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Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 75 Heller

Redaktion u. Berwaltung: Brag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Redakteur: Rarl Rern, Prag 18. Jahrgang

Englische Sympathien

für die sudetendeutsche Sozialdemokratie

Konferenz des Abg. Jaksch

mit Führern der Labour Party

Abgeordneter Wenzel I a ks ch und Sekretär Wilhelm Wank a hat ten Freitag vormittags in den Räumen des englischen Unterhauses eine Kon ferenz mit führenden Repräsentanten der Labour Party . Die Aussprache, an welcher sich vor allem die mit außen politischen Fragen befaßten Politiker der Arbeiterpartei beteiligten, kann als um so fruchtbarer angesehen wer ben, als sie zeigte, daß die Anwesenden die politischen Vorgänge in Mittel­ europa und insbesondere in der Tsche. choslowakei ständig mit großem Ver­ständnis verfolgen. Die Sympathien,

bruck.

Samstag, 9. April 1938

Aus dem Inhalt:

Neue Streiter für die DSAP

Lügenpropaganda gegen uns

Slowakischer Agrarier

im Senat: Autonomie Keimzelle des Verfalles

-

Pr. 84

Kabinett Blum zurückgetreten Die allzeit Getreuen

Daladier mit der Kabinettsbildung betraut

Paris . Wie zu erwarten war, hat der Senat am Freitag gegen 7 Uhr abends mit einer Mehrheit von 223 gegen 49 Stimmen den Regierungsentwurf abgelehnt, der für die Regierung die Vollmacht in Finanzangelegenheiten forderte. Um 19 Uhr 30 trat das Kabinett Blum zu­sammen und beschloß, die Gesamtbemiffion zu überreichen. Um 20 Uhr begaben sich die Mitglie­der des Kabinetts zum Präsidenten der Republik, der die Demission annahm.

Der Präsident der Republik eröffnete noch am Abend die Beratungen zur Lösung der Regie rungskrise durch protokollarische Unterredungen mit dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten Léon Blum , dem Senatsvorsitzenden I e anneney und dem Kammervorsitzenden er riot. An informierten Stellen wird erklärt, daß diese Beratungen sehr kurz sein werden und daß der Präsident der Republik mit der Bildung der neuen Regierung den Ministerpräsidenten- Stellvers treter und Nationalverteidigungsminister Eduard Daladier , den Vorsitzenden des Radikal­sozialistischen Klubs, betrauen wird.

Nach 22 Uhr berief der Präsident der Republik Daladier in das Elysée und betraute ihn nach einer einstündigen Unterredung mit der Aufgabe, das neue Rabinett zu bilden. Eduard Daladice nahm die Betrauung an. Sein Kabinett dürfte sich auf eine Mehrheit von den Sozia listen bis zur Mitte stüyen. Das Zustandekommen eines solches Kabinetts wird jedoch von den Sozialisten abhängen, ob diefe in das Kabinett eintreten oder es auf irgend eine Weise unter­stützen werden. Es ist nicht anzunehmen, daß die neue Regierung früher als im Laufe des Sonntag gebildet werden wird.

Zeiten des Glücks hat die sudetendeutsche Arbeiterschaft nie gefannt. Immer schon, seit der Industrialisierung der deutschen Randgebiete der böhmischen Länder, waren hier die Löhne beson ders niedrig, die Arbeitsverhältnisse schlechter als anderwärts, die Unternehmer engherziger und turzsichtiger. Wenn ,, gute" Zeit war, so war die Zahl der Arbeitslosen gering, hatten die meisten Arbeiter Veschäftigung, erfreuten sie sich der Möglichkeit, ihre nie bestrittene Geschicklichs feit und ihren Fleiß gegen geringe Entlohnung zu betätigen. Nie noch ist die Not ganz vers schtvunden gewesen aus den sudetendeutschen Ar­beitersiedlungen.

Und seit es eine Arbeiterbewegung gibt, von den ersten tastenden Versuchen an, hatten die sudetendeutschen Arbeiter auch harte Verfol gungszeiten zu ertragen. Sobald sich die Arbei ter zu organisieren begannen, fezte die Verfol gung der Organisatoren, der Vertrauensmänner ein, Verfolgungen, bei denen die f. f. Behörden und die Unternehmer zusammenwirkten. Denn war man als deutscher Bürger in den stebziger bis neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch noch nicht völlisch, sondern liberal, so war man doch nicht weniger durchdrungen von der

welche die englische Arbeiterbewegung Zu Beginn der Sigung nahm der Senat[ soluter Unabhängigkeit alle Beschlüsse zu fassen, dem schweren, aber heroisch geführten einen ausführlichen Bericht des Hauptbericht die er als geeignet ansehe, und es sei dann Sache Kampf der demokratisch en erstatters des Finanzausschusses Abel Garden des Ministerpräsidenten, hieraus die Sonses deutschen Arbeiterschaft entgegen, der zu der Anschauung fam, daß zahls quenzen zu ziehen. entgegenbringt, fanden in der Ausspra- reiche Maßnahmen direkt den Weg zu einer Stol Blum erflärte fortfahrend, seiner Ansicht Ueberzeugung, daß dem Arbeiter Gehorsant che herzlichen und überzeugenden Aus- leftivisierung des Staates öffnen, daß sie eine nach habe die Kammer das hauptsächliche Ents zieme, daß der Unternehmer in seinem Hause staatliche Kontrolle über das Privattapital entscheidungsrecht, da sie eine gefeßgebende Körper- Herr fein müsse und daß Auflehnungsversuche halten, einer Devisenkontrolle und der Inflation schaft sei, die auf Grund einer allgemeinen diref der Arbeiter zu bestrafen seien nicht nur mit den Weg bahnen und nichts zur Besserung der ten Abstimmung gewählt wird. Blum fordert, daß Gefängnis, sondern auch mit dem Arbeitsverlust. wirtschaftlichen Initiative des Landes beitragen. er als Ministerpräsident auf der Tribüne ebenso mit dem Hunger. Viele tausend Jahre Gefäng Die Opfer, die die Regierung von den Bürgern wie ein anderer Redner seine Gedanken ent- nis wurden in den Verfolgungszeiten über die fordert, seien ungleichmäßig verteilt und würden wideln könne. Er führte dann aus, daß eine Arbeitervertrauensmänner verhängt, viele tau hauptsächlich auf den Sparerschichten und den Bes zweite gefeßgebende Körperschaft niemals fend Arbeiter wurden von Ort zu Ort gejagt. sizenden lasten, die durch die Devalvation des hatte, wie der Senat in Frankreich . nicht venige zur Auswanderung gezwungen. Be- Franc bereits start geschädigt wurden. Aus ver- Niemand fordere übrigens die Aufhebung des Und doch wurde der Organisationsgedanke nicht fchiedenen Gründen entsprächen die Regierungs- Senates und diese Angelegenheit befinde sich auch besiegt, wurden den Arbeitern die sozialistische entwürfe nicht dem Geist der französischen Des nicht auf dem Programm der sozialistischen Partei. Idee nicht aus den Köpfen getrieben. Die Arbeiter mofratie. Leon Blum meint aber, daß sich der Senat Rechte blieben treu. anmaße, die ihm nicht zu stehen und seine Grenzen überschreite.

Nationalitäten- Statut

in Vorbereitung Prag . Der Miniſterrat hielt am tag feine ordnentliche Sigung ab und nahm den richt des Vorsitzenden der Regierung zur Kennt nis, daß die legislativen Sektionen des Minister ratspräsidium und der Ministerien für Inneres, Justiz und Unifizierung mit der Ausarbeitung eines Nationalitäten Statuts der Tschechoslowa lischen Republik betraut wurden.

Der Ministerrat genehmigte ferner den Han­delsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika , das Kompenſationsabkommen mit Po­ len , die Regelung der Handelsbeziehungen mit Litauen und den Handelsvertrag mit der Re­publik Liberia . Alle diese Abkommen bieten die Grundlage zu einer Erhöhung des Wa renaustausche 3 mit den Staaten, mit welchen sie abgeschlossen wurden.

Der sozialistische Senator Betoulle ver­teidigte den Regierungsentwurf und hob nament. lich hervor, daß bisher noch keine Regierung die tatsächliche Finanzlage so geschildert have wie Ministerpräsident Blum.

