»Seife 4Freitag, 0. September 1938Nr. 212Das Bulletin der Mission RundmanPrag, Da» Sclrchuint der Mission Run-ciman hat Donnerstag um 18.80 Uhr ein Kommu«uiquö auSgcgeven, in welchem es heißt:Lord Nunciman wurde heute um 10.30 Uhrvom Präsidenten der Republik Dr. Eduard Benesempfangen. Dann besuchte er die Prager Muster«messe in Begleitung der Herren Ashton-Givatkin,Peto. Stcphenö und Henderson mit Gemahlin.Uni 15.30 Uhr empfingen die Mitglieder derMission Lord Ruucimans zum zweiten Male dieDelegation der deutschen GetvcrkschaftSorganisa«tionen der Staats- und Privatangestellten, dievom Abgeordneten Dr. Alfred Rosche, Mitgliedder politischen Delegation» eingeführt wurde.Sitzung des Autonomlsten*BlocksPrag. Donnerstag fand eine gemeinsameSitzung der SdP mit den Vertretern der Slo-iralischen Volkspartei, den vereinigten ungarischenParteien(Oppositionelle) und dem polnischenVerständigungsausschuß statt. In dem SdP«Bericht heißt es, daß in den Grundfragen dasvolle Einvernehmen erzielt wurde. Es wurde beschlossen, die gemeinsamen Beratungen nach Be«darf fortzusehen.Eine verhinderte Nachtübung. Dienstagabends gegen neun Uhr versammelten sich in Red«lichs Gasthaus in Algersdorf ungefähr dreißig Angehörige der SF in Uniform und mar«schirrten dann, mit schweren Rucksäcken bepackt, dieDorfstraße entlang gegen W e r n st a d t. AmTorfende tvurden sie von Organen der Staatspolizei angehalten und gezwungen, die Rucksäckezu entleeren. Ta zeigte sich, daß deren Inhaltan- Ziegelsteinen und anderen schweren Gegen«sränden bestand. Die Nachtwandler mußten vereinzelt mit leeren Rucksäcken heimkehren. Wohindcr Riarsch geplant war und wozu die Ziegelsteinedienen sollten, wurde nicht festgestellt. Wurdenne auf Grund des„Notwehr"-Erlasses der SdP»Führung mitgetragen?Sudetendeutsche Pfarrämter mit Ariernachweisen überlastet. Die letzten ztvei Monate standen im Zeichen einer übermäßigen Beanspruchungder Pfarrämter im sudetendeutschen Gebiet, daallseits die Papiere für die arische Ablunft(Taufschein der Eltern und Großeltern) angesprochenwurden. Diese starke Tätigkeit der Pfarrämterauf administrativem Gebiet hat an manchen Orten die Verstärkung de? PfarrperionalS notwendig gemacht. So find zum Beispiel in Gablonzeigens zwei Kapläne angestellt worden, die sichmit dieser Art Administrative zu beschäftigenhaben.„Ludetendeutsche Theaterkammer." In Aussig tagte eine Nonserenz der sudetendeutschen(gleiwgoschalteten) Bühnenleiter und beschloß,alle sudetendeutschen Theaterverbände in einenHauptverband zusammenzufassen, dessen SihAussig sein wird. Die völlige Gleichschaltungerfolgt nach den Richtlinien des„Sudetendent-schen KulturamteS". Ein Herr Dr. Albert Köhler ist von Henlein dazn berufen worden, diesudetendeutschen Theater„zu Vorbildern deut«scher Kulturstätten" zu machen. Zwei Ausgabenwerden dabei vor allem zu erfüllen sein: die letzten jüdischen und halbjüdischen Schauspieler vonden Bühnen zu entfernen und die deutschen Theater gegen jeden Hauch moderner Kunst abzu-schließen.Je reiner eine Religion war, desto mehrmußte und. wollte sie die Humanität befördern.Dies ist der Prüfstein selbst der Mythologieder verschiedenen Religion...Johann Gottfried Herder(„Briefe zur Beförderung der Humanität")Französische Tanks Im ManöverHeiteres In ernster Zelt„Es entspricht dem eingangs verkündetenneuen realpolitischen Denken und drüber hiimusunserer grundsätzlichen Ueberzeu«g if n g, daß sowohl Faschismus als auch Nationalsozialismus an der Grenze d»SStaates die natürliche Voraussetzung ihres Daseins verlieren und auf unsere besonders geartetenVerhältnisse nicht übertragbar sind...Auch gegenüber dem reich szenischen Nationalsozialismus stehntvir nicht an, grundsätzliche Vorbehalte zu be»künden..Konrad Henlein in Böhm.-Leipaam 21. Oktober 1034.„Auf verschiedene Anfragen erklärte Henlein,daß zwischen seiner Partei und der NSDAP oderreich-deutschen Regierungsstellen keinerlei Beziehungen bestehen. E r, H e n l e i n, habe niemals Hitler gesehen und auch keine Beziehungen zu seinen Emissären aufrechterhalten.... Unwahr sei auch, daß er mit dem ehemaligen nationalsozialistischen Abg. Krebs in Deutschland zusammengekommen sei und daß er an einemTurnfest in Koburg teilgenommen habe. ES seiferner unwahr, daß seine Partei Gelder ausDeutschland bekomme... wenn er ein Exemplaroen Hitlers„Mein Kampf" bei sich hätte,würde er eingesperrt werden..."„Prager Tagblatt", 11. Dezember 1938.f l,Londoner Erklärungen HenleinS".)„Wir Sudetendeutschen haben weder direkte noch indirekte VerbindungenMit dem Faschismus oder dem Nationalsozialismus in irgendeinem anderen Lande.Wir sind weder nach unserer Handlungsweise nockinach unserer D e n k a r t al» die b ö h m i s ck> e nNazi anzusehen. Wir bekennen uns weder zumHitleriSmuS noch zum Faschismus, sondern wirsind loyale Bürger des Staates, demwir angehören und dessen Verfassungwir billigen und anerkennen..."Konrad Henlein im„Cvening Standard"17. Mär, 193«Vie Verkehrsstörung del HaidstadtDie Staatsbahndirektion in Königgrätz teiltmit: Seit Donnerstag können bereits lvieder überdie Strecke zwischen den Stationen Halbstadt—Bodisch Waren aller Art gefördert werden, mitAusnahme von Sendungen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 20 Tonnen. Die Verkehrsstörung wird noch etwa drei Wochen dauern.*Die am 2. September gemeldete Verkehrsstörung auf der Strecke Mittelsteine—Tuntschen«darf wurde Donnerstag behoben.Tragischer Unfall am Zleglertchachtbei NQrsChanAm 6. September ereignete sich bei derDemontage einer Maschineneinrichtung auf demZieglerschacht ein tragischer Unfall, bei dem dieSchlaffer Johann Karl und Jaroslav K a u t s k yschwer verletzt wurden. Die beiden Verletzten wurden sofort in das Pilsner Krankenhaus übergeführt. Jaroslav Äautslh erlag aber während desTransportes seinen Verletzungen. Eine Gerichts«kommijsion unter Beisein der Gendarmerie-Fahn«dungSstelle untersucht die Ursachen dieses tragischen Unglückes.Napjhtha-Auto auf Zug: 33 OpferAUS Spanien wird gemeldet, daß ein mitNaphtha beladenes Lastauto bei Sarria miteinem Eisenbahnzuge zusammenstieß und Feuerfing, das auf den Eisenbahnzug und fünf Häuserder nächsten Umgebung überoriff. Der Eisenbahnzug entgleiste. Nach bisherigen Meldungen wurden drei Personen getötet und 30 Personen, davon die meisten schwer, verletzt.Professor Freud hat sich Donnerstag in London einer Operation unterzogen. Sein Zustand»st befriedigend. Sie Operation führte ProfessorPllher aus, der zu diesem Zweck aus Wien eintraf.Ein sewandter Betrüger. Ein im Polizeibericht nicht genannter Täter im Alter von etwa30 Jähren bestellte dieser Tage bei dem Leilme-riher Trafikanten Kmoch für 700 Xö Tabakerzeugnisse. Während der Trafikant die Bestellung auSsührte, stahl der Besteller- in einem unbewachten Augenblick auS der Ladenkaffe eineVie heutige deutscheInlend-SendungPrag-MelNikr 8.00 Schulfunk. 