( Nachdruck untersagt.)
Ein milder Frühlingstag lag auf den Bergen. Es blitzte und tröpfelte und rieselte überall.
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,, Nun ist es vorbei mit mir; nun ist es vorbei mit mir;" dachte er und starrte zurück auf seine verlorenen Träume.„ Niemals erreichst Du das Meer. Du wurdest nur ein Bach in dem großen Fluß."
Er versant in Schwermuth, er sah nicht die breiten, fruchtbaren Thäler, nicht die hellen, belebten Städte, nicht die schneeweiße Pracht der Apfel- und Vogelkirschblüthen, noch die prangenden Farben des Der nasse, bleischwere Schnee fiel mit dumpfen und Herbstes. Er hatte weder Blicke für die Liebe, die ihn rings umgab, platschendem Laut von den Tannen, die Zweige richteten noch für die kleinen Kinder, welche lachend und glücklich am Ufer sich wieder in die Höhe und athmeten erleichtert nach spielten. Nebel der Schwermuth lagen über all' der Herrlichkeit, deni langen, langen Winter auf. Kaltes, trübes Wasser durch welche sein Leben hindurchglitt. bahnte sich nach allen Richtungen einen Weg, bohrte sich Der Nebel hob sich erst und wurde fortgeweht, als der Bach unter Moos und Erde durch, und drang hervor, wo man es am gesalzenes Waffer spürte und frische Seeluft: Das Meer! Das Meer!" wenigsten erwartete, fraß unter dem Schnee den Grund weg, so daß er in großen Massen hinabglitt, sich im Gleiten mit anderen Massen vereinigte. Und das Ganze thaute und rollte, rollte schneller und schneller, brach die Bäume, wie dürre Zweige, riß Steine, Erde, Moos und Haidekraut mit sich und ging über die Abhänge mit Rauschen, Krachen und Dröhnen zu Thale .
Ein Gebirgsbach wurde von all diesem Durcheinander ergriffen. Er war flein , sehr klein, aber um so muthiger. Er schäumte und stürzte mit wachsender Schnelligkeit dahin und hüpfte wie wahnfinnig über die Abhänge hinab. Raftlos bahnte er sich über und neben den Hindernissen seine Bahn. Er wurde breiter und stärker. Sein Muth wuchs und seine Zukunftsträume wurden fühner. Ein mal, als er einen Fall hinunterstürmte, so daß tausende von Wasser: perlen ihn umfunkelten und in allen Farben spielten, jubelte er seinen frohesten und stolzesten Traum in die Welt hinaus:
„ Einst werde ich das Meer erreichen!"
Es würde ihm gehen, wie so vielen Gebirchsbächen, von denen er wunderliche Märchen gehört hatte. Er würde wachsen, ein großer Fluß werden, der still, ruhig und majestätisch dahinfloß.
Breite Thäler würden bebaut werden, nur weil er hindurchfloß. Hunderttausende von Menschen und Thieren würden ihm ihren Lebensunterhalt verdanken. Freundliche, thätige Dörfer tauchten an feinen Ufern auf. Gärten prangten mit Rosen und Wein. Villen mit sonnenglänzenden Scheiben spiegelten sich in ihm. Bäume ließen ihre laubschweren Kronen über ihm herabhängen, und weiße Aepfel- und Vogelfirsch- Blüthen schmückten seinen Spiegel. Später im Jahr auch gelbe, weinrothe und dunkelbraune Blätter.
Ein Boot glitt aus einem schattigen Garten hervor. Ein Menschenpaar saß in dem Boote, und er selbst wurde der Schauplay für das schönste Liebesabenteuer. Er leuchtete der glücklichen Liebe, grüßte mit Sonnenflimmern in seinem Spiegel und mit blanten Steinen auf dem Grunde die Liebenden im Boot.
Aber er war dunkel, undurchdringlich dunkel für die unglück liche Liebe. Bereitwillig öffnete er den Arm und lockte die Gestalt, welche eines Abends stumm und rathlos sich am Ufer auf und ab bewegte.
