enlstand ganz plötzlich ein betäubendes Delöse, u»d daS ganze Schiff erzitterte: et war die erste Eispressung. Jeder stürzte a» Deck, um zuzusehen. „Die„Fram" verhielt sich wundervoll, wie ich es von ihr er- wartet hatte. Mit stetigem Druck schob sich das Eis heran, doch muhte es unter uns durchgehe«, und wir wurden langsam in die Höhe gehoben. Diese Preffungen wiederholten sich ab und zu den ganzen Stachmittag und waren manchmal so star!, daß die„Fram' mehrere Fuß gehoben wurde; aber dann konnte das EiS sie nicht länger tragen und brach unter ihr entzwei.... „Das Eis ist ruhelos, und es gab heute wieder eine ziemlich starke Preffung. Sie beginnt mit einem leisen Krachen und Aechzen längs der Schiffsseite, das allmälig in allen Tonarten lauter wird. Jetzt ist es ein hoher klagender Ton, dann ein Grollen, dann ein Knurren, und das Schiff beginnt, sich aufwärts zu bewegen. DaS Ge- rausch nimmt stetig zu, bis es wie sämmtliche Pfeifen einer Orgel er- tönt; das Schiff erzittert und schüttelt sich und erhebt sich in Sprüngen und Sätzen oder wird manchmal langsam gehoben. „Es ist ein angenehmes, behagliches Gefühl für uns. wenn wir auf all diesen Aufruhr borchen und uns dabei der Stärke unseres Schiffes bewußt sind. Manches Schiff wäre schon längst erdrückt worden. Aber bei uns wird das Eis an der Schiffsseite zermalmt, die zertrümmerten Schollen werden haufenweise unter den schweren. unverwundbare» Rumpf gedrängt, und wir liege» wie in einem Bette. Bald beginnt das Geräusch zu ersterben, das Schiff sinkt in seine alte Lage zurück, und dann ist alles wieder so still wie früher." Theater. — Drei neue Einakter am Freitag im Theater des W e st e» s, das war ein bischeu viel ans einmal. Dramatisch am wirksamsten erwies sich das kleine Lustspiel„Jephta's Tochter" von Felix Cavalotti, dem bekannten italienischen Politiker. Es ist eine witzige, sauber gefeilte Arbeit. Ein junges Mädchen wird vom Vater an einen lebemännischen Grasen verkauft; es komnlt ihr vor, als hätte ihr Vater an ihr gehandelt, wie Jephta , der sein Kind geopfert hatte. Aber Beatrice weiß durch Geist ihre Würde zu behaupten und ans der formalen Ehe eine wirkliche zu schaffen. Sie erobert ihren Gatte» und bezwingt ihn zur Liebe. Nicht jede hätte so viel Geduld, nicht jeder wäre ein solcher Gatte der Eroberimg werth. Fräulein R u p p r i ch t bewies als Beatrice einige schelmische Grazie und so kam es zu einem starken Erfolg.— Der blieb bei dem Einakter .Ein Weihnachtsabend" von W. Kra gh, einem nordischen Dichter, völlig aus; ja die Opposition wurde lebhaft rege. Das hat die leicht melodramatische, freilich allzu zarte Arbeit nicht verdient. In einem intimeren Räume wäre es wohl anders gekommen. Zwei einsam alternde Menschen erfahren zu spät, was sie sich hätten werde» können und wie sie durch kleine Vorkommnisse sich einschüchtern ließen. In diesem Stimmungsbild wirkte besonders Herr Rohland durch schlichte Auffaffung eines alten, zum scheuen Sonder- ling gewordenen Junggesellen.— Stark in Melodramatik, aber in romantischer, arbeitet der dritte Einakter„Im Trappistenkloster" von Mummert, einem jungen deutschen Schriftsteller. Aus der höchst romanbasten Geschichte, wie ein junger Husarenlieutenant in einen, österreichischen Trappistenkloster� den Verführer seiner Mutter. einen ehemaligen fahnenflüchtigen Offizier als büßenden Mönch findet, wie dieser Büßer dann gebrochen stirbt, hat der Verfasser doch im einzelnen theatralische Wirkungen geschöpft. Als Kuriosum sei erwähnt, in seinem Stück kommt keine Frauenrolle vor.