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Freitag, 19. November 1937

Nr. 272

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner heu­

Japan nun eine große Operationsbasis auf dem Der Appell Chinas an den Völkerbund, an also die Gefahr eines Weltbrandes, der sich von Kinder für eine neue Minderheitsschule in Sch a to asiatischen Festland hätte und eine Verdrängung die Brüsseler Konferenz, an das Rechtsempfin- Ostasien über die ganze Erde verbreiten fönnte. tawa bei Prachatis vom Pressedepartement zu­und Süd- China, wo diese beiden Länder viele kann sich im Vorgelände der anglo- amerikanisch - Schicksal Ostajiens unmittelbar interessierten tigen Rebe ausdrücklich wiederholt, daß feine des anglo- amerikaniſchen Einflusses in Mittel- den der Welt hat bisher nichts geholfen. Japan Allerdings ist die Ueberlegenheit der drei an dem ging, sind teine ausreichende Erledigung. Millionen investiert haben. Es wäre nach der russischen Lebensinteressen frei bewegen, tann Festsetzung Italiens an den Nilquellen die zweite cffene Städte bombardieren und China in ein Mächte und ihrer Verbündeten so groß, die Fähig- Ent nationalisierung geplant ist. Wir koloniale Niederlage des britischen Weltreiches, Blutmeer verwandeln. Je weiter die Japaner feit der drei dynamischen Mächte, Japan , Deutsch - nehmen sie mit Dank zur Kenntnis und haben nur aber auch eine Machteinbuße der Vereinigten vorrücken, desto mehr nähern sie sich den Grenzen land und Italien , einen längeren Krieg durchzu in der Frage der Minderheitsschulen den Wunsch, daß dieser vernünftige Standpunkt auch Staaten, die in Brüssel an der Erfolglosigkeit der der Sowjet- Union, desto größer wird die Gefahr halten, so gering, daß man die begründete Hoff- respektiert wird. Es ließe sich hier mit einem Ostasien - Konferenz durch ihre Teilnahme nichts für die Herrschaft Englands in Indien und der nung haben kann, es werde uns ein zweiter Welt- Reklamationsverfahren Ordnung zu ändern vermochten. Amerikaner im Stillen Ozean , desto näher rückt frieg erspart bleiben. schaffen. Wenn es dem deutschen Ortsschulrat mög­lich wäre, ein Kind deutscher Eltern aus der tsche­chischen Schule herauszureklamieren und umgekehrt, so wäre damit für beide Teile eine befriedigende Lösung geschaffen!

Das deutsche Problem in der Staatspolitik

Ein Sozialdemokrat als Anwalt sudetendeutscher Interessen

Auch bei der diesjährigen Budgetberatung nimmt das nationale Problem einen breiten Raum ein. Im Vorjahre ging es um die Anerkennung des Prinzips der Proportion a- lität. Nunmehr steht die Frage der praktischen Anwendung dieses inzwischen anerkannten Grundsatzes im Vordergrund.

Genosse Jatsch nahm Mittwoch noch einmal zu dem ganzen Fragenkomplex Stellung, und zwar im Anschluß an das bereits zitierte Exposé des Ministerpräsidenten Dr. Hodža, zu deffen Ausführungen er mehrfach Stellung nahm. Jaksch führte u. a. aus:

Keine mechanische Proportionalität

denen wir gegenüberstehen, ist nicht in einer line­Der Ausweg aus den objektiven Schwierigkeiten,

