Unterhaltungsblatt des Vorwärts
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Nr. 45.
Jakob der Lekte.
Donnerstag, den 4. März.
Eine Waldbauerngeschichte aus unseren Tagen. Von Peter Rosegger .
Der Friedel und die Angerl brachen mit herzzerreißenden Klagen nieder auf ihre Knie und überschütteten die Leiche mit Liebkofungen und zärtlichen Zurufen, wie im Leben niemals. Der Jakob blieb aufrecht wie ein Stamm. Später erst ging er hinaus in die Kapelle, und gleichsam, als wollte er es an der geheiligten Stelle seinen Vorfahren sagen, was über ihn gekommen, weinte er sich dort stille aus.
1897.
aufhören zu nagen. Aber das Heimweh! Das Heimweh! Es wird so sein. Es wird gewiß so sein. Er ist des Jakob's Sohn."
Als sie an den Steppenhof tamen, setzten sie auf der Brücke den Sarg nieder, wie es Gitte war, wenn sie einen Todten davontrugen, und stimmten auch hier ein altes Lied an, in welchem der Todte Abschied nimmt von der Heimath: Mein Altenmoos, behüt' dich Gott ! Nun muß ich dich verlassen;
Sei mir bedankt für Speis und Trank Auf meiner Pilgerstraßen.
Und sei bedankt für Dach und Fach, Nun muß ich Urlaub nehmen,
B'hüt' Gott, bis du am jüngsten Tag Zu Afchen wirft verbrennen."
Auch Friedel's Herz klang mit: Mein Altenmoos, behüt'
Am nächsten Tage ging er nach Sandeben, um für sein Weib die Glocken läuten und das Grab bereiten zu lassen. Ju ruhigem Ernste wiegten die Klänge hin in die Wälder. Das waren die Glocken, welche auch die Vorfahren zum dich Gott !" Altare und zu Grabe geläutet hatten. Die Leute bei der Arbeit und auf den Gassen zogen ihren Hut vom Haupt und beteten ein Vaterunser für das hingeschiedene Mitglied der
Gemeinde.
Als der Jakob nach den traurigen Bestellungen über den Kirchplatz ging, hielt ihn der Amtsbote an und sagte, wie froh er sei, daß ihm der Weg nach Altenmoos erspart werde und der Reuthofer die Sachen gleich selber mitnehmen könne. Bwei bläuliche Papierbogen waren es, der eine vom Steueramt, der andere vom Militärkommando. So oft der Staat fich beim Landmann meldet, will er etwas haben. Gleichwohl dachte sich heute der Jakob, kann es diesmal anders sein und es ist etwan gar die Befreiung da, für den Friedel.
Was auf dem Papier vom Steueramt steht, das weiß man. In der Schrift vom Militärkommando stand, daß der Friedrich Steinreuter binnen achtundvierzig Stunden sich bei seinem Regimente einzustellen habe, widrigenfalls er als Deserteur behandelt werden würde.
Bei einrückenden Rekruten ist es der Brauch, daß sie jauchzen. Der Friedel war dieser Sitte enthoben.
Als sie auf dem Kirchhofe den Sarg mit Stricken in die Tiefe sentten, duckte sich hinter einem Bretterkreuze Furchenbauer's Jderl und wußte sich vor Schluchzen nicht zu fassen. Sie weinte um den Todten, der auf den Füßen stand. Als Friedel nach dem Begräbnisse an ihr vorüberstrich, tastete er ein wenig gegen ihre Hand und sagte mit heiserer Stimme: Geh, begleite mich."
"
" Das darf nicht sein," antwortete das Mädchen, Du mußt jetzt mit Deinem Vater und Deiner Schwester gehen. Bleib' gesund, Friedel, und halt' Dich fest. Wir werden noch lange beisammen sein all zwei. Da- daBehüt' Dich Gott !"
verlier's nit.
Einen Silberthaler hatte sie ihm in die Hand gedrückt. Als die Leute aus Altenmoos im Dorfwirthshause gegessen, getrunken und allsammt ein lautes Gebet verrichtet batten für die arme Seele derjenigen, die man zur Erde bestattet, verabschiedete sich der Friedel von seinen Bekannten. Dann nahm er sein blaues Handbündel und ging. Sein Vater, seine Schwester Angerl und ihr Mann, der Florian, be gleiteten ihn hinaus bis zu den zwei Ahornen, wo sich das Wiesenthal einengt und die Straße zwischen Waldbergen und neben der stillwogenden Freising davongeht. Sie wußten unterHinwegs nichts mehr zu reden, es war alles schon besprochen und wiederholt besprochen worden, und Einiges wiederholten sie nun noch einmal. Als der Vater Jafob an einem Holzstock zurückblieb, um seine locker gewordenen Schuhriemen zu binden, eilte die Angerl mit dem Bruder voraus und hub neuerdings zu weinen an.
