Sozialdemokrat Aentralorgan der Deutschen sozialdemorratische« Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit«u««ah«e de« Montag»glich früh/ Eiuzelprei« 75 Heller Redaktion«.Verwaltung: PragXll.,Fochova62- Telephon 88077- Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag tatmlnhilh Der Fall Hilgenreiner. Angst vor Englands Wlrtsdiaftskraft Chamberlain In der Sackgasse Die Flüchtlingskonferenz 18. Jahrgang Freitag, 8.Zuli1938 Nr. 158 Britische Kriegsschiffe nach Haifa Parlament am 21. Juli? Prag . Amtlich wird gemeldet: Donners­tag nachmittags trat der Ausschuß der politischen Minister zusammen, der unter dem Vorsitz des Vorsitzenden der Regierung die Vorbereitung der legislativen Arbeiten für die bevorstehende Par» lamentSsession fortsetzte. Da erwartet werden kann, daß die BorbereitungSarbeiten nunmehr intensiv fortschreiten werden, wird die Regierung mit dem Präsidium der Nationalversammlung zu dem Zwecke in Fühlung treten, damit ein an» nähernder Termin für die Einberufung der beiden Kammern festgesetzt wird». In gut in­formierten Kreisen ist nun: der Meinung, daß die erste Sitzung der Juli-Session um den 21. Juli herum stattfinden könnte. Das Koalltlönskomltee In Permanejjz Donnerstag vormittags fand die zweite Sit­zung des Koalitionskomitees statt, das von dem erweiterten KoalitionSauSfchuß mit der Beratung deS RationalitätenstatutS betraut wurde. In die­ser von Malypetr geleiteten Sitzung wurde» wie daS»Prävo Lidu" meldet, ei« Teil deS vorge- legtrn Entwurfes sorgfältig durchgearbeitet. Alle Mitglieder dieses Komitees sind bestrebt, ihre schwierige Aufgabe möglichst bald zu erfüllen. Die Sitzungen werden daher von jetzt ab rrgel» Uiäßig täglich vor» und nachmittags stattfinden. DaS zitierte Blatt hält eS für wahrscheinlich, daß bei diesem fleißigen Arbeitstempo«nd bei der ein­heitlichen Ansicht über die Grundlagen da- Sta­tut bereits in den nächste« Tagen von dem Koa- litionSkomitre durchgearbeitet fei« wird»- Dr. Hodia bleibt In Prag Prag.(Amtlich.) Der Vorsitzende der Re­gierung, Dr. Milan HodZa war wegen unauf­schiebbarer Regierungsarbeiten und politischen Beratungen genötigt, die zugesagte Teilnahme an den Jubiläumsfeiern in Luhaöovice Samstag, den v. Juli, und an den JubiläumSnational- feiern in Turö-Sv. Martin Sonntag, den 10. Juli, abzusagen. Beratungen der tschechischen Sozialdemokratie Am Donnerstag fand eine Sitzung del Vor­standes der tschechoslowakischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei statt. Da- politische. Referat erstattete Minister B e ch y n h, der zunächst über die wichtigsten Fragen der auStvärtigen Politik referierte und so­dann eingehend da» Borgehen der Regierung bei der Lösung des komplizierten Nationalitätenproblems darlegt«. Abgeordneter Dr. Meißner berichtete über das Rationalitätenstatut und seine Durch­beratung im engeren. KoalitionSoutschuß. Zu de» Minderheiten-, Sprachen- und SelbswerwaltungS- fragen fugte Minister Dr. Dir er einige wichtig« Erläuterungen hinzu. Antlterror-AusschuB der Gewerkschaften Zentralsekvetär B. Dundr berichtete fv- dann über den Vorschlag der Tschechoslowakischen GeworkschaftSveveinignng, einen Antiter» ror-AnSfchutz im Grenzgebiet z« errichten. ES wurde beschlossen, daß die Partei die Genossen D n n d r und Berger in den Ausschuß ent­sende. englische Bischöfe fördern energischen Kurs Loudon. Der Erzbischof von Kork , zehn Bischöfe und einige andere hohe anglikanische Geistlich« habe« eine Erklärung unterzeichnet, worin die britische Regierung aufgefordert wird, energische Maßnahmen gegen daS Bombardenrent britischer Schiffe in spanischen Häfen zu«greifen, und zwar auch dann, fall« die« mit einem bedeutenden Risikpver- banden sein sollte. Der internationalen Anarchie müsse um jeden Preis Einhalt geboten werden. * Der Bischof von Liverpool Dr., David for­dert alle Christen-auf, sich am 17. Juli den Ge­beten für die nichtarischen Ehristen, die in Deutschland unterdrückt und verfolgt werden, an» zuschließen. Der Bischof gab bekannt, daß in sei­ner Diözese ein« Sammlung für di« nichtari­schen Christen eingeleitet wurde. 