durchgeführt

Die Ziffern, die der Herr Ministerpräsident heute nach der wirtschaftlichen Seite hin anführte, bedeuten einen wertvollen Beitrag zur Dis fuffion. Wir anerkennen ohne Vorbehalt das, was positiv geleistet wurde. Von den angeführten öffent [ Iifitation. Wir müssen uns an die deutsche lichen Arbeiten, soweit sie auf deutsches Gebiet ent­Jugend, namentlich an die, die sich einer höheren fallen, wäre allerdings in Abzug zu bringen, was von Schulbildung erfreut, unbedingt die Forderung rich- ti che chi ichen Unternehmern ten, daß sie fich die nötigen Sprachenkenntnisse an- wurde, die sich den größten Teil ihrer Arbeitskräfte eignet, die sie im öffentlichen Dienst braucht. Anders mitbrachte n! Solche Arbeiten kann man uns ſteht es dort, wo auch für kleine Angestellte und nicht als Beitrag zur nationalen Befriedung in Arbeiter marima le Sprachenfenntnisse voraus- Anrechnung bringen, weil sie mehr böses Blut ge­gesetzt werden. Darüber heißt es ausdrücklich in den schaffen haben, als wenn überhaupt nichts gebaut Febervereinbarungen: worden wäre! Alle diese Dinge tönnen nicht losgelöft bon der Struktur der Wirtschaft, von der Wirtschafts­intensität und von der Wirtschaftsfurbe betrachtet werden. So darf man nicht vergessen, daß unsere Erportindustrien nach dem Krieg und ganz besonders in den Jahren der Weltkrise einen katastrophalen Rückschlag erlitten haben. Das bezieht sich insbeson

Die Regierung ist bereit, das Ausmaß der Sprachenprüfungen nach den tatsächlichen Bedürf­nissen mit Rücksicht auf die Verwendung des Be­werbers im öffentlichen Dienst zu regeln und zur Ausgabe diesbezüglicher Behelfe beizutragen." Die entsprechenden Richtlinien sollten mit mög

Auf dem Höhepunkt des Einflusses der na tionalistischen Gewalten in der Umivelt haben wir den heroischen Versuch unternommen, den Jahr hunderte alten Streit zwischen Deutschen und Tsche­chen zu beenden und eine feste Basis für die An- aren Proportionalität zu finden. Wir haben vom näherung der beiden Völker zu finden. Wir geben Herrn Ministerpräsidenten in dieser Richtung eine ganze Serie aufschlußreicher Biffern gehört und wir uns über die Schwere dieses Versuches teiner Täus wären in der Lage, diese noch in mancher Hinsicht au lichster Beschleunigung an die verschiedenen Aemter dere auf die vielen hunderte Betriebsstillegungen. schung hin. Wir sehen auch die außerordentlichen ergänzen. In die Frage der gesamtstaatlichen Pro­Schwierigkeiten, denen die Pioniere und Anhänger portionalität spielen auch regionale Probleme ergehen! Wir können uns bei dem Wunsch nach einer demokratischen Befriedung der deutschen Bevöl­terung im tschechischen wie im slowakischen Lager hinein, die in Form einer vernünftigen Synthese Realisierung dieses Zugeständnisses auf einen wich­tigen Fürsprecher berufen. In der revolutionären Nationalversammlung erklärte der Referent zum Sprachengesetz, Abg. Hnidek, in der Sizung vom

gegenüberstehen. Die Schaffung einer neuen Atmosphäre ist die neue Voraussetzung des Gelingens einer wirklichen Verständigung.

gelöst werden müssen.

