„ Jakob, der Lekke"
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ausgestellt gewesen. In ihnen findet man den Maler der russisch. türkischen Kriegsbilder wieder. Nichts Heroisches", teine gestellte heißt der Roman, mit dessen Abdruck wir am nächsten Dienstag be- Szene, Episodenhaftes nur, aber mit allen Mitteln der Kunst zur ginnen werden. Es ist eine Waldbauerngeschichte aus der Gegen- Darstellung gebracht: Napoleon den brennenden Kreml besichtigend, wart und schildert die Art und Weise, wie in den Thälern, auf den Napoleon in einer Bauernhütte grübelnd, ob er den Zug fortsetzen Hängen der Alpen einzelne Kleinbauern, ganze Gemeinden von den oder umfehren soll, der Rückzug der großen Armee mit allen feinen Großgrundbefizern und über Nacht reich gewordenen Spekulanten Schrecken u. s. w. All das ist mit der raffinirtesten Technik gemalt „ gelegt" werden; wie dieses Legen" mit allen Mittelu, von der und wird gewiß vielen gefallen. Was uns betrifft, so halten wir raffinirtesten Gefeßesauslegung bis zur fleinlichen persönlichen Bos- es lieber mit dem Werestchagin, der ein sonnüberglühtes heit betrieben wird; wie die ehemaligen feßhaften Kleinbesitzer in Stück Felfentüfte auf die Leinwand bannt, Leinwand bannt, oder sandige die Fremde gejagt, hier zu Proletariern werden, verderben und Inseln der Dwina , das Innere einer russischen Holzkirche, das von untergehen; wie uralter, der Wildniß mit Schweiß und Blut ab- Falten über und über zerissene Antlig einer neunzigjährigen Bettlerin. gerungener Kulturboden, auf dem seit Jahrhunderten der Pflug ging, In dem Schöpfer dieser Gemälde erkennen wir den echten Werestchagin, die Sichel flirrte, wieder aufgeforstet, wieder zur Wildniß wird, dessen pantheistisches Mitleid alles Seiende mit gleicher Liebe umin der Hirsch und Reh das Jägerauge ergötzen, der Fuchs nach fängt, mit gleicher Treue im Bilde festhält. Ein ganzes Zimmer ist Raub schleicht. Der Autor des Werkes heißt Peter Rofegger. ausgefüllt mit den Photographien jener Bilder, die der Künstler Als der Sohn eines obersteirischen Waldbauern wuchs er auf. Da früher gemalt, der Szenen aus dem letzten russisch- türkischen Kriege, das schmächtige Bürschlein sich nicht zu der harten Landarbeit der Palestinabilder, die einst den Zorn des Wiener Erzbischofes und eignete, that man es zu einem Schneider in die Lehre. Und nun noch mancher auderer erregten, der Gemälde, die der Reise des wanderte er jahrelang mit seinem Meister von Dorf zu Dorf, von Künstlers nach Zentralasien ihre Entstehung verdanken. Und hat Hof zu Hof, von einer weltfernen Einschicht zur andern, und man das alles gesehen, dann wird man noch einmal zu den Farbenschneiderte„ auf der Stör " für Männlein und Weiblein, was sie stizzen zurückkehren, den Schneestudien vor allen, die beweisen, wie gerade brauchten. Aber das junge Schneiderlein hielt nicht blos die ernsthaft und ehrlich es dieser Russe mit seiner Kunst meint. Es Augen, sondern auch die Ohren offen. Was er an Volksliedern und ist ein reiches Künstlerleben, das uns in der Werestchagin- Ausstellung Gesängen hörte, das schrieb er auf, dichtete wo es noth, selbst etwas entgegentritt, ein großes Können, das keiner Schule fich zu eigen hinzu und hatte davon bald ein ganzes Heft voll. Es fand sich ein gegeben, das alle Darstellungsarten beherrscht, auf keine aber Berleger, und dem ehemaligen Waldbauernbuben ward es möglich schwört. gemacht, in seinen ersten Mannesjahren eine höhere Schule zu be- Die Ausstellung wird am 1. Februar eröffnet.- suchen. Von da an beginnt Rosegger's Aufstieg. Heute ist sein Name bekannt, soweit die deutsche Zunge klingt.
