Sozialdemokrat
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Rentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller
Redaktion u. Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Redakteur: Rarl Rern, Prag 18. Jahrgang
Mittwoch, 16. Feber 1938
Aus dem Inhalt:
Die Ursachen
des Planer Ueberfalls
Die Beschäftigung
Der Rückschlag in der Textil- und
der Glasindustrie
Nr. 39
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Zwei ,, Nationalbetonte"
ins Kabinett Schuschnigg
Wien. Spät abends ist unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg der Ministerrat zusammengetreten, der die Frage der Rekon struktion des Kabinetts behandeln wird.
Um 0 Uhr 25 meldete der Wiener Sender:
Bundeskanzler Dr. Schuschnigg wird heute dem Bundespräsidenten eine um bildung des Kabinett& vorschlagen. Die neue Minister liste wird voraussichtlich noch im Laufe der Nacht oder in den ersten Morgenstunden bekanntgegeben und gegebenenfalls von der Rawag im Frühbe. richt um 7 hr verlautbart werden."
Gutem Vernehmen zufolge werden folgende neuen Minister ober Staatssekretäre ernannt werden:
3ernatto, Geyß- Inquart, Charvat und Hueber. Von diesen sind Sehk- Inquart und Hueber Vertreter der nationalbe. tonten Kreise, Hueber ist ein Verwandter Görings.
[ und Mitgestalter an der Wiedererringung der Stellung und des geistigen Einflusses des Reiches im Abendlande sehen. Ich darf mich der Hoffnung hingeben, daß das Resultat dieser Be sprechung der. Beginneinerneuen Aera der deutsch - österreichischen Beziehungen bedeutet. Besorgnis in London London
. Die aus Desterreich in später Abendstunde in London vorliegenden Meldungen geben kein klares Bild der Lage. Die Blätter berichten übereinstimmend, daß die Krise in Oester reich ihren Höhepunkt erreicht habe. Wenn der Ministerrat die Regierungsumbildung in dem gewünschten Sinne beschließt, werde Hitler am Sonntag im Reichstage eine feierliche Erklärung der Unabhängigkeit Desterreichs abgeben.
Geringschätzung
des Menschenlebens
Bombardierung offener Städte- nur ein Spezialfall!
Was zu befürchten war, ist eingetreten: Ge neral Franco besteht darauf, die friedlichen Bes wohner der Städte Regierungsspaniens, mit Spreng- und Brandbomben, mit Tod und Zerstörung heimzusuchen. Allzu gering wirkt die Empörung aller fühlenden Wenschen über die an dauernden Bestialitäten auf die Politik der demos tratischen Regierungen ein. Daß sie aber auf die faschistischen Regierungen feinerlei mäßigenden Einfluß übt, das ist leider eine natürliche Sache. Denn es gehört zu den Lebensnotwendigkeiten der faschistischen Mächte, daß sie diesen Strieg, den modern- technischen Krieg mit allen seinen Un* menschlichkeiten, und auch den drohenden großen europäischen Krieg, der die blühenden Länder weit schlimmer verwüsten würde als jept Spanien ver wüstet wird, daß sie diesen Strieg in Wahrheit be jahen und gutheißen und die Bevölkerung, beson ders die Jugend, auf ihn vorbereiten. Mit dieser Politit haben sie einen neuen Zug in die Sitten Die britische Deffentlichkeit ist durch die neue geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts gebracht. Entwicklung in Mitteleuropa alarmiert, die Der neue Kurs verlangt insbesondere e inege fie, zumal im gegenwärtigen Zeitpunkte, nicht er- ringere Einschätzung des Mens wartet hatte. In parlamentarisajen Kreisen verfchen lebens, des eigenen und des Lebens folgt man die Entwidlung mit offener Beder anderen. for gnis und befürchtet eine Machterweiterung der Achse Berlin- Rom sowohl in Mitteleuropa als in ihrer Position als Partner für die von England und Frankreich seit langem angestrebten Berſtändigungsgespräche. Die Haltung Muffo linis wird als Beweis dafür genommen, daß besführer ernent aufgenommen und erst um der Duce nunmehr, wenn auch vielleicht nicht ohne lauf irgendwelche Nachrichten bekannt geworben fühung in Spanien und bei der italienischen 9 Uhr abends beendet, ohne daß über den Ber- Widerstreben, den Preis für die deutsche Unterwären. Hierauf nahmen die Ministerberatungen Mittelmeerpolitik bezahlt hat. im Bundeskanzleramt ihren Fortgang. Hitlers Drohungen
In den Staatsrat werden für die Nationalbetonten Jury und Rein thaler berufen werden. Botschafter von Papen ist von Wien abgereift, um dem Reichskanzler in Berlin über die Beschlüsse der Wiener Regierung Bericht zu erstatten. Wien . Für Dienstag war die Entschei- fich eine ziemliche Oppofition gegen weitreichende dung der österreichischen Regierung in den mit der Pläne Schuschniggs erhob. Nach dem Referat Entrevue von Berchtesgaden zusammenhängenden Schuschniggs wurde die Tagung unterbrochen und Fragen in Aussicht gestellt worden. Die Span- Schuschnigg. begab sich in seine Amtsräume am nung in Wien war ungeheuer. Für Vormittag Ballhausplay, um die Beratungen über die Rabiwaren die Landesführer der Vaterländischen nettsrekonstruktion fortzusehen. Gleichzeitig hielten Front zusammenberufen worden. An der Tagung auch die volkspolitischen Referenten der Vater nahm Bundeskanzler Dr. Schusch nisz mit ländifchen Front eine Tagung ab. mehreren Ministern teil. Offenbar sind dort die ersten konkreten Mitteilungen über die geplanten Regierungsmaßnahmen gemacht worden. Man rechnete mit einer Rekonstruktion bes Rabinetts, wobei eine dem betont nationalen Lager" angehörende Persönlichkeit in bas Ministerium Schuschnigg eintreten foll.
