Donner»taz, 8. Mürz 1938
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kxposL des Landwirtschaftsministers Im landwirtschaftlichen Ausschuß des ALge- ordnetenhauseS erstattete der Landwirtschaftsminister Dr. Z a d i n a Mittwoch einen Bericht, Hxt den in der nächsten, bisher jedoch noch nicht cinberufenen Sitzung die Debatte abgeführt werden wird. Dr. Zadina stellte eingangs fest, daß sich die wirtschaftliche Lage erheblich gebessert hat und der Äesundung-prozeß andauert, dass jedoch bei der Industrie eine Reihe guter Konjunktur-eichen vorhanden ist, während die Landwirtschaft im Hintertres- sen bleibe. Die bedeute auch die Gefahr einer Zunahme der Landflucht. Die landwirtschaftlichen Kammern Der Minister gab sodann einen Ueberblick Mer den Ltand deS landwirtschaftlichen Schul- und Ver- suchtwesenS und stellte fest, dost das Gesetz, welches die LandeSkiilwrräte in landwirtschaftliche Kammern iimwandeln soll, bereitgestellt ist, desgleichen die zuständige Wahlordnung für die weiteren Regierungsverhandlungen bereitsteht. Die beantragte Konzep- tton der landwirtschaftlichen Kammern soll obligatorisch alle Angehörigen deS landwirtschchtlichen Standes erfassen und soll finanziell selbständig sein. Landwirtschaftliche Schulden An bezug auf di« Regelung der landwirtschaftlichen Schulden Haben die bisherigen Massnahmen, vorzüglich die Moratorien, keine positive Hilfe ge- bracht, sondern nur einen Teilaufschub der Exekutionen. Deshalb habe das Ministerium im Einvernehmen mit dem Finanz» und Justizministerium den Gesetzentwurf über den landwirtschaftlichen Hilfsfonds vorbereitet, welcher die Hilfsaktion durch Konversion der kurz- in langfristige Schulden, durch Lenkung der Zinsenlasten und schritttvetse Schuldenamortisation in die Wege leiten soll. Der Entwurf ist Gegenstand von Verhandlungen in der Regierung. Der landwirtschaftliche Ausgleich könne kein Mittel für eine umfangreich« Schuldenregelung sein. Da dieses Gesetz Ende März abläuft, wurde die Prolongation seiner Geltung um ein weiteres Jahr beschlossen. Meliorationen Im Bereich der landwirtschaftlichen Meliorationen wird im Nahmen der bewilligten finanziellen
Man erhält für Kö 100 Reichömark 583.— Markmllnzrn 695.— 100 österreichische Schilling,. 528.50 100 rumänische Lei....... 16.10 100 polnische Zloty..,.. 528.50 100 ungarische Prngö... 568.50 100 Schweizer Franken... 662.— 100 französische Francs... 02.95 1 englisches Pfund.... 142.62 1 amerikanischer Dollar... 28. tO 100 italienische Lire.... 180.40 100 holländische Gulden... 1589.— 100 jugoslawische Dinare... 64.05
100
BelgaS...
