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Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller

Redaktion u. Berwaltung: Prag   XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Rebatteur: Rarl Kern, Prag  

18. Jahrgang

Der Lordmayor von London  und Sir Neill Malcolm   in Prag Prag  

. Heute um halb 3 Uhr nachmittags ist auf dem Ruzyner Flugplak der Londoner Lordmayor Sir Harry Twyford zusammen mit dem Hohen Kommiffär für Emigrationsfragen Sir Neill Malcolm eingetroffen.

Vor dem Abflug von London   erklärte der Lordmayor dem Berichterstatter des Reuter­bureaus: Ich komme Mittwoch zurück und ich reise ab, um die Verteilung des Flüchtlingsfonds durchzuberaten. Dieser Fond hat bereits einen Betrag von 30.000 Pfund Sterling erreicht."

Hilfe aus Schweden  

Paris  , 10. Oktober. Das Havas- Büro meldet aus Stockholm  , daß der schwedische Ge­werkschaftsverband, die sozialdemokratische Partei und die fozialdemokratischen Jugend­

Gebieten eingeleitet haben. Der Allgemeine Arbeitsverband hat 50.000 kronen gespendet.

Dienstag, 11. Oktober 1938

Aus dem Inhalt:

Die Meldung

der Flüchtlinge

Einjährige Gewerbesperre

Arbeitslager vorbereitet

Nr. 239

Schroffe Worte an England

Hitlers   Bedingungen an die britischen   Staatsmänner

Prag  . Die in den vergangenen Tagen nur von leisen Zweifeln und wenigen kritischen tag durch die Rede Hitlers   in Saarbrücken   ihre erste schwere Erschütterung erlitten. Trok der Stimmen gestörte Zufriedenheit der Deffentlichkeit in den beiden großen Weststaaten hat Sonn­Lobesworte, die Hitler Chamberlain und Daladier   widmete, ließ es sich nicht überschen, daß der Ton seiner Rede England gegenüber anspruchsvoller war als es die Optimiſten in London   und Paris   gerade jetzt erwartet hatten. Daß keine vierzehn Tage nach dem gemeinsamen Diktat von München   und den Worten von ewigem Frieden zwischen Deutschland   und England Hitler ver­ründet, was England tun müsse, um auf diesen Frieden rechnen zu können, entspricht sicher nicht der Vorstelling, daß in München   der Friede gerettet wurde.

Neue Befestigungen angekündigt

ver­

deutung jener neuen Freundschaft zu unserem Lande, die Chamberlain aus München   mitgebracht hat und die das Volk in Erwartung läßt, ohne die Beruhi gung derer gestärkt zu haben, die in der Uebernahme der Sudeten   das Ende der deutschen   Expanſivkraft fchen.

Auch die ganze Pariser   Presse stellt heute über die gestrige Rede des Reichskanzlers Hitler   in Saar­brüden Erivägungen an. Im Jour" und im..Echo de Paris" schreibt Bilby: Die Entente- Staaten ma chen sich feine Illusionen über den Charakter des Münchner   Abfommens. Dieser Friede wurde ihnen durch Druck und Drohungen, die in der Geschichte nicht ihresgleichen haben, auferlegt. Das sind die Gefühle der erlittenen Demütigung, die man den Die Erfahrungen der letzten acht Monate, an d: Es würde gut sein, wenn man in Groß- jenigen nicht verzeiht, die sie uns zugefügt haben. und sagte Hitler   in dem bemerkenswertesten Teil britannien allmählich gewisse Allüren der Ver- Es ist auch feine Lust vorhanden, sie abermals zu era Frauen- Organisationen eine Sammlung zu seiner Rede, müssen Deutschland   in dem Be- failler Epoche ablegen würde. Die gouvernan- leiden, Sitler würde sich sehr täuſchen, wenn er nicht gunsten der Flüchtlinge aus den fudetendeutschen schluß bestärken, vorsichtig zu sein und nie etwas tenmäßige Bevormundung Deutschlands   ver Frankreich   auf gleiche Weise wie England gegenüber der Erbitterung bolles Gewicht beilegen würde, die zu versäumen, was zum Schuße des Reidjes ge- trägt Deutschland   nicht. Erkundigungen briti einem nicht au verteidigenden Vorgehen empfindet. tan werden muß. Deutschland   steht Staatsmän- jcher Staatsmänner oder Parlamentarier über Man hat von einem Besuch des Feldmarschalls Gös nern gegenüber, die ebenfalls den Frieden wol- bas Schicksal von Deutschen   oder von Reichs­len. Allein sie regieren in Ländern, bei denen angehörigen innerhalb der Grenzen des Reiches es ihrer Konstruktion nach möglich ist, daß diese sind nicht am Blase. Deutschland   kümmert sich Staatsmänner jederzeit von anderen abgelöst auch nicht um ähnliche Dinge in England. Die werden können, die den Frieden nicht so sehr im übrige Welt hätte manchesmal Grund genug, Auge haben. In England brauchen nach einem sich um internationale Vorgänge ebenfalls zu Chamberlain nur Duff Cooper  , Eden oder bekümmern. Zur Zeit 3. V. um Vorgänge in Churchill   zu kommen, so steht fest, daß das Ziel Palästina. diefer Männer wäre, fofort einen Weltkrieg zu beginnen.