Nach 5 1hr wurde die Konferenz der Lan
Die Beratungen zogen sich jedoch unerwar tet lang hin, was darauf hinzudeuten scheint, daß gendes Kommuniqué verlautbart:
Um 10 Uhr abends wurde dann amtlich fol.
" In der Aussprache, die am 12. Feber zwischen dem Bundeskanzler Dr. Schuschnigg und dem Führer und Reichskanzler Hitler auf dem Ober falzberg bei Berchtesgaden stattgefunden hat, wurden alle Fragen der Be. ziehungen zwischen Desterreich und Deutschland einer eingehenden Erörte rung unterzogen. Ziel dieser Aussprache war, die bei der Durchführung des Uebereinkommens vom 11. Juli 1936 aufgetretenen Schwierigkeiten zu bereinigen. Es ergab sich Uebereinstimmung darüber, daß beide Teile an den Grundsätzen des Uebereinkommens festzuhalten entschlossen sind und dasselbe als den Ausgangspunkt einer befriedigenden Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten betrachten.
In diesem Sinne haben nach der Unterrebung vom 12. Feber beide Teile die sofortige Durchführung von Maßnahmen be schlossen, die gewährleisten, daß ein so e nges und freundschaft liches Verhältnis der beiden Staaten zueinander hergestellt wird, wie es der Geschichte und dem gesamten Interesse des deutschen Volkes ent spricht. Beide Staatsmänner sind der Ueberzeugung, daß die von ihnen be. schlossenen Maßnahmen zugleich ein gemeinsamer Beitrag zur friedlichen Entwicklung der europäischen Lage sind."
Adam:
Keine sensationellen Veränderungen
Bundeskommiffär für Heimatsdienst Walter abwartet, die voraussichtlich noch im Laufe Adam hielt abends in Wien eine Nundfunkrebe, der Nacht beschlossen werden dürften und ehestens in der er u. a. sagte: in vollstem Umfang der Deffentlichkeit werden Nach der Begegnung am. Obersalzberg mitgeteilt werden. Es handelt sich nicht um haben bei de Teile die für eine gedeihliche Ent fenfationelle Veränderungen, wicklung der beiderseitigen Beziehungen als not- sondern um Beschlüffe, die aus dem Geist der wendig erachteten Maßnahmen nochmals er- Versöhnlichkeit erwachsen sind zur Sicherung der mogen und festgelegt. Sie liegen auf der Linie friedlichen Entwicklung des Vaterlandes, des des Abkommens vom 11. Juli 1936. neuen Desterreich, der Maiverfassung und der Vaterländischen Front.