10.85 Trostreiche Stunde(Mozart- und Schubert-Ddusik aufSchallplatten). 12.15 Vortrag Erich Auerbach: Photographische Fortschritte. 18.00 Bratschenmusik(Bratsche: Vera Smolik, Klavier: Fr. Holeöek).18.20 Sportoratel. 18.35 Arbeitersendung: Aktuellezehn Minute». 18.45 Schrammelmusik(Violine:Josef Pour, Arkkordeon: Rudolf Thüringer, Gesang:Hans Swoboda). 19.30 Warum verstehen wir einander? Sprachwissenschaftliche Plauderei von Prof.Dr. Slot»;. 19.45 Was uns die Woche brachte. 20.00Orchesterkouzert im Volkston. littst Ehorgesang).21.30 Kanrmermusik(Prager Streichquartett).22.30 bi« 23.00 Moderne Musik(Dir. Dr. KuriBohr, Sopran: Olga Forvai). Nachrichten«m12.80, 19.15«nd 22.15.Brünn: 18.00 bis 18.15 Dir. Gtrstav Bondi:Erstaufführungen der Vergangenheit, 4. Teil. 18.15bis 18.20 Schallplatten. 18.20 bis 18.35 Arch. FrivWenzel: Naturschutzparkmilagen.Mühr..Ostrau: 18.10 Deutsche Sendung.Brieftasche mit einem Barbetrag von 1170 Kö,worauf er sich unter einem Borwand entfernte.Der Trafikant bemerkte den Diebstahl erst später.Die Polizei verfolgt eine bestimmte Spur.Schweizer Militärflieger abgestürzt. InFrauenfeld in: Kanton Thurgau stürzte aus bisher nicht festgestellter Ursache ein Militärflugzeug ab, wobei der Pilot, ein 2üjähriger Oberleutnant, ums Leben kam.Brennender Dampfer. Wie Dome! meldet,brach auf dem französischen Dampfer„ClaudeChappe"(4393 Tonnen), der von Kaiphongnach Saigon unterwegs war, am 4. Septemberin der Nähe der Paracel-Inseln ein Brand aus.Weiteren Meldungen aus Hanoi zufolge hatteder Dampfer 40 Passagiere, darunter neun französische Offiziere, ferner 60 Soldaten.Verurteilung Westarps wird dementiert.Dieser Tage wurde gemeldet, daß der frühereNeichstagSabgeorbnete Graf Westarp wegenmonarchistischer Umtriebe zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt worden sei. Von deutscherSeite wird diese Meldung dementiert.Ballonlandung bewilligt. Das Ministerium füröffentliche Arbeiten bewilligte die Ueberfliegung,fallweise auch die Landung auf tschechoslowakischemTerritorium jenen Freiballons, welche sich an: Gor-don Bennei-Wettbewerb beteiligen. Alle diese Freiballon» sind mit Fahnen und der Aufschrift„CoupeGordon Bennet" bezeichnet. Die Nanien der Ballon»lauten: 1.„Maurice Masset", 2. OO. B. F. L.,3.„Lopp", 4.„Warszawa II", 5.„Polonia",6.„Zürich lll"» HB- BIA, 7.„Belgica"- OO-BFX, 8.„Wallonie"- OV-BFM, 9.„Sil". DieBallon» starten am 11. September in Lüttich.Wetterbericht. Die Temperaturunterschiede inMitteleuropa haben sich nunmehr vorübergehendausgeglichen und infolgedessen löst sich die Störungüber Deutschland allmählich auf. Gestern nachmit-tttgz fiel leichter Regen nurmehr im Erzgebirge undim Mittelgebirge. Der allgemeine Witterungscharakter bleibt jedoch noch immer verhältnismäßig unsicher, da von deni Hochdruckgebiet über dem Atlantischen Ozean neue kühle Luft gegen Frankreich vordringt.— Wahrscheinliche» Wetter heute: Wechselnd,stellenweise noch ziemlich bewölkt, meist trocken,untertag» etwa» wärmer al» gestern. Minima unter10 Grad. SüdosNviiid.