1

I

11

t

8

-6

3

11

с

h

Mr. 211

Donnerstag, S. September 1938

Crite 3

Für Gleichberechtigung du und nationalen Frieden

Aus dem Lord Runciman überreichten Memorandum der sudetendeutschen Sozialdemokratie

Am 12. August haben die Vertreter der sudeten­ deutschen Sozialdemokratie Lord Runciman ein aus führliches Memorandum überreicht, das eine Dar­stellung unserer Auffassung der politischen, wirtschaft­lichen und sozialen Seite des judetendeutschen Pro­blems wiedergibt und eine Reihe von Vorschlägen enthält, die angesichts der politischen Endverhandlun gen und Lösungsversuche an Attualität gevonnen haben. Aus dem Teil des Memorandums, der sich Kritik und Vorschläge" betitelt, sei nachstehend einiges wiedergegeben.

Aus den Erfahrungen zwanzigjähriger Ver­ſtändigungspolitit", so beginnt dieser Teil des Memorandums, aus der Einschätzung der inner pelitischen Problematit der Tschechoslowakischen Re­publik, aus dem Bedürfnis, dem europäischen Frieden zu dienen und zur Stärkung der tschechoslowakischen Demokratie beizutragen, ergeben sich unsere nachfol­gend stizzierten Poftulate für eine Zwischenlösung des sudetendeutschen Problems, die als Ausgangs­punft zu einer allgemeinen Besserung der Lage der europäischen Minderheiten dienen fönnte:

das Problem

des öffentlichen Dienstes. Für eine gerechte Lösung dieser Frage ergeben sich nachstehende Forderungen:

durch folgende Maßnahmen: Errichtung neuer Industrien

6. Jeder Abgeordnete und Senator hat das Maßnahmen zum Wiederaufbau der Notstandsge Recht, wegen Verlegung der Proportionalität bei biete ein. Es wird da gejagt: Stellenbeseßungen und Beförderungen beim Obersten Eines der wichtigsten Probleme des industriel­Verwaltungsgerichte Beschwerde zu führen. Das Ten Wiederaufbaues im fudetendeutschen Gebiet be Oberste Verwaltungsgericht entscheidet über solche steht in der leberwindung der Dauerkrise in den 1. Jeder Nationalität gebührt an allen vom Beschwerden in einem besonderen Fachsenat, der aus Notstandsgebieten. Gestützt auf die technischen Fort­Staate, den staatlichen Unternehmungen und Fonds drei Mitgliedern des Obersten Verwaltungsgerichtes, schritte, die neue industrielle Erzeugnisse hervorge besetzten Dienststellen und Arbeitspläten der Anteil, von denen einer den Vorsitz führt und zwei weiteren, bracht haben, ferner auf die Erfahrung, daß mit de: ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung des vom Präsidenten der Republit immer auf die Dauer awedmäßigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen Staates entspricht. Grundfäßlich ist dieser Schlüssel von drei Jahren ernannten Beisigern besteht. Die neue Industrien auch in verkehrstechnisch ungünstiger innerhalb jedes Personalstandes entsprechend den Beisitzer müssen die Qualifikation zum Richteramt gelegenen Gebieten angesiedelt werden können, er sich erstreckt, solvie innerhalb jeder Dienstkategorie fiker muß der Natonalität angehören, deren Rechts- aufbau der Wirtschaft in den Notstandsgebieten in nationalen Verhältnissen des Sprengels, auf den er haben. Mindestens ein Richter sowie einer der Bei- bliden wir die einzige Möglichkeit für den Wieder einzuhalten. Es ist also zu berücksichtigen, daß das anspruch vor dem Senat geltend gemacht wird. Der der deutsche Element im Bereiche der böhmischen Landes­verivaltung Anspruch darauf hat, gemäß seiner Klageanspruch bezieht sich auf die Besetzung einer Stärke innerhalb der Landesbevölkerung von Böh- Angehörigen der betreffenden Nationalität, nicht bestimmten Anzahl von Stellen oder einer Stelle mit men 32.4 Prozent des Personals zu bejizzen. Der Anteil des deutschen Elements in den einzelnen aber auf die Besetzung einer Stelle mit einer be­weigen der Staatsverwaltung müßte nicht unbe stimmten Person. dingt in rein schematischer Proportion festgesetzt werden. Man könnte dabei die besonderen Qualifila­tionen der Bewerber, die speziellen Bedürfnisse der stcatspolitischen Verläßlichkeit bestimmter Zweige der Administrative und Erekutive berücksichtigen. In conoreto fönnte z. B. im Vereinbarungswege der für die Zeit der außenpolitischen Bedrohung schwer er­reichbare proportionelle Anteil der Deutschen im Offizierstorps durch überproportionale Berüdjich tigung der deutschen Bewerber in den staatlichen Tabalfabriken ausgeglichen werden. Auch in der Schweiz hat das französische Element einen über proportionalen Anteil im Seftor des diplomatischen a) Die Zulaffung der deutschen Sprache als Dienstes, während andererseits die deutschsprachigen amtlicher Verkehrssprache mit Par- Schweizer im Bereiche der technischen Bundesadmi teien im gesamten Staatsgebiet ohne Lotale Be- nistrative überproportional vertreten sind. Entschei­schränkungen, und zwar sowohl im Verkehr mit staat- dend ist, daß in der Gesamtheit der Dienststellen die lichen Gerichten, Behörden und Organen, als auch im Proportionalität hergestellt wird. Berehr mit staatlichen Unternehmungen und An­stalten.