Er sollte das Hans verlassen zugleich mit seiner Mutter, die im Sarge lag. Bevor die Altenmoosermänner den Sarg hoben, sangen sie das übliche Todtenlied, in welchem die Hin
geschiedene also spricht:
Leb' wohl, Du Eh'mann, vertrauter, Ich muß in das tühle Grab, Ich bitte Dich wohl um Verzeihen, Wenn ich Dich beleidigt hab'. Dtrauert nicht, Freunde und Nachbarn, Wir kommen einst wieder zufamm', Jezt hebt meinen Leib und tragt ihn Zum Freithof hinaus im Gott 'snam. Auch Euch wird der Tod abfodern, Ihr Lieben, und heut ist's an mir. Auch Du mußt im Grabe vermodern, Schon morgen vielleicht ist's an Dir. Jetzt wird mich die Erde bald decken, Ich wart' auf das jüngste Gericht, Da wird die Posaune mich wecken Zu Jesu ins ewige Licht."
Nach diesem Gesange, der von den Umstehenden mit tiefen balblauten Stimmen abgesungen wurde, hoben sie den Sarg. Der Zug bewegte sich aus dem Hause und mit ihm ging der Friedel.
Ein alter Maun, der auch mit war und sich bei den Leuten austannte, der flüsterte während des lauten Gebetes seinem Nebenmann zu:" Wir haben heute zwei Leichen bei uns."
Wie so?"
" Noch ein Anliegen habe ich halt", schluchzte sic dem Friedel zu.
Schwester!" sagte der Friedel weichmüthig.
" Dem Vater getrau' ich mir's gar nicht zu sagen", fuhr fie fort. Er wird jetzt wohl bald ganz allein sein zu Altenmoos. Wir werden auch fort müssen. Es wird nicht lange mehr möglich sein, daß wir uns halten. Du glaubst es gar nicht, wie uns der Waldmeister aufsässig geworden ist. Wo er uns was anthun kann, da thut er's. Jetzt versagt er uns auch die Waldstreu. Ueber den Hag her ist ein Baun gestanden, daß unser Vich nicht in die Baumschul' des Kampelherrn hat tommen können. Den Zaun hat der Waldmeister wegreißenlassen und gestern hat er uns zwei Kühe, die in den Hag gegangen sind, davongetrieben. Oben hat er von der Schlucht das Wasser herausgeleitet, wegen der Wiese, sagt er, aber jetzt rinnt es über unsern Weg herab und hat schon Löcher ausgeriffen, daß man eine Heufuhr kunut hineinwerfen. Du weißt es, Florian," fuhr die junge Bäuerin nun zu ihrem Manne gewendet fort, wo Du Dich wehrst, da ist er mit dem Abstiften da. Wir stecken mitten im Rampelherrn, er tann uns erstiden, wann er will, wir haben schon heut' keinen Athem. Zu Altenmoos ist kein Bleiben mehr."
Die eine wird getragen, die andere geht zu Fuß." Mit der letzteren meinte er den blassen Burschen, der" Angerl," unterbrach sie der Florian, wir wollen dem fich zwar bemühte, stramm aufrecht zu bleiben und der Friedel nicht auch noch mit unserer Sach' hart machen.- Sonne schuld zu geben, wenn er unterwegs den Hut vor die' s wird schon wieder besser werden und bis Du heimkommst, Augen hielt, dem aber doch anzumerken war, was in ihm Schwager, findest Du uns vielleicht heraußen auf der Sandvorging. eben oder wo. Komm halt bald zurück, wir wünschen Dir nur den lieben Gesund."
Der alte Mann fuhr in seinem Geflüster fort:" Heute geht's noch, heute hat er zwei Wölfe in sich, da frißt der Jetzt war auch der Vater nachgekommen und fi eine an dem anderen. In vier Wochen, wenn auf der Mutter hatten die zwei Ahorne erreicht. Dort blieben sie ein wenig Grab das erste Gras wächst, wird das Leid um die Mutter stehen, dann begleitete der Friedel seine Leute wieder eine