Seife 2
Mittwoch, 80. März 1038
Nr. 75
unserem Parteitag ausgestellten Forderungen weisen das nächste Wegstück auf, das auf der am 18. Feber 1087 betretenen Straße liegt. Der 18. Feber 1987 ist nicht tot und die Lebenskraft der damals unternommenen Politik wird sich noch erweisen. ES droht keine internationale Gefahr. ES droht kein Konflikt in der Nachbarschaft", so sagte der tschechoslowakische Ministerpräsident am Schlüsse seiner Rede. Das ist ein deutlicher Ruf ins Lager jener, welche auf den Krieg spekulie­ren. Kommt der Weltbrand, der sich an den tsche­choslowakischen Grenzen entzünden kann, dann geht mehr zu Grunde, als eS sich diejenigen träu­men lassen, denen die Flüsterpropaganda politische
Hllnka SdP/ Ungarn  , Polen  Prag  . In beiden Häusern der National­versammlung ging eS Dienstag bei der Eröffnung der FrühjahrStagimg anstrrordentlich lebhaft z». Die auftrn- und innenpolitischen Ereignisse der letzten Tage spiegelten sich in der starken Betei» ligmig und auch im Verlauf der beiden Sitzungen getreulich wider. Schon lange hatte man keine so vollbesetzten Häuser und kein so dichtes Gedränge vor den Ministerbänken gesehen, als der Reihe nach die Vertreter der Oppositionsparteien auf­marschierten, um eine staatsrechtliche Erklärung »lach der andern abzugebe». Und der Kontakt zwischen dem jeweiligen Redner und den dicht ge­ballten Gruppen vor der Tribüne, die ihrer Zu­stimmung, beziehungsweise ihrem Mißfallen tem­peramentvoll Ausdruck gaben, lieft an Lautstärke schon gar nichts zu wünschen übrig. Die staatsrechtlichen Erklärungen, die von der Hlinla-Partei, der SdP, den Ungarn   und so­gar von dem Vertreter der kleinen Gruppe der bürgerlichen Polen   abgegeben wurden, befaßten sich alle mehr oder minder offen mit Autonomie» sordenmgen. Die SdP-Erklärung vermied deut­liche Formulierungen, die Hlinka  -Erklärung for­derte offen dir politische Autonomie der Slowakei  » allerdings unter starker Hervorhebung der unbe­dingten Treue zur Republik  . Die Koalition griff nicht in die Debatte ein, sondern lieft den oppositionellen Rednern freien Lauf. Lediglich zu Beginn der Sitzung kam eS in beiden Häusern zu einer eindrucksvollen Kund­gebung der mit der Verantwortung für die Ge­schicke deS Staates belasteten Parteien, als näm­lich der Ministerpräsident beim Betreten deS SaalrS mit demonstrativem Beifall begrüßt wurde» der offenbar feiner gestrigen Rundfunkrede gelten sollte. Im Abgeordnetenhaus wurde vom Vorsitzen­den der Mandatsverzicht des früheren Ministers Dr. Spina offiziell zur Kenntnis gebracht, ebenso die Umgruppierung, die sich aus dem Auf­gehen der Landbündler und Christlichsozialen in der SdP ergibt. Unter dem neuen Zuwachs für den SdP-Klub fehlen noch die Christlichsozialen Z a j i i e E und Schlusche, deren Abwesen­heit parteioffiziell jedoch lediglich mit Krank­heit begründet wurde. Die neuen Henlein  -Leute wurden einzeln auf die SdP-Bänke aufgeteilt; die Gesichter waren nicht gerade rosig. Auf der Tagesordnung standen drei Verträge mit Ungarn  ; der Handelsvertrag vom 17. No­vember des Vorjahres, ein Abkommen über die
