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Eine Handbewegung machte er noch, als ob er die ganze Festgesellschaft mitsammt dem Steppenwirthshaus von sich schieben wollte, dann ging er davon. Wie tief erregt er war, im Herzensgrunde aufgewühlt, es ist nicht zu sagen.

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raschelt, aber Ihr werdet nimmer grün. Ihr seid feige, lauft aus den strengen firchlichen Verordnungen dagegen, daß es vom 14. dem Bauernstand davon, weil er hart und ernsthaft ist. Ihr bis 17. Jahrhundert bestand. Es war eine ganz feste Einrichtung. seid hoffärtig, und weil Euch der Wind trägt, so glaubt Ihr, Auch in England kannte man und kennt man noch die rough music, die Katzenmufit, mit Kesseln, Bratpfannen, Schüreisen u. dergl., dort Ihr wäret Vögel und könntet fliegen." besonders angewandt gegen Eheleute, die sich schlecht vertragen, oder Lieber Vögel als Maulwürfe!" schrie einer drein. wenn ein sehr alter Mann ein sehr junges Mädchen heirathete oder " Der Maulwurf ist ein nüßliches Thier," sagte der Jakob, ein Neger eine Weiße zur Frau nahm. Im vorlegten Fall wird wenn er aber Flügel haben und eine Lerche sein wollte! Pfui die Razenmusik auch in Italien aufgeführt und heißt dort scampa­Teufel!" nata. Jn Lübeck finden wir eine Verordnung aus dem XV. Jahr: Schön fann er predigen," lachte der Waldmeister. hundert, welche das Verspotten und Lärmen vor den Thüren Sich­Wenn ein Abschiedsfest ist, meine Herren, so muß auch wiederverheirathender verbietet. Auch in der Schweiz bestand noch eine Abschiedsrede sein," sprach der Jakob, sie ist gehalten. vor airka dreißig Johren die vollständige Sitte des Charivari; der Ihr seid draußen, ich mache die Thür zu. Helf' Euch Gott !" Redakteur der Züricher Post", Reinhold Ruegg , erzählt mir, daß er als Ruabe einen Aufzug mitgemacht habe, ohne damals zu wissen, um was es sich handele, wobei ein Haufen Männer und Weiber am Vorabende des Hochzeitstages unter Absingen garstiger Lieder vor das Haus der Braut gezogen sei und ihr in böhnischer und unfläthiger Weise ihren neuen Stand unter Aufdeckung der ge heimsten Beziehungen vorgehalten habe; auch auf ihr angebliches oder wirkliches Borleben bezügliche Dinge und Vorkommnisse wurden hier in brutalster Weise kundgegeben. der ganze Platz vor dem Haus und alle angrenzenden Straßen zum Ausdruck der Berachtung mit Sägespänen bestreut. Spreu, Sägespäne, Kleie, Häckerling galten als Abfallstoffe feit urdenk­lichen Zeiten als Ausdruck der Verächtlichmachung. In Frank­ furt " erzählt Seppdiente das Häckselstreuen im XVII. Jahr­hundert zur Verhöhnung bei der Hochzeit." Am Niederrhein wurde der bräutlichen Wittwe Häcksel gestreut, wenn sie ihren ersten Mann nicht ordentlich behandelt hatte. In Kissingen und Umgebung wurde bis vor kurzem anrüchigen Mädchen Häcker­ling vor die Thüre gestreut, und zwar am Sonnabend, damit es am Sonntag die Leute alle sehen. Wie sehr es aber in solchen Fällen rein auf die Verächtlichmachung des erotischen, des sinnlichen Prinzips abgesehen war, zeigt die Sitte in Oberschwaben . Dort wurde der Hochzeiterin von ihrem Hause bis zum Stall des Dorfhagen( Zuchtstiers) Spreu gestreut.

Die Leute, so am Tische saßen oder durch die leiden­schaftlichen Worte des Jakob herbeigezogen umherstanden, schauten sich mit verblüfften Gesichtern an. Was da gejagt worden, war eigentlich doch merkwürdig, und wer es gejagt - das war's noch mehr. So hatte den stillen freundlichen Jakob feiner gekannt!