1. Sprachliche Gleichberechtigung.

2. Garantierte Proportionalität. 3. Demokratische Selbstverwaltung.

4. Industrieller Wiederaufbau.

Teil A behandelt

die Regelung der Sprachenfrage. Es wird da fonkret gefordert:

b) Die sprachenrechtliche Auto­nomie der Selbstverwaltungsbe= hörden, Vertretungstörperschaften und der öffent­lichen Storporationen aller Art, das heißt ihr Recht, unter Respettierung der sub c) und d) statuierten Vorbehalte ihre Geschäftssprache und ihren Sprachen­Gebrauch selbst zu regeln.

c) Die Zulassung der tschechischen und der deutschen Sprache im Verkehr mit den Selbstverwal­tungsbehörden, Vertretungstörperschaften und öffent­lichen Korporationeu aller Art sowie innerhalb der jelben ohne jede Beschränkung.

Dort, wo bei niederen Selbstverwaltungsbehör den( beispielsweise allerkleinsten Gemeinden) die Durchführung dieses Grundsakes auf technische Schwierigkeiten stößt, ist seitens der zuständigen staatlichen Behörden dafür zu sorgen, daß der Ver­

fehr mit den der Geſchäftssprache der Gemeinde un

fundigen tschechischen, bzw. deutschen Bewohnern er­möglicht werde.

2. Der Grundsatz der Proportionalität gemäß Punkt 1 gilt sowohl für Neuaufnahmen, als auch für Beförderungen und Vorrüdungen.

3. Für eine Uebergangszeit ist den durch die bisherige staatliche Personalpolitik benachteiligten Nationalitäten bei Neuaufnahmen eine die nach Punkt 1 errechnete Quote übersteigende Zufahquote auzugestehen, so daß die effektive Proportionalität in fünf Jahren erreicht werden kann.

4. Die Regierung erläßt Durchführungsver­ordnungen, durch welche der Anspruch der einzelnen Nationalitäten für jeden Personalstand und jede Dienstkategorie, ferner die Zusaßquote im Sinne des Punft 3, sowie die allfälligen Abweichungen von der Proportionalität in bestimmten Ressorts und ihre Ausgleichung in anderen Ressorts ziffernmäßig fest­gesetzt wird. Diese Verordnungen müssen längstens innerhalb sechs Monaten nach Inkrafttreten des Nationalitätenstatutes herausgegeben werden.

