Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 70 Heller Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag Mittwoch, 10. November 1937
Redaktion und Verwaltung: Prag XII., Fochova 62
17. Jahrgang
-
Telephon 53077-
Aus dem Inhalt:
Exposé des Finanzministers
Die Kosten
der Staatsverteidigung
1150 Millionen neue Steuern
Nr. 264
Die neuen Steuernd Staatsvoranschlag 1938
vom Ministerrat genehmigt
Die neuen Steuern, bzw. Steuererhöhun
gen, die nach den Erklärungen des Finansmini Im Zeichen der Landesverteidigung
fters insgesamt 1150 Millionen einbringen sollen, find aus den Ziffern des Budgets( siehe die Tabelle ,, Steuern und Abgaben") nur zum Teil direkt ersichtlich. Ausführlicher hat Finanzminifter Dr. Kalfus in seinem Exposé darüber gesprochen. Demnach sind die Steuern, Abgaben und Gebühren erheblich höher präliminiert, und zwar:
1. neue direkte Steuern.
•
Millionen: 590,0
2. Mehrertrag der Umsatzsteuer 382,0 3. Mehrertrag der Zölle
30,5
•
4. Mehrertrag der Konsumsteuern 206,0 5. Mehrertrag der Gebühren.. 109,2 6. Mehrertrag der Monopole
9
8,7
Demgegenüber wurde auf Grund der tatsächlichen Einzahlungen gegenüber dem Vorjahr die Einkommensteuer um 74 und die Veraugszinsen um 37 Millionen geringer angesetzt.
Die neuen Bedeckungsentwürfe sollen 1155 Millionen einbringen. Sie wurden vom Ministertat am Dienstag bereits genehmigt. Nach dem amtlichen Bericht handelt es sich außer der Verlängerung der bestehenden Zuschläge zur Einkommensteuer um folgende Gesezentwürfe:
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-
Steuer von außerordentlichen Gewinnen, Regelung des Staatsmonopols der fünftlichen Süfftoffe,
Stener von Limonaden, Mineral- und Sodawäffern,
Biersteuer,
Weinsteuer( mit zeitlichem Vorbehalt),
Steuer von Gummiwaren,
Steuer von Kunstspeisefetten, Erhöhung des Spielfartenstempels und Ersatz gemäß den Gesetzen über die Bautätigkeit( Regres).
Jaksch in England
London. ( Eigenbericht.) Abgeordneter Jaksch ist Dienstag in London eingetroffen. Er fand hier zahlreiche Einladungen von Persön lichkeiten vor, die sich für die zentraleuropäischen Fragen interessieren.
Die Italiener
London . 80.000 Mann italienischer Truppen mit zwei motorisierten Divisionen und| Artillerie, sind nach einer Meldung des diplomatischen Korrespondenten ,, Daily Telegraph " gegenwärtig in Libyen stationiert. Ein Teil dieser Truppen ist von der italienisch- jugoslawischen fen und nach Libyen transportiert worden. Diese| Grenze, ein anderer Teil aus Abessinien abberuTruppenkontingente übersteigen bei weitem die
zur Aufrechterhaltung der Ruhe in Libyen erforderlichen Kräfte.
Um die Handelsvertreter
bei Franco
London.( Reuter.) Im Unterhause wurde
Montag abends die Aussprache über die Frage des Austausches von Handelsvertretern mit General Franco fortgesetzt. Minister Eden erklärte in Bes antwortung der Ausführungen des Sprechers der Opposition, des ehemaligen ersten Lord der Admiralität, Alexander, daß die Absicht der britischen Regierung keineswegs im Widerspruch mit dem Geiste der Nichtinterventionspolitik stehe. Weiters! erklärte Eden, daß die französische Regierung von der Absicht der britischen Regierung informiert wurde, bevor es noch zu den ersten Schritten in den Berhandlungen mit General Franco fam. Bezüg
A) Der ordentliche Voranschlag:
I. Staatliche Hoheitsverwaltung:
•
1938
10.117,423. 10.120,233 2,810
1937: 8.453,742 8.456,469 2,726
1936 9.314,066 7.554,266
1.759,800
II. Staatliche Unternehmungen:
•
Gesamte Ausgaben Gesamte Einnahmen. Betriebsgewinne. Betriebsverluste Investitionen: a) eigentliche. b) Erneuerungen Abfuhr an die Staatskasse