Was der Dichter mit seinem Jakob, der Lette" gewollt, wird unsern Lesern flar und deutlich entgegentreten. Es bleibt nur übrig, etwas über die Mittel zu sagen, die der Autor anwandte, um die von ihm gewollte Wirkung zu erzielen. Rosegger ist Realist, in dem Sinne, daß er die Bauern und Waldleute, die im Jakob der Lezte" handelnd auftreten, hinstellt, wie er sie wirklich gesehen, als Waldbauernbub, als Bauernschneider dann und als gereifter Mann, der seine Heimath bis in den letzten Winkel fennt. Es ist fein falscher Zug an diesen Menschen, tein aufgesettes Licht, tein geschniegeltes Aeußere und teine gebügelten Gefühle, es find Alpenbauern, feine in Lodengewänder gesteckten Stadtlente. Sie denken wie Bauern, handeln wie Bauern, reden und leben wie Bauern. Eins, und zwar das nach der naturalistischen Heilslehre Hauptsächlichste, hat der Dichter allerdings nicht vorgeführt, und zwar: das Brutal- Rohe. Wir glauben nicht, daß sich unsere Leser besonders darüber grämen werden.
Medizinisches.
-Bluter". Es giebt Menschen, die bei der geringsten Vers legung, wie z. B. einer einfachen Schnittwunde oder beim Ausziehen eines Bahnes, in Gefahr sind, sich zu verbluten; ihrem Blute fehlt die Gerinnfähigkeit, und deshalb rinnt selbst aus den kleinsten Haargefäßen das Blut unaufhörlich, und die Blutung steht niemals von selbst. Bei größeren Wunden, besonders wenn sie sich nicht nähen lassen, ist natürlich die Blutstillung sehr schwierig, die sichtbaren Gefäße fann man ja zubinden, aber aus dem Gewebe entleert sich soviel Blut, daß der Zustand gefährlich werden kann. Die Ursache des Leidens ist nicht bekannt. Der Zustand gilt als erblich, und man kennt ganze Bluterfamilien". Es darf daher die Mittheilung über eine eigenartige Blutstillung, welche Dr. Bienwald türzlich in der Deutschen medizinischen Wochenschrift" machte, wohl allgemeines Intereffe beanspruchen. Ein Kind, welches sich als echter Bluter entpuppte, hatte sich eine etwa 1,5 Zentimeter lange Wunde an der linken Schläfengegend zugezogen. Trotz Anlegens Aber Rosegger ist nicht blos Dichter. In vielen seiner Werke eines Kompressionsverbandes blutete es bald durch, so das reichlich stellt er sich auch als Sozialpolitiker vor. So auch in Jakob der Blut über die Backe floß. Dr. B. tamponirte sodann mit EisenLette". Dem Sohn des Waldbauern erscheint seine Jugend und chlorid- Watte, aber schon am Nachmittag hatte es so stark durchdie Verhältnisse, die ihn damals umgaben, jetzt, da sie weit hinter geblutet, daß alle Verbandstoffe trieften. Das Kind war schon ihm liegen, im rosigen Lichte. Das patriarchalische Verhältniß, das äußerst blutarm geworden, die Lippen waren wachsbleich, da früher auf Dem Lande zwischen Dienstgeber und Dienst- tam Dr. B. auf den Gedanken, gesundes, gerinnungsfähiges Blut nehmer bestand, deucht ihm gut, und er wünscht es wieder her auf die Wunde zu bringen. Er entnahm dasselbe mit einer Bravaz gestellt. Und vielleicht noch manche andere Ansicht des Sozial- schen Spriße vom Vorderarm der Großmutter des Kindes ans einer polititers Rosegger wird unseren Lesern ein leises Lächeln entlocken. oberflächlichen Blutader und sprizte es in die Wundhöhle. Es Mit recht. Aber nicht um diesen Rosegger, der in dieser Beziehung gerann dortselbst, die Wunde blieb trocken und heilte ohne weiteres.. niemals über den Gesichtskreis des Kleinbürgers fich erhob, handelt es sich hier, sondern um den Dichter Rosegger . Und dieser, so hoffen wir, wird unfern Lesern gefallen.-
Kleines Feuilleton.
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Technisches.
- Ueber den Simplontunnel werden folgende nähere Angaben gemacht: Mit 19 731 Metern Länge wird er der längste aller bis jetzt erstellten Tunnels fein( Gotthard 14 900, Mont- Cenis 12 220, Arlberg 10 250 Meter). Seine Höhe über Meer beträgt nur 6-700 Mtr. Dadurch sind die Tunneleingänge leichter erreichbar als bei den -Eine Menge der absonderlichsten Projekte hat die für fast doppelt so hoch liegenden anderen Alpentunnels, und die 1900 angefekte Pariser Weltausstellung hervorgerufen. Ein füd- nördlich und südlich des Simplons vorhandenen großen Wasser franzöfifcher Jugenieur, namens Michel schlägt vor, alle Knochen fräfte laffen sich günstiger zum Bohren, Lüften und Kühlen aus den Pariser Katakomben zu holen und damit Triumphbogen zu des Tunnels verwenden. Die über dem Tunnel lagernde errichten, um den Menschen zu zeigen, was nach hundert Jahren große Gebirgsmasse bedingt auch eine hohe Temperatur im von ihnen übrig bleibt; diese würden sich nach diesem Schauspiel Tunnel; man berechnet diefelbe auf höchstens 40 Grad C. Der defto eifriger in den Strudel der Bergnügungen werfen. Ein zweiter Bohrgesellschaft wurde die Verpflichtung auferlegt, die Temperatur Erfinder möchte die Besucher der Ausstellung auf einer Kugel durch an den Arbeitsstellen unter 25 Grad C. herabzudrücken. Das einen starken Wasserstrahl bis in eine Höhe von 200 Metern be: Nordportal liegt 53 Meter höher als das Südportal. fördern, was einen ganz angenehmen Zeitvertreib bieten würde. Wafferabflusses wegen steigt der Tunnel von Norden 2000 bis 200 Meter find einem anderen Ingenieur viel zu wenig. Er möchte zur Mitte und fällt von dort aus 70/00 bis zum Südausgang. Von in der Höhe von 1000 Metern eine Plattform von 1000 Quadrat- der Gesammtlänge fallen 8330 Meter auf italienisches Gebiet. Die metern errichten, auf die noch ein Thurm mit großem elefirischen Baukosten des Tunnels find auf 54%, Millionen Franken ver Reflektor fäme. Auf diesen Thurm möchte er dann einen Erdglobus von 100 Metern Durchmesser und auf diesen ein 50 Meter anschlagt; der Bau soll nach 5 Jahren 4 Monaten vollendet sein. hohes Standbild seßen, einen französischen Soldaten in FeldHumoristisches. adjustirung, in einer Hand eine Trompete, in der anderen einen Delzweig. 7
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Kunst.
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Der französische Schriftsteller Alexander Dumas war eines Tages von seinem Hunde in die Hand gebissen worden. Raum war die Nachricht davon bekannt geworden, als ein gewiffer
Die in dem alten Reichstags- Gebäude untergebrachte Maron sich bei ihm einfand und ihn um ein paar Worte von seiner Werest chagin Ausstellung enthält über hundertundfünfzig Sand ersuchte. Sie fommen wirklich sehr ungelegen," erwiberte Gemälde, Farbenstudien und Photographien, außerdem in zwei der Dichter. mein Hund hat mich gestern gebiffen und mit der Schränken eine ganze Anzahl altrussischer Schmucksachen und linken Hand bin ich sehr ungeschickt." Ja, gerade deshalb fomme Gebrauchsgegenstände. Die Hauptanziehungskraft der Sammlung ich ja", war die Antwort, man sagt, Ihr Hund habe die Tollwuth, wird von den Bildern ausgehen, die Episoden aus dem russischen und in diesem Falle werden Ihre Autographen vielleicht bald sehr Feldzuge Napoleon I. zur Anschauung bringen; die Gemälde felten werden". Wir falfuliren, daß Herr Maron nach diesen find erst fürzlich vollendet worden und in Berlin noch nie Worten nicht mehr Zeit fand, die Thür von draußen zuzumachen.Verantwortlicher Redakteur: August Jacobey in Berlin . Druck und Verlag von Mag Bading in Berlin .