— Für den dialektisch geschulten Verstand ist das richtige Weißnur dasjenige, von dem philosophisch bewiesen ist, daß es eigentlichschwarz ist.— Mises(G. Tb. Fechner).— Proletarier kann jeder werden, noch leichter als Beamter.—H. W. Riehl.— Nie ist der Mensch kleiner, als wenn er strafen und plagenwill, ohne zu wisseil wie.— Jean Paul.— Die Menschen schämen sich nicht, etivas Schmutziges zu denken,aber sie schämen sich sogleich, wenn man von ihnen denkt, daß sieetwas Schumtziges denken.— Nietzsche.Theater.— Gerhart Hauplmann's„Versunkene Glocke" hat auchim Wiener Burg-Thealer gefallen. Allerdings war derBeifall nicht so stark wie im Deutschen Theater. Ter Süddeutschesteht der Kunst noch als naiv Genießender gegenüber und kümmertsich blutwenig um das Symbolische, das in das Stück hinein-geheimnißt wurde.—— Das Sensationsschauspiel„Trilby" wird am ersten Aprilim Nene» Theater in Szene gehen. Die Titelrolle wird MarieReiseuhoser spielen.—— Im Volks-Theater wird heute(Donnerstag) die HeinrichWillen und Sigmund Haber'sche Gesangsposse„Signor Piffarcllo"gegebe».—Knnsthandwcrk.— Ein Buch für 2 l 0 t) Mark. Im Börsenblatt für dendeutschen Buchhandel berichtet Theod. Göbel über eine Publikation,welche nach dem Urtheil dieses Kenners alles bisher Dagewesene,wenigstens was die chromolithographische Vervielfältigung betrifft,weit"hinter sich läßt. Ein Amerckaner, William Thomson Walters,veröffentlicht darin den werthvollsten Theil seiner Kunstsammlung,nämlich eine Reihe ausgesuchtester Werke orientalischerKeramik. Die 1!S chromolithographischen Tafeln sollen alsebenso großartige Meisterwerke ihrer Technik gelten müssenwie die dargestellten Objekte als unvergleichliche Meisterwerkeder Töpferknnst. Nachdem die namhaftesten lithographischenAnstalten in Paris sich nickt im stände gezeigt hatten, in ihrenfarbigen Probedrucken die Tiefe und den Reichthum der Farbensowie den oft metallischen Glanz des orientalischen Porzellanswiederzugeben, wurde der Deutsch-Amerikaner Louis Prang inBoston mit der Herstellung dreier Probetafeln beauftrags und erhieltalsbald die AnSführnng aller Platten übertrage», wobei ihm betreffsdes Kostenpunktes völlig freie Hand gelassen wurde. Nach zwei-jähriger Arbeit wurden 20 fertipe Tafeln den Pariser Lithographenvorgelegt, und diese wollten nicht glauben," daß es ausschließlichDrnckerzeugniffe seien. Nach sieben Jahren war das Werk vollendet.Rur eine geringe Anzahl von Tafeln ist weniger als zwanziginaldurch die Presse gegangen, es sind aber auch solche darunter, dievierundvierzig Mal durch die Presse gingen. Ter Text ist von demKenner der chinesischen Sprache und der orientalischen KeramikDr. S. W. Bushell verfaßt, der seit länger als 25 Jahre» in Chinaweilte. Der Titel des Werkes lautet:„Orionial Ceramik Art.Illnstrated with 116 plates in colors and 437 black and withecuts, reproducing specirnens in the collection of W. T. Walters.With a cornplete history of oriental porcelain, including process,rnarks, etc. by 8. W. Bushell." Der Preis von 500 Dollars istkeineswegs als Liedhaberpreis anzusehen, sondern würde, weu» dieganze 500 Exemplare betragende Auflage verkauft würde, kaum zurDeckung der Kosten hinreichen.—Technisches.