Das gilt z. B. für die Neueinstellungen bei den

Zabatfabriken, die feinerzeit errichtet ivurden, um für bestimmte Notstandsgebiete oft die Psychologische Umstellung nötig einzige industrielle Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Natürlich hat sich die Bevölkerung auf diese Er­Die Erfolge der wirtschaftlichen Aufbauarbeit, werbsmöglichkeit eingestellt und ist erbittert, wenn die sich gerade im abgelaufenen Jahre in einer Sen bei Neuaufnahmen Ortsfremde herangeholt wurden fung der Arbeitslosenziffer und in einer Steigerung und die ortsansässigen Arbeitslosen zu furz fommen. der Ausfuhr um nahezu ein Drittel manifestieren, Deswegen ist es nicht möglich, in der Personalpoli­berechtigen unseren Optimismus, daß auch die- tit der Tabakregie die, line are Proportionalität fung der Lebensfragen des sudetendeutschen Volkes anzuwenden, ebenso wenig wie wir zunächst darauf im Rahmen dieses Staates mit den Mitteln fried- Gewicht legen, daß die Deutschen etwa im Offi= licher Zusammenarbeit möglich ist. Nur Böswil- aierstorps die lineare Proportionalität er­ligkeit fann behaupten, daß alle wirtschaftlichen reichen. Wir laffen uns also gewisse Forderungen, und sozialen Nöte der deutschen Bevölkerung vom Staat oder von der tschechischen Politik verschuldet sind. Auch die deutschen Gebiete wären schon weiter aus der Krise heraus, wenn wir nicht durch einen Ring von autartischen Wirtschaftssystemen rings um uns behindert würden. Die Verkennung der ent­scheidenden Krisenursachen führte vor allem in der fudetendeutschen Bevölkerung zu einer bedauerlichen Lahmlegung der konstruktiven Kräfte. Viele unserer Mitbürger legen die Hände in den Schoß und war ten, bis irgendein gewaltiges Ereignis hereinbricht, das mit einem Schlag alle ihre Nöte beseitigen und alle ihre Wünsche erfüllen soll.

die regionalistisch begründet sind und über den Rah­men der allgemeinen Proportionalität noturnotwen dig hinausgehen, gern regressieren im Hinblick auf andere Gebiete, wo wir nicht so starke wirtschaftliche und soziale Interessen geltend zu machen haben.

In der Gesamtsumme bleibt doch ein Minus von ungefähr 40.000 deutschen Staatsangestellten und öffentlichen Bediensteten offen, das die bisherige Verkürzung illustriert und das wir durch eine ge­rechte Durchführung des 18. Feber mit möglichster Beschleunigung ausgleichen wollen. Dabei ist es im staatspolitischen Intereffe notwendig, daß im dent­schen Gebiet eine angemessene Anzahl Deutscher im öffentlichen Dienst tätig ist.

Auf der anderen Seite, im tschechischen Lager, ist ebenfalls eine psychologische Um ft e I- Die Einflüsse nationaler Kampforganisationen Inng notwendig. Wir haben es in unserem Lande im Schulwesen und in der Personalpolitik müssen einmal mit zwei verschiedenen Mentalitäten zu tun ausgeschaltet werden. Esei nochmals betont, daß und deshalb ist es von höchster Bedeutung, daß bei es uns nicht so sehr um die mechanische Pro­allen Aeußerungen unferer Staatspolitik auf die portionalität geht als darum, daß personalpolitische Mentalität und auf die Gefühle der deutschen Be- Entscheidungen im Einbernehmen mit den deutschen völkerung entsprechend Rücksicht genommen wird. Regierungsparteien getroffen werden. Wir brauchen Gerade der Staatspräsident benüßt ein System der permanenten Arbitrage bei jeder seiner Reisen die Gelegenheit dazu, um ein für die vielen Laufenden von Einzelentscheidungen, paar freundliche Worte an die Adresse der deutschen welches uns erübrigt, diese Dinge im Wege von par­Bürger zu sagen, ihre Wünsche und Beschwerden lamentarischen Interventionen zu betreiben. tennen zu lernen. Dadurch bietet er ein Beispiel absoluter Objektivität. Wir würden wünschen, daß dieses Beispiel auch bei allen anderen Gelegenheiten beachtet wird.

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DER LEINE

VON EUGENE DA BIT Berechtigte Uebertragun aus dem Französischen von Bejot

Bravo. Ich spendiere."

Wir gehen in ein Café. Dort rücken wir zwei Tische zusammen und setzen uns. Der Kell­nec bringt Wein in versiegelten Flaschen. Lesueur erhebt sein Glas:

..Auf das Wohl des Jahrgangs 18." Die Gäste drehen die Köpfe. Der Wirt an der Thefe applaudiert. Buzon steigt auf einen Stuhl und brüllt Operettenschlager.

Es ist schon sehr spät, als wir das Lokal ver­lassen. Ich habe Kopfschmerzen und muß immer­zu gähnen. Mama wird gewiß in Sorge um mich sein. Ich will Tavernier die Hand zum Abschied geben, aber er hält mich fest.

