republikanischen Sympathien, seine rührende Unparteilichkeit legten ihm unaufhörlich die Worte auf die Lippen:Sprechen Sie nur von Thatsachen, die Sie persönlich betreffen; ich verbiete Ihnen, von Politik zu sprechen." Monsieur Chretien, mein Ankläger, schloß seine Anklage damit, daß er meinen Kopf verlangte. Er konnte ihn nicht bekommen und mußte sich mitZwangsarbeit auf Lebenszeit" begnügen. Ich blieb noch einige Monate in meiner Zelle. Den Herbst verbrachte ich unter der beständig über mir schwebenden Drohung, nach dem Bagno in Toulon   zu kommen. Mein Freund Dupont de Bussac, ein alter Freund von Viktor Lefranc. der zur Zeit gerade Minister war, erwirkte, daß ich einstweilen in Versailles   bleiben konnte, aber wir wußten nicht, wie lange dies Provisorium dauern würde. Als das Portefeuille des Innern an Mr. de Goulard kam, war mein Schicksal bald entschieden. Ein neuer Schub von fünfzehn zu Zwangsarbeit Verurtheilten kam an. Wir wurden alle in einen Saal eingeschlossen, in dem Gefangenen- kleider aufgehäuft waren, die wir anziehen mußten. Kaum fanden diejenigen, für die zärtliche Herzen schlugen, Zeit, ein letztes Lebenswohl aufs Papier zu werfen. An den Händen gefesselt, wurden wir in einen Wagen mit mehreren Abtheilungen gepackt, der unter demBc- vollmächtigten" stand, d. i. einem Beamten, der mit der Ueber- führung der Verurtheilten von Gefängniß zu Gefängniß, oder vom Gefängniß ins Bagno betraut ist. Einige, die nicht ge- nügend Platz im Wagen finden konnten, mußten mit ge- krümmtem Rücken stehen. Wir fuhren in Paris   bis zum Lyoner Bahnhof, wo ich bei Gaslicht unter den Passanten einige Freunde erkannte. DerZufall ersparte uns denAnblick jeder Frau, Mutter oder Tochter. Reue Umladung. Wir bestiegen einen langen Zellenwagen, speziell für die Gefangenen bestimmt; wir saßen wie angeschnallt; die Wände dieser Käfige zwängten unsere Körper ein, die Kniegelenke wurden ganz steif. Diese unfern Gliedmaßen, unfern Lungen auferlegte Probe dauerte drei Tage. In Vesoul   nahm uns das Hospitalgesängniß für eine Nacht auf. Unterwegs hatte man vier Diebe oder Mörder aufgelesen, die mit uns zusammengethan wurden. Wir marschirten zu Fuß durch die Stadt; mein Handgelenk war mit dem eines der Diebe zusammengeschloffen. Ans der Eisenbahn krochen wir wieder in unsere Löcher. Ich suchte, während ich mich vom Zuge schaukeln ließ, mir durch eine Willensanstrengung das Fieber vom Leibe zu halten, das mich zu packen drohte. DerBevollmächtigte" wurde immer gefälliger: ich hatte den Schlüssel, zu seinem Benehmen. Als wir nämlich dem Bahnhof von Toulon   nahe kamen, rieth er uns, uns aller Dinge zu entledigen, die nichtordonnanz- mäßig" waren. Er stellte uns vor, daß alle ins Bagno   ein- geführten Packete nicht, wie wir dächten, an unsere Familien zurückgesandt, sondern verbrannt würde». Wäre es da nicht besser, wenn wir sie ihm überließen, da wir ja mit ihm zufrieden gewesen seien? Dieser glänzenden Logik ergab man sich denn ge- wöhnlich und schenkte ihm die zum Schutze gegen die Kälte mitgebrachten Kleider. Wir stiegen von» Zellenwagen und kamen beim Arsenal   an. Schuhe und Strümpfe wurden uns ausgezogen und unsere Füße in unbeschreibliche Lumpen ge- steckt. Hinter uns her lief und rief es:Schenkt uns Euer Gepäck!'s wird doch alles verbrannt!" Es war am 26. Dezember im Zwielicht. Wir marschirten bei einem feinen Regen auf Glatteis-Boden und kamen so nach einem der Bagnos. Als ich eintrat, sah ich zunächst nur einen Reflex von rother, gelber und grüner Farbe und hörte ein sonderbares Geräusch, ähnlich dem Knirschen eines Husens in Bewegung befindlicher Flaschenscherben. Das Roth Mmmle von den Jacken, das Gelb leuchtete von den Beinkleidern, das Grün schimmerte von den Mützen, sofern sie nicht auch roth waren, um die Sträflinge auf Zeit kenntlich zu machen. Der Lärm rührte von Ketten her, die vom Knöchel bis zur Leibesmitte reichten und rasselten, so oft sich die unteren Extremitäten de- wegten. Dann faßte ich den Raum, der diese Schaar von Verurtheilten enthielt, näher ins Auge. Ein langer Saal, dessen von mir entfernteste Ecke sich im dunkele» Schatten verlor, in dessen Mitte der ganzen Länge nach zwei Reihen Feldbetten, durch eine niedrige Scheidewand getrennt standen: an den Mauern entlang ordinäre Wasch- und Spüleimer; «in Gitter statt der Thür das war alles. Die Masse der Sträflinge drängte sich dicht vor uns; nur die Betten trennten uns. Ich hörte sie murmeln: Kommunards!" Die Bestialität drückte sich auf den meisten dieser von allen Lastern verwüsteten Gesichter aus. Der nwralische Adel, der von innen strahlt und sympa- thische Reflexe nach außen wirft, war erloschen, in der Niederträchtigkeit untergegangen. Die derbe Energie, die einige Physiognomien ausdrückten, war die unbewußte eines Tigers. Hierher!" rief die brutale Stimme eines Wärters. Die Wärter der jetzt aufgehobenen Bagnos Frankreichs   waren Soldaten, welche diese allgemein verachtete Stellung annahmen, weil sie etwas mehr Sold erhielten. Sie waren von den Sträflingen gehaßt und sie haßten diese. Aber die Wirkung dieses Hasses war sehr ungleich. Die Wärter hatten den Vor- theil, ihren Haß sruktifiziren zu können. Der Wärter, der uns gerufen hatle, war eine besonders grollerfüllte, rachsüchtige Natur, weil er verkrüppelt und von ungesunden Körpersästen war. Er zeigte auf eine Badewanne und schrie:Badet Euch!" Die Sitte ini Bagno   zwang den Neuangekommenen dieses Bad auf, aus Reinlichkeitsrücksichten. Trugvolle Zeremonie, denn das ekelerregende Wasser desselben war nur geeignet, schmutzig zu machen. Jeder zog sich vollständig nackt aus und wartete, bis er daran kam, in diese Jauche zu tauchen. Als dies geschehen war, warf man uns Lumpen über, die das Bagno zur Verfügung hatte. Einige erhielten eine ganz neue Livree, ein Lotterieglück! Ich für meinen Theil bekani scheußliche Lumpen, die von den Leibern von mindestens zehn Sträflingen beschmutzt waren. Ich zog die gelbe Hose an, die an den üften offen ist, damit die Kette durchgezogen werden kann. ie doppelte Reihe Knöpfe war fast gänzlich verschwunden. Tann zog ich die rothe Jacke mit ausgefransten Aermeln an, die mit einer dicken Fett- und Schmutzkruste bedeckt und buntscheckig von Flickflecken war. Ich setzte die grüne Mütze auf, die ein Schild mit einer Nummer trug. Aber dieses war theilweise abgetrennt und baumelte hin und her. Gesammterscheinuug ebenso traurig wie grotesk; Anzug eines Verbrechers und Hanswurstes zugleich. Gewisse Sträflinge, die Eleganten des Bagno  , schmückten und putzten sich, ins- besondere thaten das die Schreiber der Bureaus und Kanzleien. Sie ließen ihre Jacke offen stehen und schlugen sie auf der Brust um, wie eine Rockklappe, setzten ihre Mütze verwegen aufs Ohr, ihre Schuhe glänzten, als ob sie lackirt wären, und o unergründliche menschliche Tollheit! sie polirten ihre Ketten! Kopf- und Barthaar mußte fallen, der Bagno  -Barbier er- schien. Seine Abonnenten hatten das Recht auf ein auserwähltes Rasirmesser; die Widerspenstigen kamen unter dasStraf-Rasir- meffer". Ich beeilte mich, Abonnent zu werden. Wir ginge» aus seinen Händen mit kahlem Gesichte und fast kahlem Kopfe hervor. Ueber die Kopshaut liefen paralelle Qnerstreifen. Dieser Haarschnitt sollte, wie die Brandmarkung auf der Schuller, ein Erkennungszeichen sein, um der Entkommenen leicht Hab- hast zu werden. Morgen wirst Du angeschmiedet, heut' ist's zu spät", sagte der Wärter zu mir, indem er sich entfernte. Deninneren Dienst" hatten die Saaldiener. Sie waren von den Sträflingen, die sie für Angeber hielten, allgemein gehaßt und verachtet. Der Sergeant der Bagno  -Wärter erschien am Gitter.Zu Bett!" brüllte er mit gebieterischem Tone. (Fortsetzung solgt.) SonnkttgspIstNVevvi. Drübe und ungnädig will uns der Frühling erscheinen. Unter Sturm und Regenschauern hat er sich angekündigt. Eine unwill- kommene Beigabe für jenen Theil unserer Bürgerschaft, der sich zur rauschenden Festwoche rüstet. Eine unwillkommene Beigabe auch für die Arbeite», die den Eindruck hervorbringen sollen, als sei das Denkinat an der Schloßsreiheit fix und fertig. Die nassen Schauer, die uns der Himmel sendet, sind freilich nicht so schlimm, als das Verse-Geplälscher, das unbarmherzig auf uns niederträufelt. Nieuials ist freier, selbstherrlicher Kunst so viel Gewalt angethan worden, als es zur Zeit von den Neu- Byzantinern geschieht. Die Theater, die auch sonst gerade für rüstige Männer nicht der angenehmste Aufenthalt sind, werden vollends zu großen Kinderstuben. Mit vierMark- steinen aus preußischer Geschichte", einer lehrhaften Dynastenver- herrlichung, die ein türkischer Staatsbürger, Herr Rosse, dank- schuldigst zurechtgezimmert, hat das Berliner   Theater, ein deutsches Familienhaus, eifrig begonnen, und heute sangen die großen Schlachten widerNapolium" an. Der grimme Wildenbruch marschirt mit seinem.Willehalm" an der Spitze der dichtenden Drachentödter. Es ist nicht genug, daß Herr v. d. Psordten die Scheusäligkeit des ersten Napoleon's i» seinem� Schauspiel1812" nach Schulbuchmanier darstellt, auch Wildenbruch, der Shakespeare   unserer Uckermark, krempelt feine Aermel auf und ringt den armen Napoleon in seiner Berserkerwuth