Sonntagsplauderei.
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auitaucht, daß in entfernteren Zeiten dem barbarischen Zweikampf „ denn doch wohl einigermaßen" gesteuert werden könnte; wenn bei nationalen Festen und Gedenktagen an Deutschlands Berühmtheiten die gehobene Phrase erdröhnen darf, dann kann der Brustton warmer Ueberzeugung nie laut genug erklingen.
Das sind die Gemüthvollsten aller Gemüthsmenschen", die an dem nackten Jammer ihren Wiz schärfen können. Im Süden Berlins , am Morigplay, kann man jett alltäglich ein seltsames Auch der heutige Tag ist dem Andenken an eine merkwürdige Schauspiel erleben. Dort wird im Parodie- Theater eine wilde Gestalt geweiht. Vor hundert Jahren wurde die Dichterin Völkerschaft gezeigt. Vertreter wilder Völkerschaften waren schon Anette v. Droste- Hülshoff geboren; sie entstammt einem westoft in Berlin , Nubier und Amazonen aus.Dahomey , angebliche fälischen Adelsgeschlecht. Gerne nennt man sie die größte Refte der Azteken und Indianer aus dem wilden Westen. Man be- deutsche Dichterin; und wenn ein Literarhistoriker besonders gut guckte und betastete sie, man freute sich ihrer Spiele, zu denen gelaunt ist, so hält er sie der unerhörten Ehre für würdig, in die fie dressirt waren, und wer sein gutes Eintrittsgeld gezahlt Reihen der Männer aufgenommen zu werden und spricht dann von hatte, der durfte dem Spektakel die lächerlichsten Seiten abgewinnen der männlichen Dichterin Droste- Hülshoff. 3u weiter Voltsund im Bewußtsein der souveränen Berlinischen Kulturüberlegenheit feinen Spaß an den armen Kerlen, die da zur Schau gestellt thümlichkeit ist ihr Schaffen nicht gelangt; dem genialen Weib war wurden, üben. Solche Späße pflegen nicht immer fein auszufallen. früh die Flugkraft gelähmt. Ihr war die Gabe der Anschaulichkeit fie prägte sich ihr Aber es handelt sich ja nur um Wilde. Hat so ein Wilder denn Wort nicht mit männlicher Bestimmtheit", wie man landein Herz, um zu fühlen? Begreift er denn die Narrenspossen, die läufig fagen möchte, sondern wie ein origineller, start mit ihm getrieben werden? Mit der wilden Völkerschaft, die jetzt im Süden Berlins zu ihre Lyrik, im Wesen herb, hat es persönlicher Geist sich seine Sprache zu formen versteht; nicht nöthig, an sehen ist, ist etwas ganz Besonderes für Feinschmecker geboten. Ihre fremdes Beispiel und Muster sich anzulehnen. Was hätte Bertreter find weder brann noch schwarz gefärbt. Sie laufen nicht dies weibliche Genie für Deutschlands Dichtung bedeuten
nackt herum, verzehren fein robes Kaninchenfleisch und tragen nicht
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einmal einen Naseuring. Im Gegentheil! Sie sind Bleichgesichter, tönnen, hätte es in Freiheit sich entfalten dürfen, wie es der wie nur die überlegenſten Westeuropäer sind. Ja, sie sprechen sogar Französin George Sand gelang. So aber war Droste- Hülshoff in denselben Lauten, wie wir! Und dennoch sind sie ein wild eingeklemmt in deutscher Enge, umlagert von gesellschaftlichen Vorzigeunerndes Geschlecht, das gegen einen Eintrittspreis ausgestellt urtheilen, beschränkt in bürgerlichen philiströsen Anschauungen. wird, damit Wissenschaft und Wiz der Kulturmächtigen bereichert Einsam und grämlich fast floß ihr Dasein dahin. Starken Naturstürmischen Leidenschaften sich hinzugeben, das werden. Diese erotischen Gäste stammen aus den„ böhmischen gewalten, stürmischen blieb ihr auch in den Tagen trunkener Jugend versagt; Wäldern", wie in geistvollen Feuilletons der jungen Leute von Moffe Erziehung und Vorurtheil hatten sie verfümmert; und und ähnlichen Zeitungsgrößen verkündigt wird. so war der Dichterin selber, die ein so stolzes, reiches Organ für alles Menschliche besaß, viel des Menschlichen vorenthalten; und schen flüchtete Anette Droste- Hülshoff in die stille landschaftliche Natur, für deren Eindrücke sie die feinste Empfindsamkeit bewahrte. Das deutsche Philisterium hat es im Eruste mit dem Genie niemals wohlwollend gemeint. Doppelt weh aber, wenn die genialische Begabung einem Weib zugefallen, das inmitten des Philifteriums zu leben gezwungen ist. Hat es die gütige Natur noch so verschwenderisch gemeint, zur Entfaltung kommt dann doch so wenig! Alpha.
