Luxus.*)

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Die Geschichte des Luxus zeigt zwei große Epochen. Die erste fällt mit der Nomaden- und Ackerbauperiode der verschiedenen Völker zusammen. In dieser Zeit besteht der Luxus in über mäßigem Essen und Trinken. Es wird mit den Erzeugnissen des Bodens Verschwendung getrieben. Wohnung, Kleidung und andere Güter sind noch primitiv. Die Reichen haben wohl einzelne Pracht: gewänder, Trinkbecher, Rüstungen, ihre Verschwendung aber äußert sich nicht hierin, sondern vielmehr in dem übermäßigen Verbrauch von Nahrungsmitteln. Da man nun selbst nicht über ein gewisses Maß hinaus essen und trinken kann, so entfaltet man den Luxus durch die regelmäßige Bewirthung möglichst vieler Menschen. Man hält sich ein großes Gefolge und führt offene Tafel für Gäfte. Der Graf von Warwick speiste täglich etwa 30 000 Menschen. Arabische Häuptlinge halten freien Tisch und laden die Vorübergehenden ein. Die Gefolgschaften der mittelalter­lichen Feudalherren, das Leben auf den Burgen der Ritter erklärt sich zum nicht geringen Theile aus dem natürlichen Charakter des Agrar- Lurus. Er ist grobsinnlich, erregt jedoch den Neid der Armen wenig, weil der Reiche nicht viel für seine eigene Person brauchen tann, sondern fast alles Dienern und Gästen giebt. Der Nahrungs mittel Luxus hat ferner die Eigenthümlichkeit, daß er bei einzelnen Gelegenheiten, Festen, Hochzeiten grell, sonst aber nicht hervortritt.

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den einzelnen den Verfall Griechenlands   ankündigenden Hymnen auf den Luxus absehen. Die Frage konnte für die gesunde Masse der Menschen immer nur sein: strenge oder freudige Auffassung des Lebens, nie: peinigende Astese oder übermüthige luxuriöse Ver­schwendung. Erst der neuesten Zeit blieb es vorbehalten, mit lächers lichen Ausschreitungen des Luxus auch wieder die Ansicht von der Berechtigung, ja Nothwendigkeit des Luxus mehr in den Vorder­grund zu rücken. Das Argument, das man am häufigsten zu hören bekommt, ist: Es tommt Geld unter die Leute. Nun ist es aber eine bekannte Thatsache, daß die Lage der Arbeiter in keinem Gewerbe schlechter ist, als gerade in den meisten Luxusgewerben. Die Spinner und Weber der Modewaaren, die Arbeiter der Seiden- und Sammtindustrie, die Spitzenklöpplerinnen, die Schneiderinnen und Weißnäherinnen gehören zu den am schlechtesten bezahlten Kategorien. Wenn eine mit Spigen beladene Dame sagt, es tomme durch sie Geld unter die Leute, und man dabei an die armen Spizenklöpplerinnen des Erz­gebirges denkt, die zu den elendesten Menschen Europas   gehören, dann erscheint dieser Rechtfertigungsversuch in der richtigen Be­leuchtung. In Wahrheit ist der Luxus eine sträfliche Verschwendung von Gütern, die weder einem wahren materiellen, noch einem höheren geistigen Bedürfnisse dienen.