ringott. Et jolt beibe Staaten in Frieden laſſen und

in Paris   gesprochen. Das wäre ein grausamer

Irrtümer, aber wir kennen auch das Mittel sie nicht provozieren. Wir fennen unsere Fehler und

In der Epoque" ührt Abg. De Stérillis aus. daß das Deutsche Reich fünftig schon nicht imftande ist. Salt zu machen. Die Saarbrüdener Rede hat die offiziellen Persönlichkeiten in White- Hall   traurig überrascht, die voll Vertrauen eine Annäherung an Deutschand vorbereiteten. Sie hat in der öffentlichen Meinung Entsetzen hervorgerufen und die letzten Bweifel derjenigen zerstreut, die noch nicht begriffen haben, daß das neue Deutsche Reich sich heute gegen das Britische   Reich aufrichtet und zwar gegen dieses

Paris  . Das Linksblatt Co Spir", das als erstes von den franzöfifchen Zeitungen unter feinen Lefern eine Sammlung zugunsten der tsche choflowakischen Flüchtlinge eröffnet hat, fchreitet darin systematisch fort und veröffentlichte schon bie neunte große Spendenliste. Darunter befinden fich auch größere Gaben der Leserschaft und zum großen Teil aus Arbeiterkreisen. Die Gaben find oft von ergreifenden Sufchriften begleitet. Auch Deutschland   überläßt das denen, die sich ber ,, Temps" nnb bas franzöfifche Rote Kreus for dafür auserschen fühlen, diese Probleme zu bern   su Sammlungen auf. Sie machen gar lein Hehl daraus, ja sie lösen und beobachtet nur staunend, wie schnell fie Einige Blätter veröffentlichten ein Schreisprechen es offen aus. Das verpflichtet Deutsch­mit dieser Lösung fertig werden. Deutschland   allein. ben des früheren französischen   Gesandten in Prag   land wachsam und auf des Reiches Schuß bedacht noch vielmehr mit der Lösung ihrer eigenen Pro- don wird die Hitler- Rede als eine beſtimmte Ab­muß aber allen diesen Herren den Rat geben, sich Im Deuvre" schreibt Frau Tabouis  : In Lon Couget, der dem Vorsitzenden des Syndikats der zu sein. Weiter lauert nach wie vor drohend jener bleme zu befassen und Deutschland   in Ruhe zu schreckungsmaßnahme angefehen und als eine Vors Barifer Bresse bittet, daß die franzöſiſche   Preſſe jüdiſch- internationale Weltfeind, der im Bolsche- lassen. Zur Sicherung des Weltfriedens gehört führung der Straft, bevor noch vom 1. sänner as bie Zeichnungslisten unterstützen möge. Die Blät vismus seine Ausprägung erfahren hat. Deutsch­ter' Deuvre" und" Journal des Débates" land fennt weiter die Wacht einer internatio- auch, daß alle verantwortungsbewußten Staats- die Kampagne wegen der Kolonien mit England be= fügen für ihre Leser die Bemerkung hinzu, daß nalen Presse, die nur von Lüge und Verleumdung männer und Politiker sich um ihre Dinge befüm- gonnen werden wird. fie durch ihre Vermittlung Geldspenden einfender lebt. Angesichts dieser eigenartigen staatlichen mern und nicht fortgesetzt in die Probleme mögen.