Wo das Ufer flach und breit war, spielte er für die Kinder, die barfuß wie Wasservögel darin herumplatschten, mit Kleinen Wellen. Er fizzelte sie an den Waden und lachte glücklich wie sie.
Und weiter lief er und kam zum weiten Meere. Hier nahm er große Schiffe auf, gewährte ihnen Schutz, bis sie wieder hinaus mußten. Da hörte er das Raffeln der Ankerkette und die Töne der Gangfpillweiſe. Er sah die Matrosen auf die Maste steigen. Die weißen Segel wurden gelöst, füllten sich mit Wind, und das Schiff glitt still, ruhig und majestätisch ins Meer hinaus.
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So träumte der kleine fühne Gebirgsbach. Wenn es andern geglückt war, alles das zu erleben, so mußte es wohl auch ihm glücken, der bereits so groß und so start war!
Er lachte, so daß es vor Freuden in ihm fluckste, und lief und lief.
Es wurde Sommer, ehe er ein Dorf erreichte. Es wurde warm, und der Bach wuchs nicht mehr. Aber sein Muth hielt sich. Er war gleich frisch wie früher.
Er durcheilte Dorf für Dorf, und der Sommer schritt vor und die Wärme stieg. Da wurde der Bach kleiner, und sein Muth gerieth ins Schwanken. Aber er gab sich nicht verloren.
Die Wärme läßt schon nach." dachte er.
Aber das that sie nicht. Tag für Tag steigerte sie sich. Es ist gewiß auch noch weit bis zum Meere," fenfste der Bach. Auf Wiesen, ganz in der Nähe, sah er Knechte und Mägde das Heu einfahren. Die Knechte hatten die Weste abgeworfen, und die Mägde gingen in Hemdärmeln und mit nur einem Hod. Große Schweißtropfen standen auf ihren Gesichtern.
" Ich glaube, diese Hize läßt gar nicht mehr nach." " Nein, heute ist es heißer als jemals."
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Er blickte zum tiefen, flaren Septemberhimmel dankbar und froh empor.
„ Oh! Ich wurde zwar nur ein Bach in dem großen Strom, aber ich erreichte doch das Meer!"
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Kleines Feuilleton.
Millionär Wahnsinn. Eine Hunde Hochzeit hat dieser Tage in Paris stattgefunden. Die Zeremonie vollzog sich im Palast der Madame Maurice Ephrussi. Madame Ephrussi hatte an alle ihre Freunde Einladungen zu der Hochzeit ihres Lieblings pudels mit einem Hündchen des Barons Gustav von Rothschild ausgesendet. Die Gäste, den feinsten" Kreisen der französischen Hauptstadt angehörig, erschienen pünktlich zur festgesetzten Zeit und wurden in den glänzend erleuchteten Empfangssalon des Palais Ephrussi geführt. Der Salon bot folgendes Bild: Hinter einem Tische am Ende des Saales saß mit feierlich ernster Miene und im getreuen Kostüm eines Maire( Bürgermeister), eine wohldressirte Bulldogge, welche den amtirenden Standesbeamten darstellte und geschickt kopirte. Die„ hündliche Braut" war auch schon anwesend; sie trug eine prachtvolle weiße Atlasrobe mit kostbaren Spigen garnirt und einen Kranz von Orangeblüthen im jungfräulichen Haar. Sie wurde von einem würdigen Pudel in blauem Frack mit blanten Knöpfen zum Altar geleitet. Der Bräutigam" erschien in vor schriftsmäßigem Frack, tadellos weißer Kravatte und Atlaswefte. Wie die Berichterstatter betonen, benahm sich das vierfüßige Pärchen während der Zeremonie, die nun folgte, mit großem Anstand und vieler Grazie". Nach der Trauung fand ein Galadiner statt, zu welchem den Theilnehmern gestattet wurde, sich auf allen Vieren zu begeben. Auch über den Trousseau"( Ausstattung) des bräutlichen Paares, das eine Unzahl von Hochzeitsgeschenken erhielt, erfahrer. wir näheres. Ihre Ausstattung bestand in silbernen Halsbändern, Armbändern, einem Dutzend Nachtröcken, einem Dutzend Taschentüchern, zwei Paar Lackstiefletten, zwei Paar Galoschen, zwei Schlafröcken, zwei Reisekleidern, zwei Morgenroben, zwei Abendtoiletten, zwei Seebadkleidern und zwei pelzbesetzten Ueberziehern. Außerdem erhielten sie noch zwei reich geschnitzte Kästchen mit Visitenkarten zum Geschenk. Zu Hundefracks, Hundenachtröcken, Hundetaschentüchern haben die Berliner Thiergartenproßen es auch schon ge bracht. Hundehochzeiten wären für sie etwas Neues. Auf wie lange?