— — Das Schiller-Theater hat am Freitag, wohl um den in Berlin anwesenden Rosegger zu ehren, ein Drama des fteirischen Dichters aufgeführt. Das Volksschanspiel„Am Tage des Gerichts" ist nicht neu; wenn wir recht unterrichtet sind, ist es 1391 in Graz und ein Jahr darauf in Berlin mit wenig Erfolg gegeben worden. Rosegger führt in dem Stück wunderlich bunt die Leiden und Leidenschaften der aus seinen Romanen de- kannten fteirischen Waldleute und noch einiges mehr vor; wir sehen den zertretenen Straßl-Toni, der als Ortsfremder vergebens sich nach ehrlicher Arbeit umschaut, und zum Wilddieb werden muß, wenn er sein Weib und seine zahlreichen Kinder sattinachen will; in einer Episode erscheint der korrekte Förster, den der Toni erschießt, als es sein Leben oder das des Gegners gilt. Es folgen dann in lebhasten Farben derbhumorislische Spitzbuben- Unterhaltungen im Gefängniß, die abgelöst werden von Rührscenen, in denen das hilf- lose Weib des gefangenen Toni in der Wittwe des erschoffenen Försters seinen rettenden Engel findet; und das ganze endet mit einer vielgestaltigen Gerichtsverhandlung, in der selbst der Staats- anwalt sentimental wird und nicht allein um Gerechtigkeit, sondern auch um Milde für den in Schmerzen aufgelöste» Sünder bittet. So packend im einzelnen alles ist. so muß man doch wohl jenen recht geben, die da sagen, daß Rosegger wohl ein prächtiger Romanschriftsteller, aber kein Dramatiker sei. Das Stück ist ein dramatisirter Roman, aber kein ursprüngliches Bühnenwerk; in seinem gequälten Aufbau erinnert es an die Leiden seines Helden, der auch von ungefähr aufgelesen worden ist und ungeachtet alles Strebens nicht zur gewollten Geltung komnien kann. DaS Schiller-Theater gab sich redliche Mühe, Rosegger '» Schau« spiel zu einem Erfolg zu verhelfen. Herr Palepp spielte de» Wild- schützen mit wackerem Fleiß und verfehlte nicht, namentlich auf den Theil seiner Rolle, der auf das Gefühlsleben wirken soll, reichliches Gewicht zu legen. Ein drolliges Mitglied der Schelmenznnft war Herr Schmasow, und Fräulein Detschy gab das arme Weib de? Straßl-Toni packend. Sehr brav führte sich ein Gast, Fräulein Klotilde Barth als Förstersfrau ei»; die leicht zur Rührscligkeit verführende Rolle wurde von der Dame schlicht und nalurwahr gespielt. Kunst. — Sammlung Goncourt. Die zweite Auktion. die Kunstgegenstände. Nippsachcu und Hausralh aus dein 18. Jahr- Hunderl umfaßte, hat 229 523 Fr. ergeben. Ein Salon-Möblement, ein Sopha mit acht Lehnstühlen aus der Zeit Ludwig XV. wurde für 33 600 Fr. verkauft. Vor etwa dreißig Jahren hatten die Goncourt's dafür 3000 Franken bezahlt.— Geschichtliches. W. Als der römische Kaiser Severus(199—211 n. Chr.) sich selbst durch den Akt der Adoption dem Hause der Antonine einverleibt hatte, sagte ein witziger Senator zu ihm:„Ich wünsche Dir Glück, Cäsar, daß Du endlich einen Bater gesunde» hast." Der Kaiser nahm das nicht übel und entzog dem Witzbold sein« Gunst nicht. Einem anderen Senator von gleich spitzer Znnge diktirle er jedoch Hausarrest. Auch dann noch spottete jener weiter über seine kniser- liche Majestät, die ihm schließlich drohte, ihm den Kops abschlagen zu laffen. Der Unverbesserliche aber antwortete:„Das kannst Du. so lange er mir aber noch ans den Schultern sitzt, kannst weder Du, noch ich ihn in Ordnung halten."