Heftige Anklagen

der Labour Party  London  , 10. Oktober( Savas). Der Ab. geordnete Attlee hielt in Stone in der Grafschaft Stafferb eine Rede, in der er die britische   Regie­rung beschuldigte, daß fie das Land allmählich an den Rand des Abgrundes führe. Die Quelle allen Uebels, fagte Attlee, iſt die Tatsache, daß Millio nen armer Menschen in England und in Amerika  

schlecht ernährt, gefleidet und schlecht unterge­bracht sind.

Nach ihm sprach der Arbeiterabgeordnete Wedgwood, der erklärte, daß der Völkerbund nach dem verhängnisvollen Schlag, den ihm der bri­ tische   Ministerpräsident versetzte, indem er ihn durch einen anderen Organismus, der ihm mehr zusagte, nämlich durch den Viererpakt, erfekte, zu­grunde gegangen ist. In Besprechung der derzeiti gen Wirtschaftsverhandlungen zwischen Deutsch­ land   und der Türkei   und anderen europäischen  Staaten bemerkte Wedgewood, daß England langsam alle europäischen   Märkte verliere. Schließlich wird uns, fagte der Redner, nichts an­beres übrigbleiben, als mit Hitler eine Einigung herbeizuführen, um das zu erhalten, was von un­serem Handel übrig bleibt. Hitler   wird in einem folchen Falle verlangen, daß Großbritannien   eine Regierung und einen Ministerpräsidenten nach feinem Geschmack habe.

Die deutsche   Expansion

auf dem Balkan 3 stanbul, 10. Oftober. Reichswirtschafts­minister Funk und Gattin trafen heute in einem Sonderzug in Istanbul   ein. Den ausländischen Journalisten wurde mitgeteilt, daß der türkische Wirtschaftsminister Resevir die Einladung zu einem Besuche in Deutschland   angenommen hat.

Die Reise des Führers der deutschen   Ar­ſcheine nach dem Beſtreben, Bulgarien   in die Heitsfront Dr. Leh nach Bulgarien   gilt, allem An­antisowjetrussische Front einzugliedern. Dr. Ley wurde in Bulgarien   mit außerordentlichen Ehren begrüßt.

Konstruktion der Umwelt und dieser treibenden Kräfte muß Deutschland   vorsichtig sein. Jeder zeit zum Frieden gewillt, in jeder Stunde zur Abwehr bereit.

Ich habe mich, so sagte Hitler  , deshalb entschlossen den Ausbau unserer Befestigung im Westen mit erhöhter Energie, so wie ich dies in meiner Rede vor dem Nürnberger   Parteitag ankündigte, fortzusehen und ich werde nunmehr die beiden großen Gebiete, die bisher vor un serer Befestigung lagen, nämlich das große Aachener   Gebiet und das Saarbrückener   Gebiet in diese Befestigung einbeziehen. Das wird zum Schute des Reiches getan werden.

Deutschland   ist jederzeit bereit, mit seiner Umgebung eine Politik der Verständigung zu be­treiben. Deutschland   kann das, denn es will ja von ihnen gar nichts.

Nur etwas wünscht Deutschland   und das gilt besonders für seine Beziehungen zu En g

anderer Völker oder Länder hineinreden. Nur lich die Voraussetzung schaffen für den dauerhaf= eine solche gegenseitige Rücksichtnahme wird wirks ten Frieden, den niemand mehr tv ünscht, als das deutsche Volt.

Traurige Ueberraschung

Demonstrationen

gegen Innitzer London.( Havas.) Der Korrespondent des Reuter- Büros in Wien   meldet, daß am Freitag abends bei nazistischen Manifestatio nen in Wien   die Fenster descrzbisch öf= London  . Die Rede Hitlers   hat natürlich einen großen widerhall gefunden. Die Blätter betonen die lichen Palais zertrümmert wur Notwendigkeit der Bereitschaft Großbritanniens   zur den. Der Palast wurde umstellt und ein Teil der Selbstverteidigung. Daily Telegraph  " bringt einen Möbel durch die zertrümmerten absolut notwendig für einen dauernden Frieden" und dert und verbrannt. Einige Parteigänger Artifel mit der Ueberschrift..Bewaffnete Stärfe ist Fenster auf die Straße geschleu= führt aus, daß; das Land von dem im nächsten Mo- des Sardinals wurden schwer mißhandelt. Der nat zusammentretenden Barlament die Zusicherung Kardinal selbst sei durch Glassplitter leicht vers erwartet, daß die notwendigen Schritte zur Behes wundet worden.( Diese Meldung wurde jedoch bung der Mängel getan werden und daß das Land vor Fliegerangriffen gesichert wird. Es sei zwar nicht amtlich bestritten.) möglich, daß der Schuß vollkommen sicher sei, not­wendig aber sei, daß wir gegen die Gefahr eines fnod out in der ersten Woche des Strieges gesichert

sind. News Chronicle" schreibt in seinem Kommen tar zur Rede Sitlers, daß sie wahrhaftig wenig ver­föhnlich war. Sie enthielt nur eine unmerkliche An­