und seelische Erbauung ist. Bleibt der Friede Europas   erhalten, dann ist kein anderer Weg da als jener, welchen die deutschen Aktivisten vor mehr als Jahresfrist beschritten haben und von dem die Führer mit den schwachen Nerven abge­wichen sind. Die Enttäuschung über die Politik Konrad Henleins wird dann ebenso kommen wie über jene Karl Hermann Wolf  «, der bis 1918 ein nationaler Heros war, dann aber plötzlich in der politischen Versenkung verschwand. In dieser trü­ben, kritischen Zeit, wo ein so großer Teil unse­res Volkes in einem politischen Rausch befangen ist, wollen wir nicht vergessen, was Jaksch auf dem Parteitage gesagt hat, daß morgen auch ein Tag istl
Regelung des GrenzverkehreS und ein Abkommen über die Regelung technisch-wirtschaftlicher Fragen im Greiizabschnitt der Donau   und der Theiß  . Mit diesen, Fragen befaßten sich jedoch lediglich die Berichterstatter. Die Redner widmeten sich aus­schließlich der Geltendmachung ziemlich radikaler politischer Forderungen. Den Reigen eröffnete der Sprecher der unga­rischen Parteien Dr. Szüllö, der erklärte, daß in der RepWIik nicht nur eine slowakische, sondern mich eine deutsche, polnische, russinische und ungarische Frage existiere. Die ungarische Minderheit sei weder in kultureller, nocht in wirtschaftlicher oder öffentlich- rechtlicher Hinsicht zufriedengestellt. Die ungarischen Parteien hätten seit ihrer Gründung immer für die Autonomie der Slowakei   und Karpathorußlands gekämpft. Herr Dr. Szüllö der ja noch jener ungarischen Borkriegsgeneration angehört, die die Slowaken nach allen Regeln der Kunst unterdrückt und verfolgt hat verstieg sich im Lanfe seiner Rede sogar soweit, von denslowa­kischen Brüdern" zu sprechen, mit denen sie gemeinsam fiir die Autonomie im Rahmen des Pittsburger Vertrag. kämpfen wollten. Damit hatte er den Bogen jedoch überspannt.. Auf tsche­chischer Seite setzte ob dieser Provokation ein Ent- r ü st u n g S st u r m ein, der Szüllö zwang, einige Male in seiner Rede innezlchalten, bis sich der Sturm wieder halbswegs gelegt hatte. Der Vor­sitzende mußte einige Ordnungsrufe austeilen. Für die SdP verlas Kandt unter ziemlicher Un­ruhe eine Erkläning, die natürlich aus der Kapitu­lation der bürgerlichen Aktivisten jubelnde Schluß­folgerungen zog, aber wohl mit Absicht keine konkreten Formulierungen, sondern lediglich allge­meine Phrasen und Totalitätskomplexe enthielt. Das WortAutonomie" hatte Herr Kundt dies­mal aus seinem Sprachschatz ge­strichen. Dafür wurden die tschechischen Parteien wiederholt aufgesordert, von sich aus Lösungen der nattonalen Frage zu finden und der SdP ge­wissermaßen zur Auswahl zu präsentieren. Kundt wehrte sich vor allem auchgegen jeden Versuch, die Politik der deutschen AktivlSmuS etwa noch mit den deutschen Sozialdemokraten fort­zusehen." Zum Schluß warnte er vorSchein­lösungen" und urgierte«inegrundlegende und mu­tige Lösung", die allein dem Staate einen dauernden inneren und äußeren(1) Frieden gewähr­leisten könne. Für die Kunununisten gab Sirekis eine Erklä­rung ab, in der vor dem geheimen Paktieren mit dem Dritten Reich und vor jedem Defaitismus gewarnt wird. Die Republik   müsse die nationale Frage lösen, aber nicht auf Wunsch des JrredentiSmuS. Vor allem sollie die Regierung ihre Verbindung mit den Arbeitern der nichttschechischen Nationen stärken, die