— Wetteraussichten für mor-een: Andauern de» ini ganzen unbeständigen Wetter», im Westen de» Staate» stellenweise Abkühlung.Verstärkte Neigung zu Schauern.Hausfrau:„Ich möchte Sie gern engagieren. Hoffentlich sind Sie bei Ihrer leistenHerrschaft ohne Krach weggegangen 1"—Mädchen:„Aber gewiß. Ich habe die Badesimmertür xugeschlossen, als die gnädige Frau inder Wanne saß, und bin dann mit meinen Sachenin aller Ruhe abgezogen.“Parforcejagdenauf MenschenSechs Monate herrscht Hitler über Oesterreich. Und sechs Monate lastet Angst, dies würgende und lähmende und jedes andere verdrängende Gefühl auf den Bewohnern Wiens, desganzen Landes. Auf Juden, Christen, Ariern—ein großer Unterschied; denn zwischen Ariern undChristen verläuft sehr oft die Raffengrenze— ausDemokraten, Monarchisten und selbst auf Nazis.Die Angst gebietet ihnen Schweigen. Die Angstdiktiert ihnen die Worte, mit denen sie dasSchweigen brechen, wenn es nicht mehr erträglichist. Die Angst bestimmt ihr Denken, ihr Verhalten. Die Angst schmiedet sie aneinander. DieAngst trennt sie. Die Angst schafft neue Ausgaben und Pflichten.Niemand in Oesterreich will Mehr alleinsein; die Isolierung, oft erzlvungen, wird auf dieDauer mehr gefürchtet als eine Kerkerstrase. Dochdas gesellschaftliche Leben,in seiner alten Form,die Möglichkeit, in ein Kaffeehaus, Kino, einTheater, in einen Park, ein Strandbad oder einenKlub zu gehen, sich zu zerstreuen und abzulenken,mit Freunden und Bekannten dies oder jenes zubesprechen, besteht seit einem halben Jahr nichtmehr.Viele Cafös und Gaststätien wurden geschloffen. Die noch geöffneten wagt niemand zubetreten. Man weiß, daß sämtliche nicht blondenund nicht nordisch aussehenden Gäste verhaftet,den Arbeitslagern oder mindestens den Putzscharen zugeteilt und schwer mißhandelt oder—nach ein paar Wochen Kerker und ungeachtetdessen, daß sie Oesterreicher, Staatsbürger sind— kurzerhand auSgewiesen werden können. Undman erinnert sich sehr deutlich, daß unlängst ineinem Wiener Stadt-Cafö fünf oder sechs SA-Männer erschienen, fich stumm an einen Tischschien und plötzlich aussprangen, die ahnungslosen Gäste unter dem Vorwand überfielen, einJude habe sie bedroht, und auf die Wehrlosen mitKnütteln, Stöcken, Fäusten einschlugen, bis alleblutend und stöhnend auf dem Boden lagen undztvei Verwundete ins Krankenhaus gebracht werden mußten.Bor öffentlichen Bädern und vor Parks findTotenköpfe auf die Pflastersteine oder sehr auffällige Tafeln gemalt und eine Warnung:„Judenbetreten diesen Ort auf eigene Gefahr". Oderganz einfach:„Juden ist der Eintritt verboten."In vielen Kinos wurde während, der Vorführung die Saalbeleuchtung eingeschaltet undder jüdische Teil des Publikums mit Hohn undSpott verjagt.Im Klub muß jeder jedem anderen miß«trauen. Denn Freunde haben sehr oft Freunde,Bekannte oft Bekannte denunziert. Durch■ dieFamilien selbst geht jener Riß, den die Verschiedenheit der Auffaffung über die Durchsetzung desZieles und der politischen Bestrebung bringt,Söhne zu Feinden ihrer Väter, Mütter zu Fein«binnen der Töchter, Brüder und Schwestern gitGegnern der Geschwister macht. Um so engerschließen sich darum alle anbeten, zusammen, diedas gleiche Geschick, die gleiche Einstellung undder gleiche^ Gedanke an die Zukunft eint.Man wagt kein lautes Wort zu sprechen:das Dienstmädchen oder die Nachbarn könnten, eshören. Man wagt nicht zu schreiben/ nichts zulesen, was von der Reichskulturkammer noch un«zensuriert.ist. Man wagt häufig, nicht einmal,Besuche zu empfangen oder die Fenster zu össnen.Beränstigt sitzt man an seinem Tisch, erschrecktfahren die Menschen auf, wenn in der Stille dasTelephon schrillt.