird? Auf dies« Weise will man dem Grundübel unserer Wirtschaft, dem niedrigen LebenshaüungSniveau der breiten Massen an den Leib rücken? Das Problem der Arbeitslosigkeit erfordert eine wesentlich andere Betrachtungsweise als die vomBenkov" beliebte. Die Gewerkschaften und der Staat haben unter den schwersten Opfern die Arbeitslosenfürsovge in der Krisenzeit auf­rechterhalten, während die Unternehmer, unter fortwährenden Klagen über die unerträglichen soziales Lasten, im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten nicht einen Heller zur Arbeitslosenfürsorge beigetragen haben. Daraus ergibt sich die Aufgabe, die wahrscheinlich nur I kurze Atempause, die uns jetzt gegönnt ist, aus- zunützen, um eine Arbeitslosenversicherung zu schaffen. Es mehren sich in letzter Zeit auch außerhalb des sozialistischen Lagers die Stim­men, welche diese Art der Arbeitslosenfürsorge als die einzig zweckentsprechende bezeichnen. Wir erinnern nur an den Vortrag, den Prof. F. 3c. Weitz erst in den letzten Tagen im Sozialinstitut gehackten hat. Hier ist eine große positive und konstruktive Aufgabe gestellt, mit der sich alle ernsten Sozialpolitiker beschäftigen müßten. Das Lamento über, dieunproduktiven Unterstützun­gen" aber ist nur unverantwortliches Gerede. Lut« Wirtschaft der Tabakregie Prag.Prajsskt Noviny" bringen eine Unter­redung mit dem Generaldirektor der Tabakregie, IUDr. Josef H la d k h, der u. a. sagt«: Heuer war die Lage so, daß wir ständig bes­ser« Einnahmen hatten als im Vorjahre. Rach dem Stande vom 4. November inklusive hatten wir rund 1441 Millionen Einnahmen, d. h. daß in der Zeit vom 1. Jänner bis einschließlich 4. No­vember unsere Einnahmen um 46 Millionen XL höher waren als in der gleichen Zeit des Vorjah­res.' Wir führten der Staatskasse in der gleichen Zeit 970 Millionen XL ab, was um ein« Million weniger ist als in der gleichen Zeit des vergan­genen Jahres. Wir sehen also, daß die Einnah­men'steigen, die Abfuhren aber Zurückbleiben. Der Grund dafür ist einesteils in der Verteuerung der ausländischen Tabake, anderenteils darin zu suchen, daß nach der Tvvalvierunz unsere Wäh­rung eine geringer« Kaufkraft hat. Auch die Ver­teuerung aller inländischen Bedarfsartikel, wie z. B. Karton, Papier u. ä. hat einen gewissen Ein­fluß. Lediglich darum kam eS nicht zum gleichen Ansteigen der an die StaatSkaffa abgeführten Be­träge. Der Absatz der Tabakwaren steigt an, wo­von die Stetigkeit in den erhöhten Einnahmen auch im Monate Oktober zeugt, in welchem vom 1. bis 30. Oktober die Einnahmen um 2,600.000 XC besser waren, als in der gleichen Zeit des Vor­jahres. Wir zählen gegenwärtig ungefähr 9000 ständige Arbeiter sowie rund 800 Beamte und pragmatikalische Angestellte, außerdem 4000 bis 4600 Saisonarbeiter für den Einkauf und die Fermentierung von Tabak in der Slowakei und Karpathorußland. Im nächsten Jahre, in wel­chem das Jubiläumsjahr sein wird, werden wir besondere Jubiläums- igaretten herausbringen, die im ganzen Staate zum Verkauf gelangen werden. Ebenso werden wir besondere Zigaretten zum Sokolkongretz erzeugen. Der Gesandte Sowjetrußlands Alexandrow- flij und Gemahlin veranstalteten am Sonntag nachmittags aus Anlaß des Staatsfeiertages eine große Rezeption in der. Gesandtschaft. Unter den Anwesenden befanden sich der Kanzlet des Präsi­denten der Republik Dr. P. Sämal, die Minister Dr. K. Krofta, Dr. Kalfus, Jng. NeLas und Dr. Tzech, der Primator Prags Dr. Zenkl u. a. m. Neuaufnahme von Lehrerpraktikanten. Das Schulministerium hat den Erlaß über die Auf­nahme von Lehrerpraktikanten bis zum Ende dieses Schuljahrs verlängert. Es werden nun­mehr Wer 1700 neue Praktikanten und Prak- tikantinnen für den Lehrberuf angestellt werden. Bei den Neuaufnahmen wird auf die Parität weiblicher und männlicher Lehrkräfte Rücksicht genommen werden. Der Erlaß über die Lehrer­praktikanten tritt in Böhmen am 1. November und in Mähren -Schlesien am 10. November in Kraft. (DND) ! Italienische Trauen demonstrieren gegenFrelwllllgen-Transporte WieGiustizia e Liberia" aus Spezick meldet, wurden von dort während des ganzen Ok­tobers die Truppen- und Materialtransporte«ach Spanien fortgesetzt. Das Material, das der spa­nische Krieg verschlingt, ist enorm und in de« kriegswichtigen Unternehmungen in diesem Ge­biete gibt es«ur solche wird Tag und Nacht gearbeitet, um Material nachzuschaffen. Insbe­sondere aus dem Arsenal gehen ununterbrochen Material-Sendungen ab. DieFreiwilligen" sind streng kaserniert. Kürzlich kam es vor einer dieser Kasernen zu einer Demonstration von Frauen, die den Abmarsch und die Einschiffung der Truppen verhindern wollte«. Um eine Wiederholung solcher Vorfälle zu ver­meiden, werden die Truppen jetzt von S e v o n t» aus eingeschifft. Biele Deserteure wurde« wieder aufgegriffen und gefesseltanBord gebracht. Reu ist, daß jetzt starkeKontingente deutscherTruppen Spezia passieren. Sie werden in Parma konzentriert und von Neapel oder Spezia aus nach Spanien verschifft. Schanghai Immer starker umklammert Schanghai . Etappenweise schließe« die Japaner Schanghai ein, inten sie vom Norbert und Vom Süden trotz deS tapferen Widerstandes der Chinesen vorgehen. ES wird bereits alS sehr gefährlich angesehen, zwischen Schanghai und Nanttng zu reffen. Die chinesischen Truppen habe« Putung evakuiert» um der dort drohenden Um­klammerung durch die Japaner zu entgehe«. Bon chinesischer Seite wird mitgeteilt, daß der Gegendruck der chinesischen Berstärkungen an der Tschapufront immer stärker fühlbar wird. Südlich des SuffchaugrabenS machen die Japaner wenig erfolgreiche Bemühungen, die bisherige« Brückenköpfe zu erweitern. Zu groves Interesse kür die USA -Flotte... Washington.(Eigenbericht.) Die amerikani­sche Legion in Los Angeles hat die Abberufung des deuffchen Konsuls gefordert. Dem- Herrn Manfred von Killinger wird vor­geworfen, daß er sich zu sehr für di« amerikanische Kriegsflotte interessiert haben. Chinas Eisenbahner appellieren an Ihre Berufskollegen Nanking. Seit Beginn der Kriegsoperatio- nen bis zum 12. Oktober haben japanische Flug­zeuge 600mal chinesische Eisenbahnen beschlossen, wobei sie 150 Lokomotiven, 87 Personen- und 255 Lastwagen zerstörten. Getötet wurden 293 chinesische Eisenbahner, verletzt ungefähr 1000. Diese Tatsachen sind in einem Briefe enthalten­den 146.884 chinesische