Der alte Sandler, der vorhin mit geneigtem Haupte dem Jakob zugehört hatte, ergriff jetzt den Arm des Oberförsters und sagte: Bedenken muß ich's doch erst, Waldmeister, und meinen Buben fragen."

Was willst bedenken?"

Des Hausverkaufes wegen. Bedenken."

" Aber Sandler!" riefen jetzt mehrere zugleich, der Kauf fst ja abgeschlossen."

Die Herren sind Zeugen!" sprach der Waldmeister, auf die Bauern deutend, und das Geld hast im Sack."

Der Alte sagte nichts mehr, sondern saß, noch tiefer zu­sammengefauert, reglos unter der Linde.

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Dabei

war

Auch das Märzrufen", das Tratto Marzo, am Gardasee und in den anstoßenden Bergen gehört hierher. Dort werden in den Im Hause klang die Zither, johlten die Tanzenden, die ersten Tagen des März bei einbrechender Dunkelheit von unbekannter Trinkenden, schrillte das Anstoßen der Gläser. Wohl auch Stimme vor den versammelten Bewohnern des Städtchens die be Wohl auch fannten und heimlichen Liebespaare des Ortes ausgerufen, wobei aber die Volksmenge unter Gelächter und Wizen ihre Gloffen dazu macht, die Paare applaudirt oder als nicht statthaft zurückweist. Auch hier fallen rohe und obscöne Bemerkungen, die schließlich zur Haupt­fache werden. Auch hier hat die Regierung vergeblich gesucht, die uralte Sitte, die schon Horaz kannte, abzustellen.

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dem Sandler zu Ehren galt jetzt das Freudenfest er saß wie leblos dort, und auf seiner Stirne standen talte Tropfen.

3 ist ihm halt aufgesetzt gewesen!" würde der Wegerer gefagt haben. Der Wirth tam mit frischem Wein und sprach: Den schickt Dir der liebe Herrgott, weil Du brav bist gewest!" Der alte Sandler trank nicht, er taumelte davon. ( Fortsetzung folgt.)

Dom Haberfeldfreiben*).

Bon Ostar Panizza.

Die grobe Unfläthigkeit und starke Laszivität in den oberbayerischen Haberer Protokollen war immer ein Gegenstand besonderen Aufmerkens bei dem Kulturforscher. Man war immer erstaunt, bei einem so ein­fachen, biederen, von der Kultur wenig beleckten, im ganzen sitten­reinen Stamm, wie den Altbayern und den Bewohnern des bayerischen Gebirges eine derartig starke Betonung und rücksichts­lose Hervorkehrung erotischer Beziehungen in den Haberer" Protokollen ihrer Sittengerichte zu finden. Wie kommt frug man fich eine so urkräftige, durch keinen Einschuß fremden Blutes verdorbene, bis vor kurzem fast abgeschlossen in ihren Bergen wohnende Bevölkerung dazu, in ihrem Rügeverfahren das Aufdecken von geschlechtlichen Beziehungen direkt zum Haupt­gegenstand des Interesses zu machen, und in der Luft, diese Be­ziehungen breitzutreten und in grausamer Deutlichkeit bei ihnen zu verweilen, geradezu zu excediren?

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Schließlich dürfen wir aber unsere Polterabende" nicht über­geben. Es handelt sich doch auch hier um eine mehr weniger harm lose Neckerei der Brautleute, um das Anrußen der Gesichter beim Schwarz- Peter"-Spiel, um allerlei Schelmenstücke, bei denen immer wieder das Brautpaar die Zielscheibe des Spottes ist, und um lärmendes Austoben der jungen Leute und Sichgehenlassen, wobei die Großen selbstgefällig zuschauen. Also eine Art Salon- Charivari. Aber doch Charivari. Doch ein kleines Haberfeldtreiben.