„Hallo— ach, du..." Unddann jagt ganz beiläufig eine Stimme am andernDraht-Ende:„Für morgen ist schlechtes Wetterangekündigt. Wir müssen unser» Ausflug ausnächsten Donnerstag verschieben."—„Schade."Und gleich darauf wird eine andere Familieangerufen. Und diese verständigt eine andere:«Morgen ist schlechtes Wetter." In den Cottages,dem Ghetto, den Geschäftsstraßen verbreitet sichdie Kunde; jeder weiß, daß„schlechtes Wetter"in jener Sprache, die die Verfemten sich geschaffenhaben,„Pogrom" heißt. Und tausende und abertausende Juden sind gewarnt. Stumm bleiben siean solchen Tagen in ihren Zimmern, die verdunkelt sind, oder schauen durch die Ritzen der Rou«leaux, beobachten, von Angst und Grauen geschüttelt, was auf der Straße vor sich geht. Denndie, die keine Telephone haben oder aus irgendwelchen Gründen in jenen WarnnngSdienst nichteinbezogen werden konnten und sich im Freienaufhalten, werden an diesen Tagen noch furchtbarer mißhandelt und verfolgt oder gejagt. Gejagt wie Hasen.. An den Straßenecken lauernmehrere junge Burschen in Uniformen oder, inZivil mit din Partei-Armbinden. Grinsend kaffensie den Böse» ahnenden Paffanten einige Schrittevorgehen. Und rennen dann hinter ihm her. Verzweifelt, atemlos, sucht der Verfolgte zu entfliehen. Er läuft und läuft— auf seinen Fersenist die Meute. Sie holt ihn ein. Schlägt ihn zuBoden. Oder verhaftet ihn und bringt ihn zuirgendeinem Sammelplatz. Sehr, oft werden auchganze Strahenzüge von den Kolonnen abgeriegeltund Menschen wahllos aus ihren Wohnungen, ge holt und in SA-Kasernen oder Schulen, wie etwain der Karajangaffe, Wien XX, überstell«.Warum?„Wir haben halt Befehl bekommen, bisabends pro Mann fünf Juden abzuliefern. Manmuß sich beeilen, daß man sie rechtzeitig zusam-mcnbringt", sagte einmal ein auSkunftSwilligcrSA-Mann zu feinem Opfer. Und warum derBefehl? Man fragt nicht mehr. Denn es beginntein grauenhaftes Handeln; viel furchtbarer alsjeder Sklavenmarlt im Afrika des vorigen Jahrhunderts.„Du", wendet ein SA-Mann sich zumandern,„ich hab schon sieben. Ich kann ztvei abgeben."—„Ich hab erst vier."—„Auch mirfehlt grad noch einer."—„Gott sei Dank, ichbin komplett."Zitternd hören die Juden die Gespräche. Siekönnen sich nicht wehren, nichts fragen, nicht protestieren. Sie wissen nicht, wo man sie hinbringenund was auS ihnen werden wird. Wie an denAbenden die Herden, so drängen sie sich aneinander. Konzentriert überlegen sie die Möglichkeit,Selbstmord zu verüben. Stunden vergehen. Apathisch, vor Müdigkeit und Hunger einer Ohnmachtnahe, starren sie vor sich hin. Im Laufe der Nachtkommandiert man sie ab. In überfüllte Kerkerzellen, zu Bahnhöfen— Transport nach Dachau,Transport ins Arbeitslager, Transporte in denTod. Einige wenige werden entlassen. Wochenlang schüttelt sie die Angst, quält sie Verfolgungswahn. Nichts sprechen, nichts berichten sie von denErlebnissen. Erst später, sehr viel später, sagteiner oder sagt der andere mit einem traurigenLächeln:„Ein neuer Sport ist aufgekommen—Parforcejagden auf Menschen. Sport. Aber ichklage nicht. Ich stelle das nur fest."