.... 482.—
100
.... 632.—
100 schwedische Kronen.... 731.—
Mittel ein Bauprogramm für dieses Jahr nach Ländern und Arbeitsgattungen vorbereitet. Es werden Bauten im Gesamtwert von 168 Millionen KC zur Durchführung gelangen. Autz-rae- wöhnlich« Bedeutung kommt der Fortsetzung der systematischen Telephonisierung des Flachlandes zu. Tum Sahnt» der Kartoffelbauern würden die Aktionen gegen di« Verbreitung des Kartoffelkrebses fortgesetzt. Bei allen wirtschaftlichen Aktionen nimmt daS Ministerium besondere Rück- sicht auf die Verhältnisse und die Bedürsmsse der breiten kleinlandwirtschaftlichen Schichten. ES studiert auch sorgfältig all« wichtigen Jntereffenfragen der landwirtschaftlichen Arbeiter. Dar Vieh- und Schwelnemarkt Auf dem Vieh- und Schweinemarkt kam eS zu einem erheblichen Preisrückgang. Deshalb steht daS Ministerium' mit den Vertretern deS ViehsyndckateS in Unterhandlungen zwecks einer raschen Reorganisation diese» Syndikate» zugunsten einer Regulierung der Marktverhältnisse. Dabei herrscht das Bestreben, SpekulationSelnflüsse zu unterdrücken und di« Preise womöglich zu stabilisieren. Diese Organisationsbestrebungen sollen auch in bezug auf die Ein« und Ausfuhr fortgesetzt werden. Für die nächste Zeit sei die Au»fuhr von Schweinen und Rindern gesichert und«» handle stch um die Verarbeitung eine» bestimmten Quantum» zu Konserven. vie Maul» und Klauenseuche Darüber sprach Dr. Zadina sehr ausführlich. Vorbereitet wird ein Gesetz. bKv.«in« GeseheSnovelle Mer die Verhinderung von Tierseuchen. Die Seuche ist in Mähren -Schlesien in 14 Bezirk««ingebrochen, es wurden dort in 50 Gemeinden 187 Höfe erfasst, die 2004 Stück Rindvieh und 1021 Stück Schweine haben. Diese Tiere sind von der Seuche direkt bedroht. Bisher sind ihr 18 Rinder zum Opfer gefallen. Fast eine Milliarde nicht geleistete Zahlungen für Bodenzuteilungen Schließlich befaßte sich der Minister mit der weiteren Durchführung der Bodenreform und stellte fest, daß für das Zuteilungsverfahren Liegenschaften, und zwar vorzüglich Waldbesitz in Böhmen im Ausmaß von rund 6000 Hektar in Betracht kommen, in Mähren -Schlesien rund 5800 Hektar und in der Slowakei sowie Karpathorußland rund 5000 Hektar. Al» qualifizierte Bewerber kommen vorzüglich Gemeinden und Forstverbände in Betracht. In Bödmen werden VorbereimngSarbeiten für die Zuteilung von rund 1400 Hektar Ackerboden aus dem Münchengrätzer Großgrundbesitz ausschließlich an Kleinbewevber getroffen. In der Slowakei und in Karpathorußland werden rund 10.000 Hektar zuge« I teilt werden, besonder» an die Kleinlandwirr« im Gebirge. Fürdie grundbürcherliche Eintragung bleiben noch 20'.4 Prozent der Gesamtsumme de» zugeteilten Bodens übrig. Auf d«n Staat wurden grundbücherlich nur 5.10 Prozent des Boden» übertragen. Den finanziell bedrohten Ertverbern wurden in den drei letzten Monaten an direkten Kreoiren über elf Millionen langfristig auSgeschiittet. Die Ge- samihöhe der bisher nicht geleisteten Zahlungen au» dem Titel der Bodenzuteilungen beträgt fast eine Milliarde KC. Besonderes Augenmerk wird den Erwerbern zugewendet, die unverschuldet in«ine Kris« geraten sind. Zum 1. Feber 1088 wurden au» dem Titel der in dieser Richtung ringeleiteten Hilfsaktion 187 Ansuchen eingebracht und im Rahmen der Aktion wurden vorläufig 4.5 Millionen Kd ausgeschüt
tet. Im Au»gleich»verf<chren wurden bisher 709 Bodenerwerber saniert. Vic Getreidegeseilachaft Die Getreidegesellschaft ist in daS Wirtschaftsjahr 1087/88 mit einem Vorrat von rund 36.000 Waggon» Weizen, rund 1000 Waggon» Roggen und rund 8000 Waggon» Hafer eingetreten. Gerstenvorräte waren kein«. Im Wirtschaf. Sjahr 1987/88 erwartet man laut Pslichtangeboten den Aufkauf bei Weizen von rund 67.000 Waggons, bei Roggen von rund 88.000 Waggons, bei Gerste von rund 44.000 Waggon» und bei Hafer von rund 25.000 Waggons.