,, Ausgeschlossen, Kleiner."

"

Das kann dir nur gut tun", fügt Buzon lachend hinzu.

Ich habe nicht die Kraft, mich loszureißen. Ich hätte ja doch nie den Mut, allein dahin zu

gehen. Wohin wir nun gehen wollen.

Wir klettern in ein Auto. Unterwegs singen wir aus vollem Halse. In den Häusern gucken fie aus den Fenstern, Kaufleute treten vor die Laden­lür, und wir brüllen im Chor und im Takt:

,, Scheiß aufs Zivilistenpack!"

Sprachprüfungen ohne Schikanen! Ein Hindernis für deutsche Bewerber ist zwei­, ellos die oft mangelnde sprachliche Qua

Eine Dunstwvolte weht mir ins Gesicht.| Spiegel blenden mich. Ein riesiger Kamin nimmt die halbe Wand ein. Ein Mädchen, ganz in Schwarz, fummt auf mich zu. Tavernier flüstert ihm etwas ins Ohr. Es sicht mich an.

Ich lase mich in einen Sessel fallen. Stalter Schweiß bedecki meine Stirn. Mir ist, als müßte ich mich übergeben.

27. Feber 1920:

Wir haben in Desterreich schwer daran ge­tragen, daß z. B. der Eisenbahnminister einen drakonischen Erlaß herausgegeben hat, wonach jeder Arbeiter, auch beim Bahnbau, jeder Wäch­ter, kurz jedermann tschechisch können mußte, und daß er diesen drakonischen Erlaß auch drakonisch durchführen ließ. Und da weiß ich nicht, wer von uns es wollte, daß auch bei uns dazu gegriffen wird. Sollen auch wir selbst diejenigen, die es absolut nicht brauchen und nicht notwendig müssen, sollen wir z. B. irgendwo in Reichenberg oder in Eger usw. einen Eisenbahnarbeiter oder Wächter dazu nötigen, daß er tschechisch kann? Das, hohe Nationalversammlung, wird sicherlich niemand von uns wollen und das ist auch nicht notwendig."

Drei Aufgaben der Staatspolitik

Darum ist es von ungeheuerer Bedeutung, daß wir auf dem Gebiete der Industriefördes run a unsere Anstrengungen verdoppeln. Ohne Errichtung von Ersaßindustrien und ohne Wieders toren unferes wirtschaftlichen und sozialen Lebens belebung ftillgelegter Fabriken werden ganze Sets Tahmgelegt bleiben. Die ganze Erörterung dieses Punktes muß einmal von Refriminationen losgelöft

werden.

Man soll nicht übersehen, wie weit die wirt. schaftliche Erschütterung in den deutschen Gebieten und wie groß die soziale Unsicherheit ist, welche dadurch über einen großen Teil unserer Bevölke rung verhängt wurde.

Man soll nicht übersehen, daß dort, wo hun derte Fabriken stillgelegt worden sind, in einem verhältnismäßig engen Bereich ein ungewöhnlicher sozialer Notstand zurückgeblieben ist, den wir bis­her nicht genügend zu bekämpfen vermochten.

Man soll auch nicht das Ausmaß der politi. schen Aufpeitschung und der psychologischen Reiz barkeit übersehen, welches bei einem großen Teil unserer deutschen Bevölkerung anzutreffen ist.