III. Zuweisungen: An die Selbstverwaltungskörper ,, für Lehrergehälter. Anteil der staatlichen Fonds: a) Straßenfonds.
b) Meliorationsfonds
·
7.869,141 .9.221,828
1.503,109 150,422
7.452,199 -8.329,805 1.468,046 590,440
7.555,125 8.452,446 1.308,256 410,935
1.286,021
•
555,500
1.336,786
960,159 416,495 1.065,116
679,266 361,995 891,905
847,145
1.070,000
817.171 975,000
689.714 947,323
328,000
262,900
8,500
8,000
c) Wasserwirtschaftsfonds
9,250)
8,650
Sonstige Zuweisungen
13,200
12,450
285,195 10,465 11,721 12,814
Außerordentliche Zuweisungen:
167,008
188,920
300,000
Summe aller Zuweisungen
2.743,104
550,000 2.823,091
147,399 650,000 2.759,967
IV. Verwaltung der Staatsschuld:
Gesamte Staatsschuld
·
davon: fundierte.
47.094,386 28.844,564
46.784,508 28.007,410
nicht fundierte
"
"
"
7.998,247 8.251,575 2.000,000
1.562,424 268,896 20,829 1.852,151
1.610,638 83,295 7,013 1.700,947
answärtige
•
Banknotenschuld
Laufende Ausgaben für:
Zinsen...
Amortifierung.
Verwaltung
Summe der laufenden Ausgaben
39.924,314 23.090,745 8.597,673 7.512,793 8.149,424 7.274,561 2.030,000 2.046,213
B) Der außerordentliche Voranschlag:
1.786,899 296,523 66,080 2.149,503
Zur Deckung der außerordentlichen Erfordernisse, das ist der echten In vestitionen einzelner Staatsbetriebe und des außerordentlichen Bedarfes der Staatsverteidigung, wurde heute erstmalig ein außerordentliches Bud get aufgestellt, dessen Bedeckung im Kreditwege beschafft werden soll. Dieses außerordentliche Budget sieht folgende Posten vor:
1. Investitionen:
Post Eisenbahnen
Staatsgüter und Forste Landwirtschaftliche Versuchsgüter Staatliche Bäder.
Summe:
41,940.000
. 1.063.784.900 40,747,000 1,933.400
->
283.000 1.148,688.300
2. Besondere Bedürfnisse der Staatsverteidigung 2.360,000.000 Gesamterfordernis des außerordentl. Budgets 3,508,688.300
Je mehr der Staat in alle Gebiete des ges sellschaftlichen Lebens eingreift, desto größere Bes deutung gewinnt die Staatswirtschaft für die politische und wirtschaftliche Entwicklung. Der Staatsvoranschlag, der den Plan für die Staatss wirtschaft eines Jahres enthält, ist daher eine der wichtigsten Vorlagen, die dem Parlament und dem Urteil der Bevölkerung uns terbreitet werden.
Der Voranschlag der Republik für das Jahr 1938 ist dem Abgeordnetenhaus im Verhältnis zu früheren Jahren zu einem späten Ter min überreicht worden. Während das Budget im Vorjahre schon am 16. Oktober auf dem Tisch des Hauses lag, konnte der Finanzminister heuer erst am 9. November den Voranschlag vorlegen und ihn in einem Expofe ausführlich erläutern.