Vas Steueraufkommen ist im Jänner, wie die» im ersten JahreSmonat regelmäßig zu sein pflegt, zwar höher als im Vorjahr, e» bleibt aber hinter den Ziffern de» Voranschlages zurück. Der reine Ertrag der Steuern. bzw. Zölle, Gebühren und Monopole betrug (nach Abzug der Anteile der Selbstverwaltung und der Fond«): Direkte Steuern., 255,68 Mill. Umsatzsteuer.,, 158,79„ Zölle 57,45„ Verbrauchssteuern, 211,81„ Gebühren> 120,78„ Monopole..,« 9,28„ zusammen.. 818,70 Mill. Der Reinertrag ist gegenüber dem Voranschlag bei den direkten Steuern um 22,36 Millionen. bei den Monopolen um 8,82 Millionen größer(um 10.9 bzw. 70.8 Prozents. Kleine.' ist er bei der Umsatzsteuer(um 146,74 Millionen oder 57.8 Prozent), den Zöllen(um 9,64 Millionen oder 14.18 Prozent), den Verbrauchssteuern(um 6,54 Millionen oder 8.9 Prozent) und den Gebühren(um 20,08 Millionen oder 14.82 Prozent). Der gesamte Reinertrag bleibt hinter dem Budgetzwölstel um 156,80 Millionen oder 23.3 Prozent zurück. Die Tabakregie führt für den Jänner 64,50 Millionen ab, ihr Defizit beträgt 41,04 Millionen ober 88.88 Prozent.
Zweitausend Steinarbeiter stündig beschäftigungslos Während die ostböhmischen Steinbrüche iin Skutscher Gebiet, rund 50 an der Zahl, über 3000 Arbeiter beschäftigen und jährlich 20.000 Waggon» Pflastersteine erzeugen k ö n n t e n, ist der Auftragöeinlauf derzeit so gering, daß alle diele Betriebe nur 1200 Arbeiter beschäftigen. D". ständige Beschäftigungslosigkeit von 2000 qualifizierten Steinarbeitern soll nun zum Anlaß genommen werden, um eine BeschästlgungSmöglich- keiten für die ostbähmische Steinindustrie ausfindig zu machen.'/ Bessere Beschäftigung in der Zwlttauer Textilindustrie Während die Zwittauer Textilindustrie H allgemeinen von dem Beschäftigungsrückgang, den die Textilindustrie verzeichnet, nicht verschon: blieb, melden zwei Betriebe eine Wendung zum Besseren: im Betriebe der Fa. Bergmann werden neue Arbeiter eingestellt und die Zwittauer Leinenindustrie rechnet mit neuen Aufträgen au» Amerika nach Abschluß des unmittelbar bevor»
vle Westport-Affäre Einer der größten Krlmlnalfällc aller Zelten MTP Paris. ES gibt wenig Kriminalfälle, die in die Geschichte«ingehen. Nicht all« sind so ungewöhnlich und haben so groß« politische Folgen wie beispielsweise die Affäre des»Halsbands der Königin", die um Marie-Antoinette gespielt hat. Wiederholt ist versucht worden, alte Kriminalfälle zusam- menzustellen; eine der berühmtesten dieser Sammlungen ist der„Pitaval", dem«ine Serie„Der neue Pitaval" Anfang deS 19. Jahrhunderts folgte. Blät- iert man heut« in diesen Büchern, so erscheinen die Zölle antiquiert. Zu viel ändert sich im Laufe eineS Jahrhunderts im Geschmack und in der Psychologie der Leser; was einmal aufregend schien, ist bald vergessen. Aber ein Buch, daS soeben in Pari» im Verlage Albin Michel erschienen ist und miS der Feder von Marie-Louise Pailleron stammt, macht, eine Ausnahme. Es heißt:„Die Affäre von Westport" und behandelt einen Kriminalfall, der genau 110 Jahre zurückliegt. Er spielte 1828 in Edinburgh , und die Geschichte der Massenmorde, die sich damals in Schottland ereigneten und zu einem SensationS- vrozeß führten, ist tatsächlich, man möchte sogen: zeitlos. So grauenhaft sind die Detail», daß man noch heute schaudert, wenn man von diesen Vorgängen liest.. 