5. Als selbständige Zentralbehörde wird ein Personal Amt errichtet, welches die Durchführung des Grundsatzes der Proportionalität zu überwachen hat. Der Vorstand des Personalamtes, der vom d) Gleichberechtigung der deut Präsidenten der Republit bestellt wird, besteht aus schen Sprache mit dertschechische nie einem Vertreter jeder Nationalität. Der Vorstand Sprache im Verkehr zwiſchen staatlichen Behörden jetzt bei Neuaufnahmen und Beförderungen von Fall und Selbstverwaltungsbehörden, Vertretungsförper zu Fall im Rahmen der Durchführungsverordnungen schaften und öffentlichen Korporationen aller Art und die Anzahl der Stellen feit, welche den einzelnen im Verkehr der legteren untereinander. Nationalitäten zufallen. Zu diesem Zwecke sind alle Behörden, welche Dienststellen verleihen, verpflichtet, dem Personalamt alle notwendigen Unterlagen und Evidenzbehelfe mitzuteilen.

e) Utraquistischen juristischen Personen und Personen- Gesamtheiten soll die Wahl des Sprachen­gebrauches zustehen.

f) Die öffentlichen Beamten und Organe aller Art sind zu jener Sprachenfenntnis zu verhalten, die für die Erfüllung ihrer Dienstobliegenheiten und dem Verkehr mit dem Publikum notwendig ist, aber nicht zu mehr. Dies gilt auch für die Angestellten der öffentlichen Unternehmungen und Anstalten.

Der parlamentarische

Sprachengebrauch

Brot und Arbeit

Der dritte Teil erstreckt sich auf die gesicherte Proportionalität der wirtschaftlichen Leistungen des Staates Er behandelt

a) Oeffentliche Lieferungen

Garmond

Sämtliche Lieferungen des Staates, der staat lichen Unternehmungen und Fonds sind von den zu ständigen Zentralstellen einem gesamtstaatlichen Kon­trollausschuß zu melden, dem je ein Vertreter jämt licher Nationalitäten angehört. Die Mitglieder dieses Ausschusses werden vom Präsidenten der Republit Tung sämtlicher Lieferungen des Staates, der staat­ernannt. Der Ausschuß hat die Pflicht, die Verteis lichen Unternehmungen und Fonds zu überwachen und streng darauf zu achten, daß der auf die ein­zelnen Nationalitäten entfallende Betrag ihrem An­teil an der gesamten Bevölkerung des Staates ent­spricht. Jedes Mitglied des Ausschusses hat das Recht, wegen Berlegung des Grundsaves der Pro­portionalität ein Schiedsgericht anzurufen, das aus einem Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, die der Präsident der Republik ernennt, wobei wenigstens zwei Vertreter jener Nation angehören, um deren Benachteiligung es sich handelt. Das Recht der An­rufung des Schiedsgerichtes steht auch jedem Mit­glied der Nationalversammlung zu.

Die analoge Einrichtung ist auch bei den Liefe­rungen der Länder, ihrer Anstalten etc. zu treffen. b) Oeffentliche Arbeiten

1. Errichtung eines Amtes für den wirtschaft lichen Wiederaufbau der Notstandsgebiete und die Verwendung eines Teiles der bereits in Vorschlag gebrachten Auslandsanleihe für Kredite an neue in­dustrielle Unternehmungen.

2. Ermöglichung der fostenlosen Beistellung von Industriegründen für neue Industrien.

3. Zeitlich beschränkte Steuerermäßigung an neue Industriebetriebe, die im Inland noch nicht er zeugte Waren herstellen.

4. Zollfreic. Einfuhr von Maschinen, Rob- und Silfsstoffen für neue Induſtrien.

5. Beschränkung dieser Maßnahmen auf Ge biete, in denen die strukturelle und dauernde Arbeitss Tofigfeit ein abnormales Ausmaß besitzt.

Seiminduſtrien durch Bildung von Genossenschaften, 6. Staatliche Förderung der kunstgewerblichen Subventionen für den Ankauf von Maschinen, Durch führung von Schulungskursen für dne Arbeiter und Errichtung einer zentralen Verkaufs- und Export­organisation für Erzeugnisse der Heiminduſtrie.

an

7. Errichtung von Lehrwerkstätten im Anschluß Fachschulen oder selbständiger Lehrwerkstätten. Zum Schluß wird die Notwendigkeit einer Reform der Kreditpolitik

dargetan und im einzelnen wird die Einführung der offenen Marktpolitik und die Emission von Industrie­obligationen empfohlen. Der wirtschaftliche Teil des Memorandums schließt folgendermaßen:

Die Durchführung der hier angeführten Maß­nahmen würde im Laufe einer längeren Zeit zur Lösung des ſudetendeutschen Wirtschaftsproblems Zaveds gerechter Verteilung der öffentlichen beitragen, das gegenwärtig und voraussichtlich auch Arbeiten auf die einzelnen Nationalitäten bilden die noch in der nächsten Zukunft ein Element der Unzu­Bezirke jedes Handelskammersprengels Invest i friedenheit und Beunruhigung für das Zusammen­tionsausschüsse. Je zwei Vertreter dieser leben der beiden großen Völker der Tschechoslowaki­regionalen Investitionsausschüsse bilden den zentralen fjen Republik darstellt. Bemühungen, die sudeten­Inveſtitionsausschuß für jedes Budgetjahr, der die deutsche Frage ohne Rücksicht auf den wirtſchaftlichen Verteilung der für die Durchführung sämtlicher Verfall der Sudetendeutschen zu bereinigen, werden öffentlicher Arbeiten des Staates, der Fonds etc. zur immer nur Teillösungen bleiben. Jede Aftion, bic Verfügung stehenden Mittel auf die einzelnen Han frwerben und Sorgen gift, muß sich daher sowohl der gründlichen Beseitigung der sudetendeutschen Be­ständigen Zentralstellen regelt. Als Grundlage für die nationalpolitische Gleichstellung der fudetendeut­die Aufteilung ist die Bevölkerungszahl der Handels- fchen Minderheit als auch die Beseitigung der Ur­fommersprengel zu nehmen. Die Verteilung auf fachen und Folgen ihres wirtschaftlichen Notstandes jeden der Bezirke, die dem Investitionsausschuß des zum Ziele sehen. Kammersprengels angehören.

delskammersprengel im Einvernehmen mit den zu­

Dieser Vorgang iſt ſinngemäß auch auf die öffentlichen Arbeiten der Länder anzuwenden.

für die Sudetendeutschen

Aus dem wirtschaftlich- sozialen Tell des Memorandums der sudetendeutschen Sozialdemokratie

Die Bestimmungen über das parlamentarische In dem Memorandum, welches die sudetendeut Sprachenrecht wären der oben beantragten allgemeische Sozialdemokratie Lord Runciman überreicht hat, nen Gleichstellung der tschechischen Sprache und der wurde auch ausführlich auf die ökonomische Seite des deutschen Sprache anzupassen und insbesondere durch judetendeutschen Problems eingegangen. Jede folgende Bestimmungen zu ergänzen:

Regierungsmitglieder und Mitglieder des Par­Tamentspräsidiums, die der deutschen Nation ange­hören, sind berechtigt, Enuntiationen auch in ihrer

eigenen Sprache zu machen.

Riftion zur Lösung der sudetendeutschen Frage", so beginnt dieser Teil des Memorandums, muß von der Tatsache ausgehen, daß zwischen der nationalen und sozialen Frage der Sudetendeutschen ein un­trennbarer Zusammenhang besteht." Es wird ins Ausschußberichte an das Plenum des Parlas besondere darauf hingewiesen, daß, als infolge der ments sind grundsäßlich in zivei Sprachen zu erstat- Weltwirtschaftsfrise der Export immer mehr ver­ten, wobei stets neben einem Referenten tschechoslo- siegte, und die Arbeitslosigkeit im sudetendeutschen matischer Nationalität auch ein Referent deutscher, Gebiet zu einer Massen- und Dauererscheinung wagharischer oder polnischer Nationalität in ange- wurde. das Sudetendeutschtum die Benachteiligung messener Reihenfolge und unter Berücksichtigung des gegenüber dem tschechischen Volke außerordentlich unmittelbaren Interesses der Nationalitäten an den Verhandlungsgegenständen zu bestellen ist.

Wenn für einen Verhandlungsgegenstand meh­rere Ausschüsse zuständig sind, können die verschie­densprachigen Referate auf die Berichterstatter der verschiedenen Ausschüsse aufgeteilt werden.

Nicht nur selbständige Anträge, sondern auch Zusatz- und Anänderungsanträge können in der Sprache des Antragstellers eingebracht werden und

müssen in Verhandlung gezogen werden.

Regierungsvorlagen und deren Begründung find den Häusern der Nationalversammlung auch in deut scher Sprache vorzulegen.