Faschistische Erziehung
Die Grundsäße, nach welchen die Zwangss organisationen der Jugend, die Balilla und Avanguardia in Italien nicht minder als die Hitler- Jugend in Deutschland , aufgebaut sind, müssen dem modernen Erzieher die Schamröte normalen jugendlichen Kampftriebs zur Grauins Gesicht treiben. Züchtung und Steigerung des jamfeit, zur Ueberschäßung der eigenen Nation und Geringschäßung der anderen, Spiel mit tödlichen Waffen und Uebung im friegerischen Paris . Die Agence Havas meldet aus Mordhandwerk hemmen bewußt die Auflösung des Sadismus, der einer alten Kulturstufe entWien: spricht, in der Menschlichkeit des reifen Mannes. Ihren Höhepunkt erreicht diese abwegige Erzie hung in der Heranbildung einer Sterntruppe, der Schutzstaffeln( SS ), die auf drei„ Ordensbur gen" mit großem, vom Staat getragenen Aufwand erfolgt. Mutproven, Duellzwang, stärkstes Sporttraining, aber auch geldliche Vorrechte auf Staatskosten, Unabhängigkeit von den staatlichen Gerichten, Züchtung eines Raffen- und Kaftendünkels sonder Beispiel geben diesen Bevorzug ten ein überspiẞtes Selbstbewußtsein und ertöten damit ihre Menschlichkeit und Verbundenheit mit dem Volfe. Blinde Gefolgschaft dem„ Führer" gegenüber machen sie zu einer jederzeit einsatzbereiten Truppe für die Niederschlagung etwaiger Volkserhebungen. Bewaffnet u. a. mit der Mas schinenpistole, dem Werkzeug der Marseiller Mörder, sind sie besonders zum Schuß des Regierungssystems gegen revolutionäre Strömungen in Kriegszeiten bestimmt. Die eigene Todesver achtung ist von größtem Wert für die Herrscherlasse, als seelische Grundlage für die völlige Mißachtung des Lebens anderer Menschen. Bemannte Torpedos
Der Standpunkt des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Schufchnigg, der den Kampf um die Unabhängigkeit Desterreich unter so unaünstigen Bedingungen weiterhin mutig und entschlossen führt, findet allgemeine Bewunderung. Die Konzessionen an Deutschland , welche Dr. Schuschnigg in Erwägung zieht, laffen die politische und administrative Struktur Defterreichs unberührt. Trotzdem wird die Bern fungen Inquarts zu einem wichtigen Ministeramt in Wien als beunruhigende Möglichkeit angesehen, insbesondere falls, wie bisher unbestätigte Gerüchte wissen wollen, der Sicherheitsdienst der nationalsozialistischen Propaganda ein so großes Betätigungsfeld belassen sollte, wie der monarchistischen Propaganda.
Wie verlautet, beruhen die Konzeffionen des Neichskanzlers Hitler an Desterreich darin, daß Hitler in seiner Reichstagsrede die Unabhän gigteit Desterreichs neuerlich bekräffigen würde, ebenso wie er den Grundsah der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Desterreichs bekräftigen würde. Die Erklärungen Hitlers würde die formale Anerkennung der Vaterländischen Front und das VerWelchen militärischen Wert aber solche Sinsprechen einschließen, daß jegliche Unterstützung nesart hat, kann man an einem japanischen Beider Nationalsozialisten in Desterreich aufhören spiel feststellen. Die seelische Einstellung der SS wird. Es würden sämtliche Unterstützungsfonds ist nahe verwandt mit der einer militärischen für die Propaganda in Desterreich aufgehoben. Oberschicht des japanischen Volfes, aus welcher sämtliche Sendungen von Propagandamaterial heraus auch die Angriffslust ihres Staates enteingestellt und die Presse- und Rundfuntangrie springt. Als Frucht jahrtausendealter Ueberlie aus Deutschland gegen Desterreich ebenfalls ein- ferung in den Formen der Shinto- Religion zeis
gestellt werden.
gen sie eine weitgehende Verachtung des Lebens. Es verlautet, daß die deutschen Forderungen Als im Jahre 1933 in vierhundert Torpedos der an Desterreich schon vorher in einer Art Proto- japanischen Flotte der Mechanismus durch je einen Soldaten ersetzt werden sollte, der sich im Körper foll zusammengefaßt wurden, welches sodann Im Sinne der Verfassung und des Gesetzes des Torpedos gegen das feindliche Kriegsschiff über die Vaterländische Front kommt ein Wieber Papen : Eine neue Aera beginnt Dr. Schuschnigg zur Unterzeichnung vorgelegt ichleudern lassen und ihn im Angesicht des sicheren aufleben von Parteien oder eine Aufspaltung der wurde. Bundeskanzler Schuschnigg habe es jedoch Todes lenten sollte, da meldeten sich mehr als Vaterländischen Front in parteiähnliche Gebilde Von Papen hielt Dienstag in der konstis abgelehnt, dieses Protokoll zu unterzeichnen. tausend U- Boot- Offiziere freiwillig für diesen night in Frage. So wird es nun möglich fein, tuierenden Sigung der in einen Verein umgeWie weitgehend die Forderungen Deutsch- Dienst! daß sich ber vaterländischen Aufbau- wandelten österreichisch - deutschen Arbeitsgemein- lands sind, ist auch daraus ersichtlich, daß sie sich. arbeit auch solche Kreise anschlie- schaft eine Rede, in der er erklärte, die Bespre- wie verlautet, fogar auf die Besetzung des Amtes hen, die bisher eine ablehnende oder abwar- chung auf dem Obersalzberg werde ein weiterer des österreichischen Bundesministers für Natiotend: Haltung eingenommen haben. Markstein in der Geschichte der deutschen Frage nalverteidigung bezogen. Hiezu wird von öftersein. Ein selbständiges Oesterreich könne feine teichischen Stellen erklärt, daß, wie immer die Aufgabe nur im Rahmen der gesamtdeutschen Sache ausfallen möge, General 3 e hner an der Entwicklung und nur als Mitwirkender Spine dieses Ressorts bleiben werde.
Ich glaube, daß diese Mitteilungen aus reichen werden, damit unsere Bevölkerung in Zubersicht die Verlautbarung einiger Maßnahmen