Gestapo im besetzten Gebiet

Das Sudetendeutsche Freikorps   aufgelöst Berlin  . Wie das Deutsche   Nachrichtenbüro, vorrückenden Wehrmachtsteilen sofort mit der meldet, sind zum sofortigen Einsatz im judeten Säuberung der besetzten Gebiete von marristischen deutschen   Gebiet aus allen Gauen des Reiches Voltsverrätern und anderen Staatsfeinden begon­Kräfte der Ordnungspolizei und der Sicherheits- nen. Die Kräfte der Reichspolizei werden er polizei einschließlich von SS.- Totenkopfverbänden gänzt aus den Reihen des Sudetendeutschen  zuſammengezogen worden. Die Verbände unter- Freikorps  . stehen der Wehrmacht  . Zur einheitlichen Lösung

Die Ursache dieser Manifestation dürfte eine

gewesen sein, wobei der Kardinal sagte: In den letzten Monaten habt Ihr fast alles verloren. Ihr habt Eure katholischen Zirkel und Eure katholi­schen Verbände verloren. Trotzdem Ihr aber all deffen verluftig gegangen seid, vereinigt Euch wie­der mit Euern Priestern zu neuen Vereinen!"

Das Berliner   Propagandaministerium sagt, es hätten sich in den Wiener   Straßen Halbwüchs sige im Alter von 15 bis 20 Jahren zusammenge rottet und eine drohende Haltung gegen Kardinal Inniger eingenommen. Das Propagandaministe rium stellt fest, daß die Partei energisch einschritt und rasch die Ordnung wiederherstellte. Reichs­tommissar Bürckel   habe energische Maßnahmen gegen die Urheber der Unruhen getroffen, die vor Gericht gestellt und nach Abbüßung ihrer Strafe für ein Jahr ins Konzentrationslager gebracht werden sollen. Die amtlichen Kreise bemerken hie= aller der deutschen   Polizei im Sudetenland   er zu, daß es zu den Unruhen fam, als Kardinal Dr. wachsenden Aufgaben hat der Chef der deutschen  Inniger nach einer Predigt im St. Stephans Das Deutsche   Nachrichtenbüro meldet aus Dom auf den Straßen von der katholischen Jugend Polizei, Himmler, in Dresden   Sonderbefehlsstäbe errichtet, nach deren Weisungen die lebernahme Reichenberg  : Der Reichskommiffar als Führer des aktlamiert wurde. Die Hitlerjugend antwortete der Polizeigewalt im Einvernehmen mit den Be- Sudetendeutschen Freikorps erläßt folgenden Be- darauf mit Gegenmanifestationen. fehlshabern der Wehrmachtsteile erfolgt. In den fchl: Mit dem heutigen Tage löfe ich das Sude- Wien  . Die im Auslande verbreiteten Ges besetzten Städten und Ortſchaften wird ſofort zur tendeutsche Freikorps   auf. Mit der Durchführung polizeiliche Streifendienſt aufgenommen. Gleichmänner in ihre Heimat beauftrage ich meinen Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit der diefes Befehls und der Entlassung der Freikorps­zeitig haben wie das DNB. sagt innerhalb Stellvertreter Karl Hermann Frank  . Hitler   hat Henlein zum SS.  - Gruppenführer der Sicherheitspolizei die Männer der Geheimen Staatspolizei in engster Zusammenarbeit mit den ernannt.

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Freikorps   aufgelöst

rüchte, daß Kardinal Innißer in Schuzhaft ge­die Gerüchte über die Schließung von Kirchen nommen worden sei, sind falsch. Auch entsprechen

nicht den Tatsachen.

Berlin  , 10. Oktober. Der Havasberichterstat ter erfuhr an Berliner   amtlichen Stellen, daß es