27 lote und über 100 Verletzte an einem Tag London. (Reuter.) Wie amtlich auS Je­ rusalem genzeldet wird, wurden am Mittwoch bei den Attentaten in Haifa 21 Araber und sechs Ju­den getötet; 92 Araber und elf Juden wurden verletzt. 82 Araber mußten in die Krankenhäuser gebracht werden. Weiter wird amtlich gemeldet, daß auf dem Obstmarkt in Haifa rasch hinterein­ander zwei Bomben geworfen wurden. Die Explosion war so heftig, daß auch rin arabischer Polizeiinsprktor» der vom Orte der Explosion min­destens 90 Meter entfernt war, verletzt wurde. In der darauf entstandenen Panik wurden vorteifah- rrnde Automobile und Autobusse mit Steinen be­worfen und beschossen. Im Hafen von Haifa ist Donnerstag nach­mittags der britische Kreuzer ,,E m e r a l d" ein­getroffen, d« noch am selben Abend eine Abtei­lung Marine-Infanterie an Land setzte. Freitag wird daS Schlachtschiff ,,Repulse" im Hafen einlaufen und den Kreuzer»Emerald" ablösen. Andere Schiffe d« Mittelmeerflotte haben Be­reitschaft. Diese letzten Attentate und daS Anwachsen deS Terrors in Palästina überhaupt werden in London mit ziemlicher Unruhe verfolgt» doch ist man trotzdem der Meinung, daß die Behörden Herren der Lage bleiben. Die Erhaltung der Ordnung gebührt eigentlich eher der Lokalpolizei als dein Militär, doch werden Vorbereitungen zu einer rascheren Entsendung einer weiteren brittschen Brigade getroffen, welche urspriing- ltch erst im Herbst nach Palästina entsandt werden sollte. Dann werden sich in Palästina insgesamt drei britische Brigaden befinden. I» britischen politischen Kreisen wird die Gleichzeitigkeit der Ausbreitung der palästinensi­schen Unruhen und der Tagung der Flüchtlings­konferenz von E v i a» hervorgehobrn. Vermutun­gen, die hier eine Art Demonstration sehen wol­len, hinter der nicht nur der Mufti, stehen, werden indrß in Whitehall zurückgewiesen. Jerusalem . Bei der Explosion einer Bombe im alten Bi«tel von Jerusalem wurde«in Araber getötet und einer verletzt. Zwei Infanterlebatalllone unterwegs London . Donnerstag abend- wurde tele­graphisch der Befehl erteilt, sobald alS möglich zwei Bataillone britischer Jüfantarir von Aegyp- ten nach Palästina zu entsenden. Das Brot des Faschismus Weder die Eroberung Abessiniens noch der Aufbau und Ausbau der»Achse" scheinen den« Italien Mussolinis sonderlich Glück zu bringen. Wir haben gelegentlich berichtet, wie negativ auf daS italienische Volk die Einverleibung Oester­ reichs durch Deutschland und die somit geschaffene Tatsache wirkte, daß daS Jmpero nun am Brenner das Dritte Reich zum unmittelbaren Nachbarn bekam. Aber auch die Opfer, die Abessinien wei­terhin kostet, und die Verlustlisten auS der Ein­mischung in Spanien sind wenig darnach angetan, daS italienische Volk in jener Jubelstimmung zu halten, die etwa beim Besuche Hitlers in Rom dort nicht gerade unkünstlich zum Ausdruck gebracht wurde. Neuerdings ist aber noch eine Erscheinung hinzu getreten, die die ohnehin mäßige Laune der arbeitenden Bevölkerung Italiens in offene Unzu­friedenheit verwandelt hat, eine Erscheinung, die den Lebensnerv des Volkes berührt: das über alle Maßen miserableBrot, das seit geraumen Wochen Italien noch unsicherer macht als vordem. AuS Mailand und Turin wird unS geschrieben, daß die außerordentlich schlechte Beschaffenheit des Brotes, des Hauptnahrungsmittels der italieni­schen Arbeiter, in Städten und Dörfern zu Un­willensäußerungen führt, die auch das Aufgebot des gesamten faschistischen