Gin zweiter Teil behandelt

drückend empfand. Die Lebensgrundlagen der Su­ detendeutschen werden eingehend dargelegt, um diese Tatsache zu erklären. Und es wird die Frage aufge= werfen, was der Staat für den Wiederaufbau der judetendeutschen Wirtschaft getan bat. Darüber wird in einzelnen gesagt:

der Arbeitsbeschaffung der Selbstverwaltungskörper. die staatliche Wirtschaftspolitik ging jedoch an der Tatsache vorüber, daß es sich in zahlreichen deutschen Bezirken um eine strukturelle Krise handelt, die den Charakter einer Dauererscheinung angenommen hat. Insolange feine erfolgversprechenden Maßnahmen für die Bekämpfung dieser Dauertrise getroffen werden, wird die Arbeitslosigkeit im sudetendeutschen Gebiet immer wieder Unruhe und Unzufriedenheit hervor­rufen. Auf wirtschaftspolitischem Gebiete sind zur Befriedigung der Sudetendeutschen Maßnahmen in zwei Richtungen notwendig:

1. Zur vollen Beschäftigung des noch vor. handenen, jedoch durch die Krise bereits dezimier. ten Produktionsapparates.

2. zum wirtschaftlichen Wiederaufbau der Notstandsgebiete, in denen die Krife Dauer­charakter angenommen hat.

Bu Punft 1

Die Maßnahmen, die die staatliche Wirtschafts­Hebung des Exports politik bisher für die Beseitigung des wirtschaftlichen und sozialen Notstandes im fudetendeutschen Gebiete werden eine Reihe tonkreter Vorschläge erstattet, wie getan hat, waren unzureichend. Sie erschöpften sich steuerliche Erleichterungen für die Exportindustrie, im Wesen in der zweimaligen Devalvation der, Bevorschussung von Clearingforderungen, Ausbau des in der Uebernahme der Staatsgarantie für Kredite. Exportinſtitutes, Errichtung einer Exportbank und teilweisen Refundierung der Handelssteuern an ein- Schaffung eines Miniſteriums für Induſtriewirtschaft zelne Exportindustrien und in einer Unterstützung und Außenhandel, Einen breiten Raum nehmen die

Die Aristokratie

Im tschechoslowakischen Staat

Lange Zeit hat sich der ischechoslowakische Adel, schreibt die Hospodářská Politifa", mehr zu dem österreichischen, ungarischen, polnischen, deutschen und selbstverständlich auch zu dem west­europäischen Adel hingezogen gefühlt, als zu dem, von den Vertretern der Arbeiter, Bauern und der Bourgeoisie geleiteten tschechoslowakischen Staat. Er war auch, von Ausnahmen abgesehen, stets monarchistisch orientiert und konnte die Boden­reform lange nicht vergessen. Im ganzen war er politisch desorientiert und richtungslos, gab sich ausschließlich mit der Verwaltung seines Bes sizes ab und verhielt sich sonst völlig passiv. Der Aufenthalt der Mission Runcimans in der Tsche choslowakei hat uns nach langer Zeit wieder ins Gedächtnis gerufen, daß er noch immer eristiert und seine alten internationalen Beziehungen und Verbindungen hat. Nach dem Anschluß Oester reichs erfolgte in unserem Adel, wenn man so sagen kann, eine Spaltung. Da er sicht, daß der

Monarchismus auf immer oder wenigstens für lange Zeit als tragfähige politische Idee erledigt ist, beginnt der hiesige Adel langsam wieder, in der Politik Umschau zu halten. Ein Teil des deutschen Adels neigt sich einem radikalen All­deutschtum und der ,, nationalsozialistischen Welt­anschauung" zu und glaubt, daß die Sudetendeut­ sche Partei , bis sie zur Macht gelangt, eine Re­vindizierung für ihn durchführen und ihn für die Eingriffe der Bodenreform entschädigen wird, und zahlt auch bereitwillig die für jeden Hektar bemessenen Beiträge zu Gunsten der Kasse der Henlein - Partei. Der andere Teil des Adels er­tennt, soweit er nicht bereits früher ein positives Verhältnis zu Prag gefunden hat, die in Dester­reich nach dem Umbruch" gegebenen Tatsachen an und orientiert sich nunmehr zum tschechoslo­watischen Staat positiv,