Leider wurde dieser vernünftige Standpunkt in der Praxis später nicht beachtet. Wir begrüßen die Erklärung des Ministerpräsidenten, daß in Hinkunft bei Aufnahmen in den Staatsdienst auch von tsche- Das sind drei Fragen an die Staatspolitik, bie chischen und slowakischen Bewerbern die Kenntnis nur so beantwortet werden können, daß wir unsere einer Minderheitensprache verlangt werden soll. Für Aufbauarbeit auf wirtschaftlichem Gebiete intenſivies eine Uebergangszeit wird man diesen Bewerbern eine ren, daß wir unsere Arbeitslosenfürsorge nicht unter gewisse Dispens geben müssen, und es ist daher nur das Minimum senken, das zur Erhaltung der Men gerecht, daß man auch bei deutschen Beschen nötig ist, und daß wir alles vermeiden, was to er bern Nachsicht übt. Es geht nicht so auch von den demokratischen Deutschen als eine sehr um den reinen Buchstaben, es geht um den Distrimination empfunden werden könnte. Geist des gegenseitigen Verständnisses. Auf diese Probleme muß die Staatspolitik eine Ant­wort finden.

Sanktionen gegen Saboteure

Neben den notwendigen Richtlinien für die Durchführung des 18. Feber müssen auch noch Santtionen für die Nichteinhaltung der weisungen der Regierung vorgesehen sein. Außer­dem müssen Beschwerden über die Nationalitäten­pragis der Behörden objektiv untersucht und positiv erledigt werden, wenn sie sich als berechtigt erweisen. Formelle Dementis, wie ein solches z. B. der Redaktion eines sozialdemokratischen Blattes in Angelegenheit der unzulässigen Werbung deutscher

Wir haben zur positiven Lösung dieser Frage beigetragen, was wir konnten, und werden weiter unsere ganze Kraft dieser Aufgabe widmen. Die Initiative, die Hauptverantwortung und die Entschei dung über Gelingen oder Miglingen der Verständi gungspolitik liegt jedoch beim führenden Staatsbolt und seinen Repräsentanten. Uns obliegt es daher. ihnen unseren Appell zu unterbreiten, daß bei der durchgreifenden und systematischen Sanierung der Verhältnisse in unseren Grenzgebieten die Kräfte nicht erlahmen mögen!

,, Arbeitet, Kinder", sagte der Direktor am| mit? Ich möchte dir nur gute Wäsche geben. Aber Tage der Verteilung. Wenn ihr groß seid, wer wird sie dir waschen?" öffnen euch Kenntnisse alle Türen".

Zivei Pappkartons stopft sie voll. Ich sehe zu und stehe, wie Vater 1914, mit müde hers abhängenden Armen daneben.

Ich bin achtzehn Jahre alt. Wie meine El­tern bin ich ein einfacher Arbeiter. Mein Leben wird sich in nichts von ihrem Leben unterscheiden. ,, Du kommst nicht an die Front, Kleiner, Ich trete ans Fenster. Der Himmel ist hat Vater gesagt.. Damals glaubte man allers grau, es wird Abend. Die Landschaft, von der ich dings, der Krieg würde in vierzehn Tagen zu Ein anderes Mädchen springt auf meine jetzt Abschied nehme, finde ich noch düsterer, noch Ende sein." nie und umschlingt meinen Hals mit seinen nadelender als sonst, beinahe tragisch. In diesen ten Armen. Rote Lippen lächeln und gleiten auf finsteren Häusern leben, zusammengepfercht, meinen Mund. Eine Hand liebfost mich. Ich höre Tausende von Wesen... Liebesworte an meinem Ohr. Sie klingen wie Musik.

10. Kapitel

Eine Karte von Frankreich ist auf dem Tisch ausgebreitet. Mit Rotstift habe ich den Namen Poitiers unterstrichen. Endlich also werde ich ein neues Stück Heimat kennenlernen, neue Gesichter sehen! Aber an die Stelle der Begeisterung, die mich heute früh, als ich mich von den Arbeits­kollegen verabschiedete, noch hell aufjubeln ließ, ist eine etwas gedämpfte Freude getreten.