Die öffentliche Gewalt hat sich nie ganz indifferent gegen den Luxus verhalten. In Griechenland   bestanden nicht nur die strengen, wirkungsvollen Gesetze Spartas  , sondern auch in dem lebenslustigen Athen  verbot Solon  , daß bei Gastmählern mehr als 30 Gäste geladen würden, Ganz anders gestaltet sich der Luxus dort, wo Gewerbe und daß die Ausstattung einer Frau aus mehr als 3 Kleidern bestehe u. s. w. Handel blühen. Er wendet sich alsbald der Wohnung, der Kleidung, Er bestellte eigene Luxusausseher, um die Durchführung der betreffen­den Möbeln 2c. zu, und selbst so weit er noch in reichlichem Essen den Geseze zu sichern. In Rom   wurde schon zur Zeit der punischen und Trinken besteht, tritt in der Hauptsache raffinirtes Selbstessen an die Kriege, als die Römer noch nicht einmal Brot, sondern Mehlbrei Stelle der reichlichen Bewirthung anderer. Der Luxus dieser Periode ist aßen, den Frauen verboten, bunte Kleider zu tragen und in Wagen nicht so grobsinnlich wie der Agrar- Luxus, mehr auf das Geschmack- zu fahren. Die Römerinnen setzten aber bald die Aufhebung dieser volle, Zierliche gerichtet. Er ist für die Armen viel drückender, Gesetze durch. Der strenge Cato besteuerte als Zenfor alle theueren weil der ganze Verbrauch auf die eigene Person gerichtet wird. Der Schmucksachen der Frauen zehnmal höher als andere Ausgaben und moderne Verschwender befriedigt die leisesten, oft nur auf Ueber- verbot gewisse luxuriöse Speisen. Im Jahre 155 v. Er. bestimmte reizung beruhenden Bedürfnisse seiner selbst. Dieser Kommerzicl- das Gesetz, daß im Theater feine Size eingerichtet werden dürften, Luxus ist ferner fein Festtags-, sondern ein Wochentags- Luxus, er sondern jeder stehen müsse. Sulla   erließ strenge Speise und durchdringt das alltägliche Leben. Beispiele dieser zweiten Luxus Begräbnißordnungen. Unter den römischen Kaisern wurden immer periode bieten uns die Staaten des Alterthums in ihrer Verfalls- neue Verbote gegen den Luxus gerichtet, doch ohne viel Erfolg. zeit und unsere eigene Gegenwart. In Rom   finden wir als die Ju den reichen Städten tauchten im Mittelalter wieder Luxus­übertriebensten Symptome der Verschwendung: Man wechselte die verbote auf. So war in Venedig   dem städtischen Adel jeder glänzende Kleidung bei Tisch mehrmals, mitunter zehnmal. Die Epiegel der Luxus untersagt, Stoff und Form der Kleider genau bestimmt. vornehmen Damen kosteten Unsummen. Man legte, um den Man konnte nur durch häufigen Wechsel der Anzüge Lurus treiben, Wohnungs- Luxus auf die Spitze zu treiben, auf den Hausdächern doch fehlte der Anreiz hierzu, weil ja die neuen Kleider den alten Fischteiche, auf Thürmen Gärten an. Natürlich waren diese sehr gleichsahen. Verordnungen gegen die Schminke und gegen die klein und häßlich, aber kostspielig. Man begoß Bäume mit Wein, statt Schleppe wurden vom 14. bis zum 16. Jahrhundert in großer Zahl mit Wasser. Als Luxusgerichte verzehrte man Flamingozungen und erlassen. Georg von Sachsen   erlaubte im Jahre 1482 den adeligen Straußenhirne. Aesopus, ein berühmter Schauspieler, bewirthete Damen Schleppen von höchstens zwei Ellen Länge. In Modena  seine Gäste In unserer am dem ver­mit gebratenen Singvögeln. In Zeit war ein steinernes Schleppenmaß vorhanden, finden wir ähnliche Zeichen des Wohnungs-, Toiletten- und Tafel- dächtige Schleppen gemessen wurden. Es war in Deutschland  Luxus. Welche Summen werden für Zigarren ausgegeben, von nur den reichsunmittelbaren Rittern und ihren Frauen erlaubt, in denen jede einige Mark kostet. In einem Modebericht des Kutschen zu fahren. Seit dem 15. Jahrhundert haben dann Pester Lloyd" war fürzlich zu lesen, daß jemand bei einem Gesell- die europäischen   Regierungen einen langen fruchtlosen Kampf gegen schaftsabend an den Fingern von 11 Damen 57 Brillantringe die Einführung des Tabaks, des Kaffees und des Branntweins ge­zählte. Der Sport- und Spiel- Lugus feiert wahre Orgien. Renn- führt. Columbus fand da bei seiner Ankunft auf der Insel pferde fressen aus silbernen Krippen. Die Gesellschaften kosten oft Guanahani die Indianer rauchend. In Europa   begann der Tabak­fabelhafte Summen, die man auf alle mögliche Weise zu steigern gebrauch damit, daß man am