im kritischen Augenblick ihre Stühe sein können. Die Kommunisten seien bereit, die Regierung in' allen auf den Schutz der RepMik abzielenden Maßnahmen zu unterstützen. Bor allem müsse man auch der Anarchie steuern, die die Henleinpartei im deutschen Gebiet zu verbreiten suche. Dr. Tis» sHlinka-Partei) verlas eine offizielle Erklärung seines Klubs, in der er u. a. heißt: Die Lage de» slowakischen und de» tschechischen Volkes hauptsächlich nach den letzten Ereignissen fei-erart, daß keines der beiden Völker sich einen selbstän­digen Staat leisten könne, ohne das eigene Leben einer außerordentlichen Gefahr au-zusetzen. Wenn die Slowaken heute neuerdings, wie schon In den Zelten de» Abwehrkampfe» und de» Umswrze», ihr politische» Verhältnis zum Staate betonen, so deshalb, um die verantwortlichen Faktoren auf die Gefahr ausmerksam zu machen, die der Republik  nach den letzten außenpolitischen Ereignisse» droht, und uni die Wichtigkeit de» slowakischen Problem» für die Konsolidierung der inneren Berbälmisse und für die Festigung der außenpolitischen Position un­sere» Staate» zu bewnen. Die Slowaken hätten ein RechtaufpolitischeAutonomte. weil sie als Volk ein biecht auf nationale» Eigenleben in dieserRepublik hätten. Sie fordern die verantwortlichen Faktoren auf. so. bald wie mög­lich zur Realisierung der politischen Autonomie der Slowakei   zu schreiten. Wer da» Selbstbestimmungs­recht des slowakischen Volke» innerhalb der Tsche« choslowakischen Republik nicht anerkenne, versündige sich schwer an ihrer Eristenz. Wenn sich die Partei bemühe, die nationalenMinderbei- ten in der Slowakei   zur positiven Arbeit für die bessere Zukunft der Slowakei   zu gewinnen, so sei da» im eminenten StaatSinteresse gelegen und dürfe nicht al» eine gegen den Staat gerichtete Tat aus­gefaßt werden. Sehr lebhaft ging e» auch wieder bei der Rede de» bürgerlichen Polen   Dr. Wolf zu, der in arro­ganter Form alle bisherigen Bemühungen um die Sicherung der polnischen Minderheit durch die Schuld der Negierung als ergebnislos bezeichnete und großsprecherisch erklärte, da» polnische Volk müsse nun eine radikale Aenderung seine» Schicksal» verlangen. Er forderte eine grundsätzliche Regelung in der Form der Erteilung von auto­nom i st i s ch e n Rechten, die die Polen   gegen eine weitere Entnationalisierung sichern und eine Rückkehr zum Stand vom Jahre 1920 ermöglichen tvürden. Dr. Wolf stieß bei den K o m m u n i st e n auf großen Widerspruch; an einigen Stellen gab«» wieder ziemliche» Gelächter auf den tschechischen Bänken. Ihm entgegnete sofort der polnische Kommunist Sliwka. Er sprach ihm da» Recht ab. für da» pol­nische Volk im Teschener Gebiet zu reden, da die so­zialistische und demokratische Mehrheit, die Arbeiter, die Bauern und die Intelligenz, gegen ihn, aber für die Tschechoslowakische Republik sei. Was Dr. Wolf hier erklärte, sei ein Diktat de» Au-lande», mit dem sich da» polnische Volk nicht identifiziere. Er fordere Brot und die Erfüllung seiner nationalen Forderungen und werde treu an der Seite der Repu­ blik   gegen die Verräter stehen. Sliwka, der sehr temperamentvoll sprach, wurde von einigen SdP-Leuten, darunter Dr. Reu» wtrth, öfter» durch Zwischenrufe gestört. Al» sich auch der Ungar Esterhäzy einmischte, tväre e» vor der Ministerbank fast zu Tätlichkeiten gekommen Einige Kommunisten, Wer mich Dr. N e u w i r t h. erhielten OrdmmgSruf«. Im Eifer de» Gefechtes po­lemisierte Sliwka gegen Dr. Neuwirth auch längere Zeit in deutscher Sprach«, ohne sich viel um die Mahnung de» Vorsitzenden zu kümmern, daß die» der Geschäftsordnung widerspreche. Die Aussprache wurde sodann auf Donners­tag 14 Uhr vertagt. Im Senat In der Senatssihung stand ebenfalls der Handelsvertrag mit Ungarn   zur Debatte.