— Die Eröffnung der Sladtbahn in Glasgow,deren Bau bereits 1830 vom Parlament genehmigt wurde, wird innächster Zeit erfolge». Die Bahnlinie hat«inen kreisförinigen Laufund eine Länge von 10 Kilometern, sie ist durchweg unterirdisch an-gelegt und muß zweimal den Clydefluß durchschneiden. Betriebenwird die Bahn mittels eine? Drahtseiles, sie besitzt zwei Geleise von1,32 Meter Spurweite mit der Besonderheit, daß jedes Geleisein einem besonderen Tunnel liegt, um nicht einer Höhlungmit zu großem Querschnitt zn bedürfen. Jeder Tunnelhat einen Durchmesser von 3.65 Metern, was insofernschon kostspielig genug war. als sehr schwierige Bodenarte» zu durch-stechen waren. 15 Bahnhöfe vertheilen sich auf die Strecke, vondenen die meisten zwischen zwei Stützmauern unter freiem Himmelliegen. Der Bau hat etwa 26 Millionen Mark gekostet, für dieVentilation der völlig in der Erde liegenden Strecken sind besondereBorkehrungen getroffen. Die Drahtfeile werden von zwei Maschinenmit zusammen 3000 Pferdekräften in Betrieb gesetzt. Man gedenktin Abständen von fünf Minuten Züge mit zwei Wagen, in denen80—100 Menschen Platz finden, verkehren zu lassen.—Humoristisches.—» Titulaturen. Der deutsche Spießer will stets mehrerscheinen. alS er ist. In einen schön klingenden Titel ist ergeradezu vernarrt. Und hat er keinen, so macht er sich einen. DiesesStreben tritt besonders in den Kurlisten der Badeorte zu tage. Auchin Zeitungen. Unlängst hat einer einige Jahrgänge der„M. N.N."daraufhin durchgesehen. Er fand i» dem Blatte folgend« Liste vonTitel»: Gerichtsvollzieherskandidal. königl. Hosthealersarbenreiber-gchilse, Zentraliinpiungsarztensgaltin, Magistrats- und Damen«konfektionsgeschäslsinhaber, Wafferversorgungstechnikcr, Haderniedcr-lagbesitzer. Gefreitenswittwe und bürgerliche Tändlerin, Fenster-reiuigerstochler.Kälbersührerswillive.Feueranzünderanferliger, Speise-fettfabrikanlenstochter, Kostüm-, Münzen- und Alterthümergeschäfts-inhaber, Flascheuwaschersehelenle, Hoskellereiofsiziantenskind. Bürsten-einziehersgattin, Velozipedfahrlehrer, städtisches Freibankwägerskind,nolhgetausles Geschmeidemachergehilfeuskind, Universitätshypolheken-beamtenstochter, itälbermagenhändlerskind, Realitäten- undLatrinenreinigungsbesitzer, königliche Generaldirektionsratbstochter,aseuhaarschueidersgatliu, Forstdirektions-Manipulaut, königlicheoflaudschastplastikers- Gattin, Zentrakreinigungsiustilutsinhaber.rechtskundige Bürgermeisterswittwe, Oberplakatanschlägerstochker,nothgelaufies Zuschneidersmädchen, Kadetlenkorvsanfwärlerskind.Steiierkatasterrepartilorswillive, Backofenbancrsknabe. Thier-ansstopsersgatti», Kofferträgerseheleute, kurfürstliche Hoswachs-bleicherstochter, Polizeisunktionärsehegaltin, Papierspitzenklopferei-besitzer, bürgerliche Milchinaiinswittwe, Laboranteiiskind. Gestüts-wärtersgattin, Kreiskassa- Beiboteusgattin, Blitzableitersetzers-knabe, Juvalidenstochter. Rentamtsbeibole, Sleuerkatasterregistralors-wiltwe, Jntendanturasststentensgalliu, Geflügelmästersgatti», Saud-grubenpächterskind.— Der schönste Titel aber findet sich imSchematismus der österreichischen Beamtenschaft; er lautet: k. k.Oberentensänger. Leider wohnt der Man», den dieser Titel schmückt.Sommer wie Winter in Kärnlhe». Man könnte sonst in ihm rechtgut den Chefredakteur eines offiziösen Blattes vermuthen.