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Literarisches.
hs. Wer foll noch Lehrer werden? Ein Wort über die Arbeit und die Besoldung der preußischen Volksschullehrer. Von A. Bovß, Schulinspektor. Osterwied a. H. Verlag von A. W. Zickfeld. Im ersten Theile der Schrift beantwortet der Verfasser die Das Loblied, das er hierbei der heutigen preußischen Volksschule Frage: Welche Arbeit wird von einem Voltsschullehrer verlangt? und dem Lehrerseminar hinsichtlich ihrer inneren Tüchtigkeit singt, ist leider nur zu unberechtigt. Der Verfasser scheint das ihm vorschwebende Ideal für die Wirklichkeit gehalten zu haben. Damit soll allerdings durch. aus nicht etwa bestritten werden, daß die Arbeit des Volksschulmission ist. Der zweite Theil behandelt die Frage: Was bietet lehrers schon jetzt, besonders aber in Zukunft, eine hohe Kultur man dem Volksschullehrer für seine Arbeit? An der Hand der Zahlen, wie sie in diesen Tagen durch alle Lehrerzeitungen gehen wird das volständig Ungenügende der Lehrerdotation nachgewiefen. Die Vorschläge für die Besserung des Boltsschulwesens, die der Verfasser zum Schlusse macht, sind meistens sehr fragwürdiger Art, da sie den klassenstaatlichen Charakter des heutigen Volksschulwesens vollständig außer acht laffen.-
-Neue Zeitschriften. In Frankfurt a. M. erscheint von Neujahr ab eine neue Wochenschrift:" Die Umschau" Uebersicht über die Fortschritte und Bewegungen auf dem Ge
Man trinkt mehr, als einem gut ist," sagte ein Knecht sammtgebiet der Wissenschaft, Technik, Literatur und Kunst. und legte sich auf den Bauch und trant aus dem Bache.
Wenn nur der Bach nicht eintrocknet."
Viel ist nicht mehr von ihm übrig."
Der Bach lief weiter, aber ziemlich still. Er fühlte, daß seine Kräfte schwanden, und ihn selbst dünkte, er wäre bereits so schrecklich Klein geworden.
Niemals erreiche ich das Meer", schluchzte er. Und von nun an war sein Lauf ein einziges langes Schluchzen bis er plöglich in einen großen Fluß fiel.
Da schwieg er.
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Herausgeber und Verleger ist H. Bechhold Redakteur D. A. Walters. Empor." Moderne Monatsschrift. Herausgegeben und verantwortlich geleitet voll Theodor Habicher in Augsburg . Habicher war früher Herausgeber des Krieger- und Veteranenfreund". Jeht will er der Literatur auf die Strümpfe helfen. Wie ein Herr Renk aus Junsbruck in Nr. 1 des Blattes behauptet, werden die süddeutschen Schrift steller durch die Berlinische Zentrale" zuviel bedrückt. Das muß aufhören, und deshalb wurde" Empor" gegründet, Elendefter Schund!-