4» Tie. Voraussetzung für di« Massenmorde in Edinburgh ist seltsam. In der damaligen Zeit hatten die Anatomen große Schwierigkeiten, sich genügend Leiche" zu besorgen, die im. Hörsaal zu Unter- richtSzwecken seziert werden sollten. Jeder Gehängte, jeder Landstreicher, der im Asyl verstarb, ohne daß verwandte seine Leiche forderten, kam auf den Seziertisch. Aber das war zu wenig, und so bildete sich in den englischen Universitätsstädten ein grauenhafte- Gewerbe ans: man nannte die Leute, die nachts Friedhöfe schändeten, Leichen auSgruben und auf di« anatomischen Institute schafften, die„Wiedererwek- ter". Die Professoren kauften die Leichen ohne viel zu fragen, sie zahlten fünf bis zehn Pfund, je nach der„Frische",«S war ein Skandal, über den sich die
ganze Oeffentlichkeit aufregte, ohne daß Abhilfe geschaffen wurde. Di« Studenten mußten Leichen haben, die Kirche verbot die Sektion, also blieb e» bei diesen furchtbaren Sitten. Auch Dr. Knox vom Anatomischen Institut der Universität Edinburgh hielt tS nicht anders als seine Kollegen; daß ihn sein Verhalten den Lehrstuhl kostete, ihn um jede Möglichkeit, wieder rin Amt zu bekleiden, brachte, daß er aus Edinburgh flüchten mußte, da die Menge ihn bedrohte, beweist nicht, daß er schlimmer toar al» andere, vielleicht nur etwas leichtsinniger, denn er hatte dem Diener de» Instituts, der die Leichen in Empfang nahm, sogar verboten, nachzuprüfen, ob sie Ver- ■ lehmigen trugen. Hätte er da- nicht getan, so wären nicht mindesten» 16, wahrscheinlich 20 Ermordete in der Edinburgher Anatomie von ihm öffentlich seziert worden. In den Vororten von Edinburgh , di« damals miS schmalen, verfallenen Gäßchen bestanden, sammelte sich alle» mögliche Gesindel. Hier gab e» Absteigequartiere und leicht« Mädchen, illegale Whisky« Brennereien, Spielklubs, die keine vornehmen Gäste kannten und bei denen der Einsatz einen Penny betrug, wa» genügte, um Matrosen ihren ganzen ersparten Sold abzunehmen. Hier gab«S Konterbande und Mädchenhandel, und Hunderte von Leuten, die «S vorzogrn, bei der Polizei nicht gemeldet zu werden und darum in den schmutzigen Hotel» abstiegen, die verfallenen Hütten glichen und in denen die Nebernachtung fünf bis zehn Pene« kostete. Man erhielt dafür kein frisch überzogenes Bett, sondern schlief auf einem verwanzten Strohlager, aber trotzdem hallten die Straßen jeden Morgen von dem Streit wieder, den die Wirte dieser Herbergen und Kaschemmen mit ihren Gästen hatten, die sich weigerten, die Kupfennünzen au» den zerfetzten Taschen herauSzuholen. Hier lebten zwei irisch« Ehepaar«, Burk« und Har«. Die Männer hatten in ihrem Leben wohl schon alle Berufe versucht, der Whisky macht« ihren Hoffnungen, hier einmal herauSzukommen, jedesmal«in Ende. Von den Frauen spielt die von Burke, eine grobschlächtige, knochige Her« mit flammenden Augen eine besondere Roll« in der Affäre. Burke war klein und schwächlich, Hare dagegen ein Ries« von Gestalt, immer betrunken, aber stets lustig und
laut,— Marie-Louise Pailleron nennt ihn eine Figur von Dicken»— war«in Lebenskünstler. Auf irgendeine rätselhaft« Weise gelang e» ihm, sich als Wirt in einer der Kaschemmen zu etablieren. Es ging fröhlich her in diesem Keller, in dem allnächtlich zwei Dutzend Personen Aufnahme fanden; sie zahlten sieben Pence pro Nacht und Lager. Eine» Tage» fand der Wirt einen alten Iren namen» Donald tot in seinem Belt. Der Landstreicher war eine» natürlichen Todes gestorben, aber die Sache war trotzdem äußerst unangenehm. Denn wer wird schon an einen natürlichen Tod in dieser Umgebung glauben? Und dann die Scherereien mit den Behörden. Burk« und Har« berieten. WaS sollte man mit der Leiche ansangen? Und da kam Frau Burk« auf di« Idee, sie an di« Anatomie zu verkaufen. DaS war da» Ei de» Kolumbus , e» leuchtete unmittelbar«in: so würde man keine Schwierigkeiten haben und sogar noch Geld bekommen. Sie packten Donald in«ine große indisch« Teekiste; diese Teekilten bestanden au» dünnem, aber sehr wider- stand-sähigem Holz, und zwischen den Bretten ; war eine Bleischicht, um da» Aroma des Tee» nicht entströmen zu lassen. Sie eigneten sich ausgezeichnet, um«ine übelriechend« Leich« zu transportieren. Den Transport besorgten die beiden Weiber. Sie erhielten, da Donald noch ganz.frisch" war, zehn Pfund. Da» reichte für eine Unmenge Whisky. Sie saßen an dem schweren Eichentisch und berieten, die beiden Ehepaare Burke und Hare. ES war ein großartige» Geschäft gewesen. Tiber leider starben die Leut«, sogar di« halbverhungerten Landstreicher, nicht oft oemm. Das beste würde sein, man hülfe ettva» nach... Und sie halfen nach. Einige Tage später kehrte bei ihnen«In Mann ein, den daS gelb« Fieber sowieso dem Tode geweiht batte. Sie erwürgten ihn, er lväre ja ohnehin ge- storben, sie verpackten ihn in die Teekist«, sie schafften ihn in da» Znstitut von Dr. Knox,«S ging alle» glatt, kein Mensch kümmerte sich um die Würgmale. Nun kannten sie ihr Metier. E» folgt« Mord auf Mord. Man kennt«inen Teil der Opfer nicht bei Namen, denn sie hatten zuweilen keine Ausweispapiere, und niemand kümmert« sich darum, daß sie spurlos auf den Seziertischen verschwanden. Vielmals; fuhr die Teekiste in die
KaufinurVolksziinder!
stehenden Handelsvertrag», ftn den letzten fahren bewegt sich die Zwittauer Leinenausfuhr zum I Großteil nach den USA . Auch die Beschäftigungslage in Deutsch-Gabel hat sich wesentlich gebessert. Vor kurzem hat die Fa. Rautenstrauch und jetzt auch die Za. Bitterlich das Zweischichtensystem wieder eingeführt. Man rechnet damit, daß diele Besserung anhalten werde. Hingegen ist es um die Beschäftigung der Textilindustrie im Reichenberger und Friedländer Gebiet weiter ziemlich schlecht bestellt.
Gebesserte Wirtschaftslage des Schustergewerbes Im abgelaufenen Fahr wurden in Prag 145 neue Schuhmachergewerbe angemcldet. Einen ähnlichen Aufschwung verzeichnen auch die Schuh» machergewevbe in den übrigen größeren Städten der Republik . Gleichzeitig wird eine wesentlich« Zunahme des Verbrauchs handgearbeiteter Schuhe gemeldet, eine Erscheinung, die schon seit mehr als einem dreiviertel Liahk andapert.
Das Kompromiß mit dem Senat Paris . Der Senat nahm Mittwoch gegen Abend in dritter Lesung mit 185 gegen 69 Stimmen den Entwurf des Gesetzes über da» Arbitrage- und Schiedsverfahren an und beharrte in seiner Mehrheit aus seinem bisherigen bekannten Standpunkt. Abends traten in der Kammer zuerst getrennt die Linksklubs zusammen und hierauf gemeinsam ihre Delegationen und. suchten nach Möglichkeiten einer Kompromißlösung. DaS Arbitrage- und Schiedsverfahren wird sich dieser Lösung zufolge n i ch t a u f Kleinlandwirte beziehen, jedoch auf jene Landwirte Anwendung finden, die mehr als fünf Arbeiter beschäftigen. Die Kammer hat auch dem Standpunkt des Senates nachgcgeben und besteht nicht darauf, daß die Schiedsrichter in die Rechnungsführung der Vetriebsinhaber Einsicht nehmen. In diesem Sinne empfahl der Kammerausschuß für Arbeitsfragen die Lösung für die vierte Beratung im Kammerplenum. Die Kammer trat zu einer Nachtsitzung zusammen, der Senat wird am Morgen tagen.
Anatomie, di« Frauen keuchten auf dem Hinweg, zurück aber ging es leicht. Nur ein einziges Mal fiel einem der Studenten, einem gewissen Ferguson, etwas auf: er sollte nämlich die Leiche einer Prostituierten, Mary Paterson, sezieren, und er batte sie noch einige Tag« vorher besucht. Er meldete seinen Verdacht dem Professor, aber auch das hatte kein« Folgen. So hätten Wohl Burke und Hare ihr fürchterliches Gewerbe noch lange fortgesetzt, wenn sie nicht zufällig entdeckt worden wären. Eine gewisse Mr». Gray, die ebenfalls im Asyl übernachtet hatte, sucht« nach irgendeinem Oiegenstand mi» ihren Habseligkeiten. Sie bückte sich und blickte unter das Lager. Entsetzt prallt« sie zurück, denn dort lag eine Leiche. Sie stürzte schreiend aus dem Mordkeller, wenig« Augenblicke später wußte die ganze Strass davon, und als Burke und Har« verhaftet waren, batte die Erregung schon die ganze Stadt Edinburgh ergriffen. Offen klagte man Dr. Knox an, den Morden Vorschub geleistet zu haben, man zog vor di« Anatomie, man wollte ihn heransholcn und hängen, und der Professor mußt« flüchten. ES war aber schwer, in dem unenttvirrbarcn Dickicht der Mordtaten Licht zu schaffen, und so entschloß sich der Lord-Advokat, der Staatsanwalt, zu einem Verfahren zu greifen, das damals üblich war: er sagt« Hare und seiner Frau Straffreiheit zu, wenn sie als Belastungszeugen alles ausiagen würden. Sie sagten alles au», und vielleicht mehr als di- Wahrheit war. Burke erschien als ein Teufel in Menschengestalt, und sein« Frau al» der böse Geist von Edinburgh . Trotzdem wurde nur er verurteilt, am Galgen seine Taten zu büßen, und erstaunlicherweise wurde die Frau freigesprochen. Dr. Knor hatte es abgelehnt, vor Gericht al» Zeuge zü erscheinen, und das Urteil wurde als so ungerecht empfunden, daß es fast zu einer Revolution in Edinburgh kam. Nur mit knapper Mühe entgingen die HareS der Vollstreckung eines Volks- urieils, das das der Justiz korrigieren wollte. Vor dem Galgen aber, an dem der Körper der Burke hing, defilierten 20.000 Menschen vorbei, ihn, sein Weib, seine Genossen und die Anatomen.verfluchend. M. K.