Apparats nicht zu un­terdrücken vermag. Insbesondere die Frauen seien nur schwer zurückzuhalten und demonstrieren vor den Gemeindeämtern und Präfekturen, weil die Kinder nach dem Genuß dieses Brotes erkranken. Das Brot, eine undefinierbare Mischung aus allem Möglichen, ist von dunkelblauer Farbe, nimmt nach ein, zwei Tagen eine eisengraue Tö­nung an, wird hart wie Stein, ungenießbar, un­verdaulich und gesundheitsschädlich. Vergleicht man diese Erscheinung mit dem, waS in demokratischen Ländern» gleichviel ob etwa Frankreich oder Tschechoslowakei , nach wie vor normal ist und nach aller Voraussicht auch so blei­ben wird, so sollte man meinen, daß unsere Völ­ker samt und sonders tvenig Neigung zeigen soll­ten, dieparadiesischen". Zustände der Faschismus für sich herbeizusehnen l Aber auch sonst könnte das, was man uns aus Italien schreibt, nachdenklich stimmen. Die Arbeiter der so gesegneten südlichen Halbinsel Ivissen nicht, was sie ihren Kindern, deren Magen daS Brot nicht vertrage», zu essen geben sollen, da Gemüse und Früchte(in Italienl) uner­schwinglich teuer geworden sind; eS wird uns be­richtet, daß die Armen die Abfälle auf den Märk­ten erstehen und erkranken. In Turin werden die wirtschaftlichen Verhältnisse von Tag zu Tag schlechter; die Löhne sinken, die ArbeitSlosigke'l wächst, bei Fiat und in den Fabriken der Hilfs­industrie wurden tausende Arbeiter entlassen. Unterdessen entwickelt sich auf ihre Art die Achse". Das Deutschland Hitlers hat unzählige Kommissionäre nach Italien entsandt, die die In­dustrie, die Landwirtschaft, daS Militär gleichzu­schalten versuchen; Agenten der Gestapo , die ge­legentlich deS Hitler -Besuches nach Rom kamen und dort blieben, haben nach Hause berichtet, daß die Zustände Italiens auf den verschiedensten Ge­bieten insbesondere im Hinblick auf die Kriegs­tauglichkeit zu wünschen übrig lassen und nun spüren die Italiener mit jedem Tage mehr, daß und Ivie sie nazistert werden sollen, um für Hitler Volltvertig zu werden. Ein Herr Doktor Theodor Hentschel zusammen mit noch 48 Spezialisten von Hitlers geheimer Polizei arbeitet so rigoros» daß den Italienern bis tief hinein in die Reihen der hundertprozentigen Faschisten angst und bange wird. AuS dem ganz und gar nicht befriedeten Abessinien kommen auf Umwegen bitter klagende Soldaten-Briefe in die Familien, die italienischen Todesopfer in Spanien erschüttern das Volk, fort­gesetzte Verhaftungen politisch Verdächtiger zeigen, daß anderthalb Jahrzehnte nach dem Marsch auf Rom die«Befreiung" der italienischen Nation einen sonderbaren Anblick bietet und sonderbare Wirkung auslöst. Kein Mensch in Italien glaubt daran, daß die Dinge durch die Achsenpolitik bes­ser werden könnten. Mit kühler Reserve wird es ausgenommen, daß die italienische Presse dem Bundesgenossen mit mehr oder weniger Begeiste­rung zuwillen ist und, etwa» lahmend, jede Wen­dung der deutschen außenpolitischen Propaganda mitmacht, so beispielsweise auch den öden Rum­mel mit den Sokoln, die Wien erobern wollenl Mussolini hat zur Zeit ganz andere Gorgen. ,, Ein Schreckenstag für Schanghai Dutzende von Bombenattentaten am Sahrestag des Kriegsausbruches Schanghai . Der Jahrestag der Eröff­nung der chinesisch-japanischen Feindseligkeiten war seit den frühm Morgenstunden in der inter - nationalrn Niederlassung in Schanghai durch Terroristenattentate charakterisiert, die von Revolverschüssen und Bomdenexplosionen begleitet waren. Bi« zehn Uhr(Ortszeit) zählte man bereit« 18 Attentate, dir von chinesischen Pa- rioten auf japanfreundliche Chinesen, japanisch« Zivilisten und japanische Posten verübt wurden. Bereit« um 8 Uhr wurden die erste» Bomben am »Bund" geworfen, worauf sofort jaapanisches Militär in die internationale Niederlassung. ein­zog und