Normale Beziehungen Lltauen-Polen Kaunas  . Die litauisch-polnischen Verhand­lungen in Augustovo wurden Montag mit der Vereinbarung über die Eröffnung der Beziehun­gen der Vertretungsbehörden der beiden Staaten mit ihren Regienmgen abgeschlossen. Der Post­verkehr wird auf der Strecke Kaunas  Wilna   ein­geführt; die Telegraphen- und Telephonverbin­dung wird am 31. März auf zwei Linien und zwar von Kaunas   nach Wilna   und von Kaunas   nach Sumwalki eröffnet; auf der Eisenbahnstrecke Kau­ nas  Wilna   wird der Verkehr am 9. April aus­genommen; vier Straßen werden am 81. März für den Verbindungsverkehr geöffnet, von denen zwei, von Kaunas   nach Wilna   und von Kaunas  nach Warschau  , Staatsstraßen sein werden.
wiederholten sich wörtlich die Erklärungen der slowakischen BolkSpartei, der SdP und der Un­ garn   aus dem Abgeordnetenhaus und nicht zuletzt auch die zahlreichen Zwischenfälle und Zusammen­stöße. Die Slowaken führten die Neuerung ein, zur Unterstreichung der Bedeutung ihrer Erklä­rung, die Dr. B u d a h vortrug, die ganze Zeit stramm habtacht zu stehen. Prompt machten die Henlein  -Leute samt ihrem neuen Zuwachs es ihnen nach und standen Lei der Verlesung ihrer Erklärung durch Pfrogner ebenfalls Ehren­wache. Von kommunistischer Seite wurden sie dabei mit Zwischenrufen überschüttet. Während PfrognerS Rede erhoben sich die Koalitions­senatoren spontan von ihren Bänken und ver­ließen den Saal. Nach Abgabe der Erklärungen wurde sowohl der Handelsvertrag als auch der Grenzvertrag mit Ungarn   genehmigt. Nächste Sitzung Mitt­woch, den 13. April, um 10 Uhr.
Demokratlcdi-republlkanlsdie Einheit In denLidovk Noviny" berichtet der Vize- bürgermeister der Stadt Brünn  , der tschechische Sozialdemokrat Dr. Bohuslav Ek e r, Wer eine» ihm charakteristisch erscheinenden Vorfall. In dem mährischen Orte Biniknt Sumlce hat die Ge­meindevertretung die Bürger für den 19. März zu einem Vortrag über das Thema:Die Stel­lung der Tschechoslolvakischen Republik in Europa  und die Frage des Friedens" eingeladen. Es Ivaren die Angehörigen aller politischen Parteien und auch Parteilose erschienen, den Vorsitz führte der der Agrarpartei angehörende Gemeindevor­steher, Referent war eben der tschechische Sozial­demokrat Dr. Eker. lieber die politischen Par­teien wurde in der Versammlung überhaupt nicht gesprochen, sondern die Versammlung galt einzig und allein der Verteidigung der Republik  . Die Bersanimelten beschlossen, an den Präsidenten der Republik   und an den Ministerpräsidenten Tele­gramme zu schicken, in denen sie die beiden höch­sten Funktionäre des Staates ihrer Unterstützung versicherten. Montag, den 26. März, sprach in Mährisch-Ostrau   in einer großen Versammlung der Sekretär der tschechischen Sozialdenwkratie, Senator D u n d r, der sich scharf gegen alle Fei­gen und Lauen wandte und sich für die Einheit des RepWlikanisch-demokratischen TschechentumS aussprach.
Der Präsident der Republik   empfing am 29. März 1938 die französische   Journalistin Hier I Frau Andrke BiolliS.
Staatsrechtliche Erklärungen im Parlament
Roman von
Sie bildeten ein frommes Korps und sangen Choräle, während die anderen zuhorchten und im Marschrhythmus weitersangen, nachdem die geist­lichen Brüder aufgehört hatte». Alles sang. Nur die Frau sang nicht. Sie suchte nur. Jedes Ziel war ihr recht. Zn lange hatte sie sich schon auSgeruht, Und e r mahnte! Ei» Umarmen und Abküssen war die erste Begrüßung der schon vom Felddienst abgeracker­ten Brüder, der ersten, die erreicht, der ersten, die mit Wein gelabt und mit Schafsleulen überfüttert wurden. Es war ein trockenes Land, in dem sie stan-' den, ein Land ohne Güte. Selbst was die Maus­tiere aus den widerspenstigen Schollen raubten, war schon verbrannt. Mager waren die Menschen­leiber und die Tierleiüer. Jetzt aber blühte man wieder. Man bürstete Rücke und Rosse. Man riß sich die Nachrichten aus den Mäulern, die sich viel zu langsam auf­tun wollten. Die neue Wettordnung, sie kündigte sich an. War das Wirklichkeit? Was, der König nicht mehr in Tordesilla  ? Der König auf der Flucht nach Valladolid  ? Der König mit seinem auslän­dischen Gesindel, mit den deutschen FlachSköpsen besonders, wie ein Hase durch die Aecker gelaufen? König Karl bettelte schon um Wasfenstillstand? Und er, Juan de Padilla  , der General im ewi­gen, makellosen Weiß, der ihm das Angebot ab ­
geschlagen hatte? Warum hat der General ihm nur den Waffenstillstand abgeschlagen? Warum nicht auch gleich den Kopf dazu? Er war unter ihnen, der weiße General. Tie rieben sich an ihm. Sie zupften am Reittier, auf dem der General durch die Reihen ritt. Aber daS Tier tvar nicht vierbeinig, auf zloei Beinen stampfte daS Tier  , nein, auf zwei Äulen. Da» Reittier des Iveißen Generals war nämlich der Tuchscherer selbst. Der Tuchscherer ließ sich nicht zurückhalten, diese Parade aufzusühren. Brüllend schob er den verzotteten Kopf zwi­schen die Schultern der Mannschaft:Gesiegt, gesiegt haben Ivir schon! Ihm die Stiefel küssen, dem General!" Der Tuchscherer drückte tausend Hände. Die Wahrheit hatte er gesprochen. Toledo   hatte zmn erstenmal gesiegt. Frei war der Weg nach Tor­ desilla  . Begraben waren schon die ersten Opfer auf dem Weg nach Tordesilla  . Begraben und nicht mehr sichtbar. Die Namen der Begrabenen zu erfragen, keiner wagte es. Später die Brust in Trauer schlagen. Jetzt den Schmerz darüber nie­derknirschen, daß Vater und Bruder nicht mehr gesunden und geherzt werden konnten! Da, da, da. di« erste Beute des Sieges! Die Beute zusammengetrieben, aufgespeichert, mit« nigSwappen beprägt, beprägt sogar hochmütig und unverschämt bis ins Zaumzeug der Gaule. AuS- geschirrt faulenzten die Tiere neben den könig­lichen Troßlvagen. ES war ihnen nicht gleichgül­tig, daß man sie gefangen und auSgespannt hatte aus der Macht deS glänzenden Dionarchen. Die Gäule schienen sich zu schämen, sie schienen ver­waist und verwittert. Sie fühlten sich verlassen und verstoßen. Sie schienen anzullagen, daß ihr Herr sie so«lend an den Feind ausgeliefert hatte. Sie schienen um gut Wetter zu bitten oder um den Gnadenhieb vor die Stirn, damit sie nicht miterleben müßten daS Greuel, das sich vorbe­reitete. Schwermütige Sieger waren die Toledaner.
Sie waren bedrückt, daß ihnen der erste Erfolg so leicht geworden war.Wieviel von unü zer­hackt?" Sie wollten nicht rechnen. Die Lebende» lvaren ja noch da. Und sie umringten den Tuch­scherer. Sie umringten den weißen General, der, ernst und wortlos, sich die Stiefel lecken ließ. Daß er keinem von denen, die sich an ihn klammerten, mit den Sporen die Backen zerkratzte, sein einzi­ger Wunsch war da». Nichts anrühren von dem, was das Eigen­tum des Königs ist", brüllte der Tuchscherer. Vieles anzurühren tväre dagetvesen. Arme, die schon zmn Zupacken in den Muskeln knackten, erschlafsten. Der Tuchscherer setzte seinen Reiter ab. Kein Atem Ivar hörbar außer der Stimme des Generals. Ec sprach:«Rein bleibt unser Gewissen! Rein bleiben unsere Händel Was ihr hier seht, Brüder von Toledo  , Brüder von Segovia  , Brü­der von Medina del Campo  , und ihr andern, uns zugeflogen, bedankt, geweiht, beschworen in der heiligen Brüderschaft, eS ist nicht unser. DeS Kö­nigs ist eS, obwohl er ein Verbrecher ist, obwohl er die Mutter umgebracht hat, die Hn gebar, die Mutter, Spaniens   höchste Tochter! Dafür werden wir ihn zur Rechenschaft ziehen, sobald die Stunde gekommen ist. Aber jetzt die Brandfackel her! Die Menschen zu beseitigen, die Spanien   in Blut­schuld tauchen, unser Recht ist das, und nehmen ivir nicht das Racherecht, des Feuertodes würden wir alle würdig sein wie der Fürst, auf den Ivir marschieren Doch Krieg führen wir gegen i h n, nicht gegen seinen Troß! Der Troß soll flam­men, und die Hände hacken wir dein ab, der sich an dem Plunder enttvürdigt! Die Brandsackel Herl" Die Brandfackel!" wiederholte der Tuch­scherer mit seiner donnernden Gewalt. Der Tuchscherer selber war eS, der die kö­niglichen Geldsäcke auS dem königlichen Gepäck riß, die Nähte sprengte und mit den Zähnen nach­half, wo die Hände es nicht zwangen. Der Tuch­
scherer selber war eS, der dem weißen General seinen Willen aufnötigte, daß der mit dem Degen die Säcke zerschlitzte. DaS gemünzte Gold rollte heraus. Der Tuchscherer schaufelte einen Hausen davon in die Hände. Er warf das Gold den könig­lichen Troßgänlen zu:Da, da, freßt das, kre­piert daran, platzt daran!" Ec stieß mit Fäusten und Füßen in die Gäule, die sich vor dem metal­lenen Berg bäumten. Er riß ihnen die Schnau­zen nieder. Er betrommelte ihnen Bug und Augen. Die Tiere verstanden ihn nicht, sie zitterten. Dar Wieher» ihrer Hilflosigkeit, das Züngeln der in den Pechpfannen zischenden Feuer, das Gelächter der Toledaner, alles das verwirbelte sich in die Flammen, die aus dem königlichen Troßwagen aufstiegen. Die Flammen nährten sich sowohl von dem Golde, daS der Tuchscherer in den Brand hineinschaufelte» wie von den silberne» Eßgeiä- ßen deS Königs, von seinen seidenen Hemden und wollenen Socken, von seinen Daunenkissen und wattierten Pantoffeln, von seinen Pistolen, von seinen Nasentüchern, von dem Lackleder seiner Reitstiefel, von dem Kettengeslecht des Panzers, den die Mutter ihm einstmals nach Flandern   ge­schickt und mit dem beschwörenden Bries begleitet hatte:Vergiß eS nie, ihn zu tragen, wie der große Alexander ihn schon getragen hat, wie sein Erbe CaroluS Magnus  , wie die Tochter seines Erlauchten Blutes, meine Heilige Gebärerin, die uns allen Mutter und Fürsprach ist beim Erz­ engel Michael  , der daS Mirakelnetz empfing au» den eigenen Händen des Heilands!" Die Flammen wurden geschürt auch von den Kompassen und geometrischen Instrumenten des König», von seinen Sternenhöhenmeffern, von seinen Goldsteinen, die das Bluten jeder Wunde sofort zum Stocken brachten, von seinen beiden Ringen, den Zaubermitteln zum Zerbröckeln der hartnäckigsten Hämorrhoiden, von den Splittern des wahren Marterkreuzes Christi, von den neun aus Britenland stammenden Blausteinen, die jeg­lichen Krampf sofort entspannten. .(Fortsetzmrg folgt.)]