Der Grund für die verspätete Einbringung des Budgets liegt in den besonderen Schwierigfeiten, die dem Ausgleich zwischen den Ausgaben und Einnahmen der Staatstasse entgegenstanoen. Wochenlange Beratungen waren notwendig, um innerhalb der Koalition eine einheitliche Auffass fung zu erzielen. Die Ausgabenseite des Buds gets war Gegenstand der Verhandlungen der parlamentarischen Ersparungskommission, während über die notwendig gewordene Erhöhung der Eins nahmen die politischen Führer und Fachleute der Barlamentsmehrheit berieten. Jedenfalls kann man sagen, daß die parlamentarischen Ver trauensmänner und nicht etwa die Bürokratie des Finanzministeriums den entscheidenden Eins fluß auf die endgültige Fassung des Budgets geübt haben, daß also die Demokratie bei der Festsetzung des Planes unserer Staatswirts schaft zu ihrem Rechte gekommen ist. Die Beratung des Budgets wird in voller Oefs fentlichkeit stattfinden, im Gegensaße etwa gum Dritten Reich, das es überhaupt nicht wagt, seis nen Voranschlag zu veröffentlichen.
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Das Bestreben des Finanzministers und der Koalition war es auch, dem Parlament ein Bud get vorzulegen, das die Gewähr in sich trägt, daß die Planziffern des Staatshaushaltes möglichst eingehalten werden. Das ist in den lezten Jahren leider nicht geschehen. Während z. B. das Budget für 1936 ausgeglichen war, erscheint im Rechnungsabschluß für dasselbe Jahr ein Fehlbe= trag von mehr als zwei Milliarden. Das hatte seinen Grund teils in den Folgen der Krise, teils in den Notwendigkeiten der Landesverteidigung. Diesem letteren Umstand sucht man nun im heu rigen Budget Rechnung zu tragen und auch er Finanzminister hat in seiner Rede ganz offen über die außerordentlichen Rüstungsausgaben seit 1936 gesprochen.
Die der Wirklichkeit näherkom mende Budgetierung drückt sich schon darin aus, daß die Budgetziffern höher sind als im Vorjahre. In der letzten Konjunkturepoche be wegte sich das Budget der eigentlichen Staatsver
waltung
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also von den Staatsbetrieben abges
sehen auf der Höhe von etwa zehn Milliarden und wurde in den Krisenjahren auf rund acht Milliarden reduziert. 1937 erreichten die Einund Ausgaben 8.5 Milliarden, 1938 aber wieder über zehn Milliarden. Das hat seinen Grund teils in der gebesserten Konjunktur, die Mehreinnahmen der bisherigen Steuern werden, wie Dr. Kalfus sagte, für 1938 mit 1400 Millionen Kč veranschlagt. Aber diese Mehreinnahmen ges nügen nicht, um die Mehrausgaben zu bedecken und das hat seinen Grund in den steigenden Ausgaben für die Landesver teidigung oder wie der Finanzminister präzise sagte, in den erhöhten Ausgaben für die Aufrüstung der Armee und der Befestigung der Grenzen".
Die unerhörten Rüstungen ganz Europas ,. von der Behandlung des Budgets des Außenmini- insbesondere unseres nördlichen Nachbarn, die steriums im Parlament, abhängen wird, scheint exponierte Lage der Tschechoslowakei und die Nots es, wie wir erfahren, sicher, daß Außenminister wendigkeit, Freiheit und Demokratie zu schüßen, Paris cha u Land seit 1935 zu außerordentlichen
Eden, er habe das Vertrauen, daß sich dieses Reise des Außenministers Yvon Delbos nach fahren wird, u. zw. um den 10. Dezember herum. Ausgaben gezwungen. Die Ausgaben betrugen immer enger und intimer gestalten werde. Warschau , Prag , Belgrad und Bukarest . Wie- Von Warschau würde sich Delbos nach Prag und für 1935, 1936 und 1937 5830 Millionen Kč. wohl das Datum der Abreise des französischen von dort nach Belgrad und Bukarest begeben. Die wozu noch die ordentlichen militärischen AusgaAußenminiſters noch nicht feſtgeſetzt ist und von geſamte Reife wird etwa zwei Wochen in An- ben von jährlich 1360 Millionen kommen, d. f. in der Budgetdebatte im Parlament, hauptsächlich spruch nehmen.
das
Der Antrag der Labour Party , der Regierung Mißtrauen auszusprechen, wurde mit 241 Regen 107 Stimmen abgelehnt.
drei Jahren 4080 Millionen, zusammen an