Die Herrschaften haben sich krank gelacht, als sie die Truppe aus den böhmischen Wäldern zum ersten Male fahen. Man denke, wirkliche, fahrende Leute! Eine echte Theaterschmiere. Ein Stüd alter Zigeunerromantik! Ausgemergelte Komödianten, die Falstaff fchen Rekruten gleichen. Oh, wie viel Geist kann man über diesen Stoff verzapfen, und wie viel vergnügliches Schmunzeln dem biederen Zeitungsleser ablocken!
( Nachdruck untersagt.)
Alte Geschlechter.
In einem Berliner Miethshause wohnten im vierten Stock der Bureau- Assistent Hugo von Pfeifenkopf nebst Frau und Tochter und der Siegellack- Fabrikant Eberhard von Druffte, ebenfalls nebst Frau und Tochter. Die Wohnungen lagen einander gegenüber.
Eines Morgens öffnete sich die Bureau- Assistenten- Thüre, und heraus schritt Frau von Pfeifenkopf, eine kurze dicke Person, im geblümten Morgenrock und auf schäbigen Pantoffeln, mit noch ungeordneten Haaren. Sie läutete drüben an, und Frau v. Druffte, die ebenfalls klein, aber mager war, erschien in einem schmierigen Kattunkleide und einer großen Haube.
In der That konnte man dem populären Namen Johann Lumpe in allen Blättern, die in den schlimmen Tagen des Börsenbedrängens ihre Abonnenten mit Heiterkeiten titeln müssen, vielfach begegnen. Johann Lumpe ist nämlich der Hauptmann der exotischen Menschen aus den böhmischen Wäldern. In einem Dorfe Turn bei Teplig wurde Johann Lumpe entdeckt. Einige neckische Berliner, die dort Bade- Aufenthalt genommen, fahen den braven Lumpe, wie er mit seiner Truppe den alten Kozebue lebendig machte und in einer Scheune das heroische Schauspiel Emma v. Frankenfels oder die Kreuzfahrer in Palästina auf führte. Sie riefen ein ums andere Mal: Det is ja jroßartig und ihr spekulatives Hirn erfaßte jäh den Gedanken: W Mit den armen Teufeln läßt sich im weltstädtischen Berlin ein veritables Geschäft machen. Gedacht, gethan. Le bourgeois s'amuse, heißt es heute. Der Bourgeois will seinen Ult haben und er lacht und johlt und gröhlt, wenn die„ Wilden aus den böhmischen Wäldern" auftreten und ihr eigenes Elend prostituiren. Er lacht, bis ihm die Thränen über die Wangen follern und lärmt in das Spiel der unglücklichen Von Drufften, tönnen Ee mir nich Ihren jroßen Eisenkochtopp Menschen hinein, die kaum oder nicht mehr die Empfindung dafür haben, daß sie die Narren der Kanaille sind. Wie man Bären Wieso denn nich, von Pfeifentopfen! Knobleß oblige! Der führt am eisernen Ring, so werden diese Menschen von Adel hilft sich gegenseitig aus." geriebenen Managern müßigen Gaffern vorgeführt. Wie Sie holte den gewünschten Topf aus der Küche und reichte ihn wollen diese armen Baganten fich wehren? Vielleicht hat der Bureau- Assistentin. in einem oder dem anderen von ihnen brennender Ehrgeiz gelebt; fühne Träume, sehnsüchtige Wünsche haben ihm über die erste Misère hinweggeholfen. Das Einerlei seines Glendes aber hat ihn mürbe gemacht und ihm die Widerstandskraft aus Mark und Knochen gestohlen, bis er endlich dahin gekommen ist, wo er heute steht. Einst hatten die Fürsten ihre Hofnarren und sie wählten fich mit Vorliebe verzwergtes Volf zur Erheiterung ihrer fürstlichen Laune. Jetzt macht es der Bourgeois wie der großproßige Bauernjüngling in Hauptmann's Vor Sonnenaufgang". Er nimmt ein paar rothe Pfennigstücke und wirft sie dem Hilflosen oder Schiffbrüchigen vor die Füße und feuert ihn an: Spring, Hopslabär! Und wenn Der arme Hopslabär wirklich springt, täppisch und ungeschickt springt oder gar niederpurzelt, dann lacht der Glückliche, daß er sich die Seiten hält.
Die jungen Leute aber, die im Geschäft der Herren Mosse und Genossen geistreich zu sein gezwungen sind, läuten mit fröhlichem, wohlgefälligem Gebimmel zu dem beklemmenden Spektakel, das in seiner Art einen neuen weltstädtischen Nervenkitel bedeuten soll. Menschen, die aus unser Aller Empfindungsleben hervorgegangen find, Menschen, wie wir, eine ganze Gesellschaft solcher Menschen ist zu traurigster, geistiger Selbsterniedrigung verdammt; und man schärft, wohlfeil genug, seinen Witz an ihnen. Ja, man flatscht der robusten Rohheit Beifall und wagt es nicht, den Bourgeois zu stören, wenn der gerade dem Amüsement sich hingiebt. Die jungen Leute wenigstens, die im Geschäft der Mosse und Konsorten Deffentlichkeit machen, wagen es nicht. Sie sind so weise und wohlgeschult. Wer wird sich um Bagatellen empören, um einen Haufen fahrender Komödianten, die zur Schau gestellt werden, wie ein monströses Stück Vieh.
Das hohe Pathos spart man lieber für andere Fälle; wenn dem Geldbeutel zu nahe getreten werden sollte; wenn die Möglichkeit
borjen?"
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Aber passen Se Achtung, daß Se mir nich 3 Wappen abSe wissen, eine Tabaksdose von zwei Löwen gehalten, dem einen Löw' sein Kopp is schon wechgeschauert."
schauern,
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Wo wer' ich denn!"
,, Und bringen Se' n mir ooch wieder?"
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" Nanu!" rief Frau von Pfeifentopf sich so hoch aufrichtend, als ihre kurze Gestalt es erlaubte. Eine von Pfeifentopf hat noch immer abjejeben, was se sich geliehen hatte. Oder können Se mir vielleicht unter unsere sämmtliche Ahnen einen sagen, der einen eisernen Rochtopp geliehen und nicht zurückgebracht hätte?"
„ Nee, das sicherlich nich. Die Pfeifentopf's sind' n ebenso altes und jutes Jeschlecht wie die Druffte's."
Von dieser Erklärung beruhigt, wollte sich Frau von Pfeifenfopf zurückziehen, als die hochaufgeschossene Gestalt eines jungen Mannes die vierte Treppe heraufsprang und mit einer tiefen Verbeugung und den Worten: Guten Morgen, die gnädigen Damen!" die fünfte Treppe hinaufeilte.
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Guten Morgen, Herr von Schnuppke," erwiderten die beiden Damen im Tone höchster Freundlichkeit.
' S is doch' n wahrer Troft." sagte nach einer Weile die Druffle, daß es außer uns beide Familien noch einen Adligen in diesew Hause jiebt." Und noch dazu so'n noblen! Die Schnupple's find' n altes " So? Hat Ihr Mann bei's Heroldsamt nachgefragt? Er wollte
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Geschlecht
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doch Nee, nachgefragt hat er nicht.-- Aber, Schnuppke",- das klingt doch alt, ich bitte Sie Schnuppke!" " Ja, ja, Schnupfen giebt es, so lang' die Welt steht." Sehuse woll! Und er hat so was Ritterliches in seinem Be= nehmen. Wie er jestern bei uns zu Mittag war, hab' ich nur