Die Möbel, die Mama zweimal im Jahr mit Del einreibt, damit sie funkeln, die Kalender un, ie ben stamin idmüden: jedes Stück bedeu­tet eine Erinnerung für mich. Als meine Nase bis zum Tisch reichte, war ich sieben Jahre alt. Ich hatte mir eine Hautkrankheit auf dem Kopfe geholt und war vollkommen geschoren. Einige Monate später hatte mich ein Scharlachfieber ans Bett gefesselt. Dann war ich wieder zur Schule gegangen. Das war, alles in allem, eine gute Beit. Meine Lehrer hatten es mir oft gesagt. Doch ich konnte nicht erwarten, in die Lehre zu

künstlichen Blumen an den Wänden, die Va= sen, die schmücken:

Aus einem Boulevard strichen Mädchen ohne Hut. Das Auto hält an einer Bassage. Im Hinters grunde glüht eine Nummer auf wie eine Feuer­blume. Ich sehe Schatten huschen, zögern, dann kommen. schnell eine Türe öffnen. Festliche Helle fällt Von dem schmalen Wandbrett, das Mama jedesmal hinaus, und man hört die Töne eines die ,, Bibliothet" nennt, nehme ich die roten Grammophons. Goldschnittbände, einen nach dem anderen, in die Hand. Es sind meine Schulprämien.

,, Ein schicker Puff", meint Buzon.

Ich gehe auf und ab, werde ungeduldig.

Mama müßte schon da sein!

Plötzlich steigen mir die Tränen in die Augen. Bin ich immer gut zu ihr gewesen? Am Stellungstage war es Mitternacht, als ich nach Hause kam. Mama saß, zitternd vor Kälte, auf der Treppe und wartete auf mich. Ich hatte mei nen Lohn vertan; ich sang und taumelte.

,, Ach, Kleiner, du bist ja in einem schönen Zustand.

"

ab, brachte mich ins Bett. Und von dem Tage an Nichts weiter. Sie wusch mir das Gesicht machte sie mir, als wäre ich mündig geworden, keinen Vorwurf mehr..

ist. Tavernier holt mich ab. Unser Bug geht um neun Uhr abends. Ich muß seufzen. Ich stellte mir den heiß ersehnten Tag nicht so schwer vor, nicht so ernst; und doch wiederum ist er ein Tag wie jeder andere. Louise Thévenard schreit ihren Jungen an:

Ich erwarte Onkel Auguste, der auf Urlaub

,, Willst du wohl deine Suppe essen!" Und auf der Straße rollen die Wagen, lär­mend wie sonst.

Zwei Arme umschlingen mich. ,, Du hast geweint?" fragt Mama.., Wes­halb machst du nicht Licht?"

Sie steckt die Lampe an.

Frau Harbulot wünscht dir viel Glück. Ich werde jetzt deine Sachen paden. Was nimmst du

Sie verschnürt mein Gepäck.

Fertig. Wir wollen bald effent." Die Suppenschüssel versendet wohlriechende Angst vor dem Abschied drückt mir die Kehle Dämpfe. Die Lampe wirft einen milden Schein. ler zurück und lausche auf den Pendelschlag der lähmt mich. Ich kann nicht essen, schiebe den Tels Uhr.

Onkel Auguste kommt mit stürmischer Ums armung. Wie Lesueur sagt er: Heute ist der große Tag." Das sagt er mit ganz fester Stimme und mit einem sehr würdigen Gesicht.

Er setzt sich neben Mama. Sie sehen sich ähnlich. Beide haben die gleiche Nase, dieselben schweren Lider und schmalen Lippen. zusammengewachsenen Augenbrauen, dieselben

,, Je größer du wirst, Kleiner, desto mehr gerätst du nach uns", stellt Onkel fest.

ter

tommen. Er sieht vergnügt aus und begrüßt Wieder klopft es. Tabernier und seine Mut Onkel militärisch.

Mama stellt die guten Gläser auf den und eine Flasche. Wir stoßen an.

Tisch

Tavernier, schon leicht angesäufelt, fagt mit, sein Glas hebend:

..Nimm's nicht schwer. Wir kommen balb auf Urlaub." Mama lächelt. Die Sympathie, die mit

mein Freund bekundet, beruhigt sie. Onfel flatscht in die Hände.

,, Es ist Zeit, Kinder, man muß auseinans

derfinden.

,, Noch einen Augenblick!"

( Fortsetzung folgt.).