Was hat das nun alles für einen Sinn? Auf welchem religiösen, fittlichen, Gewohnheits- oder humoristischen Motiv baut sich dieses Hänseln, dieses Necken von Liebesleuten auf? Auch wir, wir alle, wenn uns jemand sagt, daß er sich verlobt habe, haben da ein höhnisches Grinsen in Bereitschaft. Was giebt es da zu lachen? Ja, wir lachen alle und wissen nicht warum. Steckt da irgend ein todter, psychologischer Kern in uns, deffen wir nicht bewußt werden? Warum verhöhnen wir unsere Nebenmenschen, wenn der heiligste und gewaltigite Naturtrieb sie zu einander führt, in einer Situation, die die alten Kulturvölker, die Griechen, die Römer, zu den keuschesten und ernstesten Symbolen und Mythen umgebildet haben, und aus der sie die unvergleichliche Gestalt der schaumgeborenen Anadyomene erstehen ließen!

Sehen wir zu!

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Wenn wir die Haberfeldtreiben", von denen wir hier auss Bevor wir jedoch der Sache auf den Grund zu kommen fuchen, gegangen sind, nach ihrer Entstehung rückwärts verfolgen, dann müffen wir an einige Erscheinungen erinnern, die uns zeigen stoßen wir auf die ältesten heidnisch- christlichen Schnittergebräuche werden, daß das Verhöhnen in geschlechtlichen Dingen und das bei der Halmernte, besonders bei der Haberernte, und hier finden Einander- Nachstellen der Menschen in sittlichen Vergehen ein inter - wir eine Reihe von Spielen und Scherzen ein Treiben" auf nationaler Gebrauch war, der zum theil heute noch besteht. So dem Haberfelde die eine ausgesprochene Verhöhnung in Hinsicht war das Charivari in Frankreich ein direkt obscönes Spiel, eine geschlechtlicher Dinge, in Hinsicht des Liebesgenusses zum Inhalt Radau- Aufführung in dunkler Nacht, wobei man in Verkleidungen, haben: eben jener internationale heidnisch- christliche Kern, der mit geschwärzten Gesichtern und unter Aufführung eines entsetzlichen im Haberfeldtreiben" steckt, und zu dem wir oben so viele Lärms vor das Haus der Braut oder des jungen Ehepaares, auch Parallelbeispiele aus allen Ländern bis in die neueste Zeit anführen der sich wiederverheirathenden Wittwe zog und unter Absingen fonnten. zotiger Lieder der jungen Dame die gemeinsten Anklagen ins Gesicht Schleuderte, Anklagen, die sich nicht auf gewisse Vergehen, sondern einfach auf die Thatsache der Verheirathung, des Eingebens eines finnlichen Verhältnisses bezogen. Man hat keine Ahnung, wie diefes Wort Charivari- unser Wort Charivari, Uhrgebänge, welches die französische Sprache nicht fennt, ist offenbar aus dem flirrenden Geräusch der metallenen Anhängsel bergenommen, denn Charivari bedeutet ursprünglich Lärm man hat keine Ahnung, wie dieses fittenverhöhnende Charivari entstanden ist, auf welcher Basis es sich ausbildete, welches Motiv eigentlich in ihm steckte; man weiß nur

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Aus der Wiener Rundschau".

Es war nämlich Sitte, daß, sobald der letzte Drischelschlag auf der Tenne erklungen oder der letzte Halmbock auf dem Nehrenfelde gebunden, die leßte Garbe gemäht war, derjenige, der den letzten Schlag gethan, den letzten Sensenbieb geschwungen, zum Gegenstand von Hänseleien, versteckten Anklagen und beleidigenden Verfolgungen gemacht wurde, die alle einen stark erotischen, um nicht zu sagen obfcönen Charakter haben und in denen eine direkte Verhöhnung und Beschimpfung jedes Liebeslebens, einerlei, ob legalen oder illegalen, zum Ausdruck fommt. Es wurde ein Kranz aus Haberstroh ge­bunden, ihm, dem Unglücklichen, auf dem Rücken befestigt und er unter Geschrei und Verspottung durchs Dorf Dorf geführt. Man sagte, er hat die Sau bekommen". Oft tonnte er noch ver­