—— Der Stellvertreter. Bei den am Dienstag in Wienstattgehabten Reichsraths-Wahlen für die V. Kurie tritt ein zwölfjähriger Junge in ein Wahllokal, stellt sich vor die Wahlkommissionhin und sagt:„I bitt', mein Baler kann nicht kommen, ich möcht' für ihnwählen."„Das ist nicht möglich; der Vater muß selbst kommen."„I bitt', dann kann vielleicht die Mutter kommen."„Nein, das geht auch nicht."Kopsschüttelnd und sehr unzufrieden entfernt sich der Knabe.—Vermischtes vom Tage.— T h o r n. Im Vororte Mocker sind 30 Personen, die Fleisch-waaren in ein und demselben Geschäft gekauft hatten, an der Trichi-nofis erkrankt. Der Lehrling des Schlächters ist bereits gestorben.—— Auf der Festung W e i ch s e l m ü n d e vergiftete sich einStudent, der ivegen eineS Duells zu sechs Monaten Festung ver-urtheilt worden war.—— Auf dem Gute Tesche» bei L a a g e i. M. führte eineTagelöhnerfrau, die mit ihrem Manne in Unfrieden lebte, ihre vierKinder im Alter von zwei Monaten bis zn sechs Jahren an denDorfleich, warf die drei älteren Knaben ins Waffer und sprang mitdem Säugling hinterher. Die Frau und der Säugling wurde» ge-rettet, die drei Knaben ertranken.—— In Wilheln, sburg hatte ein polnischer Arbeiter 3000 M.in der Lotterie gewonnen. Da er nicht deutsch verstand, gab erfeinem Logisvater das Loos mit dem Anslrage, den Gewinn zn er-hebe»; 1000 M. könne er für seine Mühewaltung behalten. DerWirth erhob das Geld, gab aber dem Polen nur 3000 M. und ver-duftete mit den übrigen 5000 M.—— Eine Frau, die über 200 Pfund wog, hatte unlängst de»Wochenmarkt in My slowi tz besucht und ein Schock Eier gelanst.die sie in ein Marktnetz that. Auf der Heimfahrt wollte sie jemandPlatz machen, fiel aber dabei von der Koupeebank und zwar mitte»unter die Eier. Es blieb nicht eines ganz.—— An? Lemberg wird gemeldet: Privatnachrichten zufolgehabe» am 7. März etwa 500 Bauern die Bewohner des Städtchen?Spola im Gouvernement Kiew mit Dreschflegeln und Sensen über-fallen. Zahlreiche Hänser von reichen Bürgern wurden zerstört.Die Plünderungen nahmen große Ausdehnung an. Das Haus einesHandelsmannes wurde dem Erdboden gleich gemacht. In anderenHäusern wurde Geld gestohlen. Viele Personen erlitten erheblicheVerletzungen. Ans telegraphische Requisition wurde von KiewMilitär abgesandt. Die rusfische Regierung hat den Blättern unter-sagt, über diese Ruhestörung eNvas zu berichte».—— Sonderbare Todesursache. In Greiz ist imKraukenhause eine Frau gestorben, die sich beim Niesen«ine Darm-verschlingung zugezogen hatte.—— Bedeutende Wasserschäden hat das Hochivasser inder Unigebung von Jaszbereny und M i s c o l c z(Ungarn) an-gerichtet. Die Felder stehen meilenwett unter Wasser. Viele Ortfchajtensind von jedem Berkehr abgeschnitten.—— Der französische Dampfer„Blanche" ist bei San S e'b a st i a n(Golf von Biskaya) mit IS Mann Besatzung unter-gegangen.—— Brüssel. Im Bergwerke Qnaregnon riß der Aufzug. Zahl-reiche Bergleute stürzten mehrere hundert Meter in die Tiese. DieZahl der Umgekommenen ist noch unbekannt.—_Verantwortlicher Redakteur: Angnft Jacobey in Berlin. Druck und Verlag vo» Max Babing in Berlin.