— Kulturhistorisches. — Ein alter Speisezettel. Im Jahre IlSO lautete da? durch Statuten festgestellte Menu des D o m p r o p st e S von Bafel zu Weihnachten, vier Tage hintereinander: 1. Gang: Schinken, Füße und Kopf des Schweines mit Gallerte oder Sulz. 2. Gang: Gchäcke mit neunerlei Gewürzen, vier Arten Würsten, Magen-, Lungen- und Blutwurst, Schübling; ferner Hammen, Zunge, Rückenstück, Kinnbacken, alles ivohl gepfeffert. 3. Gang: Geräuchertes Rindfleisch mit Kohl. 4. Gang: Feistfleisch von großen und kleinen Schweinen, wohl gepfeffert. 5. Gang: Schluckbraten und Schmerbratm. 3. Gang: Eber- und Wildfleisch. 7. Gang: Feinfleisch mit Senf. 3. Gang: Hirsen mit Eier», Milch und Blut gekocht. 9. Gang: Gespickte Schweinskeule. Aus je acht Domherren wurde täglich ein Schwein gerechnet.— Völkerkunde. — Bei den in Russisch-Turkeftan im Alai-Gebirge wohnenden Kara-Kirgisen(schwarzen Kirgisen) ist der H o ch z e i l s l a g ei» Tag der Schande. Der Bräutigam wird nämlich fast entkleidet nnd mit einein Strick um den Hals zum Gespött von Alt und Jung um hergeführt. Während des eigentlichen Festes bindet nian ihn so fest, daß er sich kaum bewege» kaun, und die Gäste, besonders die weibliche», quälen ihn dabei auf alle mögliche Weise bis. zur Ver> zweiflung.— Humoristisches. e. Reingefallen. Seit einigen Wochen sind in dem Städtchen Rockport in Nordamerika Hübnerdiebe an der Arbeil, die mit beispielloser Frechheit unter dem Federvieh aufräumen. Alle Bemühnngen, der Diebe habhaft zu werde», schlugen fehl. Nun halte Gemeinderath John Sieger am 14. Februar seine Amts- kollegen zu einem gemüthlichen Abend in sein« Wohnung eingeladen, und als sich die Gäste in sehr gehobener Stimmung auf dem Heiniweg machten, war es bereits ziemlich spät. Man kam durch ein kleines Wäldchen und war nicht wenig erstaunt, einen Wagen zu finden, vor dem«in Pferd gespannt war. Das Pferd war an einen Banm gebunden, und in dem Wagen lagen mehrere leere Säcke und eine Menge Hühnerfedern, die erkennen ließen, daß man es hier mit dem Wagen der Hühnerdicbe zu thun hatte. Dem Gemeinderath Jakob Heitz kam es vor, als wenn das Pferd nach Rockport gehöre, und er stellte den Antrag, sich auf den Wage» zu setzen, das Pferd loszubinden und es dem Thier« zu überlassen, einen Stall zu finden und dadurch die Entdeckung des Diebes zu ermöglichen. Gesagt, getban. Der ganze ivohllöoliche Gemeinderath, sowie der Bürgermeister, nahmen aus dem Wagen Platz und das Pferd ging seiner Wege. Zwei Stunden dauerte die Fahrt, bis das Pferd vor dem Hanse des Bürgermeisters Halt machte. Das Thier begann unruhig zu werden und sich zu bäumen, und der Wagen drohte umzufallen. In seiner Herzens- angst holte das Oberhaupt des Städtchens«inen Revolver hervor und feuerte auf das Pferd. Dieses brach todl zusammen. Die Fra» Bürger- Meisterin stürmte im Nachtgewande herbei nnd lonstatirte, daß ihr Gatte ein eigenes Pferd, das am Abend aus dem Stalle gestohlen worden war, erschossen hatte. Weiter« Nachforschnnge» ergaben. daß. während die Stndtväter in der Welt heruinkutschlrten, jedem seine sämmtliche» Hühner gestohlen worden waren. Man eilte zurück,»m den Wage» zu holen, aber dieser war verschwunden nnd Gemeinderath John Fischer, der ebenfalls bei der Gesellschaft war, entdeckte, daß der Wagen sein Eigenthum gewesen.— Pinkerton will nach Rockport sein Hauptquartier verlegen. Gr meint, von den Stadtvätern könne er noch etwas lernen.— Verantwortlicher Redakteur: Rnznst Jacobe,) i» Berlin . Druck und Verlag von Max Vading in Berlin .
Ausgabe
14 (28.2.1897) 42
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten