«k. 1S7 »lenStag, 10. SuN 1988 Sette 8 ?/ikteW Sensationeller Artikel in der„Deutschen Presse“ MaBloie Bestürzung Uber das Schicksal der Katholiken In Oesterreich Die„Deutsche Presse" hat die Fahnenflucht und Gleichschaltung der deutschen Christlichsozialen iedtn- gungSla» mitgemacht und seitdem— von gewissen vorsichtigen Borbehalten abgesehen, alle» Mögliche getan, um den sudetendeutschen Katholiken den christ- llchsojialen Verrat samt der nationalsozialistischen Weltanschauung plausibel zu machen. Auch die Haltung 2 n n t h e r S hatte die„Deutsche Presse" nicht wankend gemacht, die ja in Prälaten Hilgenreiner einen de» Wiener Kardinal durchaus ebenbürtigen Führer besitzt. In den allerletzten Tagen aber scheint sich eine Wandlung vorzubereiten, auf die wir ja auch bereit» Hinweisen konnten. Und geradezu sensationell wirkt der Leitartikel, den die„Deutsche Presse" am letzten Sonntag ver- issentlichte und den übrigen» auch da» katholische „V o l k"(Jügemdorf) am gleichen Tage unter dem Titel„Oesterreich » Katholiken sind e u t t S u s ch t" atdruckt. Wir halte» in diesem Falle ein etwa» ausführlichere» Zitat für notwendig. Die genannten Blätter schreiten unter anderem im Hinblick auf die Katholiken-Bedrän» gungin Oesterreich seit dessen Anschluß und al» ausgesprochene Warnung der sudeten deutschen Katholiken unter anderem: „Oesterreich besäst gut ausgebaute katholische Privatschulen(etwa 1400). Gekrönt sollten diese Schulen werden durch die mitteleuropäische Salzburger katholische Universität. Der Katholizismus wird leider diese Stellungen nicht halten können. Die riesigen Opfer, die für die Salzburger Universität gebracht wurden, siild— rein menschlich gesprochen — u m s o n st gewesen. Die katholischen Leh- rerseminarien will man in der Weise beseitigen, dah man die Lehrerbildung aus eine andere Grundlage stellt. Und die katholische» Volksschulen? Man wird sie nicht auflösen, man wird aber— wie dies anderwärts geschehen ist— für die öffentliche Gemeinschaftsschule so radikal werben, dast viele katholische Schulen ab st erben werden. Zahlreich sind die„kleinen Schulsorgen: In dcn Jahren 1921 bi» 1928„reinigte" Glöckel die Diener Schülerbüchereien. Der von den National, sozialisten herausgegebene Index der verbotenen Bücher ist weit umfangreicher. Biel geklagt wird über die Behinderung der SonntagSmesse(Wanderungen der Hitlerjugend ) und über die Bagatel» lisierung religiöser Uebungen(Osterbekchte, Schulgebet). Dast so mancher Lehrer während de» Unterrichtes hemmungslos Rosenberzsche Ideen verzapft, ist selbstverständlich. Tragisch ist daS Schicksal de» über 10.000 Mitglieder zählenden Oesterreichlschen Katholischen Lehrerbundes. Er wurde ausgelöst. Wie viele seiner Mitglieder hatten sich im roten Wien unter Einsatz ihrer Existenz dem Austrobolschewi». mus entgegengeworfen! Da» alle» ist heute vergessen... Bestürzt sind die führenden Katholiken über dar neue E h e g e s e tz. In der Tschechoslowakei wurde schon einige Male der Versuch unternommen, die obligatorische Zivilehe einzusühren; der Versuch ist immer wieder gescheitert. Und dabei wird die Moldaurepublik in der Welt gern als lirchenseindlicher Staat bezeichnet! Unter unsäglich grasten persönlichen Opfem hatte man in Oesterreich graste katholische Organisationen geschaffen. Sie wurden — bis auf die Caritas und Kongregationen— a u f g e l ö st. Damit verliert die Seelsorge wichtige Stützen. Dasselbe gilt für die k a t h o li s ch e Presse. Jedes Bundesland besäst graste katholische Zeitungsverlage. Die Blätter wurden entweder gleichgeschaltet oder einge- st e l l t. Auf der anderen Seite mutz darauf hingewiesen werden, datz jetzt in Oesterreich zahlreiche katholilenseindliche Zeitschriften kolportiert werden. WaSwirdauS der katholischenj Ostmark werden? Zunächst sei festgestellt, daß die gläubigen Katholiken riesig niedergeschlagen sind. Sie hatten voller Zuversicht erwartet', die bekannte Erklärung der Bischöfe werde den drohende» Kulturkampf verhüten. Dieser Glaube wurde getäuscht. Bor einigen Jahren hatte die katholische Seelsorge viel Boden zurückerobert. Allein im Jahre 1934 waren 80.000 Konfessionslose zum Christentum zurückgekehrt. In den letzten Jahren ist die Seelsorge in den Anfangserfolgen vor allem deshalb steckengeblieben, weil sich die Staatssührung nach der Ermordung des Kanzlers Dr. Dollfuss(28. Juli 1984) nicht entschlietzen konnte, die sozialen und diegewerk» schaftlichen Rechte d e r A r b e i t.e r- schäft kompromitzloS zu vertreten. Diese schweren Fehler werde»» sich auch in der Zukunft ouSwirken . Die Katholiken Oesterreichs müssen neue Wege gehen. An die Stelle der Organisation wird der einzelne Katholik treten, der seinen Mitmenschen ein wahrhaft christliche» Leben vorlebt. Der sudctendeutscheKatholik wird für seine Brüder beten. Und er wird au» dem, wa» sich in Oesterreich ereignet hat, lernen." ♦ Ja, für den sudetendeutschen Katholiken ist Oesterreich eine Lehre. Aber deren praktischer und politischer Erfolg wird zum guten Teile davon abhängen, ob die Wortführer de» sudetendeutschen Katholizismus au» der österreichischen Lehre Konsequenzen ziehen werden. Die„Deutsche Presse" nud da»„Volk", selber gleichgeschaltet, danken eü der tschechoslowakischen Demokratie, Beltallgel und Steinhagel gegen die Pilsner Festteilnehmer Nach einem wohlorganisierten Plan wurden am Sonntag die von dem großen DTJ-Fest in Pilsen und der gleichzeitig stattgefundenen deutschen sozialdemokratischen Kundgebung heimkeh- rendrn Festteilnehmer auf der Straße zwischen Plan und Petschau überfallen. Die PolkSgemein- schaftler hatten in vielen Orten auf die Straßen Nägel und Reißzwecken gestreut, um die Radfahrer zum Sturze zu bringen. In einer Reihe von Orten lauerten die SdP-Leute den Arbeitem, ihren Frauen und Kindern auf, um sie mit ununterbrochenem Steinhagel zu überfallen. Fahndungsauto» der Gendarmerie mußten eingesetzt werden, um die heimkehrenden Sozialdemokraten zu warne» und die Wegelagerer sicherzustellen. Bi» spät in die Nacht heinein währte diese» verbrecherische Treiben. ES ist begreiflich, dah diese Uebeltaten bei den Betroffenen eine ungeheure Empörung au-lösten. Au» den übereinstimmenden Berichten geht hervor, datz die Henlcinstrolche in den Orten Bärenklau, Tschöppern, Theusing und S ch ö n t h a l ein regelrechte» Spietzruten- laufen für die durchfahrenden Festteilnehmer organisierten, wobei sie sich der Mithilfe von.Kinder bedienten. Diese wurden vor allem zum AuS- streuen der Reitzzwecken verwendet. E» kam zu ungezählten Radunfällen, wobei vor allem körperliche Schäden hervorgerufen wurden und auch da» Eigentum der Aermsten, die sich nur mit unge- datz sie noch die Möglichkeit besitzen, die österreichischen Zustände Werhaupt zu schildern und die sudetendeutschen Katholiken zu warnen. Herrschte Henlein unumschränkt im sudetendeut schen Gebiet, dann wäre dieser Artikel in den genannten Blättern nie erschienen. Die Erkenntnis kommt spät. DaS Schicksal de» Katholizismus in D e u t s ch l a n d hat den HilgenreinerS nicht genügt und viele von ihnen werden Wohl trotz des österreichischen Beispiels und trotz der Bestürzung in den eigenen Reihen auch jetzt noch nicht zu klarem Bewußtsein gelangen wollen. Aber in den Massen der sudetendeutschen Christlichsozialen beginnt anscheinend ein Gärungsprozess, den die ehemals christlichsoztale Presse, wie man sieht, nicht mehr aufzuhalten versuchen kann! Wird sic aber den einzig tauglichen RettungSweg antreten und sich von der „Totalität" abwenden? Für den sudeten deutschen Katholizismus wird die Beantwortung dieser Frage, die zugleich ein wichtiges politisches Problem für da» Sudetendeutschtum und sür die Demokratie darstellt, von entscheidender, lebenswichtiger Bedeutung sein. heuren Opfern ein Rad anschasfen können, beschädigt wurde. Zwei der Rcihzweckenstreuer konnten bereits sichergestellt werden. Es sind dies Walter Hein nud Josef R i t t i r s ch aus Uttwa. Die Planmätzigkeit dieser Ueberfälle geht daraus hervor, datz ein Omnibus der KOG, der sich auf der Fahrt von Karlsbad nach Pilsen befaird, um Fcstteilnehmer abzuholen, in der R a ch t u m e i n U h r(l) in Schönthal mit Siegheil-Gebrüll empfangen wurde, dem sofort ein Steinhagel folgte, wobei einige Autobusschei- bcn zerschlagen wurden. Auch hier ist eS wieder einem glücklichen Umstand zuzuschreiben» datz dem Wagenführer nichts geschah. Der Ueberfall wurde von der Leitung der KOG zur Anzeige gebracht. ES ist zweifellos'anzunehmen, datz die überfallenen Sozialdemokraten sofort die Mitgliedskarte der SdP ausgefüllt haben, da sie sich den Empfang in der Volksgemeinschaft der SdP nicht ander» vorgestellt haben. Die Henleinbanditen werden aber auch für diese neue Lumperei die entsprechende Quittung erhalten. Wie Sie lügen! Die SdP hat behauptet, die Nachrichten, daß sie einen politischen Streik in den Betrieben inszenieren wolle, seien erfunden. Es sei gar nichts derartige» beabsichtigt gewesen. Nun erfahren wir, daß, wie auch in andere» Betrieben, z. B. in der Weberei Pfefferkorn in Parschnitz bei Trau- trnau Listen aufgelegt worden waren, aus denen sich die Arbeiter durch ihre Unterschrift sür den Streik erklären sollten. „Populalre" Uber Warnsdorf Der Redakteur des Pariser„Populalre", Louis Lövy, ist jetzt in seinen fortlaufenden Berichten über seine Eindrücke im sudetendeutschen Gebiet bei der Besprechung dessen angelangt, wa» er bei seinem Aufenthalt in. Warnsdorf beobachtete und erfuhr.„Wenn Hitler ", heisst e» in dem Artikel,„seinen Schlag führte, würden die Genossen hier sich zwischen zwei Feuern befinden. Das wissen sie alle. Uiü> doch vermag nichts ihren Mut und ihre Ruhe einzuschüchtern. Das ist em harter Menschenschlag und die Unterredungen, die ich mit ihnen hatte, haben in meinem Gedächtnis eine unauslöschliche Spur hinterlassen." Lävy be» slhäftigt sich dann mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen im WarnSdorfer Gebiet, wobei er besonders die Zustände und Vorfälle im Betrieb Kunert schildert. Mit Bewunderung berichtet er, dass die Organisationen sowohl der Partei al» auch der freien Gewerkschaften absolut intakt sind, und verzeichnet eindringlich die Tatsache, dass die F r a u e n, die dort vierzig Prozent der Mitgliedschaft der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei auSmachen, ebenso tapfer dem Henleinterror Widerstand leisten wie die Männer. Diesem Terror widmet Lävtz dann einen grossen Teil seines sehr ausführlichen Aufsatzes, wobei er immer wieder unterstreicht, dah die Festigkeit der Arbeiter daS einzige Mittel ist, durch daS Henlein besiegt werden könne.„Die Genossen kommen immer wieder auf die Qualen zuriick, denen sie ausgesetzt sind. Sie beklagen sich über die Regierungsagrarier und sie haben kein Vertrauen zum Innenminister Cernh. Sie sagen, dass man ihnen im Kampfe gegen den Terror nicht hilft und dast die BczirkShauptleutc, sowohl die tschechischen als auch die deutschen , eingeschüchtert sind. Da» Wichtigste wäre, endlich zu wissen, w a S di« R.e gierung tun wird, um unsere Leute gegen den Terror zu schützen, um ihnen die Freiheit der Arbeit zu sichern und ihre demokratischen Freiheiten zu bewahren. Bis jetzt schützt man unS nicht, aber man bedient sich unserl" Lövy führt dann noch eine Reihe von Einzelheiten au» dem Kampfe der deutschen Sozialisten gegen die Gleich- schaltungSwelle an und schliesst mit der Feststellung, dass er diese Details niederschrieb, damit die Leser deS ,,Populalre"„voll jene Menschen bewundern mögen, deren tägliches Leben Heroismus i st." Wirkung der Rundfunk- und Presse-Hetze Ein Sommergast aus Berlin schrieb de» folgenden Brief an ein Hotel in der Nähe von Karlsbad: „Berlin SW 68, den 10. 7. 1938. Sehr geehrter Herr! Für Ihre gefl. Zuschrift und Prospekt danke ich Ihnen vielmals. Gar zu gern wäre ich zu Ihnen gekommen, denn cs sagte mir alles sehr gut zu. Aber leider wurde mir von allen Seiten meiner Bekannten dringend abgeraten, da man täglich in den Zeitungen von den groben Misshandlungen von tschechischerSeite auf Deutsche liest. Ich hätte dadurch Angst, wenn ich irgendwie al» Deutscher belästigt würde, da ich Erholung und Ruhe suche. Ich habe mir erlaubt, die Prospekte zu behalten und sollte sich die Lage mehr entspannen. Drei Wochen Klnderrcpubllk Die Kinderrepublik In Steinsdorf bei Bodenbach brach am Sonntag nach dreiwöchiger Dauer Ihre Zelte ab. Begeistert kehrten die Teilnehmer an dieser vorbildlichen felkengemelnschaft nach Hause zurück SdP-Volksgemeinschaft in Reinkultur
Ausgabe
18 (19.7.1938) 167
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