Eisenbahnangestellt«, welche in 12 Gewerkschaftsorganisationen ver­einigt sind, an die Eisenbahner der ganzen Wett gerichtet habe. Brüssel . Paul Hymans hat eS bei den Bera­tungen mit dem designierten Ministerpräsidenten Spaal abgelehnt, in die neue belgische Regierung einzutteten. Rom . In Spezia ist ein weüeres-Unterseeboot der Aethiopienserie von Stapel gelaufen. DER IfLEINE VONlUGlN!DABIT BoroehUgte üebortr»guan an» dem Französischen von Bejot Wir kommen zur Porte de Versailles. An manchen Stellen reißt man das Pflaster auf. Auch werden Schützengräben ausgehoben und Maschi­nengewehre aufgestellt. Bor den Forts, auf den Böschungen werden Drähte gezogen, die elektrisch geladen werden sollen. Die Gitter vor dem Ein­nehmerhaus werden mit Bohlen gesichert, in die Schießscharten gebohrt sind. Zeitungsverkäufer schreien:Extra-Aus­gabe!" Vorübergehende heben den Kopf zum Him­mel.Heute scheinen die Tauben nicht zu kom­men." Wir setzen uns auf die Terrasse eines kleinen EastS. Jeder bestellt einen Aperitif. Mir rät man zu einem Bitteren, Marke Picon. Bon unserem Tisch auS verfolgen und begut­achten wir die Verteidigungsarbeiten. Lesueur klatscht in die Hände und bestellt eine zweite Runde. Ich trinke. Ich rauche meine erste Ziga­rette. Mir brummt der Kopf, ich höre nur noch Brocken der Unterhaltung.Paris ist uneinnehm­bar... Gallikni... Joffre... unsere 7.6- Kanonen..." Jetzt fange ich an, laut mitzureden. Dabei tperfe ich«inen prüfenden Blick in einen Spiegel. Wie meine Kollegen fühle ich mich frei, zu tun, WaS mir beliebt. Ich bin ihnen gleichgestellt, ver­diene genau soviel wie sie. Lesueur steht auf. Ich zahle. Dann gebe ich, mit schweren Beinen und einem widerlichen Geschmack im Munde, nach paus«. Mama will mir einen Kuß geben, fährt aber enffetzt zurück: Du hast ja geraucht, Kleiner. Und getrun­ken hast du auch." Die Kollegen, Mama..." Sie fällt mir inS Wort: Du wirst dich nicht verleiten lassen wie Ba­ier. Man mutz Willenskraft haben. Sonst wirst du bald krank." Wir setzen uns zu Tisch. Ich esse kaum. Da siehst du! Wär schon besser gewesen, du wärst direkt nach Hause gekommen. Und wie war es überhaupt? Erzähle!" Ach, erst kam ich mir ganz verloren vor. Ich dachte, es würde eine Werkstatt sein wie bei Herrn Bernard. Aber es. war wie auf einem Bahnhof. Immerfort fahren elektrische Züge hin und her. Die» die aus dem Keller heraufiommen, sichren zur Reinigung. Dort bin ich beschäftigt. Ich mache also auch sauber. Genau wie du, Mama." Bist du nicht sehr müde?" Das strengt doch nicht so furchtbar an." So etwas gibt'S auf allen Linien. Ich weiß. Als ich fertig war bei meiner Dame, bin ich aus den La-Thapelle-Bahnhof gegangen, um einen Verwundetenzug zu sehen. Mir ist noch ganz schlecht. Denk dir, fie lagen auf Stroh, in Vieh- wagenl Wir durften ganz dicht heran und konn­ten ihnen Obst und Zeitungen geben. Ein Dra­goner hat mir einen Rosenkranz geschenkt. Der wird uns Glück bringen. Glaubst du nicht?" Ich wage nicht ja und nicht nein zu sagen. Ich denke Nur mtt immer größerer Angst an Ba« ter und spreche das Wort aus. Vater? Er braucht gewiß nicht zu kämpfen. In seinem Alter! Das wäre noch schöner." Ich sehe zum Fenster hinaus. Gellende, lang anhaltende Lokomotivfignale zerreißen die Stille. Der Leuchtkegel eines ScheiMverferS tastet von Zeit zu Zeit den Himmel ab. Ich lausche. Mir ist, als hörte ich dumpfer Geschützfeuer. Ich seufze tief. Komm schlafen", sagt Mama.Dann dentt man wenigstens nicht." 