denBund" absperrte. Kur» darauf bezogen schottische Hochländer gegenüber der ja­panischen Absperrung Stellung. Später wurden zwei japanische Zivilisten durch Pistolenschüsse getötet. Ein Bombenanschlag gegen«inen japa­nischen Posten in der Jeßfield Road schlug fehl. Der Posten erschoß jedoch zwei Chinesen. Weitere Bombrrwürfe wurde» vor Nokohama Sperie Bank, der Taiwan Bank , dem Warenhaus Whiteawatz in der Nanking Road sowie an einer Brücke über den Surtschan-Bach in der Nähe eine« japanischen Posten« verübt. Starke Patrouillen durchziehen die Straßen. Die bisherigen Attentate haben sich sämtlich in der internationalen Niederlassung ab­gespielt. Biele Opfer konnte» bisher nicht iden­tifiziert werden. In den späteren Vormittagsstunden und nachmittags trat bereits Ruhe«in, doch ist in den internationalen Konzessionen auch weiterhin ein« Ist am Samstag etwas füllig? Bern.(Insa.) Wir berichteten von den deut­ schen Plänen über die Besetzung deS Fürstentums Li.chtenstein, die in diesem Fall vom deutschen Generalstab gefordert werde. Der Bundesstadtkorrespondent der»Na­tionalzeitung" berichtet nun hierüber: Der BundeSrat und die schweizerischen Mili­tärbehörden schenken der Entwicklung im Fürsten­ tum Liechtenstein andauernd volle. Aufmerksam­keit. Die Maßnahmen sür den Fall einer über­fallartigen Besetzung des Ländchens durch Trup­pen deS Dritten Reiches sind getroffen. Daß dar­über der Oeffentlichkeit nichts mitgeteilt wird, ist eine absolute Selbstverständlichkeit. Die. Schweiz steht mit Liechtenstein in einem Zoll», Münz- und Postunionsverhältnis. handelt sich also um rein administrative Bindun« .gen, die übrigens"die Schweiz nicht gesucht,, son- sichtbare Spannung zu beobachten. ES patrouil­lieren dort ständig französische, italienische, eng­lische und amerikanische Abteilungen. Sämtliche chinesischen Theater und Restaurants find ge­schlossen. Chinesische Gehelmverb&nde am Werk Wie ergänzend gemeldet wird, sind in­zwischen ein japanischer Mlitärpolizist, vier Chinesen und ein indischer Wächter verhaftet wor­den. Entsprechend den Weisungen ans Hanka» haben die chinesischen G e h e i m ver­bände znr weiteren Fortsetzung des Wider­standes in Schanghai aufgefordert. In der chine­ sischen Presse wird a»S Anlaß der einjährige» Dauer des Krieges die Bevölkerung zur Abgabe von Gold für den Kriegsfonds aufgefordert. China ehrt die Gefallenen Schanghai . In allen chinesischen Provinzen, die nicht von japanischen Truppen besetzt sind, wurden Kundgebungen zu Ehren der für daS Va­terland gefallenen chinesischen Soldaten veranstal­tet. In den Kundgebungen wurde die chinesische Bevölkerung aufgefordert, in ihrem Widerstand zu verharren. I» den Mittagsstunden wurde drei Minuten Stille gewahrt. In den chinesischen Fa« niilien wurde gefastet. Anstelle der üblichen Speisen wurde nur eine einfache Gemüsespeise bereitet. dern daS Fürstentum seinerzeit, gewünscht hat. Irgendwelche territorialen oder militärischen Interessen hat die Schweiz im Fürstentum Liech­ tenstein nicht zu verteidigen. Im Falle der deut­ schen Besetzung des Ländchens werden die mit der Schweiz bestehenden verwaltungstechnischen Ver­bindungen dahinfallen und daraus ergibt sich wohl von selbst der Schluß! daß der schweizerische Zollkordon wieder an die Schweizer Grenze zu­rückgenommen wird. Daß in unserer militärpoli­tischen Lage bei einer Eingliederung des Fürsten­tums Liechtenstein in das Dritte Reich eine wei­tere Verschlimmerung eintritt, ist bedauerlich. Da jedoch Liechtenstein über keine Truppenmacht ver- ssllgt,' ist, militärisch gesprochen, Deutschland ^schon seit dem. Anschluß Oesterreichs der aus­schließliche Militärnachbar der Schweiz an un­serer Ostgrenze, vom Bodensee bis zur italienischen Grenze. südlich von Finstermünz im. Unter- engadin.