französischen   Hofe Tabat schnupfte und sucht. Rommt es doch vor, daß jeder der Gäste eine goldene Uhr dies als Mittel gegen Kopfschmerzen betrachtete. Der französische erhält. Es giebt Tamen, die zu jeder festlichen Gelegenheit ein Kleid Gesandte in Lissabon  , Nicot, hatte der Königin Maria von Medici  um etwa 2000 Mart brauchen, das sie nur einmal anziehen. Tabakblätter gesandt und die Königin empfahl sie am Hofe zum Gleichzeitig mit dem Luxus verbreitet sich in den oberen Gesell- Gebrauch. Seeleute brachten dann die Sitte des Rauchens nach schaftsschichten die Ansicht, daß der Luxus berechtigt und unschädlich, Spanien   und England; die spanischen   Heere verpflanzten sie ja nützlich sei. Selbst in den Mittelklassen herrschen unklare Vor- während des dreißigjährigen Krieges auf die deutschen   Soldaten. stellungen, als stünden sich in dieser Frage von altersher zwei ver- Um diese Zeit bedrohte Papst Urban VIII. die Tabakschnupfer schiedene Ansichten entgegen, die beide gute Gründe hätten. Ehe wir mit dem Banne. Aber bald schnupften die Päpste felbst, und der hierauf näher eingehen, sei nachdrücklich hervorgehoben, daß es sich Bann wurde aufgehoben. Alle Regierungen verboten den Tabak­nur um den Lurus, die verschwenderischen und dabei nicht kultur- genuß. Die französische erlaubte nur den Verkauf in Apotheken auf fördenden Ausgaben handelt. Die Steigerung des allgemeinen Berordnung des Arztes, die deutschen   Regierungen verboten das Wohlstandes, die Vermehrung der materiellen Güter, die Erhöhung Rauchen und Schnupfen den nichtadeligen Unterthanen. In der der Bedürfniß- Befriedigung sind unzweifelhaft im höchsten Türkei   wurde im Jahre 1610 verordnet, jedem Raucher solle die Maße erstrebenswerth. Die Besserung der materiellen Lage Pfeife quer durch die Nase gestoßen werden. In Rußland   wurde ist ein Glück für die Menschen und bildet die Grundlage 1634 die Todesstrafe darauf gesetzt. Bald aber hat man alle diese jeder höheren Kulturentwicklung. Das hat aber nichts mit dem Verbote aufgehoben und den Tabakgebrauch in allen Staaten zu Probleme des Luxus zu thun. Man faßt den Gegensatz zwischen den Steuerzwecken möglichst ausgenützt. Aehnlich ging es mit dem großen philosophischen Richtungen der griechischen Stoifer und der Kaffee, der erst im 14. Jahrhundert auftam. Im Jahre 1652 Epituräer oft dahin auf, daß jene den Luxus angegriffen, diese ihn wurde das erste englische Kaffeehaus errichtet. In Deutschland  vertheidigt hätten. Diese Auffassung ist falsch und thut den führten einzelne Städte mit den Landesfürsten Prozesse wegen des Epikuräern Unrecht. Sie predigten den heiteren maßvollen Kaffeeverbotes, das sich die Städte nicht gefallen lassen wollten. Auch Lebensgenuß, die Stoiker die strenge enthaltsame Lebensführung. in den jetzt bestehenden Gesetzen finden wir mancherlei gegen den Beide Richtungen aber waren in der Verwerfung des Luxus Luxus gerichtete Normen: die Kuratelverhängung einig. Das Christenthum vertrat von Anfang an die stoische schwender, die Sperrstunde für öffentliche Lokale sind leise Spuren Anschauungsweise, und die orthodoxe Uebertreibung gewann der Luxusgefeßgebung.- -

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im Einsiedlerthum und in der Astese weite Verbreitung. Gegen Ende des Mittelalters sezte die lebensfreudige Strömung wieder schärfer ein, sie bildete ein starkes Element der Reformation und ist bis auf unsere Tage mächtig angewachsen. Nur vereinzelt er­standen der Bedürfnißlosigkeit hervorragende Vertheidiger, wie Rousseau  , der dafür von Voltaire   scharf verspottet wurde. Von einer Rechtfertigung des Luxus war in den mächtigen Dent richtungen der alten und neuen Zeit nicht die Rede, wenn wir von

*) Aus der Wiener Wochenschrift Neue Revue".

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über Ver

Georg Bantmann,

Kleines Feuilleton.

Das Teftament des Dynamit Erfinders Alfred Nobel   bestimmt: Aus dem ganzen realisirbaren Vermögen soll ein Fonds gebildet werden, dessen Zinsen jährlich in fünf Theilen vergeben werden sollen und zwar je einer für die wichtigsten Entdeckungen und Erfindungen innerhalb des Bereichs der Phyfit, für die wichtigste chemische Entdeckung oder