Blum sagt dem Senat

die Wahrheit

Das Wort ergriff dann Ministerpräsident VIum. Es werde notwendig sein, erklärte er, eine Lösung zu finden und finanzielle Quellen zu öffnen. Der Staatsschah brauche heuer 50 Das tschechoslowakische Generalkonsulat in Milliarden für außerordentliche Ausgaben und Siew wurde mit Gültigkeit vom 11. April d. J. auf für das heurige Jahr müssen außerdem noch 35 gehoben, u. zw. infolge Durchführung der Reorga- Milliarden beschafft werden. Die nächste Regie nisation des Konfulardienstes der ausländischen rung werde genötigt sein, ebenfalls die Lösung Staaten in Sovjetrußland. vorzuschlagen, die die heutige Regierung emps

tverden.

Auf dem Gebiete der Verordnungsgewalt wur- fichlt. den die Durchführungsverordnung zu dem Geſetz Der Ministerpräsident ging dann auf das über das Gebühren- Requivalent, ſowie die Regie, politiſche Gebiet über. Er fagte, der Senat wolle rungsverordnung genehmigt, mit welcher die Erläu- die heutige Regierung nicht, er werde aber durch terungen zur Post Nr. 553 des Zolltarifs geregelt seine Unnachgiebigkeit möglicherweise eben ein Hindernis für die Bildung einer dauernd neuen Regierung sein. Das Recht der Entscheis dung stehe der aus einer allgemeinen Wahl hers vorgegangenen Kammer zu. In dieſem Augenblic unterbrach der Senats­Schließlich wurden die Ergebnisse der Beratun- vorsißende Jeannench mit einer energischen Geste gen der Minister- Komitees in Verhandlungen gezo- den Ministerpräsidenten, was das ganze Haus zum gen und die laufende Tagesordnung der Verwal- Beifall veranlaßte. Jeanneneh erklärte, ver­tungs-, Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten fassungsgemäß habe der Senat als gefeßgebende erledigt. Störperschaft der Republit das volle Recht, in abs

Ferner wurde beschlossen, in der Slowakei eine Zweigstelle des Staatlichen Gesundheits- Institutes Bu errichten.

Sozialistischer Nationalrat einberufen

Und als später die Wogen des Chauvinis­mus sich über das Land ergossen und den Libe­ralismus fast hinwegschwemmten und die Mehrs heit des fudetendeutschen Bürger- und Kleinbür gertums nationalistisch wurde, als deutschnativa Nach Beendigung der Senatsfißung begab sich nisvoller Hilfe der Volksgenossen Fabrikanten nale Arbeiter"-Organisationen mit verständ Léon Blum mit den sozialistischen Kabinettsmit­gegründet wurden, blieben die sozialdemokrati gliedern in die Kammer, wo er einer Sigung des schen Organisationen unerschüttert, blieben die sozialistischen Klubs beiwohnte und ein Erpose fazialistischen Arbeiter ihrer Gesinnung treu. über die Lage erstattete. Die sozialistische Partei sprach Léon Blum und den sozialistischen Kabi- Denn nationale Werksbeamte und Ingenieure Auch diese Zeiten waren Zeiten der Verfolgung? nettsmitgliedern ihr volles Vertrauen verstanden auch damals schon den Betriebsterror aus. Es wurde beschlossen, am Samstag abends eine Sigung des Nationalrates der sozialistischen Schwache zu beugen, Schwankende abspenstig zu angulvenden. Selbstverständlich gelang es. Partei, des sogenannten Kleinen Parteifongreffes, machen, aber unbezivungen blieb die Partei. abzuhalten, um zu der durch die Regierungskrise gefchaffenen Lage Stellung zu nehmen. Der neue Mann

Und diese vieltausendfach bewährte und er­probte Treue, überliefert von Arbeitergeneration auf Arbeitergeneration, den Sozialdemokraten Eduard Daladier war im Jahre 1934 einer in Fleisch und Blut übergegangen, fie offenbart der ersten Mitbegründer der Voltsfront, wenn er sich herrlich auch in unseren Tagen, in diesen auch im Verlauf der letzten zwei Jahre sich po- schwersten Tagen, die je die judetendeutsche litisch nicht aktiv betätigte, da er alle seine Straft fozialdemokratische Arbeiterschaft zu bestehen dem Ministerium für Nationalverteidigung wid hatte. Denn so wie in der ersten Kriegsacit eine mete. Ministerpräsident war Daladier das erste Kriegspsychose einen großen Teil der Vevölke= mal im Jahre 1933, und das zweitemal im rung erfaßt hatte, so jest eine nation alsoziali Jahre 1934 während der Stawiſty- Affäre, wo- ſtiſche. Als Verräter gilt, wer sich nicht betäuben bei er gleichzeitig Außenminister war. Das lassen will, wer den Stopf flar behält, als dop­Hauptinteresse Daladiers gehörte seit Beginn pelter Nationsverräter, wer grundsäßlich Chau feiner parlamentarischen Karriere den militäris binismus und Gleichschaltung, Totalität und schen Angelegenheiten. Seit Beginn der derzei- tasseideologie ablehnt, wer unbeirrbar an Demo­tigen gesetzgebenden Versammlung d. i. vom fratie und Sozialismus festhält. Tag für Tag Jahre 1936 an war er in allen vier Kabinetten sind die deutschen sozialdemokratischen Arbeiter Kriegsminister, bztv. Minister für nationale Vervielfachem Druck ausgesetzt, im Betrieb und in teidigung. ihrem Wohnort. Gütliche" Beeinflussungsver fuche wechseln mit Drohungen, den ,, Vorstellun gen" der Vorgesetzten folgen die Mahnungen" der Wohnnachbarn. Die Frau des Sozialdemo fraten wird im Orte boyfottiert, der Mann kann nicht das Wirtshaus oder den Friseurladen be Ministerpräsident Cham es nicht anderen überlaffen, selbst über unsere treten, ohne mit höhnischen Bemerkungen und derbem Spott überschüttet zu werden, und die berlain sprach Freitag in Birmingham . Er Aktion zu entscheiden, wenn eine solche Altion für Kinder sozialdemokratischer Eltern werden von hielt sich in der Ablehnung anderer Garantien als uns unermeßliche Folgen haben könnte. den Kindern voltsgemeinschaftstüchtiger Eltern für Frankreich und Belgien an seine letzte Unter- Die Herstellung von Kriegsmaterial, sagte auf der Gasse beschimpft. Und an alle wird jede hausrede und fügte hinzu: Man kann allerdings er zum Schlußt, fordert heute von der Nation Parole der Flüsterpropaganda herangetragen, nicht fagen, welche Staaten auch in einem ent- Opfer, die einer besseren Sache würdig wären. immer wieder, immer wieder: ,, Wenn du nicht fernten Winkel Europas letzten Endes in einen Wir dürfen aber nicht die Augen vor der icht zu uns kommst, wird es zu spät für dich!"-- Konflikt hineingezogen werden könnten. Wir fache verschließen, daß wir bei den gegenwärtigen Madrid . Die republikanischen Batterien Wir merken uns jeden, der sich gegen uns müſſen und aber wenigstens 6 a 8 Ne cht Verhältnissen in der Welt nicht anders können und eröffneten Freitag vormittags ein heftiges Feuer ſtellt!"- Schau nach Desterreich, wie es dort vorbehalten, selbst sagen zu können, ob daß wir darin fortfahren müssen, denn es steht auf die Stellungen der Franco- Truppen westlich den Marristen ergeht!"- ,, Der Tag ist nicht und wann wir es als geboten erachten, in einen bie Existenz unserer britischen von Madrid , worauf sich ein heftiger Artillerie- mehr fern! Dann machen wir Ordnung!"- folchen Krieg einzutreten oder nicht. Wir tönnen reiheit felbft auf dem Spiel. tampf an dieser Front entwidelte, Und doch bleiben die sozialdemokratischen Arbei

Chamberlain:

Die britische Freiheit auf dem Spiel

London .

Neue Strelkwelle

Paris . Im Laufe des Freitag ist die Arbeiterschaft in zehn fleineren Fabriken und Werkstätten der Metallindustrie in den Streit ge­

treten und hat die Betriebe befeht. Die Gesamt­zahl der streikenden Arbeiter in der Metallindu­strie von Paris und Umgebung beträgt 50.000 Perfonen.

Artillerlekämpfe vor Madrid