4. Kapitel Wenn ich abends von der Arbeit komme, bleibe ich nicht mehr vor der Porttersloge stehen. Ich habe zu viele Enttäuschungen erlebt. Seit Kriegsanfang haben Uns alle vergessen, und wir haben überhaupt keine Post mehr bekommen. Nanu? Die PortierSftau ruft nach mir? .Meiner, eine Postkarte von deinem Bater." Ich reiße sie ihr aus der Hand. Aber lesen kann ich sie nicht. AuS Ersparnisgründen brennt das Licht nicht mehr auf der Treppe. Ich jage die Treppe hinauf. Ich klopfe. Mama öffnet. Du machst ja solchen Lärm. WaS ist denn los?" Nachricht von Papa!" Wir stellen uns unter die Lampe, und ich lese laut:' Macht euch keine Sorgen, alles geht gut. Bin gesund. Henri." Ich recke mich auf. '"'Gesund. Du siehst, Mama, du siehst." Ja... aber, von wann ist die Karte?" Sie dreht sie um. Ach, er ist in Pogny-sur-Marne. Die Zen­sur hat nichts auSgesttichen. Ich möchte bloß wissen, was er in der Gegend verloren haben mag. Ist es weit von hier?" Nach der Marneschlacht habe ich eine Karte von Nordostfrankreich gekauft und an die Wand genagelt. Pogny-sur-Marne? Er muß also bei der Heeresgruppe Mitte sein." Natürlich." Ich suche. Ich stecke einige der ftanzösischen cder englischen Fähnchen um, mit denen ich, seit unserem Siege, den Bormarsch unserer markiere. Du kannst es wohl nicht finden?" fragt Mama. Auf einmal rufe ich auS: Ah, hier! Zwischen ThülonS und Bitry-le- Frangois. Hier, an dieser Sttatze. Siehst du nicht? Warte, ich stecke ein Fähnchen hin." Mama betrachtet die Sache, besinnt sich und gerät plötzlich in Wut. DaS ist ja dicht hinter der Front! Und der Landsturm sollte doch hinten bleiben und nur Wachtdienst tun. Unerhört! Der ganze Krieg hat keinen anderen Sinn, als uns unglücklich zu machen." Dann reißt sie die Fähnchen aus der Karte, die ich mühselig geordnet habe, und setzt sich, am ganzen Leche zitternd» auf den Stuhl, auf de« Bater zum letztenmal an jenem Augustabend ge­sessen hat. Wie alt ist sie seitdem geworden! Das Haar an ehren Schläfen ist ganz weiß. Früher, als ich noch ein Kind war, riß ich ihr die ein­zelnen weißen Haare aus. Jetzt wären es ihrer freilich zu viele. Die Falten in der Sttrn haben sich vertieft, neue Falten sind neben ihren blassen Lippen entstanden. Ich erinnere mich zu gut an die Angst, die sie gelitten hat, wenn Vater zu spät nach Hause kam, als daß mich die Sorgen- in denen sie jetzt lebt, nicht beunruhigten. Nachdem sie eine Weile so gesessen hat, springt sie auf und erklärt: Wir fahren zu ihm!" Ich bin ganz erschrocken. Sie wiederholt mit einer rauhen, fast unkenntlichen Stimmer Wir fahren! Mach dich fertig." Mama, du scheinst nicht zu wissen... Sie hört nicht auf das, was ich sage, sonders studiert aufmerksam die Karte. Wir nehmen die Ostbahn." Wir haben doch keinen Passierschein. Und wie fängt man es überhaupt